Europarecht

Kein Schadensersatz für Fahrzeug mit unzulässiger Abschalteinrichtung bei Erwerb des Fahrzeugs nach Aufspielen des Updates

Aktenzeichen  54 O 140/21

Datum:
7.5.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 15304
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Landshut
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 823, § 826

 

Leitsatz

1. Vgl. zu 3,0 Liter-Motoren von Audi mit unterschiedlichen Ergebnissen auch: OLG Köln BeckRS 2020, 10284; OLG Hamm BeckRS 2020, 41423; OLG Stuttgart BeckRS 2020, 5656; OLG Koblenz BeckRS 2020, 34715; LG München II BeckRS 2021, 9731; LG Nürnberg-Fürth BeckRS 2020, 17853. (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine sog. Nahezu-Strategie, also die softwaremäßige Nachstellung der NEFZ-Bedingungen dergestalt, dass das Fahrzeug nur in den Umgebungsbedingungen des Prüfstands die Abgaswerte einhält, während bei Realbedingungen das Fahrzeug die Abgasreinigung anders durchführt, da die Bedingungen des Prüfstands im Realbetrieb faktisch nie gleichzeitig vorliegen, stellt eine unzulässige Abschalteinrichtung dar. (Rn. 12 – 13) (redaktioneller Leitsatz)
3. Diese Nahezu-Strategie kann – mangels Täuschung über das Nichtvorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung – zu keinem kausalen Schaden beim Käufer des Fahrzeugs führen, wenn die fehlerhafte Motorsteuerungssoftware bereits vor Erwerb durch den Käufer an dem Fahrzeug durch Einspielen eines vom Kraftahrt-Bundesamt zugelassenen Updates beseitigt worden ist. (Rn. 14 – 15) (redaktioneller Leitsatz)

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
1) Ein Anspruch aus § 826 BGB besteht ebenso wenig wie ein Anspruch aus § 823 BGB.
a) Gerichtsbekannt ist der hier streitgegenständliche Motor (Kennzeichen CVUB) von der sog. Nahezu-Strategie betroffen. Diese Strategie umfasst die software-mäßige Nachstellung der NEFZ-Bedingungen dergestalt, dass das Fahrzeug nur in den Umgebungsbedingungen des Prüfstands die Abgaswerte einhält, während bei Realbedingungen das Fahrzeug die Abgasreinigung anders durchführt, da die Bedingungen des Prüfstands im Realbetrieb faktisch nie gleichzeitig vorliegen. Die Betroffenheit dieses Motors ergibt sich beispielsweise aus der Anklageschrift gegen den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Beklagten Rupert Stadler, die in mehreren Verfahren dem Gericht vorgelegt wurde.
Zu Recht hat das Kraftfahrt-Bundesamt diese Nahezu-Strategie als unzulässige Abschalteinrichtung eingestuft, da der Effekt dieser Strategie der gleiche ist wie die Prüfstandsumschaltung beim EA189-Motor der V. AG.
b) Die grundsätzlich für derartige Motoren bestehende Haftung der Beklagten kann aber im vorliegenden Fall nicht zu einem kausalen Schaden beim Kläger führen, da dieser bei Abschluss des Kaufvertrags nicht mehr über das Nichtvorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung getäuscht werden konnte.
Unstreitig ist die fehlerhafte Motorsteuerungssoftware bereits vor Erwerb durch den Kläger an dem Fahrzeug durch Einspielen eines vom Kraftahrt-Bundesamt zugelassenen Updates beseitigt worden, nämlich am 28.02.2019, fast ein Jahr vor Erwerb durch den Kläger.
Damit entsprach aber das Fahrzeug zum Zeitpunkt des Erwerbs (und nur darauf kann es aus Sicht des Klägers ankommen) den entsprechenden Anforderungen der VO (EG) 715/2007. Der Kläger ist auf diesen Gesichtspunkt nicht eingegangen, stattdessen wurde in der Klageschrift zu einer Vielzahl von Rückrufen vorgetragen, die mit dem streitgegenständlichen Fahrzeug nichts zu tun haben und in der Replik zu Nachteilen des Updates vorgetragen, die hier nicht relevant sein können, da das Fahrzeug von Beginn an genau den Vorgaben der regulatorischen Bestimmungen entsprach.
Der Kläger konnte in der Verhandlung auch nicht auf Frage des Gerichts erklären, warum er sich erneut für ein Fahrzeug der Beklagten entschieden hatte, nachdem das Vorgängerfahrzeug, ein Audi A4, ebenfalls vom Abgasskandal betroffen war und mit einem Update versehen werden musste. Dazu passt allerdings auch die Tatsache, dass der Kläger mangels Beratung durch die ihn vertretende Kanzlei keinerlei Ahnung von den Konsequenzen eines zusprechenden Urteils hat, nämlich der Verpflichtung zur Rückgabe des Fahrzeugs. Auf die relevanten Gesichtspunkte, hier das bereits vor Erwerb aufgespielte Update, wurde nicht vorgetragen, die „Folgen des Updates“ (S. 5 der Replik vom 12.04.2021, Bl. 105 d.A.) sind ersichtlich ins Blaue hinein vorgetragen, da der Kläger auf Befragen des Gerichts ausdrücklich erklärte, dass er aufgrund der kurzen Besitzzeit zum Thema Verbrauch und Fahrleistung keine Aussagen tätigen könne. Ein Vergleich mit den Fahrleistungen vor dem Update ist dem Kläger ohnehin nicht möglich, da er das Fahrzeug ja bereits mit dem Update erworben hat.
Ein möglicher Wertverlust, wie ihn der Kläger in der Replik behauptet, kann den Kläger gar nicht kausal betreffen, da er das Fahrzeug bereits mit dem geringeren Wert (sollte diese Behauptung überhaupt zutreffen) erworben hat.
2) Mangels Hauptanspruchs besteht weder ein Anspruch auf Feststellung des Annahmeverzugs noch auf Ersatz außergerichtlicher Kosten.
3) Die Kostenfolge ergibt sich aus § 91 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit resultiert aus § 709 ZPO. Der Streitwert folgt der Klageforderung.


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