Europarecht

Kein vorbeugender Unterlassungsanspruch gegen Warentestberichterstattung

Aktenzeichen  9 O 11793/17

Datum:
11.9.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
AfP – 2018, 89
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 1004

 

Leitsatz

Die einen vorbeugenden Unterlassungsanspruch begründende Annahme einer Erstbegehungsgefahr für zukünftige Rechtsverletzungen setzt voraus, dass der Betroffene von der bevorstehenden Rechtsverletzung Kenntnis erlangt. Eine solche Kenntniserlangung besteht noch nicht darin, dass der Betroffene im Rahmen von Recherchemaßnahmen von einem möglichen Inhalt der beabsichtigten Berichterstattung Kenntnis erlangt. Denn in diesem Zustand der Recherche steht gerade nicht fest, welchen Inhalt die beabsichtigte Berichterstattung (hier: über ein Warentest-Ergebnis) haben wird. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die einstweilige Verfügung des Landgerichts München I vom 10.08.2017, Az. 9 O 11793/17 wird aufgehoben und der Antrag zurückgewiesen.
2. Die Verfügungsklägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Verfügungsklägerin kann die Vollstreckung der Verfügungsbeklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Verfügungsbeklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Gründe

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 10.08.2017 erweist sich als nicht begründet. Die einstweilige Verfügung vom 10.08.2017 war daher aufzuheben. Weiter war der Antrag auf Feststellung der Erledigung der Hauptsache zurückzuweisen.
I.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung war nicht begründet.
1. Zwar stand der Verfügungsklägerin gegen die Verfügungsbeklagte ein Anspruch auf Unterlassung der Behauptung zu, dass in dem Produkt … eine Silberchlorid-Konzentration von 38 mg/kg enthalten sei. Es handelt sich hierbei um eine unwahre Tatsachenbehauptung, die die Verfügungsklägerin in ihrem Unternehmenspersönlichkeitsrecht verletzt.
2. Es besteht jedoch kein Verfügungsgrund im Sinne von § 935 ZPO.
Die Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs setzt voraus, dass die behauptete Rechtsverletzung bevorsteht. Dieses Tatbestandsmerkmal kann sich aus dem Gesichtspunkt der Wiederholungs- oder der Erstbegehungsgefahr ergeben. Wiederholungs- oder Erstbegehungsgefahr sind damit zwingende materiell-rechtliche Voraussetzungen jedes Unterlassungsanspruches (BGH NJW 2005, 594; BGH NJW 1954, 1682).
Dabei kann die Annahme einer Erstbegehungsgefahr für zukünftige Rechtsverletzungen nur ausnahmsweise in Betracht kommen. Sie setzt voraus, dass der Betroffene von der bevorstehenden Rechtsverletzung Kenntnis erlangt. Eine solche Kenntniserlangung besteht noch nicht darin, dass der Betroffene im Rahmen von Recherchemaßnahmen von einem möglichen Inhalt der beabsichtigten Berichterstattung Kenntnis erlangt. Denn in diesem Zustand der Recherche steht gerade nicht fest, welchen Inhalt die beabsichtigte Berichterstattung haben wird. In diesem Stadium würde eine vorbeugende Unterlassungserklärung auch die Aufgabe der Presse, ungehindert zu recherchieren und frei zu berichten, übermäßig beeinträchtigt werden (Söhring/Hoene, 5. Auflage § 30 Rn. 13 mit weiteren Nachweisen).
Zwar kann in Ausnahmefällen eine Konstellation dergestalt bestehen, dass bei vernünftiger Betrachtung mit der Veröffentlichung einer die Persönlichkeitsrechte des Antragstellers beeinträchtigenden Veröffentlichung sicher zu rechnen ist. In diesem Fall kann auch ausnahmsweise ein vorbeugender Unterlassungsanspruch bestehen.
Im vorliegenden Fall hat sich die Verfügungsbeklagte trotz mehrerer Anfragen der Verfügungsklägerin nicht ausdrücklich dazu geäußert, dass sie von der fraglichen Berichterstattung Abstand nehmen werde. Sie hat indessen aber angekündigt, dass sie sich mit den Einwendungen der Verfügungsklägerin auseinandersetzen wird. Die Verfügungsklägerin hat auch nicht dargetan, dass sich die Verfügungsbeklagte in der Vergangenheit über Einwendungen ihrerseits hinweggesetzt habe und hat sogar vorgetragen, dass die Verfügungsbeklagte in einem persönlichen Telefongespräch mit dem Chemiker der Verfügungsklägerin nochmals eine weitere Überprüfung in Aussicht gestellt hätte.
In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass sich die Verfügungsbeklagte regelmäßig mit Einwendungen konfrontiert sehen muss, dass die von ihr mitgeteilten Prüfergebnisse unzutreffend seien. Die Verfügungsbeklagte hat daher nachvollziehbar vorgetragen, dass konkrete Mitteilungen zu erfolgten Nachprüfungen für sie schon aus zeitlichen und organisatorischen Gründen kaum zu bewerkstelligen seien. Vor allem aber würden derartige Mitteilungen über Nachprüfungen regelmäßig erneute Gegenvorstellungen nach sich ziehen. Derartige Diskussionen im Vorfeld der Veröffentlichung würden aber dem Auftrag der Verfügungsbeklagten, den Verbraucher unabhängig über durchgeführte Testergebnisse zu informieren, konterkarieren.
Unter Berücksichtigung der hier dargestellten Interessenlagen der Verfügungsklägerin und der Verfügungsbeklagten und angesichts der Tatsache, dass die Verfügungsbeklagte eine weitere Nachprüfung der Ergebnisse zu keinem Zeitpunkt verweigert hatte, kann daher von einer Erstbegehungsgefahr nicht ausgegangen werden.
Ein Unterlassunganspruch der Verfügungsklägerin bestand daher zu keinem Zeitpunkt.
Die einstweilige Verfügung vom 10.08.2017 war daher aufzuheben.
3. Entsprechend war auch der Antrag auf Feststellung, dass sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung erledigt habe, zurückzuweisen.
Im Falle einer nur einseitigen Erledigterklärung ist die Erledigterklärung als Festellungsantrag mit dem Ziel der Feststellung, dass sich die Hauptsache erledigt habe, auszulegen.
Die Feststellung der Erledigung setzt voraus, dass der Antrag ursprünglich zulässig und begründet war BGH NJW 20014, 2199). Dies ist indessen nicht der Fall; der ursprüngliche Antrag war mangels Verfügungsgrund nicht begründet. Auf obige Ausführung wird Bezug genommen. Daher war der Antrag auf Feststellung der Erledigung zurückzuweisen.
II.
Die Kostenfolge beruht auf § 91 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 6, 711 ZPO.


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