Europarecht

Kein vorläufiger Rechtsschutz gegen Abschiebung nach Bulgarien im Dublin-Verfahren

Aktenzeichen  M 1 S 16.50995

Datum:
7.12.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 34a Abs. 1
Dublin III-VO Dublin III-VO Art 3 Abs. 2, Art. 18 Abs. 1
EMRK EMRK Art. 3
GRCh GRCh Art. 4
VwGO VwGO § 80 Abs. 5

 

Leitsatz

1 Angesichts der grundlegenden Veränderungen im Laufe des Jahres 2014 bestehen in Bezug auf Bulgarien nach aktuellem Kenntnisstand keine durchgreifenden Bedenken, dass einem Asylbewerber im Falle seiner Rücküberstellung dorthin eine menschenunwürdige Behandlung droht. Bulgarien gewährleistet derzeit ein ausreichendes Verfahren zur Aufnahme von Flüchtlingen und zur Durchführung eines effektiven Prüfungs- und Anerkennungsverfahrens (wie VGH München BeckRS 2016, 54889). (red. LS Clemens Kurzidem)
2 Im Hinblick auf die Aufnahmebedingungen von Asylsuchenden in Bulgarien ist derzeit nicht von systemischen Mängeln im Sinne von Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 Dublin III-VO auszugehen. Früher bestehende Missstände in Aufnahmeeinrichtungen sind in baulicher wie auch in personeller Hinsicht im Wesentlichen behoben worden. (red. LS Clemens Kurzidem)
3 Für Dublin-Rückkehrer bestehen keine prinzipiellen Zugangshindernisse zum bulgarischen Asylverfahren. Ihnen kommen die gleichen Rechte wie Erstantragstellern zu. (red. LS Clemens Kurzidem)
4 Die Möglichkeit, dass in Bulgarien Asylbewerber nach bestandskräftiger Ablehnung ihres Asylgesuchs in Abschiebungshaft genommen werden, stellt für sich genommen keinen systemischen Mangel des bulgarischen Asylsystems dar. Denn mit der Anordnung von Abschiebungshaft wird das zulässige Ziel verfolgt, den Zugriff auf einen Ausländer sicherzustellen, dessen Abschiebung ohne Inhaftnahme ansonsten erschwert oder gar vereitelt würde. (red. LS Clemens Kurzidem)
5 Der Umstand, dass sich die allgemeinen Lebensverhältnisse in Bulgarien deutlich schlechter darstellen als in der Bundesrepublik Deutschland, begründet für sich keinen systemischen Mangel. Art. 3 EMRK verpflichtet die Konventionsstaaten nicht dazu, Schutzberechtigte finanziell zu unterstützen, um ihnen einen bestimmten Lebensstandard einschließlich bestimmter Standards medizinischer Versorgung zu ermöglichen (vgl. EGMR BeckRS 2011, 03848). (red. LS Clemens Kurzidem)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.
Der am … geborene Antragsteller ist afghanischer Staatsangehöriger. Er reiste eigenen Angaben zufolge am … Dezember 2015 in das Bundesgebiet ein und stellte am 27. Juli 2016 dort einen Asylantrag.
In einer Erstbefragung des Antragstellers durch Mitarbeiter des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 27. Juli 2016 erklärte dieser u. a., er habe sich auf seiner Reise nach Deutschland 25 Zage in Bulgarien aufgehalten, wo man ihm die Fingerabdrücke abgenommen habe. Nachdem eine Eurodac-Abfrage am 27. Juli 2016 ergab, dass der Antragsteller bereits in Bulgarien ein Asylverfahren angestrengt hatte (Eurodac-Treffer Kategorie 1), richtete das Bundesamt ein Übernahmeersuchen an Bulgarien. Die zuständigen bulgarischen Behörden erklärte am 19. September 2016 die Zustimmung zur Rückübernahme.
Mit Bescheid vom 27. Oktober 2016 lehnte das Bundesamt den Asylantrag als unzulässig ab (Nr. 1 des Bescheids), stellte fest, dass Abschiebungsverbote gem. § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) nicht vorliegen (Nr. 2) und ordnete die Abschiebung des Antragstellers nach Bulgarien an (Nr. 3). In Nr. 4 des Bescheids wurde das Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG auf sechs Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet. Auf die Begründung des Bescheids, der dem Antragsteller am 29.Oktober zugestellt wurde, wird Bezug genommen.
Der Antragsteller erhob am … November 2016 Klage mit dem Ziel der Aufhebung des genannten Bescheids und zudem hauptsächlich mit dem Ziel der Verpflichtung der Antragsgegnerin, ihn als Flüchtling anzuerkennen (M 1 K 16.50994). Er beantragt zugleich,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, das Asylsystem Bulgariens leide unter systemischen Mängeln, die auch einen alleinstehenden Dublin-Rückkehrer beträfen und die Gefahr einer unmenschlichen und grausamen entwürdigenden Behandlung im Sinne der europäischen Grundrechtecharta und der europäischen Menschenrechtskonvention mit sich brächten. In Bulgarien sei er geschlagen worden und habe mehrere Tage in Haft verbracht, ohne einen Richter gesehen zu haben. Eine Anhörung zu seinen Asylgründen habe nicht stattgefunden, gleiches gelte für die Erteilung eines Bescheids. Der sogenannte AIDA-Report von Oktober 2015 dokumentiere die dortige schrittweise Verschlechterung des Asylsystems. Dort würden Schwachstellen im Versorgungsbereich sowie eine nicht zufriedenstellende medizinische Versorgung beschrieben.
Die Antragsgegnerin hat am 2. Dezember 2016 die Verfahrensakten in elektronischer Form vorgelegt.
Zum weiteren Vorbringen und zu den übrigen Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der nach § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG i. V. m. § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässige Antrag ist unbegründet.
Die vom Antragsteller eingelegte Klage entfaltet von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung, § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, § 75 Abs. 1 AsylG. Das Gericht der Hauptsache kann nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO auf Antrag die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Grundlage der Entscheidung ist eine eigene Interessenabwägung zwischen dem Aussetzungsinteresse des Antragstellers und dem Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin. Ein gewichtiges Indiz sind dabei die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens. Vorliegend überwiegt das Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin das Aussetzungsinteresse des Antragstellers, da die Abschiebungsanordnung gemäß § 34a Abs. 1 AsylG rechtmäßig ist. Nach § 34a Abs. 1 AsylG ordnet das Bundesamt die Abschiebung des Ausländers in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Diese Voraussetzungen sind gegeben.
Das Bundesamt hat zu Recht seine Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens abgelehnt (1.) und das Vorliegen von Abschiebungshindernissen verneint (2.).
1. Bulgarien ist für die Bearbeitung des Asylantrags des Antragstellers zuständig. Nachdem der Antragsteller in Eurodac-System mit einer Antragstellung in Bulgarien registriert ist (Eurodac-Treffer der Kategorie 1) ist Bulgarien gem. Art. 18 Abs. 1 Buchst. b Dublin-III-VO verpflichtet, diesen aufzunehmen und das Asylverfahren durchzuführen. Die Antragsgegnerin hat zu Recht die Ausübung eines Selbsteintrittsrecht gem. Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO abgelehnt. Sie war hierzu nicht aufgrund systemischer Mängel des Asylverfahrens in Bulgarien gem. Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO verpflichtet.
Das gemeinsame Europäische Asylsystem gründet sich auf das Prinzip gegenseitigen Vertrauens, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte sowie die Rechte beachten, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) finden (EuGH, U. v. 21.12.2011 – C-411/10 u. a. – juris). Daraus ist die Vermutung abzuleiten, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Grundrechte-Charta – EUGrdRCh) sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK steht (EuGH, U. v. 21.12.2011 a. a. O. Rn. 80).
Die diesem „Prinzip des gegenseitigen Vertrauens“ (vgl. EuGH, U. v. 21.12.2011, a. a. O.) bzw. dem „Konzept der normativen Vergewisserung“ (vgl. BVerfG, U. v. 14.5.1996 – 2 BvR 1938/93 u. a. – juris) zugrundeliegende Vermutung ist jedoch nicht unwiderleglich. Vielmehr obliegt den nationalen Gerichten die Prüfung, ob es im jeweiligen Mitgliedstaat Anhaltspunkte für systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber gibt, welche zu einer Gefahr für die Antragsteller führen, bei Rückführung in den zuständigen Mitgliedstaat einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung i. S. v. Art. 4 EUGrdRCh ausgesetzt zu werden (vgl. EuGH, U. v. 21.12.2011, a. a. O.). Die Vermutung ist aber nicht schon bei einzelnen einschlägigen Regelverstößen der zuständigen Mitgliedstaaten widerlegt. An die Feststellung systemischer Mängel sind vielmehr hohe Anforderungen zu stellen. Von systemischen Mängeln ist daher nur dann auszugehen, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber aufgrund größerer Funktionsstörungen in dem zuständigen Mitgliedstaat regelhaft so defizitär sind, dass zu erwarten ist, dass dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (vgl. BVerwG, B. v. 19.3.2014 – 10 B 6.14 – juris Rn. 5 f. m. w. N.). Bei einer zusammenfassenden, qualifizierten – nicht rein quantitativen – Würdigung aller Umstände, die für das Vorliegen solcher Mängel sprechen, muss diesen ein größeres Gewicht als den dagegen sprechenden Tatsachen zukommen, d. h. es müssen hinreichend gesicherte Erkenntnisse dazu vorliegen, dass es immer wieder zu den genannten Grundrechtsverletzungen kommt (vgl. VGH BW, U. v. 16.4.2014 – A 11 S 1721/13 – juris).
Angesichts der grundlegenden Veränderungen im Laufe des Jahres 2014 bestehen in Bezug auf Bulgarien nach aktuellem Kenntnisstand keine durchgreifenden Bedenken, dass dem Antragsteller im Falle seiner Rücküberstellung in dieses Land eine menschenunwürdige Behandlung im eben beschriebenen Sinn droht. In Übereinstimmung mit der obergerichtlichen Rechtsprechung (BayVGH, U. v. 29.1.2015 – 13a B 14.50039 – juris; B. v. 15.11.2016 – 13a ZB 16.50064 – juris) Rn. 4) geht das erkennende Gericht auf der Grundlage des ihm vorliegenden Erkenntnismaterials zur Situation von Asylbewerbern sowie von Dublin-Rückkehrern davon aus, dass in Bulgarien derzeit ein ausreichendes Verfahren zur Aufnahme von Flüchtlingen und zur Durchführung eines effektiven Prüfungs- und Anerkennungsverfahrens gegeben ist.
Zwar war die Situation Asylsuchender in Bulgarien nach einem Anstieg der Asylanträge zu Beginn des Jahres 2014 teilweise heftiger Kritik ausgesetzt. So ging der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) im Januar 2014 davon aus, dass in Bulgarien systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen bestünden und plädierte dafür, Abschiebungen nach Bulgarien zunächst auszusetzen (vgl. „UNHCR Observations on the Current Situation of Asylum in Bulgaria“ vom 2.1.2014). Dieser Einschätzung schlossen sich amnesty international (vgl. “Suspension of Returns of Asylum-Seekers to Bulgaria Must Continue” vom 31.3.2014), European Council on Refugees and Exiles (vgl. “ECRE reaffirms its call for the suspension of transfers of asylum seekers to Bulgaria under the recast Dublin Regulation” vom 7.4.2014) und Pro Asyl (vgl. Presseerklärung vom 23.5.2014: “Schwere Menschenrechtsverletzungen an Flüchtlingen in Bulgarien”) an. In seiner aktualisierten Bestandaufnahme vom April 2014 („Bulgarien als Asylland – Anmerkungen zur aktuellen Asylsituation in Bulgarien“, S. 2 und 17) hält UNHCR ungeachtet fortbestehender ernsthafter Mängel einen generellen Aufschub aller Dublin-Überstellungen nach Bulgarien jedoch nicht länger für gerechtfertigt, sondern empfiehlt nur bei Personen mit besonderen Bedürfnissen oder besonderer Schutzwürdigkeit von einer Überstellung abzusehen. Dem Bericht vom April 2014 zufolge haben sich die Aufnahmebedingungen im Vergleich zur Situation im Dezember 2013, die der Stellungnahme vom 2. Januar 2014 zugrunde lag, erheblich verbessert (vgl. auch VGH BW, U. v. 10.11.2014 – A 11 S 1778/14 – juris Rn. 49). Auch amnesty international sieht im Jahresbericht 2015 („Amnesty report 2015, Bulgarien“) trotz weiterhin erhobener Kritik davon ab, ein Rücküberstellungsverbot zu fordern.
Nach aktueller Erkenntnislage sind die in der Vergangenheit festgestellten Mängel in Bezug auf das Prüfverfahren und die Entscheidungen über die Gewährung internationalen Schutzes zwar nicht gänzlich ausgeräumt, jedoch sind weitgehende positive Veränderungen erkennbar, die der Annahme durchgreifender Mängel des bulgarischen Asylsystems entgegenstehen. So sind die Kapazitäten aufgrund einer technischen und personellen Aufrüstung als auch einer gezielten Ausbildung neuer Kräfte signifikant gestiegen. Damit ist mittlerweile sowohl eine ordnungsgemäße Registrierung einschließlich der notwendigen Information der Asylbewerber über den Zugang zum Verfahren gewährleistet als auch eine regelgerechte Durchführung der Asylverfahren. Die eingereisten Flüchtlinge können bei der Registrierung mit der ersten Befragung ihr Asylbegehren vorbringen; sie haben Zugang zu Dolmetschern. Haft ist für Asylbewerber während des laufenden Asylverfahrens gesetzlich nicht mehr vorgesehen. Der Zugang zu regionalen Gerichten ist eröffnet (vgl. BayVGH, B. v. 29.1.15 – 13a B 14.50039 – juris Rn. 41 m. w. N.).
Auch im Hinblick auf die Aufnahmebedingungen von Asylsuchenden in Bulgarien ist derzeit nicht von systemischen Mängeln im Sinne von Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO auszugehen. Die früher bestehenden Missstände in den Aufnahmeeinrichtungen sind in baulicher wie auch in personeller Hinsicht im Wesentlichen behoben worden. Bereits im Februar 2014 hat das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen (European Asylum Support Office – EASO) die Aufnahmezentren im Wesentlichen in einem vernünftigen Zustand vorgefunden. Die Unterkünfte wurden renoviert und die Sanitärbereiche erneuert. Nachdem UNHCR im April 2014 noch berichtet hatte, dass in zwei von sieben Zentren ungeeignete Rahmenbedingungen vorhanden seien, und AIDA im April 2014 sowie die Bundesregierung im Mai 2014 von einer Aufnahmekapazität von ca. 4.150 Plätzen bei einer Belegungsrate von 82% ausgegangen waren, stellte EASO im Dezember 2014 fest, dass die Kapazitäten signifikant auf nunmehr 6000 Plätze angestiegen und die dortigen Lebensbedingungen deutlich verbessert worden seien. Die Verpflegung sei mit entsprechenden neuen Küchen und Personal mit täglich zwei warmen Mahlzeiten sichergestellt; in vier Zentren gebe es Gemeinschaftsküchen. Zusätzliche Mitarbeiter, auch Sozialarbeiter, seien eingearbeitet worden. Zum Lebensunterhalt werde eine monatliche Grundsicherung ausbezahlt. Da jeder Asylantragsteller krankenversichert wird und eine kostenlose medizinische Behandlung im gleichen Umfang wie ein bulgarischer Staatsbürger erhält, ist die medizinische Versorgung ebenfalls gewährleistet (vgl. BayVGH, B. v. 29.1.15 – 13a B 14.50039 – juris Rn. 41 m. w. N.).
Die Verbesserung der Aufnahmebedingungen wird auch in aktuellen Auskünften des Auswärtigen Amtes an das VG Hamburg vom 30. November 2015 und an das VG Aachen vom 27. Januar 2016 bestätigt (Auskünfte des Auswärtigen Amtes an das VG Hamburg und das VG Aachen vom 30.11.2015 und 27.1.2016 – abrufbar in der öffentlich zugänglichen Datenbank MILO des Bundesamtes). Aus den beiden Stellungnahmen geht hervor, dass die Kapazitäten in den bulgarischen Aufnahmezentren trotz eines Wiederanstiegs der Asylbewerberzahlen gegenwärtig ausreichend sind, um alle im Anerkennungsverfahren befindlichen Schutzsuchenden unterzubringen. Mit Stand 23. September 2015 befanden sich laut UNHCR 2.581 Flüchtlinge in sechs Aufnahmezentren. Die Belegungsrate lag bei 50% (vgl. Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 30. November 2015). Mit Stand 24. Dezember 2015 befanden sich nach Angaben von UNHCR 612 Flüchtlinge in sechs Aufnahmezentren, die insgesamt eine Kapazität von 5.130 Plätzen aufweisen (vgl. Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 27. Januar 2016). Nach dem Eindruck des Auswärtigen Amtes hat sich die Situation in den Aufnahmezentren immer weiter verbessert und ist als insgesamt akzeptabel zu bewerten. Die EU habe beträchtliche zusätzliche Mittel zur Verfügung gestellt, um umfassende Renovierungsarbeiten in allen Flüchtlingszentren zu Ende zu bringen, auch die Öffnung weiterer Flüchtlingszentren sei geplant. Die Verpflegung der Flüchtlinge ist nach Kenntnis des Auswärtigen Amtes derzeit gesichert. Die medizinische Grundversorgung Asylsuchender ist in allen Aufnahmezentren ebenfalls gewährleistet. Jedoch könnten Personen mit besonderen medizinischen Bedürfnissen nicht immer angemessen versorgt werden. Dies betreffe in Bulgarien jedoch nicht nur Schutzsuchende, sondern auch einen Großteil der Allgemeinbevölkerung. Eine ausreichende Zahl von Dolmetschern sei vorhanden. Fehlendes Personal, auch in der Verwaltung, werde derzeit eingestellt.
Hinsichtlich der Situation von Dublin-Rückkehrer lässt sich dem aktuellen AIDA-Länderbericht zu Bulgarien, auf den der Antragsteller hinweist (Stand: 30.9.2015, S. 27 ff.), entnehmen, dass derzeit keine prinzipiellen Hindernisse beim Zugang zum Asylverfahren für Dublin-Rückkehrer anzunehmen sind. Ihnen wird grundsätzlich ein ausreichender Zugang zum Asylverfahren gewährt. Dublin-Rückkehrer erhalten die gleichen Rechte wie andere Antragsteller im Erstverfahren, d. h. sie werden im Anschluss an die Rückkehr üblicherweise in einer Aufnahmeeinrichtung untergebracht. Nur solche im Dublin-Verfahren überstellte Personen, deren Antrag auf Gewährung internationalen Schutzes durch eine bestands- bzw. rechtskräftige Entscheidung abgelehnt worden ist und die keinen Folgeantrag stellen, können in einer Haftanstalt festgehalten werden, aus der heraus dann die Abschiebung durchgeführt wird (vgl. Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Aachen vom 27.1.2016). Die Möglichkeit, dass Asylbewerber nach bestandskräftiger Ablehnung ihres Asylgesuchs in Abschiebungshaft genommen werden, stellt für sich genommen ebenfalls noch keinen systemischen Mangel des bulgarischen Asylsystems dar. Denn mit einer Anordnung von Abschiebungshaft wird das zulässige Ziel verfolgt, den Zugriff auf einen Ausländer sicherzustellen, dessen Abschiebung ohne Inhaftnahme ansonsten erschwert oder gar vereitelt würde. Artikel 5 Absatz 1 Satz 2 Buchst. f EMRK lässt ausdrücklich zu, dass die Freiheit einer Person beschränkt wird, wenn gegen sie ein Ausweisungs- oder Auslieferungsverfahren im Gange ist (vgl. VG Düsseldorf, B. v. 7.5.2015 – 13 L 1607/15.A – juris Rn. 32 ff.; VG Minden, U. v. 10.2.2015 – 10 K 1660/14.A – juris Rn. 61 ff.).
Auch der Umstand, dass sich die Situation in Bulgarien deutlich schlechter darstellen mag als in der Bundesrepublik Deutschland, begründet für sich keinen systemischen Mangel. Art. 3 EMRK verpflichtet die Konventionsstaaten nicht dazu, Schutzberechtigte finanziell zu unterstützen, um ihnen einen gewissen Lebensstandard einschließlich bestimmter Standards medizinischer Versorgung zu ermöglichen (vgl. EGMR, U. v. 21.1.2011 – 30969/09 – juris Rn. 249); auch reicht die drohende Zurückweisung in ein Land, in dem die eigene wirtschaftliche Situation schlechter sein wird als in dem ausweisenden Vertragsstaat, nicht aus, die Schwelle der unmenschlichen Behandlung, wie sie von Art. 3 EMRK verboten wird, zu überschreiten (vgl. EGMR, B. v. 2.4.2013 – 27725/10 – juris). Art. 3 EMRK ist im Kern ein Abwehrrecht gegen unwürdiges Staatsverhalten im Sinne eines strukturellen Versagens bei dem durch ihn zu gewährenden angemessenen materiellen Mindestniveau und weniger ein individuelles Leistungsrecht einzelner Antragsteller auf bestimmte materielle Lebens- und Sozialbedingungen selbst (vgl. VG Ansbach, U. v. 10.7.2015 – AN 14 K 15.50050 – juris Rn. 31; VG Düsseldorf, B. v. 15. 4.2013 – 17 L 660/13.A – juris Rn. 43 m. w. N.; OVG NW, B. v. 29.1.2015 – 14 A 134/15.A – juris). Anerkannte Flüchtlinge in Bulgarien müssen sich nach alledem auf den dort für alle bulgarischen Staatsangehörigen geltenden Lebensstandard verweisen lassen, auch wenn dieser dem hiesigen Niveau nicht entspricht (vgl. VG Magdeburg, U. v. 20.1.2016 – 9 A 58/15 MD). Dass einem anerkannten Flüchtling in Bulgarien hinsichtlich Aufenthalt, Freizügigkeit, Unterkunft, Zugang zu Arbeit und medizinischer Versorgung nicht dieselben Rechte wie bulgarischen Staatsangehörigen zustehen, ist nicht ersichtlich (vgl. VG Magdeburg, U. v. 20.1.2016 – 9 A 58/15 MD).
Bei einer Gesamtwürdigung der dargestellten Erkenntnisse geht das Gericht im Ergebnis daher davon aus, dass die noch bestehenden Defizite jedenfalls nicht die Qualität systemischer Mängel erreichen. Soweit die Bedingungen in einzelnen Aufnahmeeinrichtungen noch verbesserungswürdig sind, ist darauf hinzuweisen, dass einzelne Missstände, die in bestimmten Aufnahmeeinrichtungen auftreten, das Asyl- und Aufnahmesystem nicht insgesamt tangieren.
2. Die Klage gegen die Abschiebungsanordnung in Nr. 3 des Bescheids bleibt voraussichtlich auch ohne Erfolg, soweit Abschiebungshindernisse zu prüfen sind.
Nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG ordnet das Bundesamt, wenn der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a AsylG) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a AsylG) abgeschoben werden soll, die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Persönliche Vollstreckungshindernisse hat der Antragsteller nicht geltend gemacht. Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsanordnung bestehen somit auch insoweit nicht.
Der Antrag gem. § 80 Abs. 5 VwGO ist deshalb mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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