Europarecht

Keine Änderung der Auszahlungsmitteilung – Landwirtschaft

Aktenzeichen  W 8 K 19.1582

Datum:
3.8.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 25101
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 113 Abs. 1 S. 1, Abs. 5
VO (EU) Nr. 178/2002 Art. 14
VO (EU) Art. 91 Abs. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet, da der Bescheid des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) vom 10. Dezember 2018 und die Auszahlungsmitteilungen vom 10. Dezember 2018 und vom 27. März 2019 jeweils in Gestalt des Widerspruchsbescheides der staatlichen Führungsakademie für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (FüAk) vom 5. November 2019, rechtmäßig sind und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzen. Der Kläger hat keinen über die gekürzten Beihilfen hinaus bestehenden Anspruch auf weitere Zahlungen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und 5 Satz 1 VwGO). Die streitgegenständlichen Kürzungen sind dem Grunde und der Höhe nach gerichtlich nicht zu beanstanden.
Das Gericht nimmt auf die streitgegenständlichen Bescheide Bezug (§ 117 Abs. 5 VwGO). Lediglich ergänzend wird ausgeführt:
Das Vorbringen des Klägers richtet sich nicht gegen den festgestellten Verstoß an sich, sondern insbesondere gegen die Einstufung des Verstoßes als „schwer“ und die Höhe der vorgenommenen Kürzungen von 5%.
Die vorgenommene Bewertung der Verstöße und die Festlegung eines Kürzungssatzes von 5% ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Die Gewährung von Direktzahlungen gemäß Titel III der Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 vom 17. Dezember 2013 Haushaltsdisziplin des Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft gemäß Art. 26 der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 i.V.m. Art. 169 der Verordnung (EU, EURATOM) Nr. 966/2012, die Ausgleichszulage in benachteiligten Gebieten gemäß Art. 31 und 32 der Verordnung (EU) Nr. 1305/2013 sowie die Zuwendungen für Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen sind an die Einhaltung anderweitiger Verpflichtungen (sog. „Cross-Compliance“) geknüpft.
Dies ergibt sich aus Art. 91 und 92 der Verordnung (EU) Nr. 1307/2013, wonach bei Direktzahlungen gemäß der Verordnung Nr. 1307/2013 und Zahlungen gemäß Art. 31 der Verordnung (EU) Nr. 1305/2013 die Cross-Compliance Vorschriften gemäß Art. 93 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 1305/2013 zu beachten sind, welche im Einzelnen in Anhang II der Verordnung aufgeführt sind und die Grundanforderungen an die Betriebsführung (GAB) und die auf nationaler Ebene aufgestellten Standards für die Erhaltung von Flächen in gutem landwirtschaftlichen und ökologischem Zustand (GLÖZ) umfassen. Nach Art. 91 Abs. 2 Halbsatz 1 VO (EU) Nr. 1306/2013 findet die Verwaltungssanktion gemäß Absatz 1 nur dann Anwendung, wenn der Verstoß das Ergebnis einer Handlung oder Unterlassung ist, die unmittelbar dem betreffenden Begünstigten anzulasten ist.
Vorliegend wurden die Verstöße gegen die Standards GAB 4 LM PK 05 (Beschaffenheit von Melkgeschirr und Räumen), GAB 4 LM PK 33 (Nachweis von Substanzen gemäß VO (EG) Nr. 178/2002) und GAB 4 LM PK 25 (Rohmilch von Tieren, Wartezeit nicht eingehalten) vom Kläger eingeräumt. Ein Inverkehrbringen der Milch i.S.v. Art. 14 Abs. 1, Art. 3 Nr. 8 VO (EU) Nr. 178/2002 ist zu bejahen, da sie vom Hof des Klägers abgegeben und dann auch mit der Milch anderer Betriebe vermischt wurde.
Die mangelnde Separierung der von der mit einem Medikament behandelten Milchkuh gemolkenen Milch erfolgte durch einen Mitarbeiter des Klägers. Dessen Handeln ist jedoch dem Kläger als Betriebsinhaber zuzurechnen. Gemäß Art. 3 Nr. 3 VO (EG) Nr. 178/2002 bezeichnet der Ausdruck „Lebensmittelunternehmer“ die natürlichen oder juristischen Personen, die dafür verantwortlich sind, dass die Anforderungen des Lebensmittelrechts in dem ihrer Kontrolle unterstehenden Lebensmittelunternehmen erfüllt werden. Nach Art. 17 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 sorgen die Lebensmittel- und Futtermittelunternehmer auf allen Produktions-, Verarbeitungs- und Vertriebsstufen in den ihrer Kontrolle unterstehenden Unternehmen dafür, dass die Lebensmittel oder Futtermittel die Anforderungen des Lebensmittelrechts erfüllen, die für ihre Tätigkeit gelten, und überprüfen die Einhaltung dieser Anforderungen. Der Betriebsinhaber eines Unternehmens kann die ihn insbesondere hinsichtlich der Sorgfaltspflichten treffenden Aufgaben sowohl an Mitarbeiter als auch an Externe (Berater) delegieren (Meyer/Streinz, LFGB – BasisVO, 2. Auflage 2012, Art. 17 Rn. 10 m.w.N.). Der Betriebsinhaber ist im Fall der Delegation jedoch nicht schlechthin entlastet, denn er haftet (weiterhin) u.a. für eine eingehende und ausreichende Belehrung sowie die Überwachung der Aufsichtspersonen und ist für Organisationsmängel, die in einer unzureichenden Kontrolle die Ursache haben, verantwortlich (Meyer/Streinz, a.a.O. Rn. 14, 17; VG Würzburg, U.v. 22.10.2018 – W 8 K 17.502). Insofern ist ein eigener vorwerfbarer Verursachungsbeitrag des Betriebsinhabers zum Verstoß des Dritten für eine Zurechnung erforderlich (vgl. VG Halle, U.v. 16.2.2011 – 7 A 159/09 – juris Rn. 33).
Ein solcher Verursachungsbeitrag des Klägers ist hier gegeben. Laut der Klagebegründung vom 19. März 2020 war es Aufgabe des rumänischen Mitarbeiters, im Melkstand den Kühen den Melkbecher anzulegen. Nach dem Vortrag des Klägers in der mündlichen Verhandlung hatte der Mitarbeiter jedoch nicht die Berechtigung, das Melkzeug anzuhängen. Der Kläger war nach eigenen Angaben höchstens für zehn Minuten wegen der Geburt eines Kalbes weggewesen, so dass ihm zeitnah eine Überprüfung möglich gewesen wäre, ob die Separation ordnungsgemäß erfolgte. Soweit der Mitarbeiter keine Befugnis zum Anhängen des Melkzeugs hatte, fehlte es offensichtlich insoweit an einer ausreichenden Instruktion und entsprechenden Kontrolle des Mitarbeiters durch den Kläger. Aber auch bei Annahme einer Berechtigung des Mitarbeiters zum Melken wurde die ordnungsgemäße Separierung der Milch der betroffenen Kuh nicht kontrolliert bzw. beim Mitarbeiter eine entsprechende Bestätigung eingeholt. Dem Vortrag des Klägers kann nicht entnommen werden, dass er alles Mögliche und Zumutbare unternommen hat, um sicherzustellen, dass sein weisungsgebundener Mitarbeiter seine Vorgaben beachtet. Der Vortrag, der Kläger liefere hochwertige und sichere Lebensmittel, es habe im Vorfeld keinerlei Anlastungen oder Verstöße gegen die Lebensmittelsicherheit gegeben und ein derartiger Vorfall sei im Nachgang kein weiteres Mal vorgekommen, genügt insoweit nicht. Denn in beiden Fällen hat der Kläger nicht alles Mögliche und Zumutbare, wie z.B. eine zeitnahe Überprüfung der Separation der Milch, unternommen, um sicherzustellen, dass die Milch der betroffenen Kuh separiert wird.
Folglich ist die angegriffene Sanktion dem Grunde nach zu Recht erfolgt. Des Weiteren ist die Einstufung des Verstoßes als „schwer“ nicht zu beanstanden.
Nach Art. 99 Abs. 1 VO (EU) Nr. 1306/2013 wird zur Anwendung der Verwaltungssanktion gemäß Artikel 91 der Gesamtbetrag der in Artikel 92 genannten Zahlungen, der dem betroffenen Begünstigten gewährt wurde bzw. zu gewähren ist, für die Beihilfeanträge, die er in dem Kalenderjahr, in dem der Verstoß festgestellt wurde, eingereicht hat oder einreichen wird, gekürzt oder gestrichen. Bei der Berechnung dieser Kürzungen und Ausschlüsse werden Schwere, Ausmaß, Dauer und wiederholtes Auftreten der Verstöße sowie die Kriterien nach den Absätzen 2, 3 und 4 berücksichtigt. Nach Abs. 2 der Vorschrift beträgt bei einem Verstoß – wie hier – aufgrund von Fahrlässigkeit die Kürzung höchstens 5%, im Wiederholungsfall höchstens 15%.
Hinsichtlich der Beurteilung des Verstoßes als „schwer“, „mittel“ oder „leicht“ und der damit verbundenen Höhe des Kürzungssatzes kommt der Behörde ein Ermessensspielraum zu (VG Augsburg, U.v. 3.6.2020 – Au 8 K 19.1968 – juris Rn. 38; VG Würzburg, U.v. 5.2.2018 – W 8 K 16.1197 – juris). Es ist nicht zu beanstanden, dass der Beklagte sich hinsichtlich der Höhe des Kürzungsprozentsatzes auf die in einer Bund-Länder-Abstimmung beschlossenen Bewertungsmatrix für den Bereich Lebens- und Futtermittelsicherheit – GAB 4 Anhang II der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 für das jeweilige Kontrolljahr (hier 2018) bedient hat (vgl. auch VG Regensburg, U.v. 21.3.2019 – RN 5 K 17.1365 – juris Rn. 35). Eine gleichförmige Ermessensausübung in vergleichbaren Fällen ist im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG geboten. In den streitgegenständlichen Bescheiden wird zwar knapp, aber dennoch hinreichend deutlich, dass es sich hinsichtlich der Höhe der jeweiligen Verwaltungssanktion um eine Ermessensentscheidung handelt und dass hier gerade kein Fall vorliegt, der eine Abweichung der Regelbewertung rechtfertigen würde. Zudem hat der Beklagte seine Ermessenserwägungen im Schriftsatz vom 21. April 2020 und in der mündlichen Verhandlung nach § 114 Satz 2 VwGO zulässigerweise noch ergänzt, soweit diese unvollständig gewesen sein könnten. Ein Ermessensausfall liegt nicht vor, sonstige Ermessensfehler sind nicht ersichtlich.
Gemäß der einschlägigen Bewertungsmatrix für das Kontrolljahr 2018 stellt ein Verstoß gegen den Standard GAB 4 LM PK 05 (Beschaffenheit von Melkgeschirr und Räumen) einen leichten Verstoß dar, Verstöße gegen den Standard GAB 4 LM PK 33 (Nachweis von Substanzen gemäß VO (EG) Nr. 178/2002) und den Standard GAB 4 LM PK 25 (Rohmilch von Tieren, Wartezeit nicht eingehalten) jeweils einen schweren Verstoß.
Wurde wie hier mehr als ein Verstoß in Bezug auf verschiedene Rechtsakte oder desselben Bereichs der Cross-Compliance festgestellt, so gelten diese Fälle nach Art. 73 Abs. 2 Durchführungs-VO (EU) Nr. 809/2014 zum Zweck der Festsetzung der Kürzung gemäß Artikel 39 Absatz 1 und Artikel 40 der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 640/2014 als ein einziger Verstoß.
Die Einordnung der Verstöße als schwerer Verstoß unter Berücksichtigung der vorgelegten Bewertungsmatrix für den Bereich Lebens- und Futtermittelsicherheit ist rechtmäßig und insbesondere ermessensfehlerfrei erfolgt. Gründe für die Abweichung von der Regelbewertung als schwerer Verstoß liegen im konkreten Einzelfall nicht vor.
Nach Art. 38 Abs. 3 Delegierte VO (EU) Nr. 640/2014 hängt die „Schwere“ eines Verstoßes insbesondere davon ab, welche Bedeutung den Auswirkungen des Verstoßes unter Berücksichtigung der Ziele der betreffenden Anforderung oder des betreffenden Standards beizumessen ist. Die zulässige Rückstandshöchstmenge für Penicillin G liegt für Milch bei 4 µg/l (vgl. Tabelle 1 der Anlage zu VO (EU) Nr. 37/2010). Die belastete Milch des Betriebs des Klägers wies mit 16 µg/l Penicillin G einen Gehalt auf, der den maximal zulässigen Wert weit überschreitet. Zu berücksichtigen ist hierbei insbesondere, dass nach den plausiblen und unbestrittenen Ausführungen der Beklagten davon auszugehen ist, dass dieser Gehalt trotz Vermischung und Verdünnung in einer Milchmenge von ca. 4.500 Litern festgestellt wurde. Unerheblich ist, dass – wie vom Klägerbevollmächtigten vorgetragen – eine Sanktionierung mit 5%, welche für das Förderjahr 2018 rund 5.000,00 EUR entspricht, den bei der Molkerei entstandenen Schaden in Höhe von ca. 2.000,00 EUR übersteigt. Denn die Sanktionierung stellt keinen Schadensersatz dar und kann höher als der entstandene Schaden ausfallen.
Auch hinsichtlich des Ausmaßes des Verstoßes, welches nach Art. 38 Abs. 2 Delegierte VO (EU) Nr. 640/2014 insbesondere unter Berücksichtigung der Tatsache bestimmt wird, ob der Verstoß weitreichende Auswirkungen hat oder auf den Betrieb selbst begrenzt ist, ergibt sich keine andere Beurteilung. Durch die Abholung der Milch in einem Tankwagen wurde auch die darin befindliche Milch von anderen Betrieben kontaminiert, so dass die komplette Tankfüllung vernichtet werden musste. Der Verstoß hatte damit auch Auswirkungen auf andere Betriebe. Unerheblich ist insoweit, dass die Milch nicht in den Einzelhandel gelangt ist und der finanzielle Schaden bei der Molkerei nachfolgend vom Kläger anerkannt und ersetzt wurde.
Ob ein Verstoß von „Dauer“ ist, richtet sich nach Art. 38 Abs. 4 Delegierte VO (EU) Nr. 640/2014 insbesondere danach, wie lange die Auswirkungen des Verstoßes andauern oder welche Möglichkeiten bestehen, diese Auswirkungen mit angemessenen Mitteln abzustellen. Dass der Verstoß durch den Kläger abgestellt wurde und nicht andauert, wurde bereits bei Einstufung des Verstoßes als fahrlässig berücksichtigt. Ebenso wurde bereits berücksichtigt, dass es sich um Erstverstöße handelt und nicht um „wiederholtes Auftreten“ i.S.d. Art. 38 Abs. 1 Delegierte VO (EU) Nr. 640/2014, bei dem der angewandte Kürzungssatz nach Art. 39 Abs. 4 Unterabs. 1 Delegierte VO (EU) Nr. 640/2014 zu verdreifachen gewesen wäre.
Auch dass die fehlende Separierung der betroffenen Milch auf dem Handeln eines Mitarbeiters des Klägers beruht, führt nicht dazu, dass hier ein atypischer Fall vorliegt, sondern ist vielmehr eine Frage der unmittelbaren Anlastung der Verstöße an den Beklagten i.S.v. Art. 91 Abs. 2 VO (EU) Nr. 1306/2013 und damit des Vorliegens eines Verstoßes des Beklagten. Auf die obigen Ausführungen wird insoweit Bezug genommen.
Die Bescheide vom 10. Dezember 2018 und vom 27. März 2019 in Form des Widerspruchsbescheids vom 5. November 2019 sind auch im Übrigen rechtlich nicht beanstanden. Insbesondere ist die Kostenentscheidung im Widerspruchsbescheid nicht zu beanstanden. Insoweit sind Einwände weder von Klägerseite vorgebracht, noch besteht sonst Anlass zu rechtlichen Bedenken. Infolgedessen kann insoweit auf die Ausführungen im streitgegenständlichen Widerspruchsbescheid Bezug genommen werden (§ 117 Abs. 5 VwGO).
3. Gemäß vorstehender Erwägungen war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708, 711 ZPO.


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