Europarecht

Keine Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug ohne Nachholung des Visumsverfahrens

Aktenzeichen  M 25 S 20.2585

Datum:
3.8.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 26731
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5, § 88, § 123
AufenthG § 2 Abs. 3, § 5 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, § 6 Abs. 3 S. 1, § 30, § 32, § 54 Abs. 2 Nr. 9, § 81 Abs. 3, Abs. 4
VO (EU) Nr. 2018/1806 Art. 4 Abs. 1
GG Art. 6
EMRK Art. 8

 

Leitsatz

1. Löst ein Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis keine Fiktionswirkung aus, ist im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 123 VwGO eine Aussetzung der Abschiebung allein aus verfahrensrechtlichen Gründen anzustreben. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Fiktionsbescheinigung kann einen rechtmäßigen Aufenthalt nicht selbst verschaffen, sondern einen rechtmäßigen Aufenthalt lediglich perpetuieren (Rn. 16).  (redaktioneller Leitsatz)
3. Es ist grundsätzlich mit dem Schutz von Ehe und Familie vereinbar, einen Ausländer auf die Einholung eines erforderlichen Visums zu verweisen. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerinnen haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerinnen begehren mit ihrem Antrag die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen die Ablehnung des beantragten Aufenthaltstitels zum Familiennachzug.
Die Antragstellerinnen sind Staatsangehörige von Bosnien-Herzegowina. Die Antragstellerin zu 1) beantragte am 2. April 2018 ein Visum zum Zwecke der Beschäftigung für die Bundesrepublik Deutschland. Das Visum wurde am 20. April 2018 abgelehnt.
Mit Schreiben vom 26. Juli 2018 beantragte der Bevollmächtigte für die Antragstellerinnen die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke des Familiennachzugs. Am 27. Juli 2018 erfolgte die Einreise der Antragstellerinnen ins Bundesgebiet. Sie zogen zum Ehemann bzw. Vater nach … Der Ehemann bzw. Vater der Antragstellerinnen ist ebenfalls Staatsangehöriger von Bosnien-Herzegowina. Er reiste Ende April/Anfang Mai 2018 in das Bundesgebiet ein und erhielt am 5. Juni 2018 eine Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke der Beschäftigung nach § 18 Abs. 4 AufenthG (a.F.) gültig bis zum 8. Juli 2020. Am 7. Juli 2020 erhielt er eine Aufenthaltserlaubnis nach § 19c Abs. 1 AufenthG i.V.m. § 26 Abs. 2 BeschV mit Gültigkeit bis zum 6. Juli 2022.
Die Antragstellerin zu 2) besucht seit 7. September 2018 die Mittelschule in….. 
Am 4. Dezember 2019 stellte der Antragsgegner Fiktionsbescheinigungen für die Antragstellerinnen mit Gültigkeit bis zum 3. Juni 2020 aus.
Nach vorheriger Anhörung lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom … Juni 2020 den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ab (Ziff. 1) und forderte die Antragstellerinnen auf, innerhalb von 2 Monaten ab Bekanntgabe des Bescheides auszureisen (Ziff. 2). Für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde die Abschiebung nach Bosnien-Herzegowina oder in einen anderen Staat, in den die Antragstellerinnen einreisen dürfen oder der zu ihrer Rückübernahme verpflichtet ist, angedroht (Ziff. 3). Für den Fall der Abschiebung wurde ein Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen, das in Bezug auf die Antragstellerin zu 1) auf 12 Monate und in Bezug auf die Antragstellerin zu 2) auf 2 Monate befristet wurde.
Die Antragstellerin zu 1) habe keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 30 AufenthG, da sie nicht mit dem erforderlichen Visum eingereist sei. Aus demselben Grund habe die Antragstellerin zu 2) ebenfalls keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 32 AufenthG.
Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis könne auch nicht gem. § 39 Satz 1 Nr. 3 AufenthG im Inland beantragt werden, da die anspruchsbegründenden Ereignisse – die Eheschließung bzw. die Geburt – bereits lange vor der Einreise stattgefunden hätten. Die Nachholung des Visumsverfahrens sei für die Antragstellerinnen möglich und zumutbar, so dass vom Visumserfordernis nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG nicht abgesehen werde. Zudem stehe wegen der unerlaubten Einreise der Antragstellerinnen der Erteilung eines Aufenthaltstitels ein Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG entgegen.
Mit Schreiben vom 12. Juni 2020 erhob der Bevollmächtigte der Antragstellerinnen Klage beim Bayerischen Verwaltungsgericht München und beantragte zugleich, Juni 2020 an11 die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom zuordnen. Klage und Antrag wurden bislang nicht begründet.
Der Antragsgegner beantragte mit Schreiben vom 1. Juli 2020, 13 den Antrag abzulehnen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichts- und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
II.
I. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Ab lehnung auf Erteilung der beantragten Aufenthaltserlaubnis nach § 80 Abs. 5 VwGO ist unzulässig.
Ein Antrag nach § 80 Abs. 5 AufenthG ist nur statthaft, wenn die Antragsablehnung zum Erlöschen der Fiktionswirkung des Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis führt und der Antragsteller vollziehbar ausreisepflichtig wird. Löst ein Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis keine Fiktionswirkung aus, ist im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 123 VwGO eine Aussetzung der Abschiebung allein aus verfahrensrechtlichen Gründen anzustreben (vgl. VGH BW, B.v. 20.9.2018 – 11 S 1973/18 – beckonline Rn. 13).
Dem Antrag der Antragstellerinnen vom 26. Juli 2018 auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis kommt keine Fiktionswirkung nach § 81 Abs. 3 oder Abs. 4 AufenthG zu. Weder verfügten die Antragstellerinnen über einen Aufenthaltstitel (§ 81 Abs. 4 AufenthG) noch war ihr Aufenthalt rechtmäßig i.S.d. § 81 Abs. 3 AufenthG. Staatsangehörige von Bosnien-Herzegowina dürfen zwar gem. § 4 Abs. 1 AufenthG i.V.m. Art. 4 Abs. 1 und Anhang II zu EU-Visums-VO(EU) 2018/1806 visumsfrei einreisen. Die Befreiung von der Visumspflicht nach Art. 4 Abs. 1 EU-Visums-VO (EU) 2018/1806 gilt jedoch nur für einen Kurzaufenthalt, also einen Zeitraum von 90 Tagen innerhalb von 180 Tagen. Nur wenn der Ausländer subjektiv diese zeitliche Grenze nicht überschreiten will, ist der nachfolgende Aufenthalt nach Art. 20 Abs. 1 SDÜ rechtmäßig (vgl. Samel in: Bergmann/Dienelt, 13. Auflage 2020, § 81 AufenthG Rn. 36; VGH BW, B.v. 20.9.2018 – 11 S 1973/18 – beckonline BeckRS 2018, 23535 Rn. 14).
Basierend auf den äußeren Umständen spricht vorliegend eine tatsächliche Vermutung dafür, dass die Antragstellerinnen bereits bei ihrer Einreise beabsichtigten, in Deutschland einen längerfristigen Aufenthalt anzustreben. Ihr Bevollmächtigter hat bereits am Tag ihrer Einreise in den Schengen-Raum am 26. Juli 2018 einen Aufenthaltstitel zum Familiennachzug beantragt, ohne dass die Antragstellerinnen im Besitz des erforderlichen Visums gewesen wären. Vielmehr hat die Antragstellerin zu 1) zuvor erfolglos ein Visum zum Zwecke der Beschäftigung beantragt. Die Antragstellerinnen haben sich dann am 27. Juli 2018 auch melderechtlich in der Gemeinde … nach § 17 BMG angemeldet, obwohl dies für einen Kurzaufenthalt von drei Monaten nicht erforderlich gewesen wäre, § 27 Abs. 2 Satz 3 BMG. Auch besucht die Antragstellerin zu 2) seit dem 7. September 2018 – also mit Beginn des neuen Schuljahres – die Mittelschule in … Das Schuljahr in Bosnien-Herzegowina hätte bereits früher begonnen. Dies zugrunde gelegt, war von Anfang an ein längerfristiger, über 90 Tage hinausgehender Aufenthalts geplant, so dass der Aufenthalt der Antragstellerinnen nicht rechtmäßig i.S.d. § 81 Abs. 3 AufenthG ist.
Der Umstand, dass die Behörde gleichwohl den Antragstellerinnen eine Fiktionsbescheinigung ausstellte, macht den Aufenthalt nicht rechtmäßig, weil eine Fiktionsbescheinigung einen rechtmäßigen Aufenthalt nur perpetuiert und nicht selbst einen rechtmäßigen Aufenthalt verschafft (vgl. BayVGH, B.v. 21.6.2013 – 10 CS 13.1002 – beckonline BeckRS 2013, 53428 Rn. 13; Samel in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Auflage 2020, § 81 AufenthG, Rn. 35f.).
II. Aus einer am Rechtsschutzbegehren gem. § 88 VwGO ausgerichteten Auslegung des Antrags ergibt sich ein Antrag auf Verpflichtung des Antragsgegners nach § 123 VwGO, im Hinblick auf einen Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels oder auf eine Duldung die Abschiebung einstweilen bis zur gerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache auszusetzen (Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, § 81 AufenthG, 13. Auflage 2020, § 81 AufenthG, Rn. 50, VGH BW, B.v. 20.9.2018 – 11 S 1973/18 – beckonline BeckRS 2018, 23535 Rn. 16).
Vorliegend haben die Antragstellerinnen weder einen Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels noch auf Erteilung einer Duldung glaubhaft gemacht.
1. Die Antragstellerinnen haben keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltser laubnis zum Familiennachzug nach § 30 AufenthG und § 32 AufenthG glaubhaft gemacht. Ein Anspruch scheitert schon an der allgemeinen Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 2 AufenthG.
Die Antragstellerinnen sind nicht mit dem erforderlichen Visum eingereist (§ 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG). Nach § 6 Abs. 3 Satz 1 AufenthG ist für längerfristige Aufenthalte ein Visum für das Bundesgebiet (nationales Visum) erforderlich, das vor der Einreise erteilt wird. Die Antragstellerinnen sind jedoch aufgrund von § 15 AufenthV, Art. 20 SDÜ, Art. 6 SGK, Art. 4. Abs. 1 EU-Visums VO (EU) 2018/1806 i.V.m. Anhang II für 90 Tage innerhalb von 180 Tagen visumsfrei eingereist, s.o.
Die Antragstellerinnen konnten den Aufenthaltstitel auch nicht im Inland beantragten, da die Voraussetzungen des § 39 Satz 1 Nr. 3 AufenthV nicht erfüllt sind. Danach können Ausländer, die Staatangehörige eines Staates nach Anhang II EUVisum-VO (EU) 2018/1806 sind und sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, im Bundesgebiet einen Aufenthaltstitel beantragen, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels erst im Bundesgebiet entstanden sind. Zwar sind die Antragstellerinnen Staatsangehörige eines in Anhang II EUVisum-VO (EU) 2018/1806 aufgeführten Staates, allerdings haben sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten. Die Befreiung von der Visumpflicht gemäß Art. 4 Abs. 1 EU-Visum-VO (EU) 2018/1806 gilt nur für einen Kurzaufenthalt, also einen Aufenthalt der 90 Tage je Zeitraum von 180 Tagen nicht überschreitet. Die Befreiung greift daher nicht, wenn der Aufenthalt über einen Kurzaufenthalt hinausgehen soll. Wer als Positivstaater von vornherein einen 90 Tage übersteigenden Aufenthalt beabsichtigt, reist ohne das erforderliche Visum und unerlaubt ein (Samel in: Bergmann/Dienelt, 13. Aufl. 2020, AufenthG § 5 Rn. 98-100, 122). Die Antragstellerinnen haben bereits bei ihrer Einreise einen längerfristigen Aufenthalt beabsichtigt (s.o.). Eine unerlaubte Einreise zieht einen unrechtmäßigen Aufenthalt nach sich (BayVGH B.v. 21.6.2013 – 10 CS 13.1002 – juris). Auf die Frage, ob die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels erst nach der Einreise entstanden sind, kommt es mithin nicht mehr an.
Vom Erfordernis der Visumseinholung war auch nicht nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG abzusehen. Eine Ermessensreduzierung auf Null liegt nicht vor. Besondere Umstände, die die Nachholung des Visumsverfahrens unzumutbar machen würden, sind nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich. Solche ergeben sich auch nicht aus Art. 6 GG und Art. 8 EMRK. Es ist grundsätzlich mit dem Schutz von Ehe und Familie vereinbar, einen Ausländer auf die Einholung eines erforderlichen Visums zu verweisen. Der mit der Durchführung des Visumsverfahrens üblicherweise einhergehende Zeitablauf ist von demjenigen, der die Einreise in die Bundesrepublik begehrt, regelmäßig zu tragen. Die (nachträgliche) Einholung des erforderlichen Visums zum Familiennachzug ist nicht als bloße Förmelei anzusehen, da das Visumsverfahren als Steuerungsinstrument für die Zuwanderung in die Bundesrepublik von elementarer Bedeutung ist (vgl. BVerwG, U.v. 16.11.2010 – 1 C 17.09 – juri Rn. 19).
Allerdings verpflichtet die in Art. 6 GG enthaltene wertentscheidende Grundsatznorm, nach welcher der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat, die Ausländerbehörde, bei ihren aufenthaltsrechtlichen Entscheidungen die familiären Bindungen des den weiteren Aufenthalt begehrenden Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen. Dabei ist grundsätzlich eine Betrachtung des Einzelfalls geboten, bei der auf der einen Seite die familiären Bindungen zu berücksichtigen sind, auf der anderen Seite aber auch die sonstigen Umstände des Einzelfalls (st. Rspr. des BVerfG, vgl. z.B. B.v. 5.6.2013 – 2 BvR 586/13 – juris Rn. 12; BayVGH, B.v. 4.5.2020 – 10 ZB 20.666 – beckonline BeckRS 2020, 14546 Rn. 14). So kommt es bei Ehegatten darauf an, ob ein Familienmitglied auf die Unterstützung des anderen Familienmitglieds angewiesen ist und diese Unterstützung nur in der Bundesrepublik erbracht werden kann, weil einem beteiligten Familienmitglied ein Verlassen der Bundesrepublik nicht zumutbar ist. Bei aufenthaltsrechtlichen Entscheidungen, die den Umgang mit einem Kind berühren, ist maßgeblich auf die Sicht des Kindes abzustellen, und ob tatsächlich eine persönliche Verbundenheit besteht, auf deren Aufrechterhaltung das Kind zu seinem Wohl angewiesen ist. Ein hohes gegen die Aufenthaltsbeendigung sprechendes Gewicht haben die Folgen einer vorübergehenden Trennung insbesondere, wenn ein noch sehr kleines Kind betroffen ist, das den nur vorübergehenden Charakter einer räumlichen Trennung möglicherweise nicht begreifen kann und die Trennung rasch als endgültigen Verlust erfährt (st. Rspr. des BVerfG, vgl. z.B. B.v. 5.6.2013 – 2 BvR 586/13 – juris Rn. 13f; BayVGH, B.v. 4.5.2020 – 10 ZB 20.666 – beckonline BeckRS 2020, 14546 Rn. 14).
Gemessen an diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen lässt sich nicht erken nen, dass das Visumsverfahren unzumutbar wäre und eine Ermessensreduzierung auf Null anzunehmen wäre. Laut Auskunft der Deutschen Botschaft in Sarajewo beträgt die Wartezeit für Anträge für ein Visum zur Familienzusammenführung derzeit 6-7 Monate. Visaanträge werden derzeit auch bearbeitet (vgl. Internetseite der Deutschen Botschaft in Sarajewo unter https://sarajewo.diplo.de/bade/service/05- VisaEinreise/-/2077826 abgerufen: 15. Juli 2020). Dieser Zeitraum ist für die Antragstellerinnen zumutbar. Der in Deutschland lebende Ehegatte der Antragstellerin zu 1) ist auf ihre Unterstützung nicht angewiesen. Die Antragstellerin zu 2) ist zwar minderjährig, allerdings ist sie mit 14 Jahren in einem Alter, in dem sie den Grund für die vorübergehende Trennung vom Vater begreifen kann. Als von der Visumspflicht für kurzzeitige Aufenthalte befreite Ausländer, können während der Dauer des Visumsverfahren auch wechselseitige Besuchsaufenthalts erfolgen, so dass die Antragstellerin zu 2) ihren Vater beispielsweise in den Schulferien regelmäßig sehen kann.
Es liegt außerdem im Verantwortungsbereich des Ausländers, die Ausreisemodalitäten und den Ausreisezeitpunkt in Absprache mit der zuständigen Ausländerbehörde so familienverträglich wie möglich zu gestalten (vgl. BayVGH B.v. 16.3.2020 – 10 CE 20.326 – beckonline BeckRS 2020, 6745 Rn. 20). Der Antragsgegner hat bereits seine Bereitschaft gezeigt, das Visumsverfahren möglichst familienfreundlich zu gestalten, in dem er in Aussicht gestellt hat, dass das Visumsverfahren in den Sommerferien durchgeführt werden kann.
Schließlich liegen auch die sonstigen allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen nicht vor. Die Antragstellerinnen haben im Rahmen der Sicherung des Lebensunterhalts einen ausreichenden Krankenversicherungsschutz nicht glaubhaft gemacht, § 5 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 2 Abs. 3 AufenthG. Zudem steht wegen der unerlaubten Einreise zumindest in Bezug auf die Antragstellerin zu 1) ein Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG im Raum (vgl. Tanneberger/Fleuß in: Kluth/Heuschm, BeckOK Ausländerrecht, 25. Edition, Stand: 1.8.2019, § 54 Rn. 121). Die Antragstellerin zu 2) war bei ihrer Einreise noch strafunmündig nach § 19 StGB.
2. Die Antragstellerinnen haben auch keinen Anspruch auf eine Duldung nach § 60a AufenthG glaubhaft gemacht, da ihre Abschiebung nicht aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist. Eine rechtliche Unmöglichkeit ergibt sich insbesondere nicht aus Art. 6 oder Art. 8 EMRK (s.o.). Andere Gründe für eine tatsächliche oder rechtliche Unmöglichkeit sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
III. Nach alledem war der Antrag mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzu lehnen.
IV. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m.Nr. 1.5 und 8.1 des Streitwertkatalogs.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben