Europarecht

Keine Ausnahme für Wettannahmestellen von Infektionsschutzmaßnahmen

Aktenzeichen  20 CE 20.3169

Datum:
28.1.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 969
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
11. BayIfSMV § 11 Abs. 6

 

Leitsatz

Wettannahmestellen sind darauf angelegt, Wetten entgegenzunehmen und weiterzuleiten sowie Gewinne auszuzahlen. Unter den Begriff im Sinne des § 11 Abs. 6 11. BayIfSMV fallen nicht nur Wettbüros, also solche Wettvermittlungsstellen, die auf einen nicht nur kurzfristigen Aufenthalt ausgelegt sind. (Rn. 4) (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 26a E 20.6256 2020-12-22 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
Die Antragstellerin begehrt, im Wege der einstweiligen Anordnung festzustellen, dass die Regelungen des § 11 Abs. 6 der Elften Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (11. BaylfSMV), dem Betrieb ihres Wettladens vorläufig nicht entgegensteht, soweit dort § 12 Abs. 1 Satz 6 BaylfSMV umgesetzt wird.
Das Beschwerdevorbringen, auf das sich die Prüfung des Senats beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigt keine Änderung der erstinstanzlichen Entscheidung.
Entgegen der Auffassung der Antragstellerin sieht der Senat keine zwingenden Gründe für eine einschränkende Auslegung des Begriffes der Wettannahmestelle im Sinne des § 11 Abs. 6 11. BayIfSMV. Wettannahmestellen sind darauf angelegt, Wetten entgegenzunehmen und weiterzuleiten sowie Gewinne auszuzahlen (vgl. OVG Bautzen B.v. 25.11.2020 – 3 B 359/2 – BeckRS 2020, 321432146; BayVGH v. 15.1.2016 – 9 ZB 14.1146 – juris Rn. 7 ff. m. w. N.). Dabei ist es unerheblich, ob diese von einem privaten oder öffentlichen Träger betrieben werden. Insoweit ist die Bezugnahme der Antragstellerin auf staatliche Wettannahmestellen unbehilflich. Lediglich wenn private oder öffentliche Wettvermittlungsstellen als untergeordnete Nebengeschäfte eines ohnehin nach § 12 11. BayIfSMV zulässigen Handels- und Dienstleistungsgeschäfts betrieben werden, werden sie nicht vom Verbot des § 11 Abs. 6 11. BayIfSMV erfasst. Danach ist der Betrieb der Antragstellerin eine Wettannahmestelle im Sinne des § 11 Abs. 6 11. BayIfSMV.
Aber auch der Sinn und Zweck des § 11 Abs. 6 11. BayIfSMV spricht für einen weiten Anwendungsbereich der Regelung. Mit dem Erlass der 11. BayIfSMV und der Regelung in § 11 Abs. 6 verfolgt der Verordnungsgeber eine weitgehende Stilllegung des öffentlichen Lebens. Hierzu gehört der Freizeitbereich als besonders kontaktintensiver Bereich, was sachlich vom Senat grundsätzlich anerkannt wurde (vgl. zur 10. BayIfSMV: BayVGH, B.v. 10.12.2020 – 20 NE 20.2482 – juris). Mit dem Erlass der 11. BayIfSMV wurden die Maßnahmen der 8., 9. und 10. BayIfSMV fortgeschrieben. Darüber hinaus erachtete der Verordnungsgeber auch weitere Verschärfungen als zwingend geboten, weil sich gezeigt habe, dass die bisherigen Maßnahmen noch nicht zu einem spürbaren landesweiten Rückgang der Infektionszahlen geführt hätten. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung deshalb ausgeführt, vor diesem Hintergrund sei es ausgeschlossen, dass der Verordnungsgeber in dieser Phase des Pandemiegeschehens Wettannahmestellen, auch wenn sie keinen Aufenthaltscharakter haben, nur einzelnen Personen nur für die Abgabe ihrer Wette zugänglich und mit den bestmöglichen Hygienekonzepten ausgestattet seien, den Betrieb habe erlauben wollen. Wettannahmestellen seien vielmehr nach dem Sinn und Zweck der Verordnung dem Freizeitbereich der Kunden zuzuordnen und sollten deshalb geschlossen bleiben. Sie könnten deshalb grundsätzlich auch nicht als nicht „körpernahe“ Dienstleistungsbetriebe im Sinne des § 12 Abs. 2 11. BaylfSMV eingeordnet werden, da insoweit § 11 Abs. 6 11. BaylfSMV die speziellere Regelung sei. Darauf, ob in den Wettannahmestellen ein erhöhtes Infektionsrisiko bestehe, komme es nicht an, da insbesondere auch der entsprechende An- und Abreiseverkehr, der sich der infektionsschutzrechtlichen Kontrolle entziehe, verhindert werden sollte. Soweit sich die Antragstellerin dagegen auf den Beschluss des Senats vom 26. August 2020 – 20 CE 20.1806 – Rn. 19 f. zu § 11 Abs. 5 6. BayIfSMV bezieht, können die dort getroffenen Aussagen aufgrund der veränderten tatsächlichen Umstände nicht auf die gegenwärtige Sach- und Rechtslage übertragen werden.
Der Einwand der Antragstellerin, bei ihrer Wettannahmestelle handele es sich nicht um eine Freizeiteinrichtung, so dass der Anwendungsbereich des § 11 Abs. 6 11. BayIfSMV nicht eröffnet sei, verfängt deshalb ebenso wenig. Für die von der Antragstellerin geforderte einschränkende Auslegung von § 11 Abs. 6 11. BayIfSMV, dahingehend, unter den Begriff der Wettannahmestelle fielen nur Wettbüros, also solche Wettvermittlungsstellen, die auf einen nicht nur kurzfristigen Aufenthalt ausgelegt sind, sind keine Anhaltspunkte ersichtlich. Soweit die Antragstellerin der Meinung ist, die Regelung des § 12 Abs. 1 Satz 6 11. BayIfSMV („Click & Collect“ bzw. „Call & Collect“) sei auf Wettannahmestellen zu übertragen, widerspricht dies dem Wortlaut des § 11 Abs. 6 11. BayIfSMV, der eine solche Möglichkeit nicht vorsieht. Es ist auch nicht ersichtlich, dass es sich hierbei um eine planwidrige Regelungslücke handelt.
Aber auch aufgrund Bundesverfassungsrechts oder Europarechts ist keine entsprechende einschränkende Auslegung geboten. Insoweit wird zunächst auf den Beschluss des Senats vom 15. Dezember 2020 – 20 NE 20.2526 – BeckRS 2020, 35630 verwiesen. Der Infektionsschutz ist Teil des allgemeinen Gesundheitsschutzes. Die europarechtliche Dienstleistungsfreiheit nach Art. 56 AEUV kann aus Gründen der öffentlichen Gesundheit eingeschränkt werden (vgl. Art. 62, 52 AEUV). Gleiches gilt für die Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 1, 2 i.V.m. § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG. Da das Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz die Hauptsacheentscheidung vorwegnimmt, ist eine Reduzierung des Streitwerts nicht angezeigt (vgl. Nr. 1.5 Satz 2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben