Europarecht

keine Befreiung von der Nährwertdeklarationspflicht bei Kleinbetrieben unabhängig von Art und Länge der Vertriebswege

Aktenzeichen  20 ZB 18.2441

Datum:
22.8.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 20330
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 3, § 154 Abs. 2
KonfV § 1
VO (EU) 1169/2011 Art. 9 Abs. 1 lit. l, Art. 16 Abs. 3, Nr. 19 Anh. V

 

Leitsatz

Die Regelung der Nr. 19 Anhang V der VO (EU) 1169/2011, die von der Abgabe an lokale Einzelhandelsgeschäfte spricht, ist einer erweiternden Auslegung angesichts ihres klaren Wortlauts nicht zugänglich, sie ist auch nicht im Hinblick auf die Grundrechte der Hersteller geboten.  (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

W 8 K 17.1208 2018-09-17 Urt VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Die Berufung wird insoweit zugelassen, als der Klägerin durch den Bescheid des Beklagten vom 5. September 2017 untersagt werden sollte, die von ihr hergestellte Gebäckrolle als „Aprikosenmarmelade Rolle“ zu bezeichnen.
II. Im Übrigen wird der Antrag auf Zulassung der Berufung abgelehnt. Insoweit trägt die Klägerin die Kosten des Antragsverfahrens.
III. Der Streitwert hinsichtlich der Ziffer II. beträgt 2.000,00 EUR.

Gründe

I.
Die Berufung wird – im tenorierten Umfang – zugelassen, weil ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen. Es erscheint zweifelhaft, ob die Verwendung der Bezeichnung „Aprikosenmarmelade Rolle“ angesichts der Regelung des § 1 Satz 2 KonfV und des allgemeinen Sprachgebrauchs eine Irreführung des Verbrauchers nach Art. 7 Abs. 1 VO (EU) Nr. 1169/2011 i.V.m. § 3 KonfV ist.
II.
Im Übrigen ist die Berufung nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen. Die von der Klägerin aufgeworfene Frage,
ob Handwerksbetriebe und Kleinstunternehmer unabhängig von Art und Länge der Vertriebswege von der Nährwertdeklaration befreit seien,
ist nicht grundsätzlich klärungsbedürftig, weil sie sich ohne weiteres aus dem Gesetz beantworten lässt. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass die Klägerin aufgrund der fehlenden Nährwertdeklaration auf der Verpackung der Gebäckrolle gegen Art. 9 Abs. 1 Buchst. l) VO (EU) Nr. 1169/2011 verstoßen habe. Die Voraussetzungen der Ausnahme nach Art. 16 Abs. 3 VO (EU) 1169/2011 i.V.m. Nr. 19 Anhang V der VO (EU) 1169/2011 von der verpflichtenden Nährwertdeklaration sind nicht erfüllt. Nach Art. 9 Abs. 1 Buchst. l) VO (EU) Nr. 1169/2011 ist vorbehaltlich der in Kapitel IV vorgesehenen Ausnahmen eine Nährwertdeklaration verpflichtend. Von der verpflichtenden Nährwertdeklaration ausgenommen sind nach Art. 16 Abs. 3 VO (EU) 1169/2011 i.V.m. Nr. 19 Anhang V der VO (EU) 1169/2011 Lebensmittel, einschließlich handwerklich hergestellter Lebensmittel, die direkt in kleinen Mengen von Erzeugnissen durch den Hersteller an den Endverbraucher oder an lokale Einzelhandelsgeschäfte abgegeben werden, die die Erzeugnisse unmittelbar an den Endverbraucher abgeben. Das Unternehmen der Klägerin erfüllt nicht die Voraussetzungen für die Ausnahme von der verpflichtenden Nährwertdeklaration, da die von ihr hergestellte Gebäckrolle weder direkt an den Endverbraucher abgegeben wird, noch an lokale Einzelhandelsgeschäfte, die dann die Erzeugnisse unmittelbar an den Endverbraucher abgeben werden.
Diesen Umstand bestreitet die Klägerin mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung nicht. Nur ist sie der Meinung, dass Handwerksbetriebe und Kleinstunternehmer wie sie nach dem Sinn und Zweck der Regelung unabhängig von der Art und Länge der Vertriebswege von der Nährwertdeklaration befreit werden müssten. Eine solche Auslegung wiederspräche jedoch dem Wortlaut der Nr. 19 Anhang V der VO (EU) 1169/2011, der von der Abgabe an lokale Einzelhandelsgeschäfte spricht. Einer erweiternden Auslegung ist die Vorschrift angesichts ihres klaren Wortlauts nicht zugänglich, sie ist auch nicht im Hinblick auf die Grundrechte der Hersteller geboten. Insoweit kommt es im hier zu entscheidenden Fall nicht darauf an, wie das Tatbestandsmerkmal „lokale Einzelhandelsgeschäfte“ konkret auszulegen ist, weil die Klägerin nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts in Entfernungen von weit mehr als 200 km ihre Handwerksprodukte, insbesondere die streitgegenständliche Gebäckrolle, geliefert hat. Damit ist der lokale Rahmen unzweifelhaft gesprengt.
Die Kostenentscheidung über den abgelehnten Teil des Berufungszulassungsverfahrens beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO (s. hierzu Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2010, § 124a Rn. 90).


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