Europarecht

Keine Befugnis zum Führen eines russischen Doktorgrades ohne Herkunftsbezeichnung

Aktenzeichen  M 25 K 17.4864

Datum:
23.10.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 34679
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
PAuswG § 5 Abs. 2 Nr. 3
GG Art. 3
BayHSchG Art. 68 Abs. 1, Abs. 4

 

Leitsatz

1. Eine Eintragung ohne den beim Führen des Doktorgrades unerlässlichen Zusatz wäre mit dem Gesetz über die Führung akademischer Grade unvereinbar. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein in Russland erworbener akademischer Grad „kandidat nauk“ darf in der Bundesrepublik Deutschland nur als Doktorgrad mit Herkunftsbezeichnung geführt und der Titel nur mit dem entprechenden Zusatz in den Personalausweis eingetragen werden. (Rn. 16 – 22) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der streitgegenständlichen Bescheid vom 12. September 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Eintragung eines Doktorgrades in den bundesdeutschen Personalausweis (§ 113 Abs. 5 VwGO).
Nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 PAuswG enthält der Personalausweis als Angabe über die Person des Inhabers u.a. dessen Doktorgrad, wobei gem. § 9 Abs. 3 S. 2 PAuswG die Angaben zum Doktorgrad freiwillig sind. Der Doktorgrad ist nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 PAuswG im Personalausweis mit der Abkürzung „Dr.“ einzutragen. Die Eintragung dieser Angabe setzt voraus, dass der Ausweisinhaber berechtigt ist, den Doktorgrad in der Bundesrepublik mit dieser Abkürzung ohne Zusatz zu führen (BVerwG, B.v. 2.12.2015 – 6 B 33/15 – beckonline Rn. 18; BVerwG, U.v. 13.12.1988 – 1 C 54/86 – beckonline; Ziff. 4.1.3 der PassVwV).
Da nach dem Personalausweisgesetz ein Anspruch auf Eintragung des Doktortitels nur in Form der Abkürzung „Dr.“ besteht, kann derjenige der den Doktorgrad in der Bundesrepublik Deutschland nur mit einem – nicht eintragungsfähigen – Zusatz führen darf, die Eintragung in den Personalausweis nicht verlangen. Die Eintragung in der für das Führen des Doktorgrades zulässigen Form verstieße gegen das Personalausweisgesetz, eine Eintragung ohne den beim Führen des Doktorgrades unerlässlichen Zusatzes wäre mit dem Gesetz über die Führung akademischer Grade unvereinbar, weil sie dem Personalausweisinhaber ein rechtswidriges Führen des Doktorgrades ermöglichte (BVerwG, U.v. 13.12.1988 – 1 C 54/86 – beckonline).
Im vorliegenden Fall ist der Kläger nur berechtigt, seinen in Russland erworbenen akademischen Grad „kandidat nauk“ in der Bundesrepublik Deutschland als Doktorgrad mit Herkunftsbezeichnung führen.
Gemäß Art. 68 Abs. 1 BayHSchG kann ein ausländischer akademischer Grad, der von einer nach dem Recht des Herkunftslandes anerkannten Hochschule oder anderen Stelle, die zur Verleihung dieses Grades berechtigt ist, aufgrund eines tatsächlich absolvierten und ordnungsgemäß durch Prüfung abgeschlossenen Studiums verliehen worden ist in der Form, in der er verliehen wurde, unter Angabe der verleihenden Institution genehmigungsfrei in der Bundesrepublik Deutschland geführt werden. Entsprechendes gilt für die im Herkunftsland zugelassene oder nachweislich übliche Abkürzung. Nach Art. 68 Abs. 4 Satz 1 BayHSchG gehen die Vereinbarungen und Abkommen der Bundesrepublik Deutschland mit anderen Staaten über Gleichwertigkeit im Hochschulbereich und Vereinbarungen der Länder der Bundesrepublik Deutschland den Regelungen des Abs. 1 vor.
Ein solches Abkommen besteht zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der russischen Föderation. Nach Art. 68 Abs. 4 BayHSchG in Verbindung mit Ziffer I.1.(2) der gemeinsamen Erklärung zur gegenseitigen akademischen Anerkennung von Studienzeiten und Abschlüssen im Hochschulbereich sowie von Urkunden über russische wissenschaftliche Grade und deutsche akademische Qualifikationen vom 18. Februar 1999 erkennen die zuständigen Stellen in Deutschland den russischen wissenschaftlichen Grad „kandidat nauk“ auf der Ebene des deutschen Doktorgrades an. Weiter ergibt sich aus dem Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 14. April 2000 über die Grundsätze für die Regelung der Führung ausländischer Hochschulgrade im Sinne einer gesetzlichen Allgemeingenehmigung durch einheitliche gesetzliche Bestimmungen sowie Ziffer 3.1. des Beschlusses der Kultusministerkonferenz vom 21. September 2001 i.d.F. vom 26. Juni 2015 über die Vereinbarung der Länder in Deutschland über begünstigende Regelungen gemäß Ziffer 4 der mit Beschluss der Kultusminister vom 14. April 2000 angenommenen Grundsätze, dass der Inhaber des in Russland erworbenen „kandidat nauk“ anstelle der im Herkunftsland zugelassenen oder nachweislich allgemein üblichen Abkürzung die Abkürzung „Dr.“ ohne fachlichen Zusatz, jedoch mit Herkunftsbezeichnung führen darf.
Damit ist der Kläger berechtigt, seinen in Russland erworbenen akademischen Grad des „kandidat nauk“ in Deutschland mit der Abkürzung „Dr.“ verbunden mit Herkunftsbezeichnung zu führen. Da der Kläger folglich nicht berechtigt ist seinen ausländischen Doktorgrad mit der Abkürzung „Dr.“ ohne weiteren Zusatz zu führen, besteht auch kein Anspruch auf Eintragung des Titels in seinen Personalausweis nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 PAuswG.
Der Einwand des Bevollmächtigten des Klägers, dass die Beschlüsse der Kultusminister vom 14. April 2000 und 21. September 2001 bzw. 26. Juni 2015 gegen die Vereinbarung der Bundesrepublik Deutschland und der Russischen Föderation über die Anerkennung von Urkunden über russische wissenschaftliche Grade vom 18. Februar 1999 verstießen, greift nicht durch. Denn das zwischenstaatliche Abkommen regelt lediglich auf welcher Ebene, also auf Ebene des wissenschaftlichen Grades der Habilitation bzw. des Doktorgrades, einzelne wissenschaftliche Grade anerkannt werden. Das Abkommen regelt jedoch nicht, in welcher Art und Weise der ausländische Grad im Bundesgebiet geführt werden darf. In Ausführung des Abkommens haben die Kultusminister in den oben genannten Beschlüssen daher geregelt, dass der Inhaber eines russischen Doktorgrades des „kandidat nauk“ statt der in Russland üblichen Bezeichnung die in Deutschland übliche Abkürzung „Dr.“ allerdings verbunden mit einer Herkunftsbezeichnung führen darf. Die Beschlüsse der Kultusministerkonferenz stehen damit nicht im Widerspruch zum internationalen Abkommen.
Ebenso wenig widerspricht die Regelung des § 5 Abs. 2 Nr. 3 PAuswG dem zwischenstaatlichen Abkommen, da Regelungen in unterschiedlichen Sachbereichen getroffen werden. Während das Abkommen die gegenseitige Anerkennung wissenschaftlicher Grade regelt und damit eine Regelung im Hochschul- und Berufsrecht trifft, regelt § 5 Abs. 2 Nr. 3 PAuswG auf welche Weise ein Doktorgrad in den Personalausweis eingetragen werden kann.
Die Regelung, derzufolge der Doktorgrad des Klägers nicht in den Personalausweis eingetragen werden kann, verstößt auch nicht gegen höherrangiges Recht, namentlich nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 GG. Die Regelung stellt sachgerecht darauf ab, ob der Doktorgrad in der Kurzform geführt werden darf, die im täglichen Leben neben dem Familiennamen verwendet zu werden pflegt, und bedeutet für den nachteilig Betroffenen lediglich, dass er sich durch einen Personalausweis nicht als Inhaber des ihm verliehenen Doktorgrades ausweisen kann. Seine Befugnis, den Doktorgrad in der genehmigten Form der Abkürzung – etwa bei der Berufsausübung – zu führen, bleibt selbstverständlich unberührt. Sollte dabei erforderlich sein, die Berechtigung zur Führung des Doktorgrades nachzuweisen, ließe sich dies durch die hierfür ausgestellte Genehmigungsurkunde erreichen. Personen, deren Doktorgrad aus den oben dargelegten Gründen nicht im Personalausweis eingetragen ist, befinden sich insoweit in keiner anderen Lage als die Inhaber anderer nicht eintragungsfähigen akademischer Grade auf (z. B. Ausweisinhaber mit dem akademischen Grad „Dipl. Ing“ oder L.L.M; BVerwG, U.v. 13.12.1988 – 1 C 54/86 – beckonline). Insofern besteht auch keine Ungleichbehandlung gegenüber der von der Klägerseite angeführten Gruppe der Spätaussiedler, da diese nur insoweit privilegiert sind, als dass sie, anders als der Kläger, ohne zwischenstaatliche Vereinbarung, gem. Art. 105 BayHSchulG berechtigt sind, einen ausländischen Titel anerkennen zu lassen. Keine Regelung wird hingegen dazu getroffen, dass Spätaussiedler generell berechtigt wären, den russischen wissenschaftlichen Grad des „kandidat nauk“ in Deutschland mit der Abkürzung „Dr.“ ohne Zusatz zu führen.
Da somit der Kläger keinen Anspruch auf Eintragung seines Doktorgrades in den Personalausweis hat, war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 ff. ZPO.


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