Europarecht

Keine Beschäftigungserlaubnis bei unzureichender Mitwirkung bei der Beschaffung von Identitätspapieren

Aktenzeichen  Au 1 E 17.1883

Datum:
29.1.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 8609
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 4 Abs. 3 S. 1, § 42 Abs. 2 Nr. 5, § 60a Abs. 6 S. 1 Nr. 2
BeschV § 32 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

Einem geduldeten Ausländer darf keine Beschäftigungserlaubnis erteilt werden, wenn er nur unzureichend an der Beschaffung von Identitätspapieren mitgewirkt hat. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 1.250,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der am 16. Oktober 1987 geborene Antragsteller ist pakistanischer Staatsangehöriger. Er begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Erlaubnis zur Aufnahme einer Beschäftigung.
Er reiste im Juni 2013 in das Bundesgebiet ein und stellte am 2. Juli 2013 einen förmlichen Asylantrag, der mit Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 9. Februar 2017 abgelehnt wurde. Die hiergegen erhobene Klage blieb erfolglos. Das Urteil ist seit dem 22. Juni 2017 rechtskräftig.
Der Antragsteller arbeitete seit Oktober 2015 in Vollzeit als Zuarbeiter bei der … in … Hierfür erhielt er zuletzt eine Beschäftigungserlaubnis bis zum 30. Mai 2017. Ein Antrag vom 31. Mai 2017 auf Weiterbeschäftigung bis zum 31. August 2017 wurde vom Antragsgegner nicht förmlich verbeschieden. Am 18. Januar 2018 beantragte der Antragsteller die Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis bis zum 30. März 2018.
Bei einer Vorsprache am 2. August 2017 wurde dem Antragsteller erstmals eine Duldung erteilt. Dabei erfolgte eine Belehrung über seine ausweisrechtlichen Pflichten und ihm wurde eine Beschäftigungserlaubnis für den Fall der hinreichenden Mitwirkung an der Identitätsklärung bzw. Passbeschaffung in Aussicht gestellt. Daraufhin legte der Antragsteller am 28. August 2017 eine E-Mail an seinen Bruder vor, worin dieser aufgefordert wird, bei der Beschaffung von Ersatzdokumenten behilflich zu sein. Zudem übersandte er dem Antragsgegner am 1. September 2017 eine „PAK IDENTITYSuccessful account registration“ der „National Database and Registration Authority (NADRA)“. Hierin wird dem Antragsteller mitgeteilt, dass er nunmehr registriert sei für die Beschaffung von Identitätsdokumenten auf elektronischem Weg. In der Nachricht befindet sich ein Link mit der Funktion „Continue registration“. Zudem teilte der Bevollmächtigte des Antragstellers mit E-Mail vom 29. August 2017 mit, dass der Antragsteller in Frankfurt beim pakistanischen Konsulat gewesen sei. Die für einen Reisepassantrag notwendigen Dokumente habe er jedoch nicht vorlegen können. Bei einer persönlichen Vorsprache des Antragstellers beim Landratsamt … wurde dieser ausweislich eines Aktenvermerks aufgefordert, die Registrierung fortzuführen, mit seiner Familie in Kontakt zu treten und ID-Unterlagen in Kopie anzufordern sowie vier biometrische Lichtbilder beizubringen. Über die Arbeitserlaubnis werde im Anschluss an den Nachweis der Bemühungen entschieden. Am 21. September 2017 teilte der Antragsteller mit, er habe sich online registriert, habe jedoch keine Bestätigung hierfür. Bei einem Telefonat mit seinen Eltern habe er erfahren, dass diese nach einem Umzug immer noch keine Identitätsnachweise gefunden hätten. Nachdem zwischen den Parteien Unstimmigkeiten entstanden waren, weshalb es bei einer weiteren Vorsprache des Antragstellers am 27. November 2017 zu keiner weiteren Registrierung kam, stellte ein Mitarbeiter des Landratsamts … mit E-Mail vom 5. Dezember 2017 schriftlich klar, dass das Angebot des Landratsamts zur Unterstützung des Antragstellers bei der Onlinebeantragung der Identitätspapiere unverändert fortgelte (Bl. 453 der Akte). Zudem wurde empfohlen, das Onlineverfahren bei der Botschaft von Pakistan zu betreiben (Bl. 465) und gebeten, entsprechende Nachweise vorzulegen, woran das Onlineverfahren scheitere.
Mit Schriftsatz vom 13. Dezember 2017 ließ der Antragsteller einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gemäß § 123 Abs. 1 VwGO stellen. Er habe mehrmals seinen Bruder angeschrieben, jedoch seien sämtliche Identitätspapiere bei einem Wohnsitzwechsel in Pakistan verloren gegangen. Seine Familie verhalte sich nicht kooperativ, was er nicht zu vertreten habe. Zudem habe er einen Onlineantrag auf Ausstellung von Identitätspapieren gestellt. Dessen Nichtbearbeitung durch die pakistanischen Behörden habe er ebenfalls nicht zu vertreten. Die Bundesagentur für Arbeit habe die Zustimmung zu der beantragten Beschäftigung erteilt. Zudem habe das Landratsamt selbst bestätigt, dass eine Abschiebung kurzfristig nicht möglich sei. Der Antragsgegner sei vier Jahre lang untätig gewesen und habe weder den Antragsteller zur Beschaffung von Dokumenten aufgefordert noch sich selbst darum gekümmert. Bei der Passbeschaffung müsse die Ausländerbehörde federführend aktiv werden. Dies ergebe sich bereits aus dem Wort „Mitwirkung“. Die Mitwirkungspflicht sei auf Handlungen beschränkt, die vom Betroffenen nur persönlich erbracht werden könnten. Insbesondere bedürfe es auch des eigenen ernsthaften Bestrebens der Behörde, die fehlenden Identitätsdokumente zu beschaffen. Im vorliegenden Fall habe nicht der Antragsteller, sondern vielmehr der Antragsgegner seine Pflichten zur Beschaffung der notwendigen Identitätsdokumente eklatant verletzt. Er sei jahrelang untätig gewesen und habe dem Antragsteller trotz einer Vielzahl an Vorsprachen nie den Hinweis gegeben, dass er an der Passbeschaffung mitzuwirken habe. Der Antragsgegner sei auch bereits seit Mitte 2016 in Besitz der Kopie eines in Griechenland ausgestellten Reisepasses, den er zur Beschaffung von Originaldokumenten hätte verwenden können. Es sei erstmals am 2. August 2017 zur Sprache gekommen, dass sich der Antragsteller selbst um die Beschaffung von Reisedokumenten kümmern müsse. Obwohl der Antragsgegner hätte wissen müssen, dass eine Vorsprache beim Konsulat in Frankfurt ohne Identitätspapiere keinerlei Aussicht auf Erfolg habe, sei dem Antragsteller dies geraten worden. Aufgrund einer geplanten Heirat mit einer Deutschen und der angedachten Wiedereinreise mit einem Arbeitsvisum habe der Antragsteller ein großes Interesse, einen pakistanischen Reisepass zu erhalten. Seine Kooperationsbereitschaft gehe über die gesetzliche Mitwirkungsverpflichtung hinaus. Der Bevollmächtigte des Antragstellers habe am 29. August 2017 den Account bei der NADRA erstellt, er habe die Registrierungsbestätigung mit dem Pin-Code per E-Mail sowohl an den Antragsteller als auch an den Antragsgegner zur weiteren Veranlassung weitergeleitet. Der Antragsteller habe daraufhin versucht, die Onlineregistrierung fortzuführen und sei gescheitert, weil ihm die dafür abverlangten Dokumente gefehlt hätten. Der Antragsgegner habe nichts unternommen, obwohl er die Onlineregistrierung erfolgreich hätte fortsetzen und beenden können. Denn ihm lägen sowohl die Fingerabdrücke des Antragstellers als auch Daten aus der Kopie des in Griechenland ausgestellten Reisepasses vor. Der Bevollmächtigte habe auch am 27. November 2017 für den Antragsteller einen Termin bei der Ausländerbehörde vereinbart, um gemeinsam die Registrierung fortzusetzen. Dies sei jedoch nicht erfolgt, was der Antragsgegner zu vertreten habe. Der Antragsgegner habe es an den von Lehre und Rechtsprechung geforderten ernsthaften Bemühungen fehlen lassen. Nunmehr habe der Antragsteller eine PCerfahrene Helferin, die mit ihm zusammen die Onlineregistrierung zu einem erfolgreichen Ende führen wolle. Soweit ihm nunmehr vorgeworfen werde, sich nicht selbstständig um einen Kontakt mit den pakistanischen Behörden vor Ort oder um die Einschaltung eines Vertrauensanwalts in Pakistan zu bemühen, sei auch dies Ausdruck einer völligen Umkehr der Verantwortlichkeit für die notwendige Beschaffung von Ausweisdokumenten. Der Antragsteller sei in Behördenangelegenheiten völlig unerfahren, so dass dies nicht von ihm erwartet werden könne. Auf das Fehlen eines Verlängerungsantrags ab dem 31. Mai 2017 seien weder der Antragsteller noch dessen Arbeitgeber hingewiesen worden. Die Bundesagentur für Arbeit habe die notwendige Zustimmung zur Beschäftigung des Antragstellers bereits längst erteilt und sein Begehren sei lediglich auf eine Verlängerung der bisher schon mehrfach genehmigten Tätigkeit gerichtet, so dass die beantragte Arbeitsgenehmigung zu erteilen sei.
Der Antragsteller lässt beantragen,
1. Im Wege der einstweiligen Anordnung wird der Antragsgegner verurteilt, dem Antragsteller Arbeitsgenehmigung für Beschäftigungen zu erteilen, deren Aufnahme die Bundesagentur für Arbeit im Rahmen der hierfür geltenden Bestimmungen zugestimmt hat.
2. Es wird angeordnet, dass der Antragsgegner den Antrag des Antragstellers und der … vom 10. November 2017, die erteilte Arbeitsgenehmigung bis 30. März 2018 zu verlängern, positiv verbescheidet.
Der Antragsgegner beantragt,
Der Antrag wird abgewiesen.
Bei einer Vorsprache am 2. August 2017 sei der Antragsteller über seine Passpflicht belehrt worden. Bei der Anhörung im Asylverfahren habe er angegeben, seine Ausweisdokumente (Identitätskarte und Reisepass) in Griechenland verloren zu haben. Es sei ihm geraten worden, einen Heimreiseschein beim Konsulat in Frankfurt zu beantragen und parallel dazu Dokumente aus Pakistan zu organisieren. Eine Onlineregistrierung beim pakistanischen Konsulat habe er begonnen, jedoch nicht zu Ende geführt. Es sei ihm mehrfach mitgeteilt worden, dass seine Bemühungen nicht ausreichten. Eine Arbeitserlaubnis könne dem Antragsteller derzeit nicht erteilt werden, da kein Antrag der Firma … vorliege. Die Zustimmung der Arbeitsagentur habe mangels Antrags nicht eingeholt werden können. Zudem greife bei ihm das absolute Erwerbstätigkeitsverbot nach § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 AufenthG. Er habe die Nichtvollziehbarkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen zu vertreten, da er keinen Nationalpass vorlege und bei der Beschaffung von Heimreisepapieren nicht mitwirke. Es seien dem Antragsteller zwei Wege aufgezeigt worden, um an Identitätsdokumente zu gelangen. Zum einen hätte er die Beschaffung der Dokumente in Pakistan versuchen können und selbst oder über die Einschaltung eines Vertrauensanwalts mit Behörden vor Ort Kontakt aufnehmen können. Außerdem hätte er seine Onlineregistrierung bei der pakistanischen Botschaft abschließen können. Soweit er keine Identitätsnachweise besitze, müsse er zunächst eine NICOP (National Identity Card for Overseas Pakistani) beantragen. Diese Beantragung erfolge über die NADRA (National Database and Registration Authority Pakistan). Die Registrierung bei der NAD-RA habe der Antragsteller am 29. August 2017 begonnen, jedoch nicht abgeschlossen. Eine Fortführung dieses Prozesses sei aber zum Erhalt von Identitätspapieren zwingend erforderlich. Die besten Erfolgsaussichten seien gegeben, wenn der Antragsteller in Pakistan schon einmal anlässlich der Beantragung eines Identitätsnachweises erfasst und seine Fingerabdrücke bei der NADRA hinterlegt seien. Das weitere Verfahren sei dann eine reine Formsache. Diese Voraussetzungen müssten bei dem Antragsteller ausweislich seiner bisherigen Angaben erfüllt sein. Dennoch führe er die Onlineregistrierung nicht weiter und könne auch keine triftigen Gründe für sein Verhalten benennen. Zuletzt mit E-Mail vom 5. Dezember 2017 sei dem Bevollmächtigten des Antragstellers die Unterstützung der Ausländerbehörde bei der Abwicklung der Registrierung zugesagt worden. Von diesem Angebot sei jedoch kein Gebrauch gemacht worden. Dem Antragsteller sei auch zuzumuten, selbstständig die Registrierung abzuschließen. Bisher sei keine Begründung dafür gegeben worden, weshalb dies nicht möglich sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie die vom Antragsgegner vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat in der Sache keinen Erfolg.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Voraussetzung ist, dass der Antragsteller das von ihm behauptete strittige Recht (den Anordnungsanspruch) und die drohende Gefahr seiner Beeinträchtigung (den Anordnungsgrund) glaubhaft macht, § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO.
1. Hinsichtlich des mit Schriftsatz vom 13. Dezember 2017 gestellten Antrags, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verurteilen, dem Antragsteller die Arbeitsgenehmigung für Beschäftigungen zu erteilen, deren Aufnahme die Bundesagentur für Arbeit im Rahmen der hierfür geltenden Bestimmungen zugestimmt hat, besteht weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund. Eine Dringlichkeit zur vorläufigen Regelung der Erlaubnis einer Vielzahl potentieller Beschäftigungen ohne konkreten Bezug zu einem bestimmten Rechtsverhältnis ist nicht ersichtlich. Zudem kann eine Beschäftigungserlaubnis nur für ein bestimmtes Arbeitsverhältnis, nicht aber für eine Vielzahl möglicher Beschäftigungen erteilt werden (vgl. § 32 BeschV).
2. Soweit der Bevollmächtigte des Antragstellers in seinem Schriftsatz vom 18. Januar 2018 beantragt anzuordnen, dass der Antragsgegner den Antrag auf die Verlängerung der Beschäftigungserlaubnis bis zum 30. März 2018 positiv verbescheidet, ist dieser Antrag nach entsprechender Auslegung zulässig. Der Antragsteller verfolgt mit ihm erkennbar das Ziel, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm vorläufig eine Erlaubnis für die Aufnahme einer Beschäftigung bei der … zu erteilen. Es entspricht dem Wesen und Zweck einer einstweiligen Anordnung, dass das Verwaltungsgericht in einem Eilverfahren nach § 123 VwGO grundsätzlich nur vorläufige Regelungen treffen kann und dem Betroffenen nicht schon in vollem Umfang das gewähren kann, was er nur in einem Klageverfahren erreichen könnte. In Anwendung des § 88 VwGO ist der Antrag deshalb dahingehend auszulegen, dass die Beschäftigungserlaubnis nur einstweilen bis zur Entscheidung des Antragsgegners über den entsprechenden Antrag des Antragstellers erteilt wird.
Der notwendige Anordnungsanspruch liegt jedoch nicht vor.
a) Gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 AufenthG dürfen Ausländer eine Erwerbstätigkeit nur ausüben, wenn der Aufenthaltstitel sie dazu berechtigt. Abweichend davon kann gemäß § 42 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG i.V.m. § 32 Abs. 1 Satz 1 BeschV Ausländerinnen und Ausländern, die eine Duldung besitzen, eine Zustimmung zur Ausübung einer Beschäftigung erteilt werden, wenn sie sich seit drei Monaten erlaubt, geduldet oder mit einer Aufenthaltsgestattung im Bundesgebiet aufhalten. Die Ausübung einer Erwerbstätigkeit darf einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, jedoch nicht erlaubt werden, wenn aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können (§ 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 AufenthG). Zu vertreten haben Ausländer die Gründe insbesondere, wenn sie das Abschiebungshindernis durch Täuschung über ihre eigene Identität oder durch falsche Angaben herbeigeführt haben (§ 60a Abs. 6 Satz 2 AufenthG). Gleiches gilt, wenn das Abschiebungshindernis kausal auf einer schuldhaft unzureichenden Mitwirkung an der Beschaffung eines Passes oder Passersatzes beruht (BayVGH, B.v. 28.4.2011 – 19 ZB 11.875 – juris Rn. 4 zum damals maßgeblichen § 11 Satz 2 BeschVerfV). Zwar wird in § 60a Abs. 6 Satz 2 AufenthG – anders als in § 60a Abs. 5 Satz 5 AufenthG und § 25 Abs. 5 Satz 4 AufenthG – die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erwähnt. Dies lässt jedoch keinen tragfähigen Schluss dahingehend zu, dass in einem solchen Fall keine zu vertretenden Gründe nach § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 AufenthG vorliegen können. Denn ein Betroffener, der mit zumutbarem Aufwand ein bestehendes Hindernis aus der Welt schaffen kann, hat ohne Weiteres und zwanglos das Unterbleiben der Aufenthaltsbeendigung zu vertreten, so dass den in Satz 2 genannten Fällen nur der Charakter von Regelbeispielen beizumessen ist (Funke-Kaiser in GK-AufenthG, Stand Dezember 2017, § 60a Rn. 82).
b) In dem für das Gericht maßgeblichen Zeitpunkt seiner Entscheidung hat der Antragsteller nicht hinreichend an der Beschaffung von Identitätspapieren mitgewirkt.
aa) Als zumutbare Mitwirkung an der Beschaffung eines Identitätspapiers gilt insbesondere, in einem Antrag alle Tatsachen anzugeben, die zur Feststellung der Identität der Person und seiner Eigenschaft als Staatsangehöriger seines Herkunftsstaats notwendig sind, und die entsprechenden Nachweise zu erbringen (vgl. zur Passbeschaffung BayVGH, B.v. 14.4.2014 – 10 C 12.498 – juris Rn. 8 m.w.N.). Die Zumutbarkeit beurteilt sich darüber hinaus nach den Umständen des Einzelfalls (vgl. BayVGH, a.a.O., Rn. 9), wobei der Ausländer an allen Handlungen mitwirken muss, welche die Behörden zulässigerweise von ihm verlangen. Die behördlichen Hinweise müssen so gehalten sein, dass für den Ausländer hinreichend erkennbar ist, welche Schritte er zu unternehmen hat; ein bloßer allgemeiner Verweis auf bestehende Mitwirkungspflichten oder die Wiedergabe des Gesetzestextes wird diesen Anforderungen nicht gerecht. In aller Regel ist die Behörde angesichts ihrer organisatorischen Überlegenheit und sachlichen Nähe, ihrer Kontakte und Kenntnisse besser in der Lage, die bestehenden Möglichkeiten zu erkennen und die entsprechenden Schritte in die Wege zu leiten. Daher hat in erster Linie die Ausländerbehörde nach Möglichkeiten für die Beseitigung von Hindernissen zu suchen. Der Ausländer ist aber auch gehalten, eigenständig die Initiative zu ergreifen. Eine Grenze bildet dabei die Frage, welche Möglichkeiten ihm bei objektiver Betrachtungsweise bekannt sein können. Der Ausländer und die Behörde müssen sich gemeinsam um die Beseitigung von Hindernissen kümmern; ihre Pflichten stehen in einem Verhältnis der Wechselseitigkeit. Keine Seite kann von der anderen verlangen, dass diese allein sich um die Beseitigung bestehender Hindernisse bemüht (vgl. BayVGH, B.v. 14.10.2011 – 19 C 11.1664 – juris Rn. 6). Dabei ist der Ausländer oder die Ausländerin grundsätzlich gehalten, die „normalen“ von seiner diplomatischen Vertretung geforderten Mitwirkungshandlungen darzulegen und deren Ausführung gegebenenfalls zu beweisen (Funke-Kaiser, a.a.O., Rn. 85).
bb) Im vorliegenden Fall hat sich der Antragsteller nicht in dem von ihm zu fordernden Ausmaß um den Abschluss der Onlinebeantragung eines Identitätspapiers bemüht. Sein Bevollmächtigter hat zwar am 29. August 2017 einen Account bei der NADRA erstellt und damit erste Vorbereitungen zum Erhalt eines Identitätspapiers getroffen. Das notwendige weitere Prozedere ist aber bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts nicht erfolgt, obwohl aus der vorgelegten Registrierung hervorgeht, dass diese anhand eines Links weitergeführt werden muss. Die konkreten Gründe hierfür sind auch den umfangreichen Ausführungen seines Bevollmächtigten nicht zu entnehmen. Dieser berief sich zunächst darauf, die pakistanischen Behörden hätten den Onlineantrag des Antragstellers trotz einer Registrierungsbestätigung vom 29. August 2017 bis heute nicht bearbeitet. Allerdings ist der Bestätigung vom 29. August 2017 zu entnehmen, dass die Registrierung fortgeführt werden müsste. Warum dies bisher nicht geschehen ist und woran dies scheitert, ist unklar. Soweit sich der Bevollmächtigte des Antragstellers in seinem weiteren Schriftsatz vom 12. Januar 2018 darauf beruft, dieser habe die Onlineregistrierung nicht fortführen können, da ihm die dafür abverlangten Dokumente gefehlt hätten, wird nicht näher dargelegt, um welche Dokumente es sich dabei handelt.
Da es sich bei der Onlineregistrierung um ein Angebot des pakistanischen Staates an seine Staatsbürger und nicht an Behörden anderer Staaten handelt, hat der Antragsteller diese Registrierung selbst vorzunehmen. Aufgabe der Ausländerbehörde war es in diesem Fall, den Antragsteller auf dieses Verfahren hinzuweisen, was der Antragsgegner auch getan hat. Unklar ist, weshalb der Antragsteller das Angebot der Ausländerbehörde, ihm bei der Abwicklung der Registrierung zu unterstützen, nicht angenommen hat. Auch wenn es bei der persönlichen Vorsprache am 27. November 2017 zu Missverständnissen gekommen ist, so liegt doch spätestens seit dem 5. Dezember 2017 ein schriftliches Angebot der Ausländerbehörde zur Unterstützung vor. Auch trägt der Antragsteller nicht vor, die Hilfestellung durch das pakistanische Konsulat bei der elektronischen Registrierung in Anspruch genommen zu haben, obwohl er auch auf diese Möglichkeit von der Ausländerbehörde hingewiesen wurde.
cc) Die zentrale Bedeutung des Abschlusses der Onlineregistrierung ergibt sich im vorliegenden Fall daraus, dass der Antragsteller nach eigenen Angaben bereits einen Pass und eine Identitätskarte besessen hat und somit bei der zuständigen Behörde seines Heimatlandes mit Fingerabrücken registriert sein muss. Deshalb ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt davon auszugehen, dass der Abschluss der Onlineregistrierung möglich und ein Erfolg zu erwarten ist. Der Antragsteller müsste besondere Umstände vortragen, weshalb in seinem Fall dieses Verfahren nicht erfolgreich zu Ende geführt werden kann. Da er der zumutbaren Aufforderung des Antragsgegners, seine Onlineregistrierung abzuschließen und eine Identitätskarte zu beantragen, bisher nicht nachgekommen ist, muss das Verwaltungsgericht in der Gesamtschau derzeit davon ausgehen, dass der Antragsteller nicht hinreichend an der Beschaffung der Dokumente mitwirkt. Der Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis steht im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung der Versagungsgrund des § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 AufenthG entgegen, so dass bereits ein Anordnungsanspruch fehlt. Auf die Frage des Vorliegens eines Anordnungsgrunds kommt es damit nicht an.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Als unterliegender Teil hat der Antragsteller die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Streitwertfestsetzung folgt den Vorgaben der §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG i.V.m. den Ziffern 1.5 und 8.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Da es sich um eine Nebenbestimmung zu einer Duldung handelt, wurde der Auffangwert halbiert.


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