Europarecht

Keine Erlaubnis zur Aufnahme der Vollzeitbeschäftigung für Asylbewerber im laufenden Asylverfahren

Aktenzeichen  Au 1 K 17.101

Datum:
13.6.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 153162
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 4 Abs. 3 S. 1
AsylG § 55, § 61 Abs. 2 S. 1, § 67 Abs. 1 S. 1 Nr. 6
BeschV § 32 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Die Vorschrift des § 61 Abs. 2 S. 1 AslG regelt eine Ausnahme vom generellen Erwerbstätigkeitsverbot nach § 4 Abs. 3 S. 1 AufenthG und benennt die Voraussetzungen, unter denen einem Asylbewerber abweichend hiervon die Aufnahme einer Beschäftigung im Sinne einer nichtselbstständigen Arbeit erlaubt werden kann; das Regelungssystem begründet also ein gesetzliches Beschäftigungsverbot mit Erlaubnisvorbehalt (vgl. BayVGH BeckRS 2016, 54878). (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
1 Einwanderungspolitische Ziele dürfen zulässigerweise bei der Ermessensentscheidung im Rahmen des § 61 Abs. 2 AsylG berücksichtigt werden. Es ist daher zulässig, die Verfestigung eines Aufenthalts bei Asylbewerbern nicht zu unterstützen, solange ihr endgültiges Bleiberecht nicht feststeht. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Erteilung einer Erlaubnis zur Aufnahme der beantragten Vollzeitbeschäftigung noch war der Beklagte zu verpflichten, über den Antrag nochmals unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden. Denn der Bescheid des Beklagten ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO).
1. Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch auf Erteilung einer Erlaubnis zur Aufnahme einer Vollzeitbeschäftigung ist hier nur § 61 Abs. 2 Satz 1 AsylG, da sich der Kläger als Asylbewerber im laufenden Asylverfahren befindet.
a) Nach § 61 Abs. 2 Satz 1 AsylG kann einem Asylbewerber, der sich seit drei Monaten gestattet im Bundesgebiet aufhält, die Ausübung einer Beschäftigung erlaubt werden, wenn die Bundesagentur für Arbeit zugestimmt hat oder durch Rechtsverordnung bestimmt ist, dass die Ausübung der Beschäftigung ohne Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit zulässig ist. Die Vorschrift regelt eine Ausnahme vom generellen Erwerbstätigkeitsverbot nach § 4 Abs. 3 Satz 1 AufenthG und benennt die Voraussetzungen, unter denen einem Asylbewerber abweichend hiervon die Aufnahme einer Beschäftigung im Sinne einer nichtselbstständigen Arbeit erlaubt werden kann; das Regelungssystem begründet also ein gesetzliches Beschäftigungsverbot mit Erlaubnisvorbehalt (vgl. BayVGH, B.v. 11.11.2016 – 10 C 16.1790 – juris Rn. 7; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: April 2016, A 1 § 4 Rn. 53; Neundorf in Beck’scher Online-Kommentar, Ausländerrecht, Kluth/Heusch, Stand: 1.2.2017, § 61 AsylG vor Rn. 1, Rn. 6 und 9).
Mit dem (teilweisen) Verbot der Erwerbstätigkeit werden auch einwanderungspolitische Ziele verfolgt, denn ihm liegt die Erwägung zu Grunde, dass Ausländer den Aufenthalt im Inland durch eine Erwerbstätigkeit verfestigen (vgl. Neundorf, a.a.O., § 61 AsylG Rn. 2). Daher kann für Asylbewerber nur unter bestimmten Voraussetzungen der Arbeitsmarktzugang erlaubt werden, solange ihr endgültiges Bleiberecht nicht feststeht. Außerdem soll dem Zuzug solcher Asylbewerber entgegengewirkt werden, die nicht wegen politischer Verfolgung, sondern ausschließlich aus wirtschaftlichen Gründen an einem Aufenthalt in der Bundesrepublik interessiert sind (vgl. Neundorf, a.a.O., § 61 Rn. 2). Einem Asylbewerber muss zwar während des Asylverfahrens der Schutz zu teil werden, der nötig ist, damit das ihm möglicherweise zustehende Grundrecht auf Asyl nicht gefährdet wird. Er kann aber nicht verlangen, bereits in jeder Hinsicht wie ein anerkannter Asylberechtigter/Flüchtling gestellt zu werden (vgl. auch BVerfG, B.v. 20.9.1983 – 2 BvR 1445/83 – NJW 1984, 558). Er kann daher insbesondere nicht beanspruchen, seinen Unterhalt durch Erwerbstätigkeit bestreiten zu dürfen.
b) Der Kläger hält sich seit dem 29. Juli 2015 als Asylbewerber im laufenden Asylverfahren nach § 55 i.V.m. § 67 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 AsylG gestattet im Bundesgebiet auf, also mehr als drei Monate. Allerdings setzt die Ausübung der Beschäftigung nach § 61 Abs. 2 Satz 1 AsylG i.V.m. § 32 Abs. 1 BeschV die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit voraus, die jedoch (noch) nicht vorliegt. Bei der beantragten Tätigkeit handelt es sich auch nicht um eine zustimmungsfreie Beschäftigung im Sinne von § 32 Abs. 2 BeschV, so dass schon aus diesem Grund die Voraussetzungen für die Erlaubnis zur Beschäftigung nicht gegeben sind.
c) Unabhängig von der fehlenden Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit hat der Kläger auch keinen Anspruch auf Erteilung der Beschäftigungserlaubnis, da die Entscheidung hierüber im Ermessen der Behörde steht und eine sogenannte „Ermessensreduzierung auf Null“ vorliegend nicht gegeben ist.
Die vom Beklagten im streitgegenständlichen Bescheid getroffene Ermessensentscheidung ist nicht zu beanstanden (§ 114 Satz 1 VwGO). Der Beklagte hat in seiner Entscheidung fehlerfrei die privaten Belange des Klägers und die öffentlichen Interessen an einer Versagung der Beschäftigungserlaubnis abgewogen. Er hat sich insbesondere nicht von sachfremden Erwägungen leiten lassen, sondern das Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigungsnorm ausgeübt, indem aufenthalts- und asylrechtliche Gesichtspunkte angeführt wurden. Einwanderungspolitische Ziele dürfen zulässigerweise bei der Ermessensentscheidung im Rahmen des § 61 Abs. 2 AsylG berücksichtigt werden (Neundorf in Kluth/Heusch, Beck’scher Online Kommentar Ausländerrecht, Stand: 1.2.2017, § 61 Rn. 12). Es ist zulässig, die Verfestigung eines Aufenthalts bei Asylbewerbern nicht zu unterstützen, solange ihr endgültiges Bleiberecht nicht feststeht. Es entspricht migrationspolitischen öffentlichen Belangen, die Verwurzelung bei Personen ohne oder mit geringer Bleibeperspektive zu verhindern.
Der Vortrag des Klägers, die Ermessensentscheidung hätte zu seinen Gunsten ausfallen müssen, weil er infolge der beabsichtigten Heirat eine dauerhafte Bleibeperspektive besitze, führt zu keiner für ihn günstigen Entscheidung. Im Rahmen der Beschäftigungserlaubnis, die im Zusammenhang mit einem Asylverfahren steht, sind Bleibeperspektiven aus einem anderen Rechtsgrund außerhalb des Asylverfahrens in der Regel nicht zu berücksichtigen. Denn die Beschäftigungserlaubnis ist an das Aufenthaltsrecht zur Durchführung des Asylverfahrens geknüpft. Es ist daher sachgerecht, im Rahmen der Ermessensentscheidung nach § 61 Abs. 2 AsylG primär auf die Gesichtspunkte abzustellen, die im Zusammenhang mit dem Asylverfahren stehen. Es mag Fallkonstellationen geben, die dazu führen, dass ein Ausländer bzw. Asylbewerber aus Gründen, die außerhalb des Asylverfahrens liegen, eine sogenannte Bleibeperspektive besitzt. Das wäre beispielsweise möglich, wenn dieser einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis jenseits des Asylverfahrens hat. Die vom Kläger geäußerte Absicht eine deutsche Staatsangehörige zu heiraten, ist hierfür jedoch nicht ausreichend und führt nicht dazu, dass die vom Beklagten getroffene Ermessensentscheidung fehlerhaft ist. Der Beklagte hat den Umstand der Eheschließungsabsicht in seine Ermessenserwägungen eingestellt und sachgerecht gewichtet. Er hat zulässigerweise diesem Umstand kein ausschlaggebendes Gewicht beigemessen. Denn er hat ausgeführt, dass die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 28 AufenthG neben weiteren Voraussetzungen auch eine legale Einreise mit einem Visum zur Familienzusammenführung voraussetze und die Frage der Erwerbstätigkeit, die sich gegebenenfalls von einem möglicherweise in der Zukunft bestehenden Aufenthaltstitel ableiten lassen könne, für eine nach § 61 Abs. 2 AsylG zu treffende Entscheidung nicht ausschlaggebend sei. Auch ist der Ausländerakte zu entnehmen, dass die Eheschließung keinesfalls unmittelbar bevorsteht. Einem Schreiben des für die Eheschließung zuständigen Standesamts vom 8. August 2016, das der Klägerbevollmächtigte dem Beklagten zur Kenntnis gegeben hatte, ist zu entnehmen, dass angesichts der Tatsache, dass der Kläger in der Ukraine bereits zweimal verheiratet war, noch diverse Unterlagen für die Eheschließung erforderlich sind. Auch wurde durch die konsularische Vertretung noch keine Ledigkeitsbescheinigung ausgestellt. Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, dass die Ausstellung dieser Bescheinigung bislang nur an der verweigerten Herausgabe seines Nationalpasses scheiterte. Denn der Behördenwie auch der Gerichtsakte sind keine Anstrengungen des Klägers zu entnehmen, dass er sich mit dem notwendigen Nachdruck um die Klärung der Angelegenheit bemüht hätte. Zudem ist lediglich die Absicht einer Eheschließung für die Entscheidung, ob einem Asylbewerber vor Abschluss seines Asylverfahrens der Arbeitsmarktzugang ermöglicht werden kann, nicht maßgeblich, da auch die Möglichkeit besteht, dass – aus welchen Gründen auch immer – die Eheschließung doch noch scheitert.
Die Ablehnung der beantragten Erlaubnis zur Beschäftigung war auch nicht deswegen ermessensfehlerhaft, weil der Beklagte dem Kläger die Aufnahme einer geringfügigen Beschäftigung erlaubt hatte. Denn die in der Vergangenheit genehmigte Tätigkeit ist mit der hier in Streit stehenden Beschäftigung nicht vergleichbar. Eine Vollzeitbeschäftigung als Logistikmitarbeiter führt zu einer deutlich stärkeren Verwurzelung im Arbeitsmarkt und somit auch einer Verfestigung des Aufenthalts als eine Arbeit als Hilfskraft mit einem Arbeitsumfang von 10 bis 30 Stunden pro Monat.
Ebenfalls nicht zu beanstanden ist die Praxis des Beklagten, auch auf die voraussichtlichen Erfolgsaussichten des Asylverfahrens und somit auf die aufgrund des Asylantrags für den Kläger zu erwartende Bleibeperspektive abzustellen. Dieser Einschätzung steht die vom Klägerbevollmächtigten zitierte Rechtsprechung (VG München, U.v. 5.4.2017 – M 9 K 17.254) nicht entgegen. Im vom Verwaltungsgericht München entschiedenen Fall hatte sich die Behörde – ohne weitere Ermessenserwägungen anzustellen und ohne auf den Einzelfall einzugehen – allein auf die Weisungslage des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr (IMS) über die Beschäftigung und Berufsausbildung von Asylbewerbern gestützt. Zudem handelte es sich um einen Asylbewerber aus Afghanistan, einem Herkunftsland, das eine deutlich höhere Anerkennungsquote aufweist, als die Ukraine. Es stünde dem Kläger zudem frei, auch gegenüber der Ausländerbehörde Umstände vorzutragen, die für den Erfolg seines Asylantrags sprechen. Der Kläger hat sich aber weder gegenüber dem Beklagten noch im Gerichtsverfahren hierzu geäußert. Er hat auch keinerlei Anstrengungen unternommen, beim Bundesamt eine Beschleunigung der Entscheidung über seinen Asylantrag zu erreichen.
2. Der Beklagte hat somit das ihm eröffnete Ermessen in nicht zu beanstandender Weise ausgeübt, die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO. Das Verfahren ist als Streitigkeit nach dem Asylgesetz gerichtskostenfrei (§ 83b AsylG).


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