Europarecht

Keine Haftung der Porsche AG für eventuelle unzulässige Abschalteinrichtung in von Audi geliefertem Dieselmotor (hier: Porsche Cayenne)

Aktenzeichen  44 O 1826/20

Datum:
22.2.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 15194
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 31, § 823 Abs. 2, § 826
StGB § 263

 

Leitsatz

1. Zu – jeweils verneinten – (Schadensersatz-)Ansprüchen von Käufern eines Porsche-Fahrzeugs, in das ein von Audi entwickelter Diesel-Motor eingebaut ist, vgl. auch OLG München BeckRS 2020, 41015; BeckRS 2020, 44392; BeckRS 2021, 7739; OLG Dresden BeckRS 2020, 32522; BeckRS 2021, 6203; OLG Bamberg BeckRS 2021, 2533; OLG Köln BeckRS 2020, 25732; LG Augsburg BeckRS 2021, 8686; LG München I BeckRS 2020, 42410; LG München II BeckRS 2020, 43746; LG Nürnberg-Fürth BeckRS 2020, 43093; LG Würzburg BeckRS 2020, 44850. (redaktioneller Leitsatz)
2. Es ist nicht ersichtlich, dass die Porsche AG, die sich nach Bekanntwerden des Dieselskandals in den USA im Jahr 2015 bei der Audi AG als Herstellerin des Motors gerade im Hinblick auf das Vorhandensein unzulässiger Abschaltvorrichtungen rückversichert hat und von dieser bestätigt bekam, dass mit dem streitgegenständlichen Motor alles in Ordnung sei, Kenntnis von dem Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung in dem hier eingebauten Motor hatte. (Rn. 15 und 17) (redaktioneller Leitsatz)
3. Es fehlt jedenfalls an einem Schädigungsvorsatz der Porsche AG, zumal Beanstandungen des Motors durch das KBA erst nach der erstmaligen Zulassung des Fahrzeugs erfolgten. (Rn. 18 – 19) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Schadensersatz zu.
I.
1. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Schadensersatz gemäß §§ 826,31 BGB.
Die Klagepartei hat nicht hinreichend dargelegt, dass ihr durch die Beklagte in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich Schaden zugefügt wurde.
Dem steht nicht entgegen, dass grundsätzlich Ansprüche aus § 826 BGB denkbar sind, wenn Fahrzeuge mit bewussten Softwaremanipulationen mit der Vorstellung in Verkehr gebracht werden, dass die betreffende Sache in unverändert mangelhaften Zustand an einen ahnungslosen Dritten veräußert wird, der in Kenntnis der Umstände von dem Geschäft Abstand nähme.
Objektiv sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach Inhalt oder Gesamtcharakter, der durch eine zusammenfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt, das heißt mit den grundlegenden Wertungen der Rechts- und Sittenordnung nicht vereinbar ist. Subjektiv ist das Bewusstsein der Sittenwidrigkeit nicht erforderlich. Der Schädiger muss aber die Tatumstände kennen, die sein Verhalten als sittenwidrig erscheinen lassen. Nicht erforderlich ist dabei, dass der Schädiger die haftungsbegründenden Umstände positiv kennt. Es genügt, wenn er sich solcher Kenntnis bewusst verschlossen hat. Der erforderliche Schädigungsvorsatz bezieht sich darauf, dass durch die Handlung einem anderen Schaden zugefügt wird. Fahrlässigkeit, auch grobe, genügt nicht. Zum Vorsatz gehört und genügt, dass der Schädiger spätestens im Zeitpunkt des Schadenseintritts Art und Richtung des Schadens und die Rechtsfolgen vorausgesehen und die Schädigung im Sinne eines direkten Vorsatzes gewollt oder im Sinne eines bedingten Vorsatzes ebenfalls, mag er sie auch nicht wünschen, doch zur Erreichung seines Ziels billigend in Kauf genommen hat (vgl. Palandt-Sprau, BGB, 79. Auflage, § 826, Rd-Nr. 4, 8; Urteil des Landgerichts Berlin, Az: 51 O 133/19).
Im zur Entscheidung stehenden Fall ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte Kenntnis von dem Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung in dem von der … entwickelten und produzierten Motor hatte.
Bereits der Vortrag der Klagepartei ist nicht geeignet, diese Kenntnis zu belegen, da die Klägerin nur auf die Kenntnisse von Mitarbeitern der … im Bezug auf die in der Motorreihe EA 189 verbauten Abschalteinrichtungen abstellt. Woher jedoch Mitarbeiter oder Vorstandsmitglieder der … gewusst haben sollen, dass auch in dem von der … entwickelten und produzierten Motor unzulässige Abschalteinrichtungen verbaut worden sein sollen, erschließt sich dem Gericht nach dem klägerischen Sachvortrag nicht, ebenso wie die behauptete Weitergabe dieser Kenntnisse an Vorstandsmitglieder und Mitarbeiter der Beklagten. Auch der Umstand, dass gegen frühere Vorstandsmitglieder der … ein Strafverfahren im Zusammenhang mit der sogenannten Dieselaffäre geführt wird, belegt keine Kenntnisse der leitenden Mitarbeiter der Beklagten im streitgegenständlichen Sachverhalt. Auch der Verweis darauf, dass die weiteren Ermittlungen zeigen würden, dass es eine enge Zusammenarbeit der verantwortlichen Mitarbeiter der Beklagten mit … oder aber auch … gab, belegt diese Kenntnis nicht. Auch die bloße Zugehörigkeit der … und der Beklagten zu einem Konzern kann eine Zurechnung von Kenntnissen leitender Mitarbeiter der … mit Wirkung für und gegen die anderen Gesellschaften des Konzerns nicht erbringen.
Zudem zeigen die von der Beklagtenseite vorgelegten Unterlagen, dass sich die Beklagte nach Bekanntwerden des Dieselskandals in den USA im Jahr 2015 bei der … als Herstellerin des Motors gerade im Hinblick auf das Vorhandensein unzulässiger Abschaltvorrichtungen rückversichert hat und von dieser bestätigt bekam, dass mit dem streitgegenständlichen Motor alles in Ordnung sei. Anhaltspunkte aus denen sich ergeben könnte, dass die Beklagte damals nicht auf die Richtigkeit dieser Auskünfte vertrauen durfte, wurden von der Klägerin nicht substantiiert vorgebracht.
Auch etwaige Beanstandungen des Motors durch das KBA erfolgten jedenfalls erst nach der erstmaligen Zulassung des streitgegenständlichen Fahrzeugs.
Es fehlt damit jedenfalls an einem Schädigungsvorsatz der Beklagten, sodass eine Haftung der Beklagten gemäß §§ 826, 31 BGB nicht in Betracht kommt.
2. Der Klägerin stehen gegen die Beklagte auch keine Schadensersatzansprüche gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB zu.
Aus den dargestellten Gründen liegen auch die subjektiven Voraussetzungen des § 263 StGB nicht vor. Es ist, wie oben dargestellt, nicht ersichtlich, dass die Beklagte zum Zeitpunkt der Inverkehrbringen der streitgegenständlichen Fahrzeug wusste, dass dieses mit unzulässigen Abschalteinrichtungen versehen ist. Daher fehlt es jedenfalls zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens des Fahrzeugs an einer Täuschungsabsicht der Beklagten.
3. Da der Klägerin kein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zusteht, sind auch die weiter geltend gemachten Ansprüche unbegründet. Die Klage ist daher insgesamt abzuweisen.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
III.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.


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