Europarecht

Keine Haftung der Porsche AG für eventuelle unzulässige Abschalteinrichtungen in von Audi geliefertem Dieselmotor (hier: Leasing eines Porsche Macan S Diesel V6 EU6)

Aktenzeichen  1 O 1274/20

Datum:
16.4.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 37975
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Passau
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 31, § 823 Abs. 2, § 826
Fahrzeugemissionen-VO Art. 5 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Zu – jeweils verneinten – (Schadensersatz-)Ansprüchen von Käufern eines Porsche-Fahrzeugs, in das ein von Audi entwickelter Diesel-Motor eingebaut ist, vgl. auch OLG Köln BeckRS 2020, 25732; OLG München BeckRS 2020, 41015; BeckRS 2020, 44392; BeckRS 2021, 7739; OLG Dresden BeckRS 2020, 32522; BeckRS 2021, 6203; OLG Bamberg BeckRS 2021, 2533; BeckRS 2021, 31199; LG Augsburg BeckRS 2021, 8686; LG München I BeckRS 2020, 42410; LG München II BeckRS 2020, 43746; LG Nürnberg-Fürth BeckRS 2020, 43093; BeckRS 2021, 37945; BeckRS 2021, 37979; LG Würzburg BeckRS 2020, 44850. (redaktioneller Leitsatz)
2. Es ist nicht ersichtlich, inwieweit dem Leasingnehmer noch Schäden zum Beispiel wegen einer drohenden Stilllegung des Fahrzeugs entstehen könnten, wenn er das Fahrzeug nach Ablauf des Leasingvertrags bereits wieder zurückgegeben hat. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine Zurechnung eventueller Kenntnisse von Mitarbeitern der Audi AG kommt nicht in Betracht, da hierfür die Verbundenheit in einem Konzern nicht genügt, zumal es nicht um die Zurechnung des Wissens einer Tochtergesellschaft zu Lasten der Konzernmutter geht, sondern um zwei Schwestergesellschaften. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
4. Der Leasingnehmer eines vom Diesel-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs ist nicht geschädigt, wenn er während der Laufzeit des zwischenzeitlich beendeten Leasingvertrags keinen tatsächlichen Nutzungsbeschränkungen aufgrund der angeblichen „Manipulationssoftware“ unterworfen war, sondern das Fahrzeug trotz der unterstellten „Bemakelung“ uneingeschränkt im Straßenverkehr nutzen konnte. (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen
II. Der Kläger tragt die Kosten des Rechtsstreits
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt Ziffer II vorlaufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages
Beschluss
Der Streitwert wird auf … € festgesetzt.

Gründe

Die Klage ist hinsichtlich der erhobenen Feststellungsanträge bereits unzulässig und wäre insoweit aber auch in der Sache unbegründet. Soweit sie – im (hilfsweisen) Leistungsbegehren – sich als zulässig erweist, ist sie unbegründet.
I.
1. Das Landgericht Passau ist für die Entscheidung sachlich gemäß § 1 ZPO i.V.m. §§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG sowie örtlich gemäß § 32 ZPO zuständig.
2. Die Klage ist hinsichtlich des Feststellungsantrags Ziffer 1. aus dem Schriftsatz v. 08.03.2021, auch soweit dieser hilfsweise als Feststellungsbegehren formuliert wurde, sowie in Bezug auf den Hilfsantrag zur Feststellung weitergehender Schäden unter Ziffer 2. (Blatt 259 der Akte) des Schriftsatzes v. 08.03.2021 schon unzulässig Ein Feststellungsinteresse ist wegen des Vorrangs der Leistungsklage nicht gegeben.
Eine auf Feststellung eines Anspruchs dem Grunde nach beschränkte Klage ist grundsätzlich unzulässig, wenn eine Klage auf Leistung möglich und zumutbar ist, da eine Leistungsklage die bessere Rechtsschutzmöglichkeit darstellt und zudem der Streitstoff in einem Prozess geklärt werden kann (vgl. BGH NJW 2017, 1823; OLG Köln, Beschluss v. 22.10.2020 – 4 U 79/20; OLG Bamberg, Urt. v. 03.02.2021 – 8 U 83/20). Eine Leistungsklage kann zwar dann unzumutbar sein, wenn der Schaden noch in der Entstehung begriffen oder nicht hinreichend bezifferbar ist, weil voraussichtlich eine Begutachtung erforderlich wäre und der Kläger in solchen Fällen von der Einholung möglicherweise umfangreicher Privatgutachten entlastet werden soll (BGH, Urt. v. 12.07.2005 – VI ZR 83/04). Ein solcher Fall liegt hier indes nicht vor.
Grundsätzlich macht die Klagepartei gegen die Beklagte einen deliktischen Anspruch auf Rückabwicklung des Leasingvertrags geltend. Dies ist das zwischen den Parteien streitige Rechtsverhältnis. Es ist nicht ersichtlich, inwieweit der Klagepartei noch Schäden zum Beispiel wegen einer drohenden Stilllegung des Fahrzeugs zustehen könnten, zumal die Klagepartei unstreitig das Fahrzeug nach Ablauf des Leasingvertrags bereits wieder zurückgegeben hat. Liegt der Schaden der Klagepartei daher, wie sie meint, in den entrichteten Leasingraten, kann sie diese ohne Weiteres beziffern (was sie im Hilfsantrag auch tut). Auch etwaige Steuernachforderungen mehrere Jahre nach Bekanntwerden der „Dieselproblematik“ sind weder für das Gericht erkennbar, noch wurden diese plausibel dargelegt (vgl. auch OLG Koblenz, Urt. v. 30.09.2020, 5 U 1970/19; OLG Bamberg, a.a.O.). Sofern schließlich Nutzungsersatz in Abzug zu bringen ist, kann dies durch das Gericht gemäß § 287 ZPO nach der Gesamtlaufleistung des Pkws geschätzt werden (vgl. OLG München, Urt. v. 10.04.2013 – 20 U 4749/12), so dass auch tatsächliche Schwierigkeiten in der Bestimmung der Nutzungsersatzhöhe einer Leistungsklage nicht entgegenstehen.
II.
Die Feststellungsanträge wären im Übrigen auch unbegründet; ebenso sind die gestellten Leistungsanträge in der Sache ohne Erfolg. Die Klagepartei hat gegen die Beklagte keine – gegenwärtigen oder künftigen – Schadensersatzansprüche, weder in eigener Person noch nach Abtretung von Gewährleistungsansprüchen durch die Leasinggeberin.
1. Vertragliche und quasivertragliche Ansprüche auf Schadensersatz ergeben sich zu Gunsten der Klagepartei weder aus einer Verletzung (vor-)vertraglicher Nebenpflichten gemäß §§ 311, 241 Abs. 2 BGB noch nach abgetretenem Recht aus kaufrechtlicher Mängelgewährleistung gemäß §§ 437 Nr. 3, 440, 280, 281 BGB.
Die Klagepartei hat den streitgegenständlichen Leasingvertrag v. 30.06.2017 unstreitig nicht unmittelbar mit der Beklagten, sondern vielmehr mit der von dieser differenten Firma … geschlossen, so dass es zwischen den Streitteilen des Prozesses an einer vertraglichen Sonderverbindung fehlt. Ansprüche zu Gunsten der Klagepartei resultieren dabei auch nicht aus abgetretenem Recht wegen kaufrechtlicher Sachmängelhaftung. Zwar wurden von Seiten der Leasinggeberin kaufrechtliche Gewährleistungsansprüche im Zusammenhang mit dem Leasingvertrag an die Klagepartei abgetreten. Die Leasinggeberin hat ihrerseits das streitgegenständliche Fahrzeug jedoch nicht bei der Beklagten, sondern bei der Fa. … in Plattling erworben. Folglich können auch Mängelgewährleistungsansprüche aus und im Zusammenhang mit dem Fahrzeugerwerb nicht mit Erfolg gegen die Beklagte geltend gemacht werden.
2. Eine Haftung der Beklagten ergibt sich – auch unter Berücksichtigung der aktuellen Entscheidung des BGH v. 25.05.2020 (Az.: VI ZR 252/19) zu dem hier nicht streitgegenständlichen Dieselmotor des Typs EA 189 des … – nicht unter dem Gesichtspunkt einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung gemäß § 826 BGB i.V.m. § 31 BGB analog.
a) Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zu Tage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann (BGH, NJW 2017, 250).
Zwar kann in dem Inverkehrbringen eines Fahrzeugs, das mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehen ist, grundsätzlich eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung liegen, da dies dazu führen kann, dass der Widerruf der Typengenehmigung oder zumindest die Stilllegung des konkreten Fahrzeugs droht, sofern der Käufer nicht an der Rückrufaktion zur Beseitigung der Abschalteinrichtung teilnimmt. Mit der Inverkehrgabe des Fahrzeugs bringt der Hersteller jedenfalls konkludent zum Ausdruck, dass das Fahrzeug entsprechend seinem objektiven Verwendungszweck im Straßenverkehr eingesetzt werden darf, das heißt, über eine uneingeschränkte Betriebserlaubnis verfügt, deren Fortbestand nicht aufgrund bereits bei der Auslieferung des Fahrzeugs dem Hersteller bekannter, konstruktiver Eigenschaften gefährdet ist (BGH, Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19; OLG Koblenz, Urt. v. 20.04.2020 – 12 U 1570/19). Dies setzt voraus, dass nicht nur die erforderlichen Zulassungs- und Genehmigungsverfahren formal erfolgreich durchlaufen wurden, sondern auch, dass die für den Fahrzeugtyp erforderliche EG-Typengenehmigung nicht durch eine Täuschung des zuständigen Kraftfahrtbundesamtes erschlichen worden ist und das Fahrzeug den für deren Erhalt und Fortbestand einzuhaltenden Vorschriften tatsächlich entspricht (OLG Koblenz, a.a.O.).
b) Diese Voraussetzungen eines sittenwidrigen Verhaltens der Beklagten sind im vorliegenden Fall nicht gegeben. Sämtliche Umstände zur Begründung einer Haftung nach § 826 BGB wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung liegen in der Darstellungslast der Klagepartei (vgl. OLG München, Beschluss v. 25.07.2017 – 13 U 566/17; OLG München, Beschluss v. 14.11.2019 – 8 U 2769/19; OLG Braunschweig, Urt. v. 19.02.2019 – 7 U 134/17). Der Anspruchsteller hat daher darzulegen und zu beweisen, dass der Vorstand, ein Mitglied des Vorstandes oder ein anderer verfassungsmäßiger Vertreter (§ 31 BGB) des in Anspruch genommenen Unternehmens (hier die Beklagte) die objektiven und subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen des § 826 BGB verwirklicht hat (BGH, Urt. v. 28.06.2016 – VI ZR 536/15). Daran fehlt es hier. Schon zur Feststellung der Sittenwidrigkeit kann es gerade auch auf Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden ankommen, die die Bewertung seines Verhaltens als verwerflich rechtfertigen. Die Verwerflichkeit kann sich auch aus einer bewussten Täuschung ergeben (BGH, a.a.O.).
aa) Die Beklagte ist aber lediglich Herstellerin des streitgegenständlichen Porsche Macan, während der darin eingebaute Dieselmotor V6 TDI EU6 von der … entwickelt und hergestellt wurde. Für die nach § 31 BGB erforderliche Zurechnung von Kenntnissen über den Inhalt der Motorsteuerungssoftware auf die Beklagte als Fahrzeugherstellerin fehlt es an einem ausreichenden Vortrag der insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Klagepartei. Um die Voraussetzungen des für § 826 BGB charakteristischen moralischen Unwerturteils als erfüllt betrachten zu können, bedarf es der Feststellung, dass die grundlegende strategische Entscheidung in Bezug auf den Einsatz des mit einer – an dieser Stelle unterstellt – unzulässigen Software versehenen Motors, der bei der … hergestellt wurde, in Fahrzeugen der Marke Porsche von den im Haus der Beklagten verantwortlichen Personen selbst oder zumindest mit ihrer Kenntnis und Billigung getroffen bzw. jahrelang umgesetzt worden ist (BGH, Urt. v. 30.07.2020 – VI ZR 5/29; OLG Bamberg, Urt. v. 03.02.2021 – 8 U 83/20). Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass der von … entwickelte Motor von einer von der Beklagten zu unterscheidenden Rechtspersönlichkeit mit eigenem Vorstand stammt. Eine generelle Zurechnung von Wissen und Kenntnissen im Konzern bzw unter Konzerntöchtern ist dem Deliktsrecht fremd (OLG Bamberg, Urt. v. 28.10.2020 – 8 U 73/19; OLG Bamberg, Urt. v. 03.02.2021 – 8 U 83/20). Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund des detaillierten Vortrags der Beklagten zum Fahrzeug Porsche Macan Diesel V6 TDI EU6, wonach konzernintern durch Vereinbarung zum Zweck der Geringhaltung der Entwicklungs- und Herstellungskosten Übereinkünfte dahingehend erzielt wurden, dass die für die Beklagte benötigten Dieselmotoren einschließlich der Motorsteuerungssoftware von der … hergestellt werden. Angesichts dieser vorgetragenen Arbeitsteilung zum Zweck einer Geringhaltung der Entwicklungs- und Produktionskosten ist es durchaus plausibel, dass es bezüglich der Programmierung der Motorsteuerungssoftware im Einzelnen nicht zu konzernübergreifenden Absprachen kam (OLG Koblenz, Urt. v. 30.09.2020 – 5 U 1970/19; OLG Bamberg, Urt. v. 03.02.2021 – 8 U 83/20).
bb) Die Beklagte ist auch ihrer ggf. bestehenden sogenannten „sekundären Darlegungslast“ nachgekommen, indem sie eine detaillierte Sachverhaltsdarstellung über die Entwicklung des Dieselmotors des Modells Porsche Macan vorgelegt hat. Die Beklagte hat zu den Hintergründen der Grundlagenvereinbarung mit der Motorentwicklerin … vorgetragen und den Zukauf nachvollziehbar damit erläutert, dass sie selbst bis zur Entscheidung, ebenfalls Dieselmotoren in sogenannten SUVs zu verbauen, lediglich Erfahrung mit Benzinmotoren hatte, während die … über langjährige Erfahrung mit Dieselmotoren verfügte (vgl. OLG Bamberg, a.a.O.; OLG Köln, Beschluss v. 09.09.2020 – 8 U 12/20). Schließlich wurden von Seiten der Beklagten Schreiben der … vorgelegt, in denen diese auf Anfrage der Beklagten bestätigt hat, dass der Motor des Modells Porsche Macan keinen illegalen Gegenstand aufweise.
cc) Diesem Vorbringen ist die Klagepartei nicht substantiiert entgegengetreten. Angesichts des Umstandes, dass die Beklagte gerade nicht Entwicklerin des streitgegenständlichen Motors ist, konnte für sie nicht ohne Weiteres angenommen werden, dass ihr Vorstand bzw. Mitarbeiter des oberen Managements Kenntnisse von der Programmierung des Motors bzw. einem Einsatz einer – unterstellt – illegalen Software zur Steuerung der Abgase sowie deren Funktionsweise hatten.
dd) Zuletzt kommt auch eine Zurechnung eventueller Kenntnisse von Mitarbeitern der … nicht in Betracht. Hierfür genügt insbesondere die Verbundenheit in einem Konzern nicht (OLG Stuttgart, Urt. v. 25.04.2017 – 6 U 146/16; OLG Köln, Beschluss v. 09.09.2020 – 8 U 12/20), zumal es im Streitfall nicht um die Zurechnung des Wissens einer Tochtergesellschaft zu Lasten der Konzernmutter geht, sondern um zwei Schwestergesellschaften (OLG Frankfurt, Urt. v. 04.09.2019 – 13 U 136/18; OLG Köln, a.a.O.; OLG Bamberg, Urt. v. 03.02.2021 – 8 U 83/20; OLG Naumburg, Urt. v. 10.12.2020 – 4 U 37/20; OLG München, Urt. v. 09.09.2020 – 27 U 1634/20).
c) Aus den dargestellten Gründen fehlt es zudem an einem Schädigungsvorsatz der Beklagten.
Der erforderliche Schädigungsvorsatz im Rahmen von § 826 BGB, der getrennt von der Sittenwidrigkeit – auch von deren subjektiver Seite – festzustellen ist (vgl. BGH, Urt. v. 12.07.1966; VI ZR 1/65) bezieht sich darauf, dass durch die Handlung einem anderen Schaden zugefügt wird, Fahrlässigkeit, auch grobe, genügt nicht (BGH, Urt. v. 06.06.1962 – V ZR 125/60). Der Vorsatz muss sich auf den Schaden erstrecken, eine nur allgemeine Vorstellung über eine etwa mögliche Schädigung genügt nicht (BGH, Urt. v. 24.04.2001 – VI ZR 36/00). Andererseits ist Schädigungsabsicht nicht erforderlich. Es genügt, dass der Schädiger den Schadenseintritt vorausgesehen und die Schädigung im Sinne eines direkten Vorsatzes gewollt oder jedenfalls im Sinne eines bedingten Vorsatzes billigend in Kauf genommen hat (BGH, Urt. v. 20.11.2012 – VI ZR 268/11).
Die Klage enthält hierzu schon keinen substantiierten Vortrag. Das Klagevorbringen erschöpft sich in der pauschalierten Behauptung der Verantwortlichkeit der Beklagten, ohne näher darzulegen, wann Organe der Beklagten von wem auf welche Weise ins Wissen gesetzt worden sein sollen.
Aufgrund der spezifischen Besonderheiten der gegenständlichen Konstellation – die Beklagte ist gerade nicht Herstellerin und Entwicklerin des streitbefangenen Dieselmotors und hat substantiiert zum Hintergrund des Zukaufs, den grundlegenden Vereinbarungen mit der … und deren Auskünfte nach Publikwerden der sogenannten „Dieselthematik“ vorgetragen – wird ein konkreter Schädigungsvorsatz durch die Klagepartei nicht hinreichend aufgezeigt (vgl. auch OLG München, Urt. v. 09.09.2020 – 27 U 1634/20; OLG Köln, Beschluss v. 09.09.2020 – 8 U 12/20).
d) Schließlich fehlt es im konkreten Fall der Klagepartei auch an einem Schaden.
Nach der Entscheidung des BGH v. 25.05.2020 (Az.: VI ZR 252/19) kann durch das unterstellte sittenwidrige Verhalten der Beklagten zwar grundsätzlich die Klagepartei dazu verleitet worden sein, den Leasingvertrag über das streitgegenständliche Fahrzeug abzuschließen. In der Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit kann dabei prinzipiell auch ein Schaden gesehen werden, wenn das Fahrzeug durch eine drohende Betriebsbeschränkung bzw. -untersagung für die Zwecke der Klagepartei nicht voll brauchbar war (BGH, a.a.O.). Die Bejahung eines Vermögensschadens unter diesem Aspekt setzt allerdings voraus, dass die durch den unerwünschten Vertrag erlangte Leistung nicht nur aus rein subjektiv willkürlicher Sicht als Schaden angesehen wird, sondern dass auch die Verkehrsanschauung bei Berücksichtigung der obwaltenden Umstände den Vertragsschluss als unvernünftig, den konkreten Vermögensinteressen nicht angemessen und damit als nachteilig ansieht (BGH, a.a.O.; BGH WM 2014, 2318).
Vorliegend scheidet ein Schaden insoweit aber aus, weil der Vertragsschluss nach den oben genannten Grundsätzen nicht als unvernünftig angenommen werden kann. Die Klagepartei hat durch den (behauptet) ungewollten Vertragsschluss eine Leistung erhalten, die für ihre Zwecke nicht unbrauchbar war. Insoweit gilt zu beachten, dass der zwischen der Klagepartei und der Leasinggeberin abgeschlossene Leasingvertrag entsprechend seiner Rechtsnatur darauf gerichtet war, dass sich die Klagepartei als Leasingnehmerin die Nutzung des Fahrzeugs über eine bestimmte Zeit durch die Zahlung der entsprechenden Leasingraten erkauft. Es steht gerade kein Kaufvertrag in Rede, welcher in einem Austausch von Eigentum und Besitz an der Kaufsache gegen Geld besteht. Vielmehr geht es um einen Leasingvertrag, der für die vertraglich vereinbarte Zeit von drei Jahren die Leasinggeberin zur Gebrauchsüberlassung auf Zeit verpflichtete. Gegenstand des Vertrags selbst ist damit allein die Gebrauchsüberlassung. Während der Laufzeit des inzwischen beendeten Leasingvertrags war die Klagepartei indes tatsächlich Nutzungsbeschränkungen aufgrund der angeblichen „Manipulationssoftware“ nicht unterworfen Vielmehr konnte sie das Fahrzeug trotz der unterstellten „Bemakelung“ uneingeschränkt im Straßenverkehr nutzen (vgl. insoweit auch OLG Bamberg, Beschluss v. 22.07.2020 – 3 U 321/19; OLG Düsseldorf, Urt. v. 26.01.2021 – 23 U 73/19; LG München I, Urt. v. 11.11.2020 – 15 O 12455/19).
Das Schadensrecht dient aber dazu, dem Geschädigten aus Gründen der „korrigierenden Gerechtigkeit“ einen Ausgleich für seinen Verlust zu gewähren. Dieses das Schadensersatzrecht beherrschende Prinzip der Naturalrestitution zielt mithin auf die Herstellung eines gedachten schadensfreien Zustand ab. Wenn in diesem Zusammenhang die Forderung eines Geldbetrages gefordert wird, dient auch dieser der Restitution. Hiermit wäre es jedoch unvereinbar, der Klagepartei im Wege des Schadensersatzes einen Geldbetrag zuzusprechen, obwohl trotz der behaupteten „Bemakelung“ des Fahrzeugs über die Laufzeit des Leasingvertrags hinweg keine Einschränkung in der Gebrauchtstauglichkeit und damit keine Beeinträchtigung der Rechtsstellung der Klagepartei gegeben war (OLG Bamberg, Beschluss v. 22.07.2020 – 3 U 321/19; OLG Düsseldorf, Urt. v. 26.01.2021 – 23 U 73/19; LG München I, Urt. v. 11.11.2020 – 15 O 12455/19). Die Zubilligung eines Schadensersatzes würde damit zu einem Gewinn des Klägers führen, der dem Schadensersatzrecht fremd ist (OLG Bamberg, a.a.O.; OLG Düsseldorf, a.a.O.; LG München I, a.a.O.). Eine Nutzungsbeschränkung ergibt sich insoweit auch nicht aus dem Bescheid des Kraftfahrtbundesamtes v. …, mit dem nachträgliche Nebenbestimmungen zur Typengenehmigung angeordnet wurden. Eine Betriebsstilllegung während der Vertragslaufzeit ist gerade nicht erfolgt und jetzt wegen der Beendigung des Vertrages ausgeschlossen. Insoweit liegt der Fall auch anders als in der Entscheidung des OLG München v. 28.05.2020 (Az.: 5 U 1005/20), in der der dortige Kläger am Ende der Laufzeit des Leasingvertrags – anders als die Klagepartei hier – verpflichtet war, das Fahrzeug zu erwerben.
Auch mangels Schadens besteht daher kein Anspruch auf Schadensersatz.
3. Ein Anspruch der Klagepartei lässt sich ebenso wenig aus einer Haftung gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB in Gestalt eines Verstoßes gegen ein Schutzgesetz herleiten.
Vor dem Hintergrund des fehlenden sittenwidrigen, täuschenden Verhaltens der Beklagten bleibt nämlich auch kein Raum für eine deliktische Haftung aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB. Solange die Beklagte nicht – jedenfalls nicht nachweisbar – in dem Bewusstsein handelte, ein mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattetes Fahrzeug in den Verkehr zu bringen, fehlt es auch an dem Nachweis einer willentlichen Täuschung der Klagepartei über das Nichtvorhandensein einer solchen (möglicherweise unzulässigen) Einrichtung (vgl. OLG Koblenz, Urt. v. 20.04.2020 – 12 U 1570/19; OLG Naumburg, Urt. v. 10.12.2020 – 4 U 37/20).
4. Die Beklagte haftet auch nicht nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 6, 27 EG-FGV.
Mit der ganz herrschenden Meinung ist der Schutzgesetzcharakter der §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV bzw. von Art. 5 Abs. 2, Art. 3 Nr. 10 der VO Nr. 715/2007 zu verneinen (OLG Braunschweig, Urt. v. 19.02.2019 – 7 U 134/17; OLG München, Beschluss v. 29.08.2019 – 8 U 1449/19; OLG Koblenz, a.a.O.). Bei den §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV handelt es sich nicht um ein Schutzgesetz, weil sie den Schutz individueller Interessen nicht berücksichtigen. Dass der Individualschutz im Aufgabenbereich der genannten Vorschrift liegt oder aber aus deren Auslegung unter Berücksichtigung der zugrundeliegenden Richtlinie 2017/46/EG folgt, ist nicht ersichtlich (OLG München, a.a.O.).
5. Die Klage hat sich damit insgesamt als abweisungsreif erwiesen. Die weiteren geltend gemachten Schadenspositionen – vorprozessuale Rechtsanwaltsgebühren sowie Zinsen – sind mangels eines Hauptsacheanspruchs bzw. Verzugs nicht begründet.
III
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
IV.
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.
V.
Streitwert: § 48 GKG i.V.m. § 3 ZPO.


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