Europarecht

Keine Haftung von Autohändler und Porsche AG für Thermofenster in Dieselmotor (hier: Porsche Macan S Diesel V6 TDI)

Aktenzeichen  72 O 1828/19

Datum:
15.9.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 44850
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 123, § 218, § 434, § 438, § 823 Abs. 2, § 826
StGB § 263

 

Leitsatz

1. Zu – jeweils verneinten – (Schadensersatz-)Ansprüchen von Käufern eines Porsche-Fahrzeugs, in das ein mit einem sog. Thermofenster ausgestatteter, von Audi entwickelter Diesel-Motor eingebaut ist, vgl. auch OLG München BeckRS 2020, 41015; BeckRS 2020, 44392; OLG Dresden BeckRS 2020, 32522; BeckRS 2021, 6203; OLG Bamberg BeckRS 2021, 2533; LG München I BeckRS 2020, 42410; LG München II BeckRS 2020, 43746; LG Nürnberg-Fürth BeckRS 2020, 43093. (redaktioneller Leitsatz)
2. Da Porsche den Motor weder entwickelt noch hergestellt, sondern sich lediglich von Audi hat liefern lassen, liegt – anders als beim Motor EA 189 – nicht auf der Hand, dass jedenfalls irgendwer bei Porsche eine Entscheidung zur Entwicklung einer solchen Abschaltautomatik und zur Verwendung in dem vom Käufer erworbenen Fahrzeug getroffen haben muss. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Verletzung einer etwaigen Überwachungs- oder Überprüfungspflicht in Bezug auf die zugekauften Motoren kann im Verhältnis zum Käufer allenfalls einen Fahrlässigkeitsvorwurf, nicht aber den Vorwurf eines vorsätzlichen (sittenwidrigen) Verhaltens begründen. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
4. Ein Minderwert des Fahrzeuges würde sich selbst bei einer unterstellten Betroffenheit vom sogenannten „Abgasskandal“ nicht sicher als kausaler Schaden nachweisen lassen, nachdem die „Dieselthematik“ und insbesondere Fahrverbote in einigen deutschen Städten Dieselfahrzeuge aller Hersteller betreffen und nicht nur vom sog. Abgasskandal betroffene Fahrzeuge. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf … € festgesetzt.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber insgesamt unbegründet.
A.
Die Klagen sind zulässig. Das LG Würzburg ist sachlich gem. § 1 ZPO, §§ 71 Abs. 1, 23 GVG sachlich und örtlich jedenfalls infolge rügeloser Einlassung gem. § 39 ZPO zuständig. Auch das Feststellungsinteresse für die Feststellungsanträge kann bejaht werden (so LG Offenburg, Az. 6 O 119/16).
Die Klagen sind jedoch unbegründet.
I. Beklagte zu 1):
Der Kläger hat gegen die Beklagte zu 1) keinen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung, da er den Kaufvertrag nicht gem. § 123 BGB anfechten kann. Die Beklagte zu 1) hatte keine Kenntnis von den Manipulationsvorgängen und hat den Kläger nicht getäuscht. Sie muss sich auch nicht eine etwaige Täuschung durch die Beklagte zu 2) zurechnen lassen, da diese „Dritte“ i.S.d. § 123 Abs. 2 BGB ist. Der Hersteller ist Dritter i.S.d. § 123 Abs. 2 BGB, wenn ein von ihm unabhängiger Händler dessen Produkte verkauft (Beck-Online-Kommentar, 2018, Rdziff. 46 zu § 123 BGB, m.w.Nachw.).
Der Kläger kann gegen die Beklagte zu 1) keine Gewährleistungsrechte geltend machen, da das Rücktrittsrecht gem. § 438 Abs. 4 Satz 1, 218 BGB ausgeschlossen ist, zumal der (etwaige) Nacherfüllungsanspruch jedenfalls verjährt ist gem. § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB. Die Verjährungsfrist beträgt 2 Jahre nach Ablieferung der Sache. Das streitgegenständliche Fahrzeug wurde bereits im März 2015 an den Kläger übergeben. § 438 Abs. 3 Satz 1 BGB steht dem nicht entgegen, da der Mangel nicht arglistig verschwiegen wurde und sich die Beklagte zu 1) eine etwaige Arglist der Beklagten zu 2) nicht zurechnen lassen muss (siehe oben).
II. Beklagte zu 2):
Auch die Klage gegenüber der Beklagten zu 2) ist unbegründet. Der Kläger hat einen Anspruch insbesondere aus § 823 Abs. 2 i.V.m. § 263 StGB und § 826 BGB gegen die Beklagte zu 2) nicht hinreichend substantiiert vorgetragen.
1. Der Kläger, der seinen Klagevortrag erkennbar auf die Thematik des sogenannten „Abgasskandals“ stützt, konnte bereits nicht die Betroffenheit des streitgegenständlichen Fahrzeuges schlüssig darlegen. Die Behauptung, der Motor des streitgegenständlichen Fahrzeuges weise eine Motorsteuerungssoftware auf, die den Stickoxidausstoß im Prüfstandbetrieb optimiere, ist ins Blaue hinein erfolgt.
2. Selbst wenn man unterstellt, dass in dem streitgegenständlichen Fahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut war, fehlt es für den geltend gemachten deliktischen Anspruch aus § 823 Abs. 2 i.V.m. § 263 StGB bzw. § 826 BGB an dem hierfür jeweils erforderlichen Vorsatz der Beklagten zu 2). Zwar kann das auf der Grundlage einer im eigenen Gewinninteresse getroffenen grundlegenden Entscheidung durch bewusste und gewollte Täuschung des KBA erfolgte systematische und umfangreiche Inverkehrbringen von Fahrzeugen, deren Motorsteuerungssoftware bewusst und gewollt so programmiert ist, dass die gesetzlichen Abgaswerte mittels einer unzulässigen Abschaltvorrichtung nur auf dem Prüfstand eingehalten werden, ein objektiv als sittenwidrig zu qualifizierendes Verhalten darstellen (BGH Urteil vom 25.05.2020 Az. VI ZR 252/19). Allerdings müsste der Kläger substantiiert darlegen und ggf. beweisen, dass Personen, deren Wissen der Beklagten zuzurechnen wäre, eine solche strategische Entscheidung getroffen und umgesetzt hätten oder zumindest dies gewusst und gebilligt hätten. Hieran fehlt es jedoch im vorliegenden Fall.
Der Kläger hat lediglich pauschal behauptet, die Vorstände der Beklagten hätten gewusst, dass der von der … gelieferte und programmierte Motor „eine unzulässige Abschaltvorrichtung“ aufweise. Die Beklagte ist dem entgegengetreten und hat detailliert und unter Vorlage von Unterlagen vorgetragen, dass die Mitglieder ihres damaligen Vorstands keine Kenntnis hatten, sondern vielmehr im Zeitraum zwischen … (vgl. Anlagen Annex 1 a bis 1 e) mehrfach von der … versichert bekommen hätten, dass der im streitgegenständlichen Fahrzeug verwendete Motor keine unzulässige Abschalteinrichtung aufweise. Eine weitergehende sekundäre Darlegungslast der Beklagten zu 2) kann vorliegend nicht angenommen werden. Anders als im vom BGH am 25.05.2020 entschiedenen Fall hat die Beklagte den streitgegenständlichen Motor unstreitig weder entwickelt noch hergestellt, sondern sich lediglich von der …, einem selbständigen Unternehmen, liefern lassen. Es liegt damit gerade nicht auf der Hand, dass jedenfalls irgendwer im Unternehmen der Beklagten zu 2) eine Entscheidung zur Entwicklung einer solchen Abschaltautomatik und zur Verwendung in dem vom Kläger gekauften Fahrzeug getroffen haben muss (vgl. OLG München, Beschluss vom 28.05.2020, Az. 5 U 1005/20).
Offenbleiben kann dabei, ob tatsächlich eine Pflicht der Beklagten zu 2) bestand, die von den … bezogenen Motoren zu überprüfen, denn die Verletzung einer etwaigen Überwachungs- oder Überprüfungspflicht kann allenfalls einen Fahrlässigkeitsvorwurf, nicht aber den Vorwurf eines vorsätzlichen (sittenwidrigen) Verhaltens begründen.
3. Selbst eine Täuschung unterstellt, entfiele ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB mangels Eintritts eines Vermögensschadens auf Klägerseite. Es fehlt bereits an einer hinreichend schlüssigen Darlegung, dass es durch eine unterstellte Täuschungshandlung auf Klägerseite tatsächlich zu einer Schädigung des Vermögens gekommen sei. Selbst wenn man in der Kaufpreiszahlung eine täuschungsbedingte Vermögensverfügung erblicken wollte, so müsste durch diese Vermögensverfügung gerade eine Minderung in dem Vermögen auf Käuferseite eingetreten sein, welche auch nicht durch eine mit der „Tathandlung“ eintretenden Vermögenszuwachs kompensiert worden sei. Es ist demnach ein Gesamtvermögensvergleich vorzunehmen.
Vor diesem Hintergrund ist ein Vermögensschaden auf Käuferseite nicht ersichtlich. Vielmehr hat die Klagepartei ein Fahrzeug erworben, welches seit 2015 beanstandungsfrei genutzt wurde.
Auch alleine der Umstand, wonach gemäß klägerischer Behauptung von dem Fahrzeug ein merkantiler Minderwert ausgehe, weil es von dem sogenannten Abgasskandal betroffen sei, genügt zur Annahme eines Vermögensschadens im Sinne von § 263 StGB noch nicht. Alleine der Umstand, wonach eine Vermögensgefährdung möglich sei, ist nicht anspruchsbegründend.
Im Übrigen ist ein Schaden des Klägers nicht ausreichend dargelegt. Der Kläger nutzt das Fahrzeug seit dem Erwerb uneingeschränkt. Ein Minderwert des Fahrzeuges würde sich selbst bei einer unterstellten Betroffenheit vom sogenannten „Abgasskandal“ nicht sicher als kausaler Schaden nachweisen lassen, nachdem die „Dieselthematik“ und insbesondere Fahrverbote in einigen deutschen Städten Dieselfahrzeuge aller Hersteller betreffen und eben nicht nur vom sogenannten Abgasskandal betroffene Fahrzeuge.
III. Da somit kein Anspruch des Klägers gegen die Beklagten vorliegt, waren die sowohl die Hauptanträge als auch die Hilfsanträge abzuweisen. Mangels Hauptforderung bestehen auch die geltend gemachten Nebenforderungen nicht.
Die Ausführungen des Klägers in dem nachgelassenen Schriftsatz vom 30.08.2020 (Bl. 488 ff d.A.) geben dem Gericht keinen Anlass, erneut in die mündliche Verhandlung einzutreten, § 156 ZPO. Soweit in den neuen Schriftsätzen Rechtsausführungen enthalten waren, wurden diese berücksichtigt.
B.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gem. § 709 S. 1, 2 ZPO.


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