Europarecht

Keine konzerninterne Pflicht zur Weitergabe von Informationen bei behaupteter unzulässiger Abschalteinrichtung

Aktenzeichen  27 U 1634/20

Datum:
9.9.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 25943
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 826, § 831

 

Leitsatz

Es besteht keine Pflicht zur konzernübergreifenden Weitergabe persönlicher Kenntnisse, die Mitarbeiter oder Vorstandsmitglieder im Rahmen eines Anstellungsverhältnisses bei einer anderen Konzerngesellschaft erlangt haben, im Falle eines Wechsels des Arbeitgebers innerhalb des Konzerns. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

093 O 2442/19 2020-02-05 Urt LGAUGSBURG LG Augsburg

Tenor

I. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 05.02.2020, Az. 093 O 2442/19, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
II. …

Gründe

I.
Der Kläger macht gegen die Beklagte Ansprüche im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Kraftfahrzeugs wegen einer behaupteten unzulässigen Abschalteinrichtung geltend.
Der Kläger erwarb am 11.02.2017 bei der Firma … einen Pkw der Marke Porsche Macan als Gebrauchtfahrzeug. Das Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor der … AG vom Typ 3,0 l V6 ausgestattet.
Im Übrigen wird hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils des Landgerichts Augsburg vom 05.02.2020 verwiesen, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
… Es sei unstreitig, dass der in dem streitgegenständlichen Fahrzeug verbaute Motor nicht von der Beklagten selbst, sondern von der … AG hergestellt worden sei. Die Beklagte hätte substantiiert bestritten, dass ihre Organe von Manipulationen durch die Firma … Kenntnis gehabt hätten.
Gegen diese, ihm am 25.02.2020 zugestellte Entscheidung richtet sich die Berufung des Klägers vom 19.03.2020.
Er beantragt im Berufungsverfahren:

Zur Begründung seines Rechtsmittels trägt der Kläger unter anderem vor, dass das Erstgericht rechtsfehlerhaft einen Vorsatz der Organe der Beklagten unter Verkennung der Grundsätze über die sekundäre Beweislast verneint habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvortrags wird auf die Berufungsbegründung vom 27.05.2020 Bezug genommen.
Die Beklagte hat im Berufungsverfahren beantragt:
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Zur Begründung trägt sie unter anderem vor, dass sie den streitgegenständlichen Motor einschließlich Motorsteuerung weder entwickelt noch hergestellt hätte. Sie hätte den Motor bei der … AG zugekauft. Letztere hätte im Herbst 2015 bis in den Juni 2017 hinein wiederholt schriftlich bestätigt, dass der Motor frei von unzulässigen Abschalteinrichtungen sei.
Daneben hätte die Beklagte mit Aufkommen der Diesel-Thematik im Herbst 2015 umfangreiche eigene technische Prüfungen durchgeführt, bei denen ebenfalls keine unzulässigen Abschalteinrichtungen hätten festgestellt werden können.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Beklagten im Berufungsverfahren wird auf die Berufungserwiderung vom 14.07.2020 verwiesen.
… Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags wird auf den Schriftsatz der … AG vom 15.07.2020 verwiesen.
II.
Das Urteil des Landgerichts Augsburg entspricht der Sach- und Rechtslage.
Die angefochtene Entscheidung weist weder entscheidungserhebliche Rechtsfehler auf noch rechtfertigen die nach § 529 Abs. 1 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO).
Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Dem Kläger stehe unter keinem Gesichtspunkt der von ihm geltend gemachte Anspruch gegen die Beklagte zu.
1. Bezüglich eines Anspruchs aus § 826 fehlt es – wie zutreffend vom Erstgericht festgestellt – jedenfalls an der schlüssigen Darlegung eines Schädigungsvorsatzes der Beklagten.
a) Unstreitig wurde der streitgegenständliche Motor nicht von der Beklagten entwickelt und hergestellt, sondern von der … AG.
Damit kann der Beklagten aber eine unerlaubte Handlung weder durch das Inverkehrbringen des Fahrzeugs noch durch das Inverkehrbringen des Motors angelastet werden.
Die Beklagte ist der von dem Kläger behaupteten Kenntnis von einer unzulässigen Software substantiiert entgegengetreten und hat detailliert unter Vorlage von Unterlagen (vgl. Annex 1) vorgetragen, dass sie mehrfach die Herstellerin des Motors, die … AG, hinsichtlich des streitgegenständlichen Motors nach unzulässigen Abschalteinrichtungen gefragt und von dieser stets die Vorschriftsmäßigkeit des Motors bestätigt worden sei.
Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang die Auffassung vertritt, der Beklagten sei der Wissensstand anderer mit ihr im … Konzern verbundener Unternehmen zuzurechnen, kann dem nicht gefolgt werden.
Zwar ist im Ansatz richtig, dass innerhalb einer juristischen Person Wissensorganisationspflichten bestehen können, die im Einzelfall zur Zurechnung eines sogenannten „Aktenwissens“ an die Unternehmensleitung führen kann. Dies setzt jedoch voraus, dass es sich dabei um solches Wissen handelt, das typischerweise im Unternehmen aktenmäßig festgehalten wird.
An diesen Voraussetzungen fehlt es hier. Der streitgegenständliche Motor wie auch dessen Steuerung wurden samt Software bei einem konzernzugehörigen Unternehmen zugekauft und ohne eigene Einbindung in die Entwicklungsarbeit fertig „modular“ übernommen.
An einem substantiierten Vortrag, dass und gegebenenfalls auf welche Weise der Beklagten Informationen im Hinblick auf Mängel der Motorsteuerungssoftware aktenmäßig vermittelt worden sein sollen, fehlt es.
Auch die vom Kläger hierzu vorgetragenen personellen Verflechtungen insbesondere im Vorstandsbereich führen – soweit nicht bereits ein verspäteter Vortrag gem. § 531 ZPO vorliegt – zu keiner anderen Bewertung.
Es besteht keine Pflicht zur konzernübergreifenden Weitergabe persönlicher Kenntnisse, die Mitarbeiter oder Vorstandsmitglieder im Rahmen eines Anstellungsverhältnisses bei einer anderen Konzerngesellschaft erlangt haben, im Falle eines Wechsels des Arbeitgebers innerhalb des Konzerns. Dies gilt umso mehr angesichts des Umstands, dass die Unternehmen … AG, … AG und die Beklagte mit den von ihnen hergestellten Fahrzeugen am Markt im Wettbewerb stehen.
b) Soweit der Kläger eine Haftung wegen Organisationsverschuldens bzw. Aufsichtsverletzung anführt, vermag dies, selbst dessen Vorhandensein unterstellt, noch kein vorsätzliches Handeln, sondern allenfalls einen Fahrlässigkeitsvorwurf gegen die zuständigen Organe der Beklagten zu begründen.
Der Hinweis des Klägers auf die sekundäre Darlegungslast der Beklagten geht damit ins Leere. Einer sekundären Darlegungslast fehlt es vorliegend an der erforderlichen Grundlage. Denn diese kommt erst dann zum Tragen, wenn die primär darlegungs- und beweisbelastete Partei Anknüpfungstatsachen schlüssig vorgetragen hat und sich daraus eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit ihres Vortrags ergibt (BGH NJW 2015, 947; OLG Stuttgart a.a.O., Rn. 61).
2. Entsprechend den Ausführungen unter 1. sind auch die Voraussetzungen für § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB nicht erfüllt, da es an der substantiierten Darlegung eines entsprechenden Vorsatzes fehlt. Im Hinblick auf die Tatsache, dass vorliegend der Kauf eines Gebrauchtfahrzeuges streitgegenständlich ist, würde es auch an der erforderlichen „Stoffgleichheit“ fehlen (BGH, Urteil vom 30.07.2020 – VI ZR 5/20 – Rn. 16 ff).
3. Gleichfalls besteht kein Anspruch aus § 823 Abs. 2 i.V.m. §§ 6, 27 Abs. 1 EG-FGV. Dieser scheitert neben der fehlenden schlüssigen Darlegung des erforderlichen subjektiven Tatbestandes bereits am Schutzcharakter der §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV (BGH, Urteil vom 25.05.2020 – VI ZR 252/19 – juris, Rn. 73 ff. m.w.N.).
III.
Aus den dargelegten Gründen hat die Berufung unter keinem Gesichtspunkt Aussicht auf Erfolg.
Der Senat rät daher – auch aus Kostengründen – zur Rücknahme der Berufung.
Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigen sich vorliegend die Gebühren 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 des KV zum GKG).


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