Europarecht

Keine Rückabwicklung eines Kaufvertrags über ein gebrauchtes Motorrad wegen Importeigenschaft

Aktenzeichen  26 O 16507/15

Datum:
6.12.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 135592
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 346, § 434

 

Leitsatz

1 Ein Verkäufer unterliegt bei Abschluss des Kaufvertrages über ein (in Großbritannien produziertes) gebrauchtes Motorrads keiner vertraglichen Nebenpflicht, ungefragt über den Import des Motorrads aus Italien zu informieren. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
2 Ein Sachmangel liegt nach § 434 BGB dann nicht vor, wenn die Sache im Falle einer Beschaffenheitsvereinbarung die vereinbarte Beschaffenheit hat oder im Falle des Fehlens einer Beschaffenheitsvereinbarung sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte oder gewöhnliche Verwendung eignet. Zwar kann ein Mangel auch dann vorliegen, wenn eine für den Wert des Gegenstands maßgebliche, für die Verwendung als solche aber unmaßgebliche Eigenschaft des Kaufgegenstandes fehlt. Dies trifft auf ein importiertes Motorrad jedoch nicht zu, wenn sich die Importeigenschaft auf die Preisbildung im Gebrauchtmarkt nicht auswirkt. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 8.477,37 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Das streitgegenständliche Motorrad hat weder einen Sachmangel, noch hat die Beklagte im Zuge des Abschlusses des Kaufvertrags dieses Motorrades eine vertragliche Nebenpflicnt schuldhaft verletzt. Im Einzelnen:
I. Die Klage ist zulässig das Landgericht München I ist zur Entscheidung des Rechtsstreits nach §§ 23, 71 GVG sachlich und nach § 17 Abs. 1 ZPO örtlich zu tändig.
II. Die Klage ist jedoch nicht begründet.
1. Entgegen dem Vorbringen des Klägers begründet die zwischen Parteien als solche unstreitige Tatsache, dass das streitgegenständliche Motorrad zunächs nach Italien geliefert, dort erst zugelassen, und sodann aus Italien nach Deutschland importiert wurde keinen Sachmangel.
a) Der gerichtliche Sachverständige hat in seinem Gutachten nachvollziehbar und ausführlich dargelegt, dass das streitgegenständliche Motorrad ebenso wie alle für den europäischen Markt bestimmten Krafträder der … in Großbritannien produziert wurde. Die für den europäischen Markt – mit Ausnahme Großbritanniens – produzieren Fahrzeuge seien technisch und optisch vollkommen identisch, es bestehe eine einheitliche EG Betriebsgenehmigungsnummer. Ausgehend davon hat der Sachverständige sodann nachvollziehbar dargelegt, dass auch im Handel mit gebrauchten Motorrädern der Marke … die Frage, in welchem EU Mitgliedstaat das Fahrzeug zuvor zugelassen war, für den Preis auf dem Gebrauchtmarkt keine Bedeutung hat. Diese Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen wurden von dem zur Überprüfung dieses Gutachtens von seiten des Klägers herangezogene Parteigutachter ausdrücklich bestätigt, siehe Anlage K 13, dort S. 2 unter Punkt 4. 1.
b) Ein Sachmangel liegt nach § 434 BGB dann nicht vor, wenn die Sache im Falle einer Beschaffenheitsvereinbarung die vereinbarte Beschaffenheit hat oder im Falle des Fehlens einer Beschaffenheitsvereinbarung sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte oder gewöhnliche Verwendung eignet. Das streitgegenständliche Motorrad erfüllt diese Voraussetzungen. Zwar kann darüber hinaus ein Mangel auch dann vorliegen wenn eine für den Wert des Gegenstands maßgebliche, für die Verwendung als solche aber unmaßgebliche Eigenschaft des Kaufgegenstandes fehlt. Auch dies trifft auf das hier streitgegenständliche Motorrads aber, wie oben dargelegt, gerade nicht zu denn die Importeigenschaft wirkt sich auf die Preisbildung im Gebrauchtmarkt nach Überzeugung des hierzu sachverständig beratenen Gerichts nicht aus. Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Fall auch von derjenigen Fallkonstellation, die dem Urteil des OLG Saarbrücken NJW-RR 1999, 1063 zugrunde lag, denn in dem dertigen Fall waren die ebenfalls sachverständig beratenen Gerichte für den Fall des Handels mit gebrauchten Kraftfahrzeugen zu der Überzeugung gelangt, dass die Eigenschaft als Re-Import mit Blick auf unterschiedliche Serienausstattungen der Fahrzeuge in unterschiedlichen Mitgliedsstaaten der EU eine Auswirkung auf den Preis des Fahrzeugs im Gebrauchtwagenhandel hat. Ob an dieser Rechtsprechung auch nach Vollendung des Binnenmarktes und unter Berücksichtigung einer primärrechtskonformen Auslegung des § 434 BGB festzuhalten wäre – insofern für den Fall des Neuwagenhandels ablehnend OLG Frankfurt/Main 15 U 205/12, Urt. v. 15.5.2013, zitiert als Beck-Rs 2014, 02423 – kann daher vorliegend dahinstehen.
2. Die Beklagte unterlag bei Abschluss des Kaufvertrages auch keiner vertraglichen Nebenpflicht, ungefragt über den Import des Motorrads aus Italien zu informieren. Nebenpflichten dienen dem Schutz der Interessen und Rechtsgüter des Vertragspartners. Mit Blick darauf, dass nach den Ausführungen des Sachverständigen, die sich das Gericht zu Eigen macht, die Frage, in welchem EU-Mitgliedstaat das Fahrzeug erstzugelassen wurde und ob es von dort nach Deutschland importiert wurde in dem Gebrauchtmarkt keine Rolle spielt und weiterhin mit Blick darauf, dass nach diesen Ausführungen es sich jeweils um vollständig baugleiche Motorräder handelt ist schon nicht ersichtlich, welche Interessen und Rechtsgüter des Käufers durch die Importeigenschaft des Motorrads typischerweise betroffen wären. Es kommt hinzu, dass der freie Warenverkehr nach Art. 26 Abs. 2 AEUV ein wesentliches Element des europäischen Binnenmarktes ist, so dass jedenfalls die Pflicht der primärrechtskonformen Aus egung nationalen Rechts, s. zu dieser Leible/Domröse in Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, 3. Aufl. 2015, § 8 Rn. 38 ff., einer Auslegung der §§ 433 ff. BGB in dem Sinne, dass bei Kaufverträgen der Verkäufer einer Ware verpflichtet ist, dem potentiellen Käufer ungefragt mitzuteilen, dass er – der Verkäufer – diese Ware seinerseits aus einem anderen EU-Mitgliedsstaat importiert hat, entgegen steht.
Soweit die Herkunft des Fahrzeugs im Binnenmarkt für den Kläger von Bedeutung war, hätte es ihm offen gestanden, die Beklagte hierzu zu befragen oder den Ausschluss eines Reimports als Beschaffenheit des Kaufgegenstandes zu vereinbaren. Dies ist aber auch nach dem Klagevortrag nicht geschehen.
3. Da somit weder ein Sachmangel vorliegt, noch eine vertragliche Nebenpflicht bestand, den Import des streitgegenständlichen Motorrads aus Italien zu offenbaren, kommt es auf die zwischen den Parteien streitige Frage, oh der Import im Zuge der Vertragsverhandiungen thematisiert wurde, nicht an, sodass auch der hierzu angebotene Zeugenbeweis nicht zu erheben war denn unabhängig hiervon bestand vorliegend kein Recht zum Rücktritt von dem Kaufvertrag und der erklärte Rücktritt war daher wirkungslos. Da sich somit weder das kaufvertragliche Schuldverhältnis in ein Rückgewährschuldverhältnis gewandelt hat, noch der Beklagten die Verletzung einer vertraglichen (Neben-)pflicht vorzuwerfen ist, kann die Klage in der Hauptsache keinen Erfolg haben.
4. Da die Hauptforderung nicht besteht, schuldet die Beklagte auch weder Zinsen noch vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt § 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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