Europarecht

Keine Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit dem Motor EA 288

Aktenzeichen  8 U 296/20

Datum:
23.6.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 28926
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 823 Abs. 2, § 826
Fahrzeugemissionen-VO Art. 5 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Zu – jeweils verneinten – (Schadensersatz-)Ansprüchen von Käufern eines Fahrzeugs, in das ein Diesel-Motor des Typs EA 288 eingebaut ist, vgl. auch OLG Koblenz BeckRS 2020, 6348; OLG Brandenburg BeckRS 2020, 10519; BeckRS 2020, 41726; OLG München BeckRS 2020, 1062; BeckRS 2020, 49213; OLG Frankfurt a.M. BeckRS 2020, 2626; BeckRS 2020, 46880; OLG Zweibrücken BeckRS 2020, 47034; OLG Köln BeckRS 2019, 50034; OLG Bamberg BeckRS 2020, 51271; BeckRS 2021, 19821; BeckRS 2021, 18115; BeckRS 2021, 18113; aA: OLG Celle BeckRS 2020, 19389; LG München I BeckRS 2020, 19602; LG Offenburg BeckRS 2021, 187; LG Aachen BeckRS 2021, 3360; BeckRS 2021, 10842; LG Traunstein BeckRS 2021, 18986. (redaktioneller Leitsatz)
2. Wenn auch fünf Jahre nach dem Bekanntwerden von „Abgasmanipulationen“ anderer Automobilhersteller für das Fahrzeug kein Rückruf erfolgt ist und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass dieser in der Zukunft droht, kann davon ausgegangen werden, dass zu keinem Zeitpunkt die Gefahr einer Betriebsuntersagung bzw. Betriebsbeschränkung für das Fahrzeug bestand und/oder besteht. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine Fahrkurvenerkennung, die auf dem Prüfstand und im Straßenverkehr gleichermaßen funktioniert und im Übrigen keinen wesentlichen Einfluss auf den Schadstoffausstoß hat, stellt keine unzulässige Abschalteinrichtung dar. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
4. Der Umstand, dass die Abgasrückführung in einem Fahrzeug durch eine temperaturabhängige Steuerung des Emissionskontrollsystems bei bestimmten Temperaturen reduziert und unter Umständen auch abgeschaltet wird, reicht für sich genommen nicht aus, um dem Verhalten der für den Automobilhersteller handelnden Personen ein sittenwidriges Gepräge zu geben. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

23 O 471/20 2020-12-14 Endurteil LGSCHWEINFURT LG Schweinfurt

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts Schweinfurt vom 14.12.2020, Az. 23 O 471/20, wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Dieses Urteil und das in Ziffer I. genannte Urteil des Landgerichts Schweinfurt sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des jeweiligen Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
IV. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
Der Kläger verlangt von der Beklagten Schadensersatz in Gestalt einer Rückabwicklung des im Oktober 2017 geschlossenen Kaufvertrags über ein Gebrauchtfahrzeug der Marke …, ausgestattet mit einem Diesel-Motor vom Typ EA 288. Die Beklagte ist die Herstellerin des eingebauten Motors.
Der Kläger erwarb das Fahrzeug zum Kaufpreis von 49.700 € bei einem gewerblichen Händler. Der Kilometerstand betrug seinerzeit 7.900.
Der Kläger behauptet, in seinem Fahrzeug sei solcherart manipulierte Software eingebaut, dass die Prüfsituationen erkannt und dann der Abgasausstoß reduziert werde. Eingebaut sei Software, die an Hand diverser Parameter wie Temperatur und Zeit erkenne, dass das Fahrzeug auf einem Prüfstand sich befinde und dann die Abgasrückführung anders gestalte, als bei Betrieb im normalen Straßenverkehr. Eingebaut seien sogenannte Thermofenster und eine
Lenkradeinschlagwinkelerkennung. Die Zulassung des Fahrzeugs sei erschlichen. Der Pkw der Beklagten genüge den gesetzlichen Anforderungen nicht. Der Vorstand der Beklagten habe von der Abschalteinrichtung bzw. den Manipulationen gewusst und die Schädigung von Kunden in Kauf genommen. Der Kaufpreis sei zurückzuerstatten und seit der Zahlung von der Beklagten auch zu verzinsen. Nutzungsersatz sei vom Kläger auszugleichen; dies auf der Basis einer gewöhnlichen Laufleistung von 300.000 km.
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerschaft 45.624,97 Euro zzgl. Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 28.07.2017 zu zahlen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs … mit der FIN: ….
2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Entgegennahme des im Klageantrag zu 1. genannten Fahrzeugs seit dem 12.06.2020 in Annahmeverzug befindet.
3. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerschaft von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 3.483,73 Euro freizustellen.
Die Beklagte hat die Abweisung der Klage beantragt.
Sie hält den Klagevortrag für unsubstantiiiert und unschlüssig. Der Motor im streitgegenständlichen Fahrzeug weise nicht die aus EA189-Motoren bekannte Umschaltlogik auf. Dies habe der Untersuchungsbericht des Kraftfahrtbundesamtes (KBA) aus dem April 2016 (Anlage B 1) bestätigt. Es gebe für das streitgegenständliche Fahrzeug auch keinen behördlich angeordneten Rückruf des Kraftfahrt-Bundesamts (KBA). Thermofenster seien technisch notwendig, da andernfalls, insbesondere bei kalten Temperaturen, Schäden an Dieselmotoren durch Ablagerungen (sog. Versottung) entstehen könnten. Externe Untersuchungen zu Messwerten seien für den vorliegenden Fall unerheblich.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird gemäß § 540 Abs. 1 ZPO auf das Endurteil des Landgerichts Schweinfurt vom 14.12.2020 Bezug genommen. Weiter wird auf die gewechselten Schriftsätze der Prozessbevollmächtigten der Parteien sowie die vorgelegten Anlagen verwiesen.
Das Landgericht Schweinfurt hat mit Endurteil vom 14.12.2020 die Klage abgewiesen. Vertragliche Ansprüche seien nicht gegeben, da die Beklagte an dem Kaufvertrag über das streitgegenständliche Fahrzeug nicht beteiligt gewesen sei. Ein Schadenersatzanspruch sei auch nicht aus § 826 BGB gegeben. Der Kläger trage gerade nicht vor, das streitgegenständliche Fahrzeug sei einem Rückruf durch Anordnung des KBA unterlegen. Der Sachvortrag zum Motor des Typs EA 288 und zu bei einem Fahrzeugbetrieb im Testzyklus gegenüber dem im Normalbetrieb abweichender Abgasrückführung sei substanzarm und gäbe keinen Anlass zur Durchführung einer Beweisaufnahme. Sogenannte Thermofenster seien schon nicht grundsätzlich verboten. Ein besonders verwerflicher Sittenverstoß sei auch nicht substantiiert dargelegt. Der Kläger habe keinen Anspruch nach §§ 823 Abs. 2, 31 BGB i.V.m. § 263 Abs. 1 StGB oder i.V.m. §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV.
Gegen das den Klägervertretern am 14.12.2020 zugestellte Endurteil des Landgerichts Schweinfurt hat der Kläger mit Schriftsatz vom 29.12.2020, eingegangen bei dem Oberlandesgericht Bamberg am gleichen Tag, Berufung eingelegt und diese mit Berufungsbegründung vom 29.03.2021, eingegangen bei dem Oberlandesgericht Bamberg am selben Tag, innerhalb verlängerter Berufungsbegründungsfrist fristgerecht begründet.
Der Kläger verfolgt seine erstinstanzlichen Klageziele im Wesentlichen weiter; auch den auf seit Klageerhebung um weitere Nutzung nicht reduzierten Zahlbetrag und Deliktszinsen. Zu Unrecht sei vom Landgericht ein Anspruch aus § 826 BGB sowie aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 Abs. 1 StGB und § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 6 Abs. 1 S. 1, 27 Abs. 1 EG-FVG verneint worden. Das Erstgericht überspanne die Anforderungen an Substantiierung. In der Motorsteuerung des EA-288 Motors seien dieselben „Funktionen“ einer unzulässigen Abschalteinrichtung verbaut, wie in dem EA-189 Motor. Die Verwendung eines Thermofensters sei ebenfalls in dem Bewusstsein erfolgt, möglicherweise gegen gesetzliche Vorschriften zu verstoßen. Hinsichtlich der weiteren Ausführungen wird auf die Berufungsbegründung Bezug genommen. Mit weiterem Schriftsatz vom 09.06.2021 wird eine Präsentationsunterlage von Z. zum EA-288 Motor vom 02.10.2015 (Anlage BK 1) vorgelegt und dargestellt, weshalb sich hieraus das Zugeständnis einer unzulässigen, prüfstandbezogenen „Umschaltstrategie“ durch die Beklagte ergäbe. Die Gerichte seien an (rechtsfehlerhafte) Feststellungen es KBA nicht gebunden. Die Typengenehmigung für das streitgegenständliche Fahrzeug sei in Wahrheit erschlichen worden.
Der Kläger stellt in der Berufungsinstanz den Antrag, unter Abänderung des am 14.12.2020 verkündeten Urteils des Landgerichts Schweinfurt, Az.: 23 O 471/20, wie folgt zu erkennen:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerschaft 45.624,97 Euro zzgl. Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs … mit der FIN: ….
2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Entgegennahme des im Klageantrag zu 1. genannten Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet.
3. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerschaft von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 3.260,60 Euro freizustellen.
Die Beklagte beantragt Zurückweisung der Berufung und wiederholt sowie vertieft ebenfalls ihre bisherige Argumentation. Sie vertritt die Ansicht, dass wohl kein Aggregat intensiver durch das KBA untersucht worden sei, als das streitgegenständliche des Typs EA 288. Eine Beanstandung habe sich nicht ergeben, wie sich durch zahlreiche vorgelegte amtliche Auskünfte des KBA, so z.B. jenem vom 15.12.2020 an das LG Bayreuth (vorgelegt als BE 15), ergäbe. Danach stehe fest, dass der streitgegenständliche Motor keine unzulässige Abschalteinrichtung aufweise. Aus der vom Kläger (neu) vorgelegten Unterlagen der Deutschen Umwelthilfe ergäbe sich, dass das KBA auch die Fahrkurvenerkennung seit 2015 kenne und nicht als unzulässige Abschalteinrichtung bewerte.
Im Übrigen wird auf die Schriftsätze der Parteivertreter nebst Anlagen im Berufungsverfahrens sowie auf das Protokoll der öffentlichen Sitzung des Oberlandesgerichts Bamberg vom 23.06.2021 Bezug genommen.
II.
1. Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.
2. a. Beanstandungsfrei hat das Landgericht Schweinfurt ausgeführt, dass dem Kläger kein Schadensersatzanspruch aufgrund einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung gemäß den §§ 826, 31 BGB zusteht. Auch aus Sicht des Senats konnte der Kläger die entsprechenden Anspruchsvoraussetzungen nicht ausreichend darstellen und belegen. Insbesondere ist der Senat davon überzeugt, dass das Fahrzeug des Klägers zu keiner Zeit einem verbindlichen Rückruf seitens des KBA unterlag und keine unzulässige Abschalteinrichtung, die den Abgasausstoß ausschließlich in Prüfsituationen reduzieren würde, verbaut ist.
b. Sittenwidrig im Sinne von § 826 BGB ist ein Verhalten, welches nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zu Tage getretenen Gesinnung und den eingetretenen Folgen ergeben kann (BGH, Urteil vom 25.05.2020, Az.: VI ZR 252/19, Rdnr. 15, NJW 2020, 1962, 1963). Schon zur Feststellung der Sittenwidrigkeit kann es daher auf Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden ankommen, die die Bewertung seines Verhaltens als verwerflich rechtfertigen. Die Verwerflichkeit kann sich auch aus einer bewussten Täuschung ergeben (BGH, Urteil vom 28.06.2016, Az.: VI ZR 536/15, Rdnr. 16, NJW 2017, 250, 252). Insbesondere bei mittelbaren Schädigungen kommt es ferner darauf an, dass den Schädiger das Unwerturteil, sittenwidrig gehandelt zu haben, gerade auch in Bezug auf die Schäden desjenigen trifft, der Ansprüche aus § 826 BGB geltend macht (BGH, Urteil vom 07.05.2019, Az.: VI ZR 512/17, Rdnr. 8, NJW 2019, 2164, 2165).
Als objektiv sittenwidrig wäre das Verhalten der Beklagten im Verhältnis zum Kläger insbesondere dann zu qualifizieren, wenn die Beklagte auf der Grundlage einer für ihren Konzern getroffenen grundlegenden strategischen Entscheidung bei der Motorentwicklung im eigenen Kosten- und damit auch Gewinninteresse durch bewusste und gewollte Täuschung des Kraftfahrt-Bundesamtes systematisch, langjährig Motoren in den Verkehr gebracht hätte, obwohl dessen Motorsteuerungssoftware bewusst und gewollt so programmiert war, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte mittels einer unzulässigen Abschalteinrichtung nur auf dem Prüfstand eingehalten wurden (BGH, Urteil vom 25.05.2020, Az.: VI ZR 252/19, Rdnr. 25, NJW 2020, 1962, 1965). Durch die Verwendung eines derartigen Motors ginge in dieser Konstellation nicht nur eine erhöhte Belastung der Umwelt einher, sondern auch die Gefahr, dass bei einer Aufdeckung für die betroffenen Fahrzeuge eine Betriebsbeschränkung oder eine Betriebsuntersagung drohen würde. Ein solches Verhalten wäre im Verhältnis zu einer Person, die eines der bemakelten Fahrzeuge in Unkenntnis der illegalen Abschalteinrichtung erwerben würde, verwerflich und mit den grundlegenden Wertungen der Rechts- und Sittenordnung nicht zu vereinbaren.
c. Im vorliegenden Fall konnte der Kläger weder substantiiert darstellen, dass im Motor seines Fahrzeugs eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut worden ist, noch dass seinem Fahrzeug eine Betriebsbeschränkung bzw. Betriebsuntersagung drohte oder droht.
Der Kläger trägt zu einem verpflichtenden Rückruf oder zu einer Betroffenheit im Zusammenhang mit der Diesel-Abgasthematik nichts vor. Durch den Kläger werden auch keine konkreten Umstände vorgebracht, die diese Einschätzung des KraftfahrtBundesamtes, die zu einer Zulassung geführt hat, erschüttern könnten. Da auch fünf Jahre nach dem Bekanntwerden von „Abgasmanipulationen“ anderer Automobilhersteller kein Rückruf für das Fahrzeug des Klägers erfolgt ist, und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass dieser in der Zukunft droht, bestand zur Überzeugung des Senats zu keinem Zeitpunkt die Gefahr einer Betriebsuntersagung bzw. Betriebsbeschränkung für das Fahrzeug des Klägers und besteht eine solche auch nicht. Daher fehlt ein wichtiger Umstand, durch den das sittenwidrige Verhalten bei einem anderen Automobilhersteller im Falle des Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung begründet wurde (OLG Bamberg, Urteile vom 17.03.2021, Az.: 8 U 163/20; vom 17.03.2021, Az.: 8 U 189/20; vom 16.06.2021, Az. 8 U 252/20).
Der Senat musste die von der Beklagten insoweit zum Beleg für ihre Behauptung fehlender Prüfstanderkennung und das Fehlen der Anordnung eines Rückrufs beantragte Auskunft des KBA nicht einholen, da greifbare Hinweise für die Existenz einer unzulässigen Prüfstanderkennung und entsprechenden Abschalteinrichtung fehlen. Wäre, wie der Kläger meint, eine mit den bei den EA189-Motoren bekannte und vergleichbare, auf Erkennung des Prüfstands und Täuschung des KBA abzielende Umschaltlogik eingebaut, so hätte dies das KBA in den mehr als 5 Jahren seit Bekanntwerden des sog. Dieselskandals erkannt und beanstandet. Die Beklagte hat auf diesen Umstand zu Recht hingewiesen und dieser überzeugt. Die klägerische Behauptung, die Motoren EA 189 und die EA 288 Motoren entsprächen sich dennoch in der Abgassteuerung, setzt sich über die entgegenstehenden Feststellungen einer Bundesbehörde hinweg und erfolgt ins Blaue hinein. Dem Senat sind bereits zahlreiche amtliche Auskünfte des KBA zum streitgegenständlichen Motor (Euro 6) aus vorausgehenden Rechtsstreiten von Pkw-Käufern gegen die Beklagte bekannt und im vorliegenden Verfahren sind wiederum aktuelle, amtliche Auskünfte des KBA zu ähnlichen Fahrzeugen mit 2.0 Liter EA-288 Motoren (Euro 6) vorgelegt, etwa dem X. A. Baujahr 2016 (hierzu Schreiben an OLG Stuttgart vom 13.11.2020). Diese stützen die Darstellung der Beklagten und widersprechen den Behauptungen des Klägers. Das KBA hat sich jeweils eindeutig und klar geäußert. Im streitgegenständlichen Fahrzeug wurden vom KBA, trotz Prüfung!, keine unzulässige Abschalteinrichtung festgestellt. Dies gilt im Übrigen auch für die sogenannte Fahrkurvenerkennung, die (laut KBA) auf dem Prüfstand und im Straßenverkehr gleichermaßen funktioniere und im Übrigen keinen wesentlichen Einfluss auf den Schadstoffausstoß habe (vgl. Schreiben des KBA an das Oberlandesgericht Oldenburg vom 11.02.2021, 14 U 322/19). Der Kläger tritt auch dem nicht substantiiert entgegen, vertritt nur eine andere Rechtsansicht.
d. Auch die Verwendung eines sog. „Thermofensters“ im Motor der Beklagten führt zu keinem Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 826 BGB. Insoweit fehlt es, egal wie man über deren technische Sinnhaftigkeit denken und urteilen mag, zumindest an einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigungshandlung der Beklagten.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs reicht der Umstand, dass die Abgasrückführung in einem Fahrzeug durch eine temperaturabhängige Steuerung des Emissionskontrollsystems bei bestimmten Temperaturen reduziert und unter Umständen auch abgeschaltet wird, für sich genommen nicht aus, um dem Verhalten der für den Automobilhersteller handelnden Personen ein sittenwidriges Gepräge zu geben (BGH, Beschluss vom 19.01.2021, Az.: VI ZR 433/19, Rdnr. 16, NJW 2021, 921, 923). Dabei kann es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs letztlich offen bleiben, ob eine derartige temperaturbeeinflusste Steuerung der Abgasrückführung als unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 S. 1 der Verordnung 715/2007/EG zu qualifizieren ist. Ein darin liegender Gesetzesverstoß wäre auch unter Berücksichtigung einer damit einhergehenden Gewinnerzielungsabsicht der Beklagten nicht geeignet, den Einsatz dieser Steuerungssoftware als besonders verwerflich erscheinen zu lassen (BGH, Beschluss vom 19.01.2021, Az.: VI ZR 433/19, Rdnr. 16, NJW 2021, 921, 923).
Es liegt auch keine Vergleichbarkeit mit der Konstellation der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in Motoren des Z.-Konzerns vor, die dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 25.05.2020 (Az.: VI ZR 252/19, NJW 2020, 1962 ff.) zugrunde lagen. Durch den Z.-Konzern wurde die grundlegende strategische Entscheidung getroffen, im eigenen Kosten- und Gewinninteresse von der Einhaltung der Grenzwerte im realen Fahrbetrieb vollständig abzusehen und das Kraftfahrt-Bundesamt zwecks Erlangung der Typengenehmigung mittels einer eigens für diesen Zweck entwickelten Motorsteuerungssoftware wahrheitswidrig eine Einhaltung der Grenzwerte durch die speziell ausgerüsteten Dieselfahrzeuge vorzutäuschen. In diesen Fällen war die Software bewusst und gewollt so programmiert, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte nur auf dem Prüfstand beachtet, im normalen Fahrbetrieb hingegen überschritten wurden. Dieses Verhalten zielte auf eine arglistige Täuschung der Typengenehmigungsbehörde ab (BGH, Beschluss vom 19.01.2021, Az.: VI ZR 433/19, Rdnr. 17, NJW 2021, 921, 923). Bei dem Einsatz eines sog. „Thermofensters“ fehlt es an einem derartigen arglistigen Verhalten, welches die Qualifikation des Verhaltens des Automobilherstellers als objektiv sittenwidrig rechtfertigen würde (BGH, Beschluss vom 19.01.2021, Az.: VI ZR 433/19, Rdnr. 18, NJW 2021, 921, 923). Das „Thermofenster“ weist keine Funktion auf, die bei erkanntem Prüfstandbetrieb eine verstärkte Abgasrückführung aktiviert und den Stickoxidausstoß gegenüber dem normalen Fahrbetrieb reduziert. Vielmehr arbeitet das „Thermofenster“ sowohl im Normalbetrieb als auch im Prüfstandbetrieb in gleicher Weise. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der der Senat folgt, wäre bei dieser Sachlage der Vorwurf der Sittenwidrigkeit nur gerechtfertigt, wenn zusätzlich weitere Umstände hinzuträten, die neben einem Verstoß gegen die Verordnung 715/2007/EG das Verhalten der handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen ließen (BGH, Beschluss vom 09.03.2021, Az.: VI ZR 889/20,, Rn. 28, BeckRS 2021, 4148). Dies würde jedenfalls voraussetzen, dass die handelnden Personen bei der Entwicklung und/oder Verwendung der temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf zu nehmen (BGH, Beschluss vom 09.03.2021, Az.: VI ZR 889/20, Rn. 28, BeckRS 2021, 4148). Konkrete Anhaltspunkte für derartige Umstände wurden vom Kläger nicht schlüssig dargetan.
Der Senat vermag auch keine Anhaltspunkte für die zu fordernden weiteren Umstände zur Begründung der besonderen Verwerflichkeit erkennen. Die Darlegungs- und Beweislast für diese Voraussetzungen hat nach den allgemeinen Grundsätzen der Kläger als Anspruchsteller zu tragen (BGH, Beschluss vom 19.01.2021, Az.: VI ZR 433/19, Rdnr. 19, NJW 2021, 921, 923). Seitens des Klägers wurde insbesondere nicht schlüssig dargetan, dass die Beklagte das Kraftfahrt-Bundesamt im Zusammenhang mit der Entwicklung und Genehmigung arglistig getäuscht haben könnte.
e. Des Weiteren ist auch hinsichtlich der Steuerung des SGR-Katalysators, die der Kläger im Schriftsatz vom 09.06.2021 zum Gegenstand von Behauptungen gemacht hat, vom KBA geprüft worden und es hat sich nach Bekunden des KBA keine unzulässige Abschalteinrichtung feststellen lassen (vgl. u.a. die amtliche Auskunft des KBA an das OLG Oldenburg vom 11.02.2021). Es geht hier um die Abgasnachbehandlung im Katalysator und namentlich die Dosierung der Zuführung von AdBlue. Diese Regelung ist gerade eine, die nicht zwischen einem Betrieb auf dem Prüfstand und dem auf der Straße unterscheidet. Ergänzend wird Bezug genommen auf die obenstehenden Ausführungen des Senats zu sog. „Thermofenstern“.
f. Auch hinsichtlich des Vortrags des Klägers, in seinem Fahrzeug sei eine Lenkwinkelerkennung verbaut, ist in der Sache nicht geeignet, eine unzulässige Abschalteinrichtung bei dem in seinem Fahrzeug verbauten Motor schlüssig darzulegen. Selbst wenn diese Einrichtungen im Fahrzeug der Klägerin verbaut wären und es sich hierbei um unzulässige Abschalteinrichtungen handeln würde, könnte allein hieraus noch nicht auf eine die Sittenwidrigkeit begründende, die Fahrzeugkäufer bewusst schädigende Handlung der Beklagten geschlossen werden. Ein derart vorsätzliches Verhalten kann vielmehr nur dann angenommen werden, wenn über die bloße Kenntnis von dem Einbau einer Einrichtung mit der in Rede stehenden Funktionsweise in den streitgegenständlichen Motor hinaus zugleich auch Anhaltspunkte dafür erkennbar wären, dass dies von Seiten der Beklagten in dem Bewusstsein geschah, hiermit möglicherweise gegen die gesetzlichen Vorschriften zu verstoßen und dieser Gesetzesverstoß billigend in Kauf genommen wurde, um eine tatsächlich nicht gerechtfertigte Typengenehmigung zu erlangen. Dazu ist aber nichts vorgebracht, was über Behauptungen „ins Blaue hinein“ hinweggeht. Es ist insbesondere nicht vorgebracht, dass das KBA je Lenkwinkelerkennung zum Anlass genommen hat, sich im Prüfungsverfahren getäuscht zu fühlen und verbindliche Rückrufe zur Beseitigung solcher Einrichtungen anzuordnen. Ergänzend wird erneut Bezug genommen auf die obenstehenden Ausführungen des Senats zu sog. „Thermofenstern“.
3. Ein Schadensersatzanspruch des Klägers folgt auch nicht aus anderen (deliktischen) Anspruchsgrundlagen.
Zur Überzeugung des Senats sind im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte für ein betrügerisches Verhalten im Sinne von § 263 StGB erkennbar. So fehlen insbesondere bereits nähere Darlegungen, welcher Irrtum beim Kläger kausal erregt worden sein soll und ohnehin (bei einem Gebrauchtwagenerwerb von einem Händler) an der Stoffgleichheit.
Auch steht dem Kläger gegen die Beklagte kein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. den §§ 6, 27 EG-FGV oder Art. 5 VO (EG) Nr. 715/2007 zu (BGH, Urteil vom 25.05.2020, Az.: VI ZR 252/19, Rn. 73 f., NJW 2020, 1962, 1971).
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
IV.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
V.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die zugrunde liegenden Rechtsfragen durch zahlreiche Entscheidungen des Bundesgerichtshofs, denen der Senat inhaltlich gefolgt ist, geklärt sind.


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