Europarecht

Keine Studienzulassung mit neuseeländischem Steiner School Certificate

Aktenzeichen  W 7 K 17.1306

Datum:
9.12.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 59258
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayHSchG § 42 Abs. 1, § 43
QualV § 11

 

Leitsatz

In den Stellungnahmen der Zeugnisanerkennungsstelle wird nach Auffassung der Kammer zutreffend ausgeführt, dass vorliegend anhand der Fächer- und Notenübersicht nicht nachgewiesen ist, dass das New Zealand Rudolf Steiner School Certificate der Klägerin das für Neuseeland zu fordernde Curriculum in vollem Umfang erfüllt. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet, da der Bescheid der JMU vom 7. August 2017 rechtmäßig ist und die Klägerin (bereits deswegen) nicht in ihren Rechten verletzt ist, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zulassung zum Studium der Medienkommunikation (Bachelor). Im Einzelnen gilt dazu Folgendes:
Gemäß Art. 42 Abs. 1 Satz 1 des Bayerischen Hochschulgesetzes vom 23. Mai 2006 (GVBl. S. 245), zuletzt geändert durch § 1 Abs. 186 der Verordnung vom 26. März 2019 (GVBl. S. 98) – BayHSchG – sind Deutsche zu dem von ihnen gewählten Studium berechtigt, wenn sie die hierfür erforderliche Qualifikation nachweisen und keine Immatrikulationshindernisse vorliegen. Gemäß Art. 43 Abs. 1 BayHSchG wird die Qualifikation für ein Studium an einer Universität, das zu einem ersten berufsqualifizierenden Abschluss führt, durch die Hochschulreife nachgewiesen. Gemäß Art. 43 Abs. 7 BayHSchG wird durch Rechtsverordnung bestimmt, durch welche Abschlüsse und Zeugnisse die Hochschulreife und Fachhochschulreife nachgewiesen werden. Maßgeblich hierfür ist die Verordnung über die Qualifikation für ein Studium an den Hochschulen des Freistaates Bayern und den staatlich anerkannten Nichtstaatlichen Hochschulen (Qualifikationsverordnung – QualV) vom 2. November 2007 (GVBl. S. 767), zuletzt geändert durch § 1 Abs. 187 der Verordnung vom 26. März 2019 (GVBl. S. 98) – QualV.
Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 QualV gelten sonstige Bildungsnachweise, die im Ausland erworben wurden, als Nachweis der Hochschulreife im Freistaat Bayern nur, wenn sie von der zuständigen Stelle anerkannt worden sind. Dies gilt nach Satz 2 entsprechend für Bildungsnachweise, die zwar im Inland, jedoch in einem ausländischen Bildungssystem erworben wurden. Gemäß § 11 Abs. 2 QualV ist zuständige Stelle im Rahmen des Zulassungs- und/oder Immatrikulationsverfahrens die jeweilige Hochschule; in Zweifelsfällen ist die Zeugnisanerkennungsstelle zu beteiligen. Gemäß § 11 Abs. 3 QualV setzt die Anerkennung grundsätzlich voraus, dass die im Ausland erworbenen Bildungsnachweise ein Hochschulstudium im angestrebten Studiengang auch im Herkunftsland der Bildungsnachweise ermöglichen und Vorkenntnisse erwarten lassen, die eine Aufnahme des Studiums an einer Universität des Freistaates Bayern sinnvoll erscheinen lassen.
Die Entscheidung der JMU, den von der Klägerin erworbenen Bildungsabschluss nicht als Nachweis der Hochschulreife anzuerkennen, ist nicht zu beanstanden:
Sowohl Neuseeland als auch die Bundesrepublik Deutschland sind Vertragsstaaten des „Übereinkommens vom 11. April 1997 über die Anerkennung von Qualifikationen im Hochschulbereich in der europäischen Region“ (Lissabon-Konvention), dem durch Gesetz vom 16. Mai 2007 (BGBl II 2007, S. 712) zugestimmt wurde. Abschnitt IV der Lissabon-Konvention regelt die Anerkennung von Qualifikationen, die den Zugang zur Hochschulbildung ermöglichen. Nach Art. IV.1 erkennt jede Vertragspartei für den Zweck des Zugangs zu den zu ihrem Hochschulsystem gehörenden Programmen die von den anderen Vertragsparteien ausgestellten Qualifikationen an, welche die allgemeinen Voraussetzungen für den Zugang zur Hochschulbildung in diesen Staaten erfüllen, sofern nicht ein wesentlicher Unterschied zwischen den allgemeinen Zugangsvoraussetzungen in der Vertragspartei, in der die Qualifikation erworben wurde, und denen in der Vertragspartei, in der die Anerkennung der Qualifikation angestrebt wird, nachgewiesen werden kann. Daraus folgt aber (nur), dass die Klägerin ein Recht auf Überprüfung ihres Bildungsabschlusses hat, der in Neuseeland grundsätzlich den Zugang zum Hochschulstudium eröffnet. Denn weitere Voraussetzung ist die Gleichwertigkeit mit einem im Bundesgebiet erworbenen Bildungsabschluss, wie sich aus dem Wortlaut des 2. Halbsatzes des Art. IV.1 der Lissabon-Konvention (sofern nicht ein wesentlicher Unterschied…) ergibt. Hierzu regelt Abschnitt III der Lissabon-Konvention die wesentlichen Grundsätze in Bezug auf die Bewertung von Qualifikationen. Art. III.1 bestimmt, dass Inhabern von Qualifikationen, die in einer der Vertragsparteien ausgestellt wurden, auf ein an die geeignete Stelle gerichtetes Ersuchen angemessener Zugang zu einer Bewertung dieser Qualifikationen zu ermöglichen ist (Abs. 1). Nach Abs. 2 darf es in dieser Hinsicht keine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, einer Behinderung, der Sprache, der Religion, der politischen oder sonstigen Anschauungen, der nationalen, ethnischen oder sozialen Herkunft, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt oder des sonstigen Status oder aufgrund anderer Umstände geben, die mit dem Wert der Qualifikation, deren Anerkennung angestrebt wird, nicht zusammenhängen. Um dieses Recht zu gewährleisten, verpflichtet sich jede Vertragspartei, angemessene Vorkehrungen für die Bewertung eines Antrags auf Anerkennung von Qualifikationen allein auf der Grundlage der erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten zu treffen.
In Übereinstimmung mit der Lissabon-Konvention regelt § 11 Abs. 3 QualV, dass die Anerkennung grundsätzlich voraussetzt, dass die im Ausland erworbenen Bildungsnachweise ein Hochschulstudium im angestrebten Studiengang auch im Herkunftsland der Bildungsnachweise ermöglichen und Vorkenntnisse erwarten lassen, die eine Aufnahme des Studiums an einer Universität des Freistaates Bayern sinnvoll erscheinen lassen. Zuständig für die Entscheidung über die Gleichwertigkeit des Abschlusses ist gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 QualV die zuständige Hochschule – hier also die JMU -, die in Zweifelsfällen die Zeugnisanerkennungsstelle für den Freistaat Bayern (ZAST) zu beteiligen hat. Ein solcher Zweifelsfall ist hier gegeben, da der Bildungsabschluss der Klägerin nicht in der unter www.anabin.de veröffentlichten Datenbank enthalten ist. Diese Datenbank enthält die Bewertungsvorschläge für ausländische Bildungsnachweise der Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen der Kultusministerkonferenz, die die Gleichwertigkeit der ausländischen Bildungsabschlüsse regelmäßig anhand dieser Bewertungsvorschläge gemäß der Rahmenordnung, die durch Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 15. April 1994 in der Fassung vom 21. September 2006 für den Hochschulzugang mit ausländischen Bildungsnachweisen erlassen wurde, prüft. Danach sind diese Bewertungsvorschläge verpflichtend der Anerkennungsentscheidung zu Grunde zu legen. Die Bewertungsvorschläge beinhalten tatsächliche Feststellungen und Wertungen, die in allgemeiner Form und losgelöst vom jeweiligen Einzelfall eine gutachterliche Stellungnahme enthalten. Sie binden damit als sog. antizipiertes Sachverständigengutachten die Behörden und Gerichte in dem Sinn, dass sie sich nur darüber hinwegsetzen können, wenn die Vorschläge entweder als methodisch zweifelhaft oder sachlich überholt widerlegt werden oder aber wenn im jeweiligen Einzelfall Besonderheiten auftreten, die erkennbar nicht bedacht worden sind (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 13.10.2000, NVwZ-RR 2001,104 m.w.N.).
Das New Zealand Rudolf Steiner School Certificate (SSC) der Klägerin ist in der Datenbank nicht aufgeführt. Allein aus diesem Umstand kann jedoch nicht der Schluss gezogen werden, dass das SSC nicht als Hochschulzugangsberechtigung anzuerkennen ist.
Vorliegend hat die JMU das SSC der Klägerin nicht als einen ausländischen Vorbildungsnachweis anerkannt, der mit der allgemeinen Hochschulreife materiell gleichwertig ist und begründet dies im Klageverfahren mit den gutachterlichen Stellungnahmen der ZAST vom 21. Juni 2018, 18. September 2018 und 8. März 2019. Dort wird nach Auffassung der Kammer zutreffend ausgeführt, dass anhand der Fächer- und Notenübersicht nicht nachgewiesen ist, dass das New Zealand Rudolf Steiner School Certificate der Klägerin das für Neuseeland zu fordernde Curriculum in vollem Umfang erfüllt. Danach müssen insgesamt mindestens fünf voneinander unabhängige allgemeinbildende Fächer mit insgesamt 60 Credits im „Level 3“ und 20 Credits im „Level 2“ oder höher nachgewiesen sein – darunter drei Fächer mit mindestens je 14 Credits im „Level 3“ (darunter Mathematik mit mindestens 7 Credits im „Level 3“ und 7 Credits im „Level 2“ oder höher), sowie Englisch oder Maori mit mindestens 10 Credits im „Level 2“ oder höher (davon 5 im Bereich „writing“ und 5 im Bereich „reading“). Dieser Nachweis wird aber von der Klägerin nicht geführt. Die Zeugnisanerkennungsstelle führt in ihrer Stellungnahme vom 8. März 2019 im Hinblick auf den klägerischen Sachvortrag weiter aus, dass es rechnerisch vollkommen unerheblich sei, ob ein Leistungspunktnachweis als Point oder Credit bezeichnet werde. Die in Neuseeland offiziell staatlicherseits verwendete Bezeichnung laute Credits mit einem genau definierten Punktwert, einzelne neuseeländische Schulen neigten mitunter dazu, in die Sprachregelung Points einfließen zu lassen. Eine mathematische Änderung sei nicht damit einhergehend. Vielmehr sei diese Indiz für eine Programmanpassung an der Waldorfschule Erfurt, abweichend von den herkömmlichen nationalen Standards Neuseelands. Vorliegend besteht der im Hinblick auf die Lissabon-Konvention zu identifizierende wesentliche Unterschied darin, dass die zu fordernden 10 Credits im Bereich „writing und reading“ auf muttersprachlichem Niveau nicht erfolgreich nachgewiesen wurden, weshalb eine der wesentlichen Mindestanforderungen an neuseeländische Bildungsnachweise für eine Hochschulzugangsberechtigung im Land selbst, dessen Amtssprachen Englisch und Maori sind, nicht erfüllt ist. Dieser Verzicht auf den Nachweis First Language English führt nach Auffassung der Zeugnisanerkennungsstelle zu großen nachweislichen Qualitätsunterschieden. Die Beklagtenseite hat in der mündlichen Verhandlung überzeugend dargelegt, dass in Neuseeland ein deutschsprachiger nationalstaatlicher Abschluss SSC nicht erworben werden kann, hingegen an der Waldorfschule Erfurt das englischsprachige Programm in ein deutschsprachiges Programm verändert worden ist und somit ein wesentlicher Unterschied im Vergleich zum nationalstaatlichen Programm besteht.
Diese gutachterliche Stellungnahme konnte von Seiten der Klägerin nicht entkräftet werden. Die Behauptung des Klägerbevollmächtigten, zum Erwerb des SSC in Neuseeland seien Nachweise über muttersprachliche Kenntnisse in Englisch oder Maori nicht erforderlich, wurde auch nicht durch das Schreiben des NZQA vom 12. August 2019 belegt. Dies enthält lediglich die Aussage, dass das in Deutsch absolvierte Programm in Neuseeland als gleichwertig mit dem in Englisch absolvierten Programm anerkannt wird. Die NZQA als zuständige neuseeländische Behörde für den Hochschulzugang vermag aber keine verbindlichen Feststellungen für den Zugang zum Studium an der JMU zu treffen, da hierfür ausschließlich diese zuständig ist. Dies stellt auch keinen Verstoß gegen Art. III.1 der Lissabon-Konvention dar, da die Muttersprache der Klägerin Deutsch ist und Sinn und Zweck dieser Bestimmung gerade darin besteht, Studienbewerber mit einer anderen Muttersprache als der Landessprache nicht zu benachteiligen, vielmehr soll ausländischen Studienbewerbern der Zugang zu inländischen Hochschulen erleichtert werden.
Die Klage war daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit dieser Kostenentscheidung beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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