Europarecht

Keine Unrichtigkeit der Rechtsbehelfsbelehrung bei Zusatz “in deutscher Sprache abgefasst”

Aktenzeichen  M 9 S 17.52830

Datum:
30.10.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 58 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Entgegen der Rechtsauffassung des VGH Baden-Württemberg (BeckRS 2017, 108121) führt die Formulierung in der Rechtsbehelfsbelehrung, dass die Klage „in deutscher Sprache abgefasst sein“ muss, nicht zu ihrer Unrichtigkeit im Sinne des § 58 Abs. 2 VwGO. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
2. Gegen die Anordnung der Abschiebung nach Österreich gemäß § 34a Abs. 1 S. 1 AsylG, Art. 18 Abs. 1d, Art. 24 Dublin III-VO bestehen keine rechtlichen Bedenken. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag auf PKH für dieses und für das Verfahren M 9 K 17.52829 wird abgelehnt.
II. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO wird abgelehnt.
III. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.
Der Antragsteller stammt aus dem Kosovo. Ausweislich der polizeilichen Ermittlungsakten wurde er am 19. November 2016 nach versuchter unerlaubter Einreise in das Bundesgebiet zurückgewiesen und stellte am 20. November 2016 in Österreich einen Asylantrag. Am 21. November 2016 wurde er bei der erneuten Einreise im Bundesgebiet aufgegriffen.
Aufgrund eines Ersuchens vom 23. Dezember 2016 nach der Dublin-III-VO an Österreich erklärten die österreichischen Behörden mit Schreiben vom 4. Januar 2017 ihre Zuständigkeit nach Art. 18 Abs. 1d Dublin-III-VO für die Bearbeitung des Antrags.
Mit Bescheid des Bundesamts vom 11. Januar 2017 wurde die Abschiebung des Antragstellers nach Österreich angeordnet und das gesetzliche Einreise und Aufenthaltsverbot auf 6 Monate ab dem Tag der Abschiebung gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG befristet. Die Abschiebung sei nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG anzuordnen, da Österreich nach Art. 18 Abs. 1b Dublin-III-VO zuständig sei. Der Bescheid wurde am 16. Januar 2017 zugestellt (Blatt 100 Behördenakte). Er enthält eine Rechtsbehelfsbelehrung:auf Deutsch, die die Formulierung enthält, dass die Klage in deutscher Sprache abgefasst sein muss. Eine Bescheidstenorierung und Rechtsbehelfsbelehrung:auf Albanisch ist beigefügt mit dem zweisprachigen Hinweis, dass die maßgebliche Rechtsbehelfsbelehrung:ausschließlich die in der Ansprache Deutsch ist, die Bestandteil des deutschsprachigen Bescheides ist (Blatt 85/86).
Die Geltungsdauer des Bescheids wurde verlängert, nachdem der Antragsteller seit 20. Januar 2017 unbekannten Aufenthalts war (Blatt 115). Das neue Fristende ist der 4. Juli 2018.
Der Bevollmächtigte des Klägers erhob mit am 4. Oktober 2017 beim VG München eingegangenem Schriftsatz Klage und beantragte gemäß § 80 Abs. 5 VwGO:
Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage, Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Bevollmächtigten.
Der Antragsteller sei verheiratet, eine Eheurkunde, ausgestellt am 21. Februar 2017 in Berlin über die Eheschließung im Kosovo am 21. Oktober 2016 sei beigefügt. Die Ehefrau sei Deutsche.
Ausweislich des Antrags auf PKH vom 26. Oktober 2017 wohnt der Antragsteller in 1. B., L. Allee … bei seiner Ehefrau; die Familie erhält Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 883,68 €. Der Bedarfsermittlung wurde u.a. für die Ehefrau des Antragstellers ein Mehrbedarf für Alleinerziehende in Höhe von 98,16 € zugrunde gelegt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Antragsbegründung Bezug genommen.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist ebenso wie die Klage unzulässig, da die Klagefrist nicht eingehalten wurde.
Entgegen der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg, U. v. 18. April 2017 (A 9 S 333/17) führt die Formulierung in der Rechtsbehelfsbelehrung:, dass die Klage „in deutscher Sprache abgefasst sein“ muss, nicht zu ihrer Unrichtigkeit im Sinne des § 58 Abs. 2 VwGO. Nach Abs. 2 Satz 1 gilt für die Einlegung eines Rechtsbehelfs die Jahresfrist, wenn die Rechtsbehelfsbelehrung:unterblieben oder unrichtig erteilt ist. Unrichtig kann eine Rechtsbehelfsbelehrung:auch dann sein, wenn sie geeignet ist, bei dem Betroffenen einen Irrtum über die formellen oder materiellen Voraussetzungen des in Betracht kommenden Rechtsbehelfs hervorzurufen und ihn dadurch abhält, den Rechtsbehelf überhaupt, rechtzeitig oder in richtiger Form einzulegen (ständige Rechtsprechung, vgl. BVerwG U. v. 13.12.1978 6 C 77.78). Die Formulierung, dass die Klage in deutscher Sprache abgefasst sein muss, ist keine solche Unrichtigkeit, die kausal dafür sein kann, dass der Betreffende einen Rechtsbehelf nicht, nicht rechtzeitig oder nicht in der richtigen Form einlegt. Zutreffend stellt der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (a.a.O.) darauf ab, dass nach dem Sprachgebrauch mit der Formulierung „abfassen“ die Bedeutung verbunden wird, dass einer Erklärung eine schriftliche Form gegeben wird. Diese Belehrung ist nicht falsch oder irrtumserweckend, sondern trifft nach der hier maßgeblichen VwGO zu. Auch zur Niederschrift erhobene Klagen sind eine Erklärung in Schriftform. Der Hinweis auf die deutsche Sprache führt nicht zu Unrichtigkeit, da die Amtssprache Deutsch und die Klage daher auf Deutsch zu erheben ist.
Soweit darauf abgestellt wird, dass durch diese Formulierung ein Hinweis auf die Möglichkeit der Klageerhebung zu Protokoll der Rechtsantragsstelle des Gerichts unterbleibt führt nicht zur Unrichtigkeit. Nach § 58 Abs. 1 VwGO genügt eine Rechtsmittelbelehrung, die sich auf die gesetzlich notwendigen Vorgaben beschränkt, dies sind der Rechtsbehelf, das Gericht, der Sitz und die Frist. Nicht dazu gehört die Möglichkeit, zur Niederschrift Rechtsmittel einzulegen. Wenn eine Rechtsmittelbelehrungdarüber hinaus geht ist dies als solches nicht schädlich, solange der Hinweis nicht unrichtig oder irreführend ist (BverfG B vom 3. März 2016 3 PKH 5/15 u.a.). Inwieweit ein Beteiligter durch die Formulierung, dass ein Rechtsmittel in deutscher Sprache abgefasst sein muss, darüber in die Irre geführt werden kann, dass ein Rechtsmittel nicht auch zur Niederschrift eingelegt werden kann, erschließt sich danach nicht.
Ungeachtet dessen hat hier der Kläger eine Rechtsbehelfsbelehrung:in albanischer Sprache erhalten, so dass davon auszugehen ist, dass er diese verstanden hat. Der Hinweis auf die Klageerhebung zur Niederschrift des Urkundsbeamten nach § 81 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist als Belehrung über die Form nicht vorgeschrieben (ständige Rechtsprechung vgl. BVerwG U v. 27.02.1976, IV C 74.74).
Ungeachtet dessen, dass Klage und Antrag wegen Verfristung unzulässig sind wären sie auch unbegründet. Der Antragsteller hat in Österreich einen Asylantrag gestellt, die österreichischen Behörden haben ihre Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens erklärt und der Antragsteller war bis zur Vorlage des Formblatts über den PKH Antrag unbekannten Aufenthalts, so dass die Überstellung nicht möglich war. Gegen die Anordnung der Abschiebung nach Österreich gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG, Art. 18 Abs. 1d, Art. 24 Dublin-III-VO bestehen keine rechtlichen Bedenken. Da nach Aktenlage weiterhin kein Nachweis dafür vorliegt, dass der Antragsteller bei seiner Ehefrau in Berlin tatsächlich lebt bestehen keine begründeten Zweifel daran, dass die Voraussetzungen für eine Verlängerung der Gültigkeitsdauer vorliegen. Ausweislich des SGB II Bescheids vom 22. März 2017 gehört der Antragsteller nicht zur Bedarfsgemeinschaft, seine Ehefrau bezieht nach wie vor Leistungen als Mehrbedarf für Alleinerziehende.
Der Antrag war mit der Kostenfolge des § 154 VwGO abzulehnen. Der PKH Antrag war nach dieser Sachlage ebenfalls abzulehnen. Der Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylG.


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