Europarecht

Klage auf Bewilligung einer Eigenheimzulage (ohne Erfolg), Antragsfrist ab Bezugsdatum und Nachweis des Bezugsdatums über erweiterte Meldebescheinigung, Unrichtigkeit der Meldebescheinigung regelmäßig irrelevant, Selbstbindung der Verwaltung, Förderpraxis

Aktenzeichen  RO 7 K 20.5

Datum:
18.3.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 16396
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klage, über die mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung nach § 101 Abs. 2 VwGO entschieden werden konnte, ist zulässig, aber unbegründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Eigenheimzulage auf Basis der Richtlinien für die Gewährung eines Zuschusses zum Bau oder Erwerb von Wohnraum zu eigenen Wohnzwecken (Bayerische Eigenheimzulagen-Richtlinien – EHZR). Der ablehnende Bescheid vom 14. Oktober 2019 verletzt sie daher nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (B.v. 14.9.2020 – 6 ZB 20.1652 – juris mit Hinweis auf BVerwG, B.v. 11.11.2008 – 7 B 38.08; BayVGH, B.v 22.5.2020 – 6 ZB 20.216; B.v. 9.3.2020 – 6 ZB 18.2102; U.v. 11.10.2019 – 22 B 19.840), der die Kammer folgt, gilt: Sind Fördervoraussetzungen in Förderrichtlinien geregelt, so müssen diese von der zuständigen Bewilligungsbehörde gleichmäßig (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV), im Einklang mit Art. 23 und 44 BayHO, ohne Verstoß gegen andere Rechtsvorschriften und gemäß dem Förderzweck angewendet werden, wie dieser in den selbst gegebenen Richtlinien zum Ausdruck kommt. Die Verwaltungsgerichte haben sich auf die Prüfung zu beschränken, ob bei der Anwendung einer solchen Richtlinie im Einzelfall der Gleichheitssatz verletzt worden ist oder ein sonstiger Verstoß gegen einschlägige materielle Rechtsvorschriften vorliegt. Entscheidend ist daher allein, wie die zuständige Behörde die Richtlinie im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger, zu einer Selbstbindung führenden Verwaltungspraxis gehandhabt hat und in welchem Umfang sie infolgedessen an den Gleichheitssatz gebunden ist. Dabei darf eine solche Richtlinie nicht – wie Gesetze oder Rechtsverordnungen – gerichtlich ausgelegt werden, sondern sie dient nur dazu, eine dem Gleichheitsgrundsatz entsprechende Ermessensausübung der Behörde zu gewährleisten. Ein Anspruch auf Förderung ist im Einzelfall über den Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung und den Gleichheitssatz dann gegeben, wenn die in den Richtlinien genannten Fördervoraussetzungen erfüllt sind und vergleichbare Anträge in ständiger Förderpraxis des Beklagten auch positiv verbeschieden werden.
Da ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften nur für den Regelfall gelten, muss Spielraum für die Berücksichtigung der Besonderheiten atypischer Fälle bleiben. Solche atypische Fälle sind dann gegeben, wenn der konkrete Sachverhalt außergewöhnliche Umstände aufweist, deren Besonderheiten von der ermessenslenkenden Vorschrift nicht hinreichend erfasst und von solchem Gewicht sind, dass sie eine von der im Regelfall vorgesehenen Rechtsfolge abweichende Behandlung gebieten (OVG NRW, B.v. 29.5.2017 – 4 A 516/15 – juris; VG Würzburg, U.v.14.12.2020 – W 8 K 20.862 – juris m.w.N.)
Hiervon ausgehend hat der Beklagte der Klägerin in nicht zu beanstandender Weise die beantragte Zuwendung in Höhe von 10.000 € (vgl. Nr. 6 Satz 1 EHZR) verwehrt.
Gemäß Nr. 9.2 Satz 1 EHZR ist die Antragstellung ab Bezug des Wohnraums und bis spätestens sechs Monate nach diesem Zeitpunkt zulässig. Satz 2 der Regelung bestimmt, dass der Förderantrag innerhalb sechs Monaten nach Inkrafttreten der Richtlinie (1.9.2018 – vgl. Nr. 12 EHZR) zulässig ist, wenn der Zuwendungsempfänger den Wohnraum zwischen dem 1. Juli 2018 und dem 1. September 2018 bezogen hat. Für den Nachweis des Datums des Wohnraumbezug sieht der Formblattantrag die Vorlage einer erweiterten Meldebescheinigung vor.
Hiervon ausgehend scheidet ein Anspruch auf der Basis der Förderrichtlinien aus, da seit dem Bezug des Förderobjekts laut eingereichter Meldebescheinigung, nämlich dem 1. Oktober 2018, und der Antragstellung mit Eingang bei der BayernLabo am 24. Juni 2019 mehr als sechs Monate liegen.
Soweit die Klägerin im Verfahren gegenüber der BayernLabo erklärt hat, schon im Januar 2019 den Antrag auf Eigenheimzulage verschickt zu haben und ihr nicht erklärlich sei, warum dieser nicht bei der BayernLabo eingegangen sei, ändert dies nichts an dem Förderausschluss nach Nr. 9.2 EHZR. Denn maßgeblich für eine rechtzeitige Antragstellung ist allein der Zugang des Antrags bei der BayernLabo (§ 130 BGB analog); das Risiko des Nichteingangs trägt die Klägerin. Anhaltspunkte dafür, dass der Antrag auf Eigenheimzulage, den die Klägerin laut ihren Angaben schon im Januar verschickt hat, entgegen der Mitteilung der BayernLabo vor dem 24. Juni 2019 bei der Förderstelle eingegangen ist, sind weder geltend gemacht noch anderweitig ersichtlich.
Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass das Einzugsdatum laut Meldebescheinigung unrichtig sei und tatsächlich erst am 1. Januar 2019 der Einzug in die Wohnung in der … Straße 38 erfolgt sei. Denn bei einer Förderpraxis, die allein auf das in der erweiterten Meldebescheinigung genannte Bezugsdatum abstellt, kommt es, wie dargelegt, nur auf dieses an und nicht auf einen davon abweichenden Bezugstag, auch wenn dieser richtig und die erweiterte Meldebescheinigung insoweit falsch sein sollte.
Das Gericht geht schon aufgrund der in jedem Formblattantrag geforderten Vorlage einer erweiterten Meldebescheinigung von der ständigen Förderpraxis der BayernLabo aus, dass das dort genannte Bezugsdatum des zu fördernden Objekts für die Antragsfristberechnung zugrunde gelegt wird. Dies bestätigt auch die Beklagte in der Klageerwiderung, wonach die Bestimmung des Zeitpunkts des Bezugs des Wohnraums in vergleichbaren Fällen stets anhand der vorgelegten Meldebescheinigung erfolgt. Etwas anderes wurde von Klägerseite nicht vorgetragen und ist auch sonstwie nicht ersichtlich (vgl. dazu eingehend VG Würzburg, U.v.14.12.2020 – W 8 K 20.862 – juris). Auch aus den Hinweisen zur Antragstellung auf der Homepage der BayernLabo folgt die Kontrolle des Einzugsdatums über die erweiterte Meldebescheinigung.
Es begegnet keinen durchgreifenden Bedenken, das in der erweiterten Meldebescheinigung genannte Bezugsdatum selbst dann für maßgeblich zu erachten, wenn dieses nachweislich falsch ist. Zur Begründung wird auf folgende Ausführungen des Verwaltungsgerichts Würzburg (U.v. 14.12.2020 – W 8 K 20.862 – juris) verwiesen, denen sich die zur Entscheidung berufene Kammer anschließt:
„Dass der Beklagte in seiner Förderpraxis die Klägerin an ihren Meldedaten festhält und diese zugrunde legt, gerade bei den vorliegenden Massenverfahren von über 10.000 Anträgen, erscheint in der Sache vertretbar und nicht willkürlich, selbst wenn die Daten des Einzugs objektiv nicht stimmen und nur zum Zwecke der Vereinfachung und Vermeidung einer weiteren Ummeldung so erfolgt sein sollten (wie die Klägerin angibt).
Der Beklagte kann sich auch deshalb auf die Meldedaten – als taugliche Grundlage für die Bestimmung des für die Förderung maßgeblichen Einzugsdatums – stützen und von diesen in vertretbarer Weise in seiner Praxis ausgehen, weil die meldende Person grundsätzlich verpflichtet ist, gegenüber den Meldebehörden wahrheitsgemäße Angaben zu machen, und der in der Meldebescheinigung ausgewiesene Einzug die persönlichen Angaben der meldenden Person (hier: der Klägerin) zum Bezug der Wohnung im Sinne von § 17 Abs. 1 BMG dokumentiert. Das Melderegister fungiert gerade als zentrale Informationsquelle für eine Vielzahl von Behörden und anderen Nutzern; zudem baut der Vollzug einer großen Anzahl von Bundes- und Landesgesetzen auf den (richtigen) Daten des Melderegisters auf (vgl. Süßmuth, BMG, 37. Erg.-Llfg., 2. Auflage, 7. Lfg. März 2020, § 17, Rn. 13).
Das förderrelevante Beziehen der Wohnung deckt sich mit dem in der Meldebescheinigung genannten Einzug und ist damit ein tauglicher Bezugspunkt. Denn das Beziehen einer Wohnung im Sinne des § 17 Abs. 1 BMG, das als Einzug Gegenstand einer erweiterten Meldebescheinigung gemäß § 18 Abs. 2 BMG ist, ist die tatsächliche Benutzung der Wohnung mit der Absicht, sie für einen nicht unerheblichen Zeitraum zur Verrichtung der Angelegenheiten des täglichen Lebens zu nutzen (VGH BW, B.v.12.7.2018 – 1 S 689/18 – NJW 2018, 2912; Wache in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Werkstand: 232 EL August 2020, § 17 BMG Rn. 1 sowie Nr. 17.1.1 BMGVwV – Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des Bundesmeldegesetzes vom 28.10.215, BAnz AT 30.10.2015 B 2).
(…)
Ausgehend von der dargelegten – im Ergebnis rechtlich nicht zu beanstandenden und von der Klägerseite nicht widerlegten – Förderpraxis mit Rückgriff auf die Daten der erweiterten Meldebescheinigung als geeigneter Beurteilungsgrundlage sind des Weiteren auch Ermessensfehler oder gar Willkür nicht ersichtlich.
Denn eine staatliche Förderung des Wohneigentums ist von Verfassungs wegen nicht zwingend geboten. Vielmehr besteht weitgehende Gestaltungsfreiheit auch im Hinblick auf den Ausschluss eines bestimmten Personenkreises von der Förderung (vgl. Erhard in Blümich, EigZulG, Werkstand: 152. EL Mai 2020, Einleitung Rn. 4 zur früheren Rechtslage).
Vor dem Hintergrund der vorstehend dargelegten Rechtslage unter Berücksichtigung der melderechtlichen Regelungen scheint auch kein atypischer Ausnahmefall gegeben zu sein, der eine Ablehnung der Förderung ermessensfehlerhaft machen würde, weil der Rückgriff auf die erweiterte Meldebescheinigung und die dort enthaltenen Daten ein taugliches und sachgemäßes Instrument zur Beurteilung der Fördervoraussetzungen ist.
Zwar wäre es auch möglich gewesen, die Förderpraxis so auszugestalten, dass nur im Regelfall auf die Meldebescheinigung abzustellen ist, und bei einem anderweitigen Nachweis eines davon abweichenden Einzugsdatums auf dieses abzustellen, aber von Rechts wegen ist dies – abgesehen vielleicht von hier nicht vorliegenden Sonderfällen – nicht zwingend geboten.
In der vorliegenden Konstellation ist kein atypischer Ausnahmefall gegeben, der eine abweichende Entscheidung des Beklagten hätte gebieten müssen (vgl. OVG NRW, B.v. 29.5.2017 – 4 A 516/15 – juris), weil der konkrete Sachverhalt keine außergewöhnlichen Umstände aufweist, die von den Richtlinien und der darauf basierenden Förderpraxis nicht erfasst werden und von solchem Gewicht sind, dass sie eine von der im Regelfall vorgesehenen Rechtsfolge abweichende Behandlung gebieten. Denn das vom Beklagten praktizierte durchgängige Abstellen auf die Meldedaten in der erweiterten Meldebescheinigung ist keine atypische Besonderheit, die eine abweichende Behandlung gebietet, sondern gängige Praxis in einer typischen Fallkonstellation. So liegt kein atypischer Ausnahmefall vor, sondern eine Fallgestaltung, die offenkundig häufiger vorkommt und nach der Ausgestaltung der Förderpraxis und des praktizierten Förderverfahrens – wohl aus Gründen der Praktikabilität und bewusst auch zur Gleichbehandlung – gerade nicht gefördert werden soll.
Auch sonst scheinen die Umstände unter Würdigung aller Aspekte des vorliegenden Einzelfalles auch nicht von einem solchen Gewicht, dass eine Abweichung vom Regelfall zwingend geboten erscheint. Denn die Unrichtigkeit der Meldebescheinigung beruht auf den persönlichen Angaben der Klägerin, stammt mithin aus ihrer Sphäre. (…) Unter Einbeziehung auch dieses Aspekts scheint ein Festhalten des Beklagten an den Daten der Meldebescheinigung gesamtbetrachtet nicht sachwidrig und unvertretbar. Ein Ausnahmefall wäre hingegen möglicherweise denkbar gewesen, wenn das Melderegister aus anderen Gründen unrichtig wäre (z.B. bei einem Zahlendreher oder Druckfehler).
Des Weiteren ist der Ausschluss der Klägerin nicht willkürlich, weil sachgerechte und vertretbare Gründe von der Beklagten vorgebracht wurden.
Art. 3 Abs. 1 GG gebietet eine gleichmäßige Verwaltungspraxis. Dazu gehört das Verbot einer nicht durch sachliche Unterschiede gerechtfertigten Differenzierung zwischen verschiedenen Sachverhalten bei der Förderung (BayVGH, U.v. 11.10.2019 – 22 B 19.840 – juris Rn. 32). Geboten ist so eine bayernweit gleichmäßige und willkürfreie Mittelverteilung. Nicht erlaubt ist eine uneinheitliche und damit objektiv willkürliche Förderpraxis (vgl. BayVGH, U.v. 25.7.2013 – 4 B 13.727 – DVBl 2013, 1402). Dabei steht dem Richtliniengeber frei, sich für eine bestimmte Verwaltungspraxis zu entscheiden und diese zu handhaben, hier ausnahmslos auf die erweiterte Meldebescheinigung und die dort von der Klägerin selbst angegebenen Daten zurückzugreifen. Die Willkürgrenze wird selbst dann nicht überschritten, wenn es auch für eine alternative Förderpraxis gute Gründe gäbe. Eine Verletzung des Willkürverbots liegt mithin nur dann vor, wenn die maßgeblichen Kriterien unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar wären und sich daher der Schluss aufdrängen würde, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruhten (vgl. VG Köln, G.v. 17.8.2015 – 16 K 6804/14 – juris m.w.N.; siehe auch VG Würzburg, U.v. 25.5.2020 – W 8 K 19.1546 – juris; vgl. zu Eigenheimzulage auch schon VG Würzburg, U.v. 16.11.2020 – W 8 K 20.656 – juris).
Für den Schluss auf eine willkürliche Fassung oder Handhabung der Förderrichtlinien, gerade hier zur Eigenheimzulage, bestehen keine triftigen Anhaltspunkte. Die – für die Klägerin nachteilige – Heranziehung der Daten der erweiterten Meldebescheinigung dient nicht nur der Vereinfachung und Vereinheitlichung des Förderverfahrens in der Verwaltungspraxis, sondern trägt gerade auch zu einer praktikablen gleichmäßigen Handhabung im Förderalltag bei. Die Klägerin wird so nicht anders behandelt als andere Antragsteller, bei denen ebenfalls ausschließlich auf die erweiterte Meldebescheinigung abgestellt wird. Infolgedessen liegt auch keine Ungleichbehandlung, sondern eine Gleichbehandlung wie in vergleichbaren Förderfällen vor. Abgesehen davon gäbe es keine Gleichheit im Unrecht.“
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff ZPO.


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