Europarecht

Kosten für die Unterbringung und tierärztliche Versorgung; Aufwendungsersatz für Fundtier

Aktenzeichen  3 C 7/16

Datum:
26.4.2018
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BVerwG:2018:260418U3C7.16.0
Normen:
§§ 677ff BGB
§ 677 BGB
§ 855 BGB
§ 868 BGB
§ 90a BGB
§ 965 Abs 2 BGB
§§ 965ff BGB
§ 965 BGB
§ 966 Abs 1 BGB
§ 967 BGB
§ 975 S 1 BGB
§ 3 Abs 2 S 1 FundbehV BY
§ 3 Abs 2 S 2 FundbehV BY
§ 5 Abs 1 FundbehV BY
Art 20a GG
§ 16a Abs 1 S 1 TierSchG
§ 2 Nr 1 TierSchG
Spruchkörper:
3. Senat

Leitsatz

Wird ein Fundtier bei der Fundbehörde abgeliefert, hat sie das Tier zu verwahren, d.h. tierschutzgerecht unterzubringen und zu versorgen. Stehen der Ablieferung Gründe des Tierschutzes entgegen, genügt es zur Begründung der Verwahrungspflicht, die Fundbehörde über den Fund und die Hinderungsgründe für die Ablieferung unverzüglich zu unterrichten. Anderenfalls muss die Fundbehörde einem Tierschutzverein die Aufwendungen für die Inobhutnahme des Tieres grundsätzlich nur ersetzen, wenn sie ihn mit der Inobhutnahme beauftragt hat.

Verfahrensgang

vorgehend Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, 27. November 2015, Az: 5 BV 15.1409, Urteilvorgehend VG München, 16. April 2015, Az: M 10 K 14.5633, Urteil

Tatbestand

1
Der klagende Tierschutzverein begehrt von dem Beklagten, einer Gemeinde, den Ersatz von Kosten für die Unterbringung und tierärztliche Versorgung mehrerer Katzen.
2
Im Zeitraum vom 18. Juni 2013 bis 9. Juli 2014 wurden im Gemeindegebiet des Beklagten insgesamt neun Katzen aufgefunden und dem Kläger übergeben. Der Kläger zeigte dies dem Beklagten jeweils als Fund an und wies mit Blick auf anfallende Kosten auf die Möglichkeit hin, die Katzen anderweitig unterzubringen. Nachfolgend stellte er dem Beklagten die jeweiligen Kosten für Impfungen, Entwurmungen und gegebenenfalls tierärztliche Behandlung sowie Unterbringungskosten in Höhe von insgesamt 2 998,36 € in Rechnung. Auf eine Mahnung teilte der Beklagte mit Schreiben vom 31. Oktober 2014 mit, er werde die Rechnungen nicht begleichen. Würden die Tiere nicht abgeholt, gehe er davon aus, dass es sich um herrenlose Tiere handele. Eventuell könne die Gemeinde einen jährlichen Zuschuss zahlen, was jedoch noch geklärt werden müsste. Der Kläger hat darauf Klage erhoben mit dem Antrag, den Beklagten zum Ersatz der Kosten einschließlich Zinsen zu verurteilen.
3
Das Verwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben. Es sei davon auszugehen, dass es sich bei den Katzen um Fundtiere gehandelt habe. Mit ihrer Verwahrung habe der Kläger ein Geschäft des Beklagten als Fundbehörde geführt. Zwar entstehe eine Verwahrungspflicht der Fundbehörde grundsätzlich erst, wenn diese das Fundtier entgegengenommen habe. Werde ein Fundtier einer fachkundigen Stelle überantwortet, so sei diese Voraussetzung jedoch bereits mit der Fundanzeige und dem Angebot erfüllt, das Fundtier selbst aufzubewahren. Das folge aus dem verfassungsrechtlichen Tierschutzgebot. Ein Umweg über die Fundbehörde laufe einer möglichst raschen artgerechten Versorgung und damit dem Tierschutzgebot zuwider.
4
Der Verwaltungsgerichtshof hat das Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über eine Geschäftsführung ohne Auftrag seien zwar im öffentlichen Recht entsprechend anwendbar. Mit der Unterbringung und Versorgung der Katzen habe der Kläger aber kein Geschäft des Beklagten geführt, weil der Beklagte hierzu nicht verpflichtet gewesen sei. Das Fundrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs, das auf Tiere entsprechend anzuwenden sei, verpflichte den Finder, die Fundsache zu verwahren. Finder seien diejenigen, die die Katzen an sich genommen und dem Kläger gebracht hätten. Die Unterbringung eines Fundtieres bei einem Dritten entbinde den Finder nicht von seinen Pflichten. Diese endeten, wenn es bei der zuständigen Fundbehörde abgeliefert werde. Erst mit der Ablieferung entstehe eine Verwahrungspflicht der Fundbehörde. Die bloße Anzeige des Fundes, zu der jeder Finder verpflichtet sei, ersetze die Ablieferung nach dem klaren Wortlaut der Vorschrift nicht. Es sei nichts dafür ersichtlich, dass die Ablieferung nicht tierschutzgerecht möglich gewesen sei. Die Anzeige des Fundes ersetze die Ablieferung auch nicht deshalb, weil der Kläger dem Beklagten die Katzen zur Aufbewahrung angeboten habe. Der Beklagte habe hierauf nicht reagieren müssen. Das Tierschutzrecht gebiete keine andere Auslegung. Mit einer Ablieferung der Katzen wäre kein Verstoß gegen das Tierschutzgesetz verbunden gewesen, da es auch von der Fundbehörde zu beachten sei. Wie sie das organisiere, sei ihr zu überlassen. Aus § 90a BGB und der Staatszielbestimmung des Art. 20a GG ergebe sich nichts anderes. Der Gesetzgeber habe auf spezielle fundrechtliche Vorschriften für Tiere verzichtet und damit die entsprechende Anwendung der Vorschriften über Sachen vorgesehen (§ 90a BGB). Er bleibe damit innerhalb des weiten Gestaltungsspielraums, den Art. 20a GG ihm lasse.
5
Zur Begründung seiner Revision macht der Kläger geltend, der Rechtsstreit betreffe ein zentrales Problem von Tierschutzvereinen und Gemeinden. Typischerweise wendeten sich diejenigen, die ein Tier auffinden, an den örtlichen Tierschutzverein. In zahlreichen Fällen werde von den Gemeinden problemlos ein Entgelt gezahlt, wenn ein aufgefundenes Tier in Verwahrung genommen werde. Diese Praxis werde durch das angefochtene Urteil ohne Not zum Nachteil des Tierschutzes in Frage gestellt. Der Verwaltungsgerichtshof nehme an, Finder der Katzen seien diejenigen gewesen, die sie an sich genommen und zu ihm, dem Kläger, gebracht hätten. Den Auffindenden sei es jedoch darum gegangen, die Katzen so schnell wie möglich in gute Hände zu geben. Deshalb fehle der Wille, Besitz zu begründen. Komme es darauf nicht an, so müsse man sich vor einem umfassenden Pflichtenkatalog hüten, der selbst einem Tierfreund nahe lege, sich einem verlorenen Tier nicht zuzuwenden. Im Kern gehe der Verwaltungsgerichtshof unzutreffend davon aus, dass der Beklagte vor der Ablieferung keine Verwahrungspflicht habe und die Versorgung der Katzen deshalb nicht als Geschäft des Beklagten anzusehen sei. Die Verwahrungspflicht ergebe sich aufgrund einer Ermessensreduzierung aus dem Recht der Fundbehörde, die Ablieferung des Fundes zu verlangen. Mit Kenntnis vom Fund der Katzen hätte die Ablieferung angeordnet werden müssen, weil anderenfalls die Auffinder zufällig in eine Situation gerieten, der sie kaum oder gar nicht gewachsen seien. Sie müssten diverse tierschutzrechtliche Pflichten übernehmen, denen sie möglicherweise nicht gerecht werden könnten. Das würde einen unzumutbaren Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit darstellen. Außerdem gebiete die Staatszielbestimmung des Art. 20a GG, eine Verwahrungspflicht der Fundbehörde bereits anzunehmen, wenn ihr der Fund angezeigt und das Tier zur Aufbewahrung angeboten werde. Das gelte nicht nur für kranke oder verunfallte Tiere, sondern allgemein. Als Wertentscheidung müsse die Staatszielbestimmung bei der Auslegung des einfachen Rechts beachtet werden. Ein traditionelles Gesetzesverständnis könne dem nicht entgegengehalten werden, denn die Anpassung des geltenden Rechts an veränderte Verhältnisse gehöre zu den Aufgaben der Dritten Gewalt. Abliefern müsse nicht Hinbringen bedeuten. Die Ablieferungspflicht sei auf eine bloße Mitteilungspflicht zu reduzieren. Zudem dürfe der Blick nicht auf das Fundrecht verengt werden. Eine Behörde sei verpflichtet, gegen tierschutzwidrige Zustände einzuschreiten. Das gelte auch für den Beklagten als Sicherheitsbehörde. Entsprechend könne derjenige, der ein Tier auffinde, für sie tätig werden, etwa wenn die Behörde nicht erreichbar sei oder nicht tätig werden wolle. Hinzu komme, dass der Beklagte in dem Schreiben vom 31. Oktober 2014 mitgeteilt habe, Unterbringungskosten für Fundtiere würden nur gezahlt, wenn die Tiere von ihrem Besitzer abgeholt würden. Nach dem Rechtsgedanken des § 295 Satz 1 BGB könne sich der Beklagte danach nicht mehr auf eine Ablieferungspflicht berufen.
6
Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Finder im Rechtssinne sei, wer willentlich Besitz an der verlorenen Sache begründe. Werde ein Fund verneint, weil es keinen Finder gebe, erübrige sich die Erörterung einer Verwahrungspflicht des Beklagten. Die Staatszielbestimmung des Art. 20a GG gebiete, den Gedanken des Tierschutzes bei der Auslegung zu berücksichtigen, erlaube aber nicht, sich über den Wortlaut einer Norm hinwegzusetzen. Die Verwahrungspflicht einer Gemeinde setze eindeutig die Ablieferung voraus. Es könne auch nicht von vornherein unterstellt werden, dass die Fundbehörden nicht in der Lage seien, Fundtiere artgerecht unterzubringen. Falls rechtspolitisch gewünscht, sei es Aufgabe des Gesetzgebers, tätig zu werden. Der geltend gemachten Ermessensreduzierung sei zu entgegnen, dass der Finder die Möglichkeit habe, sich von seinen Pflichten zu befreien, indem er die Fundsache abliefere. Die bayerische Fundverordnung sehe die Anordnung der Ablieferung unter Aspekten des Tierschutzes nicht vor.
7
Die Landesanwaltschaft Bayern und der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht beteiligen sich am Verfahren.


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