Europarecht

Krankenversicherung: Voraussetzungen der Kostenübernahme für orthopädische Schuhe

Aktenzeichen  L 20 KR 112/16

Datum:
26.4.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 40931
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB V § 33 Abs. 6, § 126 Abs. 1, § 127 Abs. 1, Abs. 2

 

Leitsatz

1. Hat eine gesetzliche Krankenkasse zur Versorgung ihrer Mitglieder mit Hilfsmitteln einen Vertrag i.S.d. § 127 Abs. 2 SGB V mit Leistungserbringern oder Verbänden oder sonstigen Zusammenschlüssen der Leistungserbringer geschlossen, so kann der Versicherte nur die Leistungserbringer in Anspruch nehmen, die Vertragspartner seiner Krankenkasse sind.
2. Die Ausnahmeregelung nach § 33 Abs. 6 Satz 3 SGB V gilt nur für die Fälle von Verträgen i.S.d. § 127 Abs. 1 SGB V, also für den Fall des Vertragsschlusses nach Ausschreibung, nicht aber den Fall von Verträgen nach § 127 Abs. 2 SGB V.

Verfahrensgang

S 7 KR 671/15 2016-01-28 SGNUERNBERG SG Nürnberg

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten hin, wird das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 28.01.2016 aufgehoben und die Klage gegen die Bescheide vom 07.07.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.09.2015 abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG) ist zulässig, insbesondere der Beschwerdewert gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG von 750,00 € ist erreicht.
Zwar beträgt der Beschwerdewert hinsichtlich der Ersatzfußbettungen lediglich 239,54 €, so dass insoweit der Beschwerdewert nicht erreicht wäre. Allerdings richtet sich der Beschwerdewert gemäß § 202 SGG nach den §§ 3 bis 9 Zivilprozessordnung (ZPO). Gemäß § 5 ZPO werden mehrere in einer Klage geltend gemachte Ansprüche zusammengerechnet. Mit der Klage im Klageverfahren S 7 KR 671/15 wurden zwei Ansprüche verfolgt, nämlich hinsichtlich der Ersatzfußbettungen in Höhe von 239,54 € und hinsichtlich der orthopädischen Schuhe in Höhe von 1.286,06 €. Darüber hat das SG in seinem Urteil vom 28.01.2016 auch entschieden. Die Beklagte wendet sich gegen beide Verpflichtungen, so dass der Beschwerdewert insgesamt erreicht ist.
Die Berufung der Beklagten ist begründet, denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf Versorgung mit orthopädischen Schuhen und Ersatzfußbettungen durch die Firma B..
Gemäß § 33 Abs. 1 SGB V in der hier geltenden Fassung ab 23.07.2015 bis 31.12.2016 haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind. Die Erforderlichkeit der Versorgung der Klägerin mit orthopädischen Hausschuhen und Ersatzfußbettungen ist im vorliegenden Fall unstrittig, Verordnungen liegen vor.
Streitig ist im vorliegenden Fall lediglich, durch welchen Leistungserbringer die Versorgung erfolgt. Gemäß § 33 Abs. 6 Satz 1 SGB V können die Versicherten alle Leistungserbringer in Anspruch nehmen, die Vertragspartner ihrer Krankenkassen sind. Hat die Krankenkasse Verträge nach § 127 Abs. 1 SGB V über die Versorgung mit bestimmten Hilfsmitteln geschlossen, erfolgt die Versorgung durch einen Vertragspartner, der den Versicherten von der Krankenkasse zu benennen ist. Abweichend von Satz 2 können Versicherte ausnahmsweise einen anderen Leistungserbringer wählen, wenn ein berechtigtes Interesse besteht; dadurch entstehende Mehrkosten haben sie selbst zu tragen.
Für die Frage, welche Leistungserbringer die Krankenkassen auswählen, ist § 127 SGB V maßgeblich.
Gemäß § 127 SGB V in der vom 01.01.2012 bis 10.04.2017 hier maßgeblichen Fassung können gemäß § 127 Abs. 1 SGB V die Krankenkassen, ihre Landesverbände oder Arbeitsgemeinschaften im Wege der Ausschreibung Verträge mit Leistungserbringern oder zu diesem Zweck gebildeten Zusammenschlüssen der Leistungserbringer über die Lieferung einer bestimmten Menge von Hilfsmitteln, die Durchführung einer bestimmten Anzahl von Versorgungen oder die Versorgung für einen bestimmten Zeitraum schließen.
Daneben besteht gemäß § 127 Abs. 2 SGB V die Möglichkeit, soweit Ausschreibungen nach Abs. 1 nicht durchgeführt werden, Verträge mit Leistungserbringern oder Verbänden oder sonstigen Zusammenschlüssen der Leistungserbringer über die Einzelheiten der Versorgung mit Hilfsmitteln, deren Wiedereinsatz, die Qualität der Hilfsmittel und zusätzlich zu erbringender Leistungen, die Anforderungen an die Fortbildung der Leistungserbringer, die Preise und die Abrechnung zu schließen.
Gemäß § 127 Abs. 3 S. 1 SGB V trifft die Krankenkasse eine Vereinbarung im Einzelfall mit einem Leistungserbringer, soweit für ein erforderliches Hilfsmittel keine Verträge der Krankenkasse nach Abs. 1 oder 2 mit Leistungserbringern bestehen.
Gemäß § 127 Abs. 3 S. 3 SGB V gilt in den Fällen des § 33 Abs. 1 Satz 5 und Abs. 6 S. 3 SGB V gilt § 127 Abs. 3 Satz 1 entsprechend.
Im vorliegenden Falle hat sich die Beklagte für einen Vertragsschluss im Sinne des § 127 Abs. 2 SGB V entschieden, und zwar mit der Landesinnung Bayern für Orthopädie-Schuhtechnik in München ab 01.05.2013.
Im Zusammenspiel des § 127 SGB V i.V.m. § 33 Abs. 6 S. 1 SGB V bedeutet dies, dass die Klägerin einen Anspruch auf Versorgung mit den orthopädischen Schuhen und den Ersatzfußbettungen hat und sie hierfür alle Leistungserbringer in Anspruch nehmen kann, die Vertragspartner ihrer Krankenkasse, also der Beklagten sind.
Umgekehrt heißt dies aber auch, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Versorgung mit den orthopädischen Hilfsmitteln gerade durch die Firma B. hat, da diese nicht Vertragspartner der Krankenkasse ist.
Entgegen der Ansicht des SG ist § 33 Abs. 6 S. 3 SGB V, also ein Wahlrecht bezüglich eines anderen Leistungserbringers nicht anwendbar. Für den Senat ergibt sich dies bereits aus dem Wortlaut der Norm. § 33 Abs. 6 S. 2 SGB V regelt, dass die Versorgung durch einen Vertragspartner, der der Versicherten von der Krankenkasse zu benennen ist, erfolgt, wenn die Krankenkasse Verträge nach § 127 Abs. 1 SGB V über die Versorgung mit bestimmten Hilfsmitteln geschlossen haben. Abweichend von Satz 2 können Versicherte ausnahmsweise einen anderen Leistungserbringer wählen, wenn ein berechtigtes Interesse besteht.
Satz 2 bezieht sich lediglich auf Verträge nach § 127 Abs. 1 SGB V (also nach Ausschreibungen), eine solche Konstellation liegt hier nicht vor. Satz 3 lässt eine Abweichung von Satz 2 zu. Da Satz 2 aber nicht anwendbar ist, ist Satz 3 ebenfalls nicht anwendbar. Ebenso LSG Hamburg vom 18.06.2014, L 1 KR 83/13: Die Ausnahmeregelung nach § 33 Abs. 6 Satz 3 SGB V gelte nur für die Fälle des § 127 Abs. 1 SGB V, also für den Fall des Vertragsschlusses nach Ausschreibung, nicht aber den Fall der Verträge nach § 127 Abs. 2 SGB V. Denn hier habe der Versicherte im Unterschied zu der Wahl der Versorgung nach Ausschreibung „eine weitgehend umfassende Wahlfreiheit unter den vertraglich erfassen Leistungserbringern“. Ein Bedürfnis für eine Ausnahme vom Grundsatz, dass die Leistung nur von einem Vertragspartner der Krankenkasse erbracht werden kann, besteht daher nicht und ist deshalb im Gesetz auch nicht vorgesehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß § 160 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Eine grundsätzliche Bedeutung ist nicht ersichtlich.


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