Europarecht

Kürzung landwirtschaftlicher Subventionen wegen Cross-Compliance Verstößen

Aktenzeichen  W 8 K 19.1448

Datum:
3.8.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 20173
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 86, § 113 Abs. 1 S. 1, § 114
BayVwVfG Art. 48 Abs. 4, Art. 49
MOG § 10
BNatSchG § 30 Abs. 2
VO(EU) Nr. 1305/2013 Art. 31, Art. 32
VO(EU) Nr. 1306/2013 Art. 26, Art. 91 Abs. 1, Art. 97 Abs. 1
VO (EU, EURATOM) Nr. 966/2012 Art. 169

 

Leitsatz

1. Die Gewährung der Direktzahlung gem. Titel III der Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 vom 17.12.2013 Haushaltsdisziplin des Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft gem. Art. 26 der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 iVm Art. 169 der Verordnung (EU, EURATOM) Nr. 966/2012, die Ausgleichszulage in benachteiligten Gebieten gem. Art. 31 und 32 der Verordnung (EU) Nr. 1305/2013 sowie die Zuwendungen für Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen sind an die Einhaltung anderweitiger Verpflichtungen (sog. „Cross-Compliance“) geknüpft. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
2. Aus Art. 91 Abs. 1, Art. 97 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr.1306/2013 sowie § 10 Abs. 2 MOG ergibt sich, dass festgestellte Verstöße zu sanktionieren sind und die Kürzung an sich eine gebundene behördliche Entscheidung darstellt (Rn. 41) (redaktioneller Leitsatz)
3. Der Behörde kommt ein gewisser Ermessensspielraum hinsichtlich der Beurteilung eines Verstoßes als „schwer“, „mittel“ oder „leicht“ und der damit verbundenen Höhe des Kürzungssatzes zu, wobei sich die Behörden diesbezüglich in rechtmäßiger Weise einer im Wege einer Bund-Länder-Abstimmung beschlossenen Bewertungsmatrix für das jeweilige Kontrolljahr bedienen kann. (Rn. 41) (redaktioneller Leitsatz)
4. § 30 Abs. 2 BNatSchG setzt nicht voraus, dass die Zerstörung oder Beeinträchtigungen tatsächlich eintreten; ausreichend ist vielmehr die Möglichkeit, das heißt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass die verbotene Handlung zu einer Zerstörung oder erheblichen bzw. nachhaltigen Beeinträchtigung des besonders geschützten Biotops führt, wobei insbesondere eine Beeinträchtigung nicht allein deshalb unerheblich ist, weil außerhalb der Eingriffsfläche selbst noch genügend Biotopfläche vorhanden ist (Rn. 47) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet, da die Bescheide des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) vom 24. Juli 2020 mit denen die Zuwendungen für Argrarumwelt- und Klimamaßnahmen, die Ausgleichszulage in benachteiligten Gebieten sowie die Direktzahlung gemäß Titel III der Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 vom 17. Dezember 2013 für das Jahr 2015 jeweils um fünf Prozent gekürzt und entsprechend zurückgefordert werden, jeweils in Gestalt des Widerspruchsbescheides der staatlichen Führungsakademie für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (FüAk) vom 25. September 2019, rechtmäßig sind und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Der Beklagte hat den vorliegenden Rückschnitt der beiden streitbefangenen Flächen zutreffend als Verstoß gegen die „Cross-Compliance“ Vorschriften angesehen und diesen ermessensfehlerfrei als schweren Verstoß gegen die Vogelschutzrichtlinie im Sinne von Teil B der Bewertungsmatrix für Verstöße gegen Anforderungen der Vogelschutzrichtlinie, mit der Folge einer Kürzung der streitgegenständlichen Förderungen um fünf Prozent, bewertet. Ein atypischer Fall, der eine Abweichung von dieser Regelbewertung rechtfertigen würde, liegt nicht vor. Insoweit kann auf die streitgegenständlichen Bescheide Bezug genommen werden (§ 117 Hbs. 5 VwGO).
Im Einzelnen:
1. Die Rückforderung der gewährten Direktzahlungen findet ihre Rechtsgrundlage in Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 BayVwVfG i.V.m. Art. 7 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 809/2014 (Durchführungsverordnung zur Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 – DurchführungsVO) für die Zuwendungen für Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen sowie die Ausgleichszulage in benachteiligten Gebieten bzw. in § 10 Marktorganisationsgesetz (MOG) i.V.m. Art. 7 Abs. 1 DurchführungsVO für die Direktzahlung gemäß Titel III der Verordnung (EU) Nr. 1307/2013.
Art. 7 Abs. 1 DurchführungsVO regelt, dass bei zu Unrecht bezahlten Beträgen der Begünstigte zur Rückzahlung der betreffenden Beträge zuzüglich etwaiger Zinsen, verpflichtet ist. Diese Voraussetzungen liegen vor. Der Kläger hat die jeweiligen Zuwendungen zu Unrecht in voller Höhe erhalten, da er mit dem Rückschnitt der streitgegenständlichen Hecke und des Ufergehölzes am Waldbach gegen die Vorgaben der Cross-Compliance verstoßen hat, welche nach Art. 93 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 1305/2013 zu sanktionieren waren.
a.) Die Gewährung der Direktzahlung gemäß Titel III der Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 vom 17. Dezember 2013 Haushaltsdisziplin des Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft gemäß Art. 26 der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 i.V.m. Art. 169 der Verordnung (EU, EURATOM) Nr. 966/2012, die Ausgleichszulage in benachteiligten Gebieten gemäß Art. 31 und 32 der Verordnung (EU) Nr. 1305/2013 sowie die Zuwendungen für Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen sind an die Einhaltung anderweitiger Verpflichtungen (sog. „Cross-Compliance“) geknüpft.
Dies ergibt sich aus Art. 91 und 92 der Verordnung (EU) Nr. 1307/2013, wonach bei Direktzahlungen gemäß der Verordnung Nr. 1307/2013 und Zahlungen gemäß Art. 31 der Verordnung (EU) Nr. 1305/2013 die Cross-Compliance Vorschriften gemäß Art. 93 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 1305/2013 zu beachten sind, welche im Einzelnen in Anhang II der Verordnung aufgeführt sind und insbesondere Art. 3 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. b sowie Art. 4 Abs. 1, 2 und 4 der Richtlinie 2009/147/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 über die Erhaltung wildlebender Vogelarten (Vogelschutzrichtlinie) und die Grundsätze über die sieben Standards für die Erhaltung von Flächen in gutem landwirtschaftlichem und ökologischem Zustand (GLÖZ) umfassen.
Die dem Kläger mit Bescheiden vom 10. Dezember 2015, 14. Dezember 2015 und 10. August 2016 jeweils für das Jahr 2015 bewilligten Zahlungen waren damit grundsätzlich von der Einhaltung der Cross-Compliance-Vorschriften nach Anhang II der Verordnung (EU) Nr. 1305/2013 abhängig.
b.) Der vom Kläger an den streitgegenständlichen Landschaftsbestandteilen vorgenommene Rückschnitt stellt einen Verstoß gegen die Anforderungen der Vogelschutzrichtlinie sowie des „GLÖZ 7“ dar und war deshalb gemäß Art. 93 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 1305/2013 mit einer Verwaltungssanktion zu sanktionieren.
Der Kläger hat vorliegend auf einer Länge von 120 Metern das Landschaftselement ID … („Hecke am Hohlweg“) auf Stock gesetzt und zudem auf einer Länge von 90 Metern Ufergehölze am Waldbach zurückgeschnitten und hiermit ohne Genehmigung mehrere Landschaftsbestandteile, bei denen es sich zudem um ein Biotop im Sinne des § 30 BNatSchG bzw. um einen nach § 29 BNatSchG i.V.m. Art. 16 BayNatSchG geschützten Landschaftsbestandteil handelt, vollständig oder teilweise beseitigt.
Dies ergibt sich zur Überzeugung der Kammer aus der vorgelegten Lichtbilddokumentation, insbesondere aus den in der Behördenakte der FüAk (Bl. 278 ff.) enthaltenen Luftbildern der fraglichen Landschaftselemente aus den Jahren 2010 und 2017 sowie den weiteren vorgelegten Lichtbildern vom Tag der Vorortkontrolle. Das Vorbringen des Klägers und die von ihm im Widerspruchsverfahren und Gerichtsverfahren vorgelegten Lichtbilder führen zu keiner abweichenden Sichtweise in Bezug auf das grundsätzliche Vorliegen eines Verstoßes gegen die Cross-Compliance Vorgaben.
Der Umstand, dass sich die Landschaftselemente mit der Zeit wieder erholt und ihre Funktionsfähigkeit für die Umwelt wiederhergestellt haben, ändert nichts daran, dass aufgrund der Art und Weise, wie der Kläger den beanstandeten Rückschnitt vorgenommen hat, ein unvollständiger Funktionsverlust zumindest im unmittelbaren Anschluss an die Maßnahmen eingetreten ist. Dies ergibt sich für die Kammer aus den insoweit nachvollziehbaren Ausführungen der unteren Naturschutzbehörde als Fachbehörde im Verwaltungsverfahren bzw. ihres Vertreters in der mündlichen Verhandlung. Dieser hat nachvollziehbar geschildert, dass die Hecke vollständig weggewesen bzw. zurückgeschnitten worden sei.
Der Einwand des Klägers, dass er sein Vorgehen mit dem Bezirksförster so besprochen habe und dieser ihm geraten habe, die Hecke immer in gewissen Abschnitten zurückzuschneiden und immer zwischen den Abschnitten einzelne Bäume stehenbleiben sollten, greift nicht durch, da letztlich ein kompletter Rückschnitt der Hecke auf einer Länge von 120 Metern erfolgt ist und insoweit ein zumindest vorübergehender völliger Funktionsverlust dieses Landschaftsbestandteils, insbesondere auch als Lebensraum für Tiere, eingetreten ist. Es mag den Kläger dabei zuzugeben sein, dass es bei seinem Gespräch mit dem Bezirksförster zu einem Missverständnis gekommen sein mag, wenn der Vertreter der unteren Naturschutzbehörde in der mündlichen Verhandlung angibt, auch er habe mit dem Förster gesprochen und dieser habe dem Kläger geraten die Hecke auf mehrere Jahre gesehen abschnittsweise zurückzuschneiden. Gleichwohl hat der Kläger schon bei der Antragstellung zur Gewährung der Förderungen angegeben, dass ihm bekannt sei, dass er sich an die Cross-Compliance Vorschriften halten müsse und im Falle des Verstoßes eine Sanktionierung drohe (vgl. Antragsformular für 2016 Bl. 20 der Behördenakte des AELF), worauf der Beklagte im Widerspruchsbescheid auch im Hinblick auf die Stellung des Antrags für das Jahr 2015 bereits vom Kläger unbestritten hingewiesen hat. Hinsichtlich etwaiger Unklarheiten, insbesondere aus naturschutzfachlicher Sicht, wäre es dem Kläger möglich und zumutbar gewesen, sich mit der unteren Naturschutzbehörde oder dem AELF in Verbindung zu setzen. Die Einordnung des Rückschnitts der Hecke als nicht fachgerecht erfolgte durch die untere Naturschutzbehörde anhand hierzu einschlägiger Fachliteratur und ist vor diesem Hintergrund nachvollziehbar und nicht beanstanden, weshalb es keinen rechtlichen Bedenken begegnet, wenn sowohl das AELF als auch die FüAk in den Rückforderungsbescheiden bzw. dem Widerspruchsbescheid dieser Auffassung folgen.
Soweit der Kläger zudem vorbringt, ihm werde allein angelastet, dass er den Rückschnitt nicht in mehreren Etappen vorgenommen habe, die Art und Weise an sich sei aber nicht zu beanstanden gewesen, führt dies aber gleichwohl nicht dazu, dass man vom Nichtvorliegen eines Cross-Compliance Verstoßes ausgehen könnte. Denn es kommt aus Sicht der Kammer nicht alleine darauf an, ob der Kläger den Rückschnitt „auf Stock“ an sich fachgerecht vorgenommen hat, da bei der Beurteilung, ob ein Verstoß gegen die Cross-Compliance Vorschriften vorliegt, auch zu berücksichtigen ist, auf welcher Fläche und in welchem Ausmaß ein solcher Rückschnitt vorgenommen wurde. Es dürfte nach vorstehenden Ausführungen und unter Berücksichtigung der Stellungnahme der unteren Naturschutzbehörde nicht zu bestreiten sein, dass ein gleichartiger Rückschnitt beispielsweise auf einer Länge von 30 oder 40 m, also bei einer Einteilung in drei bis vier Abschnitten mit jeweils zeitlichem Abstand von einem Jahr, wie vom Vertreter der unteren Naturschutzbehörde in der mündlichen Verhandlung erläutert, ungleich geringere Auswirkungen auf die Funktionsfähigkeit einer Hecke hat, als wenn diese auf einmal auf einer Länge von 120m zurückgeschnitten wird. Wenn der Kläger in der mündlichen Verhandlung angibt, dass die rückgeschnittene Fläche höchstens halb so groß sei, wie beklagtenseits angegeben, ist dies für das Gericht unter Berücksichtigung der vorgelegten Lichtbilder nicht nachvollziehbar und auch im Übrigen unsubstantiiert. Der Vertreter der unteren Naturschutzbehörde hat in der mündlichen Verhandlung angegeben, es sei insgesamt eine Fläche von 5.000 m² betroffen, was am Tag der Vorortkontrolle nachgemessen worden sei. Die Kammer hat diesbezüglich keine durchgreifenden Zweifel an der grundsätzlichen Richtigkeit der Angaben.
Letztlich verfängt auch der Einwand, die Hecke habe sich schnell wieder erholt, nicht. Denn es kommt nach oben Gesagtem maßgeblich darauf an, ob durch den Rückschnitt an sich Landschaftselemente ganz oder teilweise beseitigt und hierdurch Lebensräume zerstört wurden bzw. einen Funktionsverlust erlitten haben. Dies ist unter Zugrundelegung der Behördenakte und den Ausführungen des Beklagten zur Überzeugung der Kammer der Fall.
c.) Die Einordnung der Verstöße als schwerer Verstoß anhand von Teil B der vorgelegten Bewertungsmatrix für Verstöße gegen Anforderungen der Vogelschutz-Richtlinie ist rechtmäßig und insbesondere ermessensfehlerfrei erfolgt. Die Einordnung der Verstöße dahingehend, dass der Kläger im vorliegenden Fall mehrere Landschaftselemente ohne Genehmigung, vollständig oder teilweise beseitigt hat, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Gründe für die Abweichung von der Regelbewertung als schwerer Verstoß liegen im konkreten Einzelfall nicht vor.
Aus Art. 91 Abs. 1, Art. 97 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr.1306/2013 sowie § 10 Abs. 2 MOG ergibt sich, dass festgestellte Verstöße zu sanktionieren sind und die Kürzung an sich eine gebundene behördliche Entscheidung darstellt (so auch Booth in Dombert/Witt, Münchener Anwaltshandbuch Agrarrecht, 2. Auflage 2016, § 27 Europäisches Marktordnungs- und Beihilfenrecht, Rn. 22). Gemäß Art. 99 Abs. 1 Ua. 2 der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 sind bei der Berechnung der Höhe der Kürzungen die Schwere, das Ausmaß und die Dauer der jeweiligen Verstöße zu berücksichtigen. Insoweit kommt der Behörde ein gewisser Ermessensspielraum hinsichtlich der Beurteilung des Verstoßes als „schwer“, „mittel“ oder „leicht“ und der damit verbundenen Höhe des Kürzungssatzes zu, wobei sich die Behörden diesbezüglich in rechtmäßiger Weise einer im Wege einer Bund-Länder-Abstimmung beschlossenen Bewertungsmatrix für das jeweilige Kontrolljahr (hier 2017) bedienen (vgl. auch VG Regensburg, U.v. 21.3.2019 – RN 5 K 17.1365 – juris Rn. 35; zur Frage des Ermessens: VG Augsburg, U.v. 3.6.2020 – Au 8 K 19.1968; VG Würzburg, U.v. 5.2.2018 – W 8 K 16.1197 – juris).
Gemäß Teil B der Bewertungsmatrix für Verstöße gegen Anforderungen der Vogelschutz-Richtlinie für das Kontrolljahr 2017 stellt die vollständige oder teilweise Beseitigung mehrerer Landschaftselemente nach der Regeleinstufung einen schweren Verstoß dar. Bei dieser Bestimmung wurden die Kriterien „Schwere“, „Dauer“ und „Ausmaß“ des Verstoßes bereits berücksichtigt. Die Regeleinstufung von Verstößen soll der Sicherstellung einer einheitlichen Verwaltungspraxis in den verschiedenen Bundesländern dienen.
Ausgehend hiervon ist der erfolgte Rückschnitt der Landschaftselemente „Hecke am Hohlweg“ auf einer Länge von 120 Metern sowie des Ufergehölzes am Waldbach auf einer Länge von 90 Metern als vollständige bzw. teilweise Beseitigung mehrerer Landschaftselemente und damit als schwerer Verstoß im Sinne der Bewertungsmatrix anzusehen. Dies ergibt sich wiederum aus den vorgelegten Lichtbildern und wird durch die Ausführungen des Vertreters der unteren Naturschutzbehörde bzw. der Beklagtenvertreterin in der mündlichen Verhandlung gestützt.
Insbesondere die „Hecke am Hohlweg“ hat direkt im Anschluss an den Rückschnitt ihre natürliche Funktion vollständig verloren. Ein Rückschnitt der Hecke wäre nach nachvollziehbarer Einschätzung der unteren Naturschutzbehörde unter Berücksichtigung der Fachliteratur allenfalls auf maximal der Hälfte der Gesamtlänge, der Rückschnitt des Ufergehölzes maximal auf einer Uferlänge von 25-50 Metern noch fachgerecht gewesen. Diese Längen wurden im vorliegenden Fall bei einem Rückschnitt auf einer Länge von 120 Metern bzw. 90 Metern bei weitem überschritten. Ein substantiierter gegenteiliger Vortrag des Klägers dahingehend, dass der erfolgte Rückschnitt dennoch fachgerecht gewesen ist, fehlt.
Der Kläger hat zudem auch letztlich nicht substantiiert vorgetragen, weshalb hier von einer Einordnung des Rückschnittes als schweren Verstoß abzuweichen wäre. Wenn er den Wunsch der Bevölkerung auf bessere Einsehbarkeit des Wiesentals anspricht, dem er mit den Maßnahmen am Waldbach Rechnung getragen habe, so stellt dies keinen berücksichtigungsfähigen Belang dar, da ein Verstoß gegen Vorgaben der Vogelschutzrichtlinie in Rede steht, welche ihr Ziel in der Erhaltung sämtlicher wildlebender Vogelarten im Gebiet der Mitgliedsstaaten sowie den Schutz, die Bewirtschaftung und Regulierung dieser Arten hat (vgl. Art. 1 Abs. 1 Vogelschutzrichtlinie). Etwaige landschaftsgestalterische Belange haben dahinter zurückzutreten.
Ein atypischer Fall, welcher die Abweichung von der Regelbewertung des Rückschnitts als schwerer Verstoß rechtfertigen würde, liegt nicht vor. Der klägerische Vortrag vermag einen solchen Fall nicht zur Überzeugung der Kammer zu begründen. Dass sich die Landschaftselemente bereits nach wenigen Jahren zumindest in Teilen wieder erholt haben und ihre Funktionsfähigkeit (teilweise) wiedererlangt haben, kann nicht darüber hinweghelfen, dass wie bereits ausführlich oben dargestellt, im unmittelbaren Anschluss an den streitgegenständlichen Verstoß ein vollständiger Funktionsverlust eingetreten ist. Der natürliche Nachwuchs von Landschaftsbestandteilen wirkt nicht zu Gunsten des Klägers. Erschwerend kommt hinzu, dass es sich bei der „Hecke am Hohlweg“ um einen geschützten Landschaftsbestandteil im Sinne von Art. 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayNatSchG und bei der Fläche am Waldbach um ein Biotop im Sinne von § 30 BNatSchG handelt. Eine (teilweise) Zerstörung derartiger Landschaftsbestandteile wiegt schwer, da es schon von Gesetzes wegen verboten ist, Hecken zu roden, abzuschneiden, zu fällen oder auch nur auf sonstige Weise erheblich zu beeinträchtigen (Art. 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayNatSchG) ebenso wie Handlungen vorzunehmen, die zu einer Zerstörung oder sonstigen erheblichen Beeinträchtigung von Biotopen führen können (§ 30 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG).
Der Kläger kann sich diesbezüglich nach obigen Ausführungen nicht auf Art. 16 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 bis 3 BayNatSchG berufen, da weder eine ordnungsgemäße Pflege (Nr. 1), noch ein schonender Form- oder Pflegeschnitt (Nr. 2) und auch keine Maßnahme, die zur Gewährleistung der Verkehrssicherheit öffentlicher Verkehrswege oder der öffentlich-rechtlichen Verpflichtung zur Unterhaltung der Gewässer erforderlich ist (Nr. 3), vorliegt. Dies kann ausgehend von den bereits näher erörterten Stellungnahmen der unteren Naturschutzbehörde und des Beklagten nicht angenommen werden. Weiterhin setzt § 30 Abs. 2 BNatSchG nicht voraus, dass die Zerstörung oder die genannten Beeinträchtigungen tatsächlich eintreten. Ausreichend ist vielmehr die Möglichkeit, das heißt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass die verbotene Handlung zu einer Zerstörung oder erheblichen bzw. nachhaltigen Beeinträchtigung des besonders geschützten Biotops führt (Albrecht in Giesberts/Reinhardt, BeckOK Umweltrecht, 55. Edition Stand: 1.7.2020, § 30 BNatSchG Rn. 22 m.w.N.). Insbesondere ist eine Beeinträchtigung nicht allein deshalb unerheblich, weil außerhalb der Eingriffsfläche selbst noch genügend Biotopfläche vorhanden ist (OVG SH, U.v. 19.6.1997 – 1 L 283/95 – juris Rn. 38), weshalb der Verweis des Klägers auf die unmittelbare Umgebung nicht zu einem für ihn günstigeren Ergebnis verhelfen kann.
Vor diesem Hintergrund ist die Einordnung der maßgeblichen Rückschnitte als schwerer Verstoß im Sinne der Regelbewertung der Bewertungsmatrix und die Entscheidung keinen atypischen Fall mit einer Abweichung zu Gunsten des Klägers anzunehmen, nicht als ermessensfehlerhaft (§ 114 VwGO) anzusehen.
Der Beklagte hat auch grundsätzlich erkannt und zum Ausdruck gebracht, dass es sich bei der Einordnung des Cross-Compliance Verstoßes im Hinblick auf die Höhe der jeweiligen Verwaltungssanktion um eine Ermessensentscheidung handelt und zum Ausdruck gebracht, dass gerade kein Fall vorliegt, der eine Abweichung der Regelbewertung rechtfertigen würde. Dies wird in den Rückforderungsbescheiden vom 24. Juli 2017 bzw. im Widerspruchsbescheid vom 25. September 2019 zwar knapp aber dennoch hinreichend deutlich, weshalb kein Ermessensausfall vorliegt.
d.) Die Rückforderung der Direktzahlungen für das Jahr 2015 aufgrund von am 15. Dezember 2015 festgestellter Verstöße konnte auch rechtsfehlerfrei noch im Jahr 2017 erfolgen, obwohl gemäß Art. 49 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG i.V.m. Art. 48 Abs. 4 Satz 1 BayVwVfG sowie § 10 Abs. 1 MOG i.V.m. Art. 49 Abs. 2 Satz 2 VwVfG i.V.m. Art. 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG für den Widerruf grundsätzlich eine Frist von einem Jahr ab Kenntnis der den Widerruf rechtfertigenden Tatsachen gilt.
Hierbei ist auf die positive Kenntnis aller Tatsachen, die für die Entscheidung der Behörde über den Widerruf von Bedeutung sind oder sein können abzustellen (Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 19. Auflage 2018, § 49 Rn. 59). Dies ist in Konstellationen wie der hiesigen jedoch nicht zwingend der Zeitpunkt der Vorortkontrolle, sondern letztlich der Zeitpunkt, in dem alle für die Rücknahmeentscheidung maßgeblichen Tatsachen bei der Entscheidungsbehörde vorliegen (VG Augsburg, U.v. 21.7.2016 – Au 3 K 15.1770 – juris Rn. 29).
Dieser Zeitpunkt war hier derjenige der Übermittlung der Verstoßfeststellung an das AELF nämlich der 3. Januar 2017 (vgl. Bl. 31/32 der Behördenakte des AELF), sodass die Rückforderung im Jahr 2017 ohne weiteres vor dem Hintergrund obiger Fristenregelungen erfolgen konnte.
e.) Die Bescheide vom 24. Juli 2017 in Form des Widerspruchsbescheids vom 25. September 2019 sind auch im Übrigen rechtlich nicht beanstanden.
Wenn die Festsetzung der Gebühr für den Widerspruchsbescheid auf Art. 9 Abs. 4 Satz 1 des Kostengesetzes (KG) gestützt wird, stellt dies zwar nicht die zutreffende Rechtsgrundlage dar, da für die drei Rücknahmebescheide jeweils bereits Kosten erhoben wurden. Insoweit dürfte Art. 9 Abs. 1 Satz 1 KG einschlägig sein, wonach das 1,5-fache der vollen Amtshandlungsgebühr zu erheben war. In Addition stellt die volle Amtshandlungsgebühr für die drei Bescheide 100,00 EUR dar, weshalb der Ansatz von 150,00 EUR für den Widerspruchsbescheid in der Sache zutreffend und nicht zu beanstanden ist.
2. Aufgrund der Erfolglosigkeit der Klage war über den in der mündlichen Verhandlung bedingt gestellten Beweisantrag zu entscheiden. Der Kläger beantragte zu diversen Fragen die Einholung eines Sachverständigengutachtens. Diesen Beweisanträgen musste durch die Kammer auch vor dem Hintergrund der gerichtlichen Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung von Amts wegen (§ 86 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 VwGO) nicht nachgekommen werden, da die formulierten Beweisfragen sich in Teilen auf rechtliche Bewertungen und nicht auf Tatsachen bzw. keine konkreten Beweistatsachen beziehen, der Ausforschung dienen und nicht entscheidungserheblich waren.
Für die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu den Fragen 1.) und 2.) bestand vor dem Hintergrund der hierzu nachvollziehbaren Darlegungen durch die untere Naturschutzbehörde im Verwaltungssowie im Klageverfahren keine Veranlassung. Hinzu kommt, dass die Frage der Zerstörung, erheblichen Beeinträchtigung und Auswirkung des Rückschnitts auf das streitbefangene Biotop bzw. den geschützten Landschaftsbestandteil vor dem Hintergrund von § 30 BNatSchG und Art. 16 BayNAtSchG auch eine rechtliche Wertung darstellt, die einem Beweis nicht zugänglich ist.
Die Beweisfragen 3.) bis 5.) sind bereits nicht auf den Beweis einer konkreten Tatsachenfrage gerichtet. Vielmehr haben sie die Kriterien für die Bewertung eines Cross-Compliance-Verstoßes nach der Bewertungsmatrix zum Gegenstand. Hierbei handelt es sich jedoch um rechtliche Wertungen, die dem Beweis nicht zugänglich sind, zumal es sich auch beim Beweisziel letztlich um eine abweichende rechtliche Einordnung der gefundenen Verstöße zu Gunsten des Klägers handelt. Zuletzt kommt es auf die formulierten Fragen nach obigen Ausführungen nicht mehr entscheidungserheblich an, da bereits die Regelbewertung eines Verstoßes nach der Bewertungsmatrix eine rechtliche Wertung dahingehend enthält, dass ein bestimmter Verstoß gegen die Cross-Compliance Vorschriften nach Art, Ausmaß und Dauer als schwer einzustufen ist. Ein solcher Regelverstoß liegt wie dargestellt vor und es ist kein atypischer Fall gegeben, der eine Abweichung von der Regeleinstufung zu Gunsten des Klägers rechtfertigen würde.
Soweit mit dem Beweisantrag 6.) unter Beweis gestellt werden soll, dass der Rückschnitt der Hecke der Pflege dient und nicht der Zerstörung, so ist dieser Beweisantrag bereits nicht hinreichend substantiiert. Darüber hinaus ist die formulierte Beweisfrage nicht entscheidungserheblich, da es für die Annahme und Einordnung eines Cross-Compliance Verstoßes nicht auf die Zweckrichtung der Maßnahme oder mit welcher Absicht diese durchgeführt wurde, sondern darauf ankommt, dass Landschaftselemente ohne Genehmigung komplett oder teilweise beseitigt wurden. Dies ist nach obigen Ausführungen der Fall.
Insgesamt sind die Beweisanträge 1.) bis 6.) auf allgemein formulierte Sach- bzw. Rechtsfragen gerichtet und dienen der bloßen weiteren Ausforschung des Sachverhalts dahingehend, ob die vom Kläger auf keine konkreten Anhaltspunkte oder Tatsachen gestützte Behauptungen nicht doch wahr sind (vgl. Dawin in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 37. Ergänzungslieferung Juli 2019, § 86 Rn. 94), zumal von Seiten des Klägers kein substantiierter Vortrag zur Erschütterung der anhand von Fachliteratur vorgenommenen Beurteilung durch die untere Naturschutzbehörde bzw. AELF und FüAk, erfolgt ist.
Nach alledem war die Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht angezeigt.
3. Gemäß vorstehender Erwägungen war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708, 711 ZPO.


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