Europarecht

Lebensmittel, die Cannabidiol (CBD) im Zutatenverzeichnis als Zutat ausweisen sind neuartig im Sinne der Novel Food-Verordnung., Das Inverkehrbringen derartige Lebensmittel kann aus Gründen des vorbeugenden Gesundheitsschutzes unter Anordnung des Sofortvollzugs untersagt werden.

Aktenzeichen  RN 5 S 21.2172

Datum:
21.1.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 620
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VO (EU) Nr. 2017/625 (EU-KontrollVO) Art. 138 Abs. 1
VO (EU) Nr. 2015/2283 (Novel Food-Verordnung – NFV) Art. 3 Abs. 2 a) iv), 6 Abs. 2
VwGO § 80 Abs. 5

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsteller zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,– EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt die Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen einen Bescheid des Landratsamts Rottal-Inn (im Folgenden: Landratsamt), mit dem ihm einerseits unter Zwangsgeldandrohung das Inverkehrbringen eines konkret benannten Öls mit Hanfextrakt untersagt wird und mit dem andererseits wiederum unter Zwangsgeldandrohung generell das Inverkehrbringen von Lebensmitteln, die Cannabidiol (CBD) als Zutat ausweisen, untersagt wird.
Der Antragsteller betreibt in …, den Betrieb „…“. Am 6.5.2021 wurde seitens des Landratsamts im Betrieb des Antragstellers eine Probe des Cannabidiol-Öls „Kannaway Pure Gold“ entnommen und zur Untersuchung durch das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) gegeben. Die Untersuchung des LGL (vgl. Befund/Gutachten vom 28.5.2021, Behördenakte Bl. 2 ff.) gelangte zu dem Ergebnis, dass in dem Produkt 7,30 g/kg CBD (= 0,7%) enthalten waren. Es könne jedoch nicht beurteilt werden, ob das nachgewiesene CBD aus der Hanfpflanze stamme oder ob es sich um einen synthetisch hergestellten Stoff handele. Daneben hätten Spuren des Cannabinoids Cannabidivarin (CBDV) nachgewiesen werden können (135,9 mg/kg). Da es sich bei CBD und CBDV um strukturell sehr ähnliche Verbindungen handele, lasse diese Tatsache jedoch keinen Rückschluss darüber zu, ob es sich hierbei um ein Synthesenebenprodukt oder um einen während der Isolierung des CBDs nicht vollständig abgetrennten Stoff handele. Unabhängig davon sei festzustellen, dass das vorgelegte Produkt keinesfalls ausschließlich aus den deklarierten Zutaten Kokosnussöl und Hanfsamenöl bestehen könne, da der gemessene CBD-Gehalt den natürlicherweise in Hanfsamenölen vorkommenden Gehalt um ein Vielfaches übersteige. Stattdessen sei aufgrund des hohen CBD-Gehalts davon auszugehen, dass dem Produkt synthetisch hergestelltes CBD oder ein hochgradig aufgereinigter Extrakt aus der Hanfpflanze zugesetzt worden sei, der praktisch ausschließlich aus CBD bestehe. Nach Einschätzung des LGL handele es sich bei dem Produkt um ein Lebensmittel i.S.V. Art. 2 der VO (EG) Nr. 178/2002 (BasisVO) sowie um ein Nahrungsergänzungsmittel i.S.V. § 1 Abs. 1 der Nahrungsergänzungsmittelverordnung (NemV).
Aufgrund des Vorhandenseins isolierten CBDs und, weil synthetisch hergestelltes CBD und CBDhaltige Hanfextrakte nicht vor dem 15.5.1997 in der Europäischen Union in nennenswertem Umfang für den menschlichen Verzehr als Lebensmittel bzw. Lebensmittelzutat verwendet worden seien, handele es sich bei dem Produkt um ein neuartiges Lebensmittel im Sinne des Art. 3 Abs. 2 a) iv) der VO (EU) Nr. 2015/2283 (Novel-Food-Verordnung – NFV). Da nach Art. 6 Abs. 2 NFV nur zugelassene und in einer Unionsliste aufgeführte neuartige Lebensmittel nach Maßgabe der in der genannten Liste festgelegten Bedingungen und Kennzeichnungsvorschriften als solche in den Verkehr gebracht oder in und auf Lebensmittel verwendet werden dürften, sei das Produkt nicht verkehrsfähig. Eine Zulassung und Eintragung in die Liste gebe es nicht.
Nach Anhörung des Antragstellers erließ das Landratsamt daraufhin am 5.7.2021 einen Bescheid, mit dem das Inverkehrbringen „nicht zugelassener und in der Unionsliste gemäß der Durchführungsverordnung (EU) 2017/2470 aufgeführter neuartiger Lebensmittel“ bis zum Vorliegen einer solchen Zulassung und Aufnahme in die Unionsliste untersagt wurde. Im Rahmen eines Eilrechtsschutzverfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO stellte das Verwaltungsgericht Regensburg die aufschiebende Wirkung der gegen den Bescheid erhobenen Klage (Az.: RN 5 K 21.1584) wieder her (Az.: RN 5 S 21.1615). Die vom Landratsamt getroffene Anordnung sei widersprüchlich und nicht geeignet, die Einhaltung lebensmittelrechtlicher Anforderungen sicherzustellen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Beschluss vom 28.9.2021 verwiesen.
Daraufhin nahm das Landratsamt den Bescheid vom 5.7.2021 mit Bescheid vom 20.10.2021 zurück.
Mit weiterem Bescheid vom 20.10.2021, dem Antragsteller zugestellt am 22.10.2021, erließ das Landratsamt den nunmehr streitgegenständlichen Bescheid, der folgende Anordnungen enthält:
1. Herrn … wird das Inverkehrbringen des Produktes „Kannaway Pure Gold“ bis zu dessen Zulassung und Aufnahme in die Unionsliste nach Art. 6 Abs. 2 der Verordnung (EU) 2015/2283 untersagt.
2. Herrn … wird das Inverkehrbringen von Lebensmitteln, die Cannabidiol (CBD) als Zutat ausweisen, bis zu deren Zulassung und Aufnahme in die Unionsliste nach Art. 6 Abs. 2 der Verordnung (EU) 2015/2283 untersagt.
3. Die sofortige Vollziehung der Ziffern 1 und 2 dieses Bescheides wird angeordnet.
4. Für den Fall, dass Herr … den in den Ziffern 1 und 2 genannten Untersagungen zuwiderhandelt, werden nach Ablauf folgender Fristen die nachstehenden Zwangsgelder zur Zahlung fällig:
Ziffer 1 nach Ablauf eines Tages ab Zustellung 500,00 EUR
Ziffer 2 nach Ablauf eines Tages ab Zustellung 500,00 EUR
5. … [Kostenentscheidung]
Die Inverkehrbringungsverbote der Ziffern 1 und 2 würden sich auf Art. 138 Abs. 1 VO (EU) Nr. 2017/625 (Verordnung über amtliche Kontrollen) stützen. Als Lebensmittelunternehmer sei der Antragsteller dafür verantwortlich, dass die lebensmittelrechtlichen Anforderungen erfüllt würden. Neuartige Lebensmittel dürften nur in den Verkehr gebracht werden, wenn sie zugelassen seien und die nach der Unionsliste im Sinne der VO (EU) Nr. 2017/2470 festgelegten Bedingungen und Kennzeichnungsvorschriften eingehalten seien. Da es sich bei CBDhaltigem Hanfsamenöl um ein neuartiges Lebensmittel im Sinne der Definition des Art. 3 Abs. 2 a) NFV handele und eine EU-Zulassung derzeit nicht vorliege, sei das Produkt „Kannaway Pure Gold“ nicht verkehrsfähig. Deshalb habe das Landratsamt das Inverkehrbringen dieses Produkts und weiterer CBDhaltiger Lebensmittel, die Art. 6 Abs. 2 NFV derzeit nicht entsprächen, jeweils bis zum Vorliegen einer entsprechenden Zulassung untersagt. Die Untersagung sei verhältnismäßig, da kein anderes geeignetes Mittel ersichtlich sei, um die Einhaltung der einschlägigen lebensmittelrechtlichen Vorschriften sicherzustellen. Die sofortige Vollziehung sei aus Verbraucherschutzgründen angeordnet worden. Bei CBD seien unerwünschte Effekte bekannt (Schläfrigkeit und Benommenheit, Schlaflosigkeit, Schlafstörungen und innere Unruhe). Zudem seien Fragen der Dosierung, Sicherheit und Wechselwirkungen noch nicht geklärt. Die Interessen des Antragstellers hätten gegenüber den Gesundheitsinteressen der Verbraucher zurückzutreten. Bezüglich der Begründung im Übrigen wird auf den Inhalt des Bescheids Bezug genommen.
Am 2.11.2021 ließ der Antragsteller Klage gegen den Bescheid erheben, die unter dem Az. RN 5 K 21.2173 geführt wird. Zugleich ließ er um vorläufigen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO nachsuchen.
Der Bescheid sei in sich nicht konsistent. Die Ziffern 1 und 2 würden sich widersprechen. Die Ziffer 2 des Bescheids verbiete generell das Inverkehrbringen von Lebensmitteln, die CBD enthalten. Darüber hinaus verbiete die Ziffer 1 das Inverkehrbringen von „Kannaway Pure Gold“. Dadurch werde der Eindruck erweckt, dass das in Ziffer 1 beanstandete Produkt kein Lebensmittel sei. Außerdem erwecke die Ziffer 2 den Eindruck, dass es irrelevant sei, ob ein Produkt CBD tatsächlich enthalte; denn maßgeblich sei nach der Anordnung ausschließlich der Umstand, dass die Zutat „ausgewiesen“ sei. Schon deshalb sei die Ziffer 2 des Bescheids rechtswidrig. Außerdem sei die Anordnung viel zu pauschal.
Auch die Ziffer 1 könne keinen Bestand haben; denn bei dem Produkt „Kannaway Pure Gold“ handele es sich nicht um ein neuartiges Lebensmittel im Sinne von Art. 3 Abs. 2 a) NFV. Extrakte aus Cannabis sativa L. seien bereits vor dem 15.5.1997 in nennenswertem Umfang in der Europäischen Union für den menschlichen Verzehr verwendet worden. Insoweit liege eine entsprechende Bestätigung von G* … (Mitarbeiterin der in Großbritannien für Novel Food zuständigen Behörde) vom 13.12.2017 vor. Bei dem Lebensmittel handele es sich um ein Produkt, das aus Pflanzen erzeugt worden sei, die über eine entsprechende Verwendungsgeschichte als sicheres Lebensmittel in der Union verfügten. So seien CBDhaltige Produkte in Italien und auch in Bulgarien verkehrsfähig. In der italienischen Positivliste für die Verwendung zulässiger Pflanzenbestandteile in Nahrungsergänzungsmitteln, also in konzentrierter Form in Extrakten, sei die Pflanze Cannabis sativa ohne Höchstmengenbeschränkung oder sonstige Einschränkungen aufgenommen. Vor der Aufnahme der entsprechenden Pflanzen in die italienische Positivliste habe eine intensive Überprüfung auf deren Sicherheit stattgefunden. Demgemäß sei die Unbedenklichkeit von Cannabis sativa bestätigt. Dem Prozessbevollmächtigten des Antragstellers liege auch eine Verkehrsfähigkeitsbescheinigung des europäischen Mitgliedstaats Bulgarien vom 9.4.2019 vor, die sich auf Lebensmittel und Nahrungsergänzungsmittel mit CBD-Extrakten beziehe, und zwar für die Produkte „Power Protein“, „Pure Gold“, „Humulus Oil“ und „Super Greens“. Ferner würden dem Prozessbevollmächtigten des Antragstellers zwei Gutachten der … GmbH, Dr. N* …, und von Prof. Dr. P* … vom 28.12.2015 vorliegen. Beiden Gutachten sei zu entnehmen, dass entsprechende Produkte bereits in nennenswertem Umfang vor dem 15.5.1997 in der Europäischen Union als Lebensmittel verwendet worden seien. Dass Hanf-Extrakte bereits vor dem 15.5.1997 verwendet worden seien ergebe sich ferner aus einem Gutachten der … GmbH. In diesem Zusammenhang sei auch auf den Grundsatz des freien Warenverkehrs innerhalb der Europäischen Union gemäß Art. 34 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) zu verweisen, wonach mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen sowie alle Maßnahmen gleicher Wirkung zwischen den Mitgliedstaaten verboten seien.
Darüber hinaus würden auch die Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 2 a) iv) NFV nicht vorliegen. Hanf habe eine lange Verwendungsgeschichte als Lebensmittel. Dementsprechend sei Cannabis sativa auch in einer Stoffliste des deutschen Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) als „Lebensmittel“ eingetragen. Eine Einstufung als Novel Food sei dagegen nicht erfolgt.
Außerdem handele es sich bei CBD um einen natürlichen Stoff, der in der Hanfpflanze enthalten sei. Das bloße Extrahieren im Sinne eines klassischen lebensmitteltypischen physikalischen Verfahrens ändere nichts an dieser Natürlichkeit. Insoweit sei auf den Erwägungsgrund 17 der NFV zu verweisen. Danach sollten Lebensmittel, die ausschließlich aus Lebensmittelzutaten hergestellt werden, die nicht in den Anwendungsbereich der NFV fallen, insbesondere im Zuge einer Änderung der verwendeten Lebensmittelzutaten oder ihrer Anteile, nicht als neuartige Lebensmittel betrachtet werden. Zu verweisen sei auch auf die VO (EG) Nr. 1925/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.12.2006 über den Zusatz von Vitaminen und Mineralstoffen sowie bestimmten anderen Stoffen zu Lebensmitteln. Aus deren Erwägungsgrund 20 sowie der dortigen Regelung des Art. 8 ergebe sich, dass aus einem bekannten Lebensmittel gewonnene Lebensmittel (Extrakt aus einer vor dem Stichtag verzehrten Pflanze) nicht der NFV unterliegen sollten. Andernfalls wären die dortigen Regelungen für die Überprüfung von Auszügen und Extrakten im Hinblick auf ihre Sicherheit gemäß Art. 8 VO (EG) Nr. 1925/2006 überflüssig, da dann schon ein Genehmigungsverfahren nach der NFV notwendig wäre.
Der Vertrieb als Nahrungsergänzungsmittel setze gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 NemV zudem voraus, dass es sich um ein Konzentrat von Nährstoffen oder sonstigen Stoffen mit ernährungsspezifischer oder physiologischer Wirkung handele und es gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 NemV in dosierter Form, insbesondere in Form von Kapseln, Pastellen, Tabletten, Pillen und anderen ähnlichen Darreichungsformen, Pulverbeuteln, Flüssigampullen, Flaschen mit Tropfeinsätzen und ähnlichen Darreichungsformen in abgemessenen kleinen Mengen in den Verkehr gebracht werde. Die Verwendung eines Extraktes sei somit gerade die klassische Zweckbestimmung eines Nahrungsergänzungsmittels. Ferner sei zu bedenken, dass Art. 2 Abs. 2 c) iv) NFV (gemeint ist Art. 2 Abs. 2 b) iv) NFV) die Anwendung der NFV explizit für Lebensmittel ausschließe, die als Extraktionslösungsmittel eingesetzt werden, die für die Herstellung von Lebensmitteln oder Lebensmittelzutaten gemäß der Richtlinie (EG) Nr. 2009/32 verwendet werden oder verwendet werden sollen.
Nichts Anderes ergebe sich aus dem Verweis auf den Novel-Food-Katalog der Europäischen Kommission. Die Europäische Kommission selbst qualifizierte diesen Katalog als nicht rechtlich verbindlich und bezeichne ihn lediglich als „Orientierungshilfe“. Bestätigt werde dies durch die einschlägige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, der klargestellt habe, dass selbst eine negative Entscheidung der Kommission (auf der Grundlage von Art. 7 VO (EG) Nr. 258/97 [NFV a.F.]), mit der die Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Lebensmittels in der Union verweigert werde, gegenüber Dritten nicht verbindlich sei (EuGH 3. Kammer, U.v. 14.4.2011 – C-327/09 – juris). Die geringe rechtliche Relevanz von Publikationen der Europäischen Kommission im Novel-Food-Katalog lasse sich schon daran erkennen, dass die entsprechenden Einträge innerhalb der letzten Zeit dreifach geändert worden seien. Als Orientierungshilfe für ein Unternehmen seien sie somit ebenso wenig geeignet, wie als juristisch valide Rechtsgrundlage.
Alleine der Umstand, dass ein konkretes Produkt vor dem 15.5.1997 nicht in nennenswertem Umfang in der EU vertrieben worden sei, reiche im Übrigen nach dem Wortlaut der NFV nicht, um den Anwendungsbereich der NFV zu eröffnen. Es sei diesbezüglich auf den Erwägungsgrund 17 zu verweisen. Danach sollten Lebensmittel, die ausschließlich aus Lebensmittelzutaten hergestellt werden, die nicht in den Anwendungsbereich der NFV fallen, insbesondere im Zuge einer Änderung der verwendeten Lebensmittelzutaten oder ihrer Anteile, nicht als neuartige Lebensmittel betrachtet werden. Dementsprechend könne nicht jeder Extrakt aus einem Lebensmittel ein neuartiges Lebensmittel machen. Entscheidend sei vielmehr, ob das Ausgangslebensmittel in seinen wesentlichen Eigenschaften erhalten bleibe oder verändert werde. Im Ergebnis müsse somit sachgerecht zwischen verschiedenen Produkten nach der Art und Weise des Extrakts und dem Gehalt an Cannabidiol differenziert werden.
Unabhängig davon hätten weder das LGL noch das Landratsamt bedacht, dass beim streitgegenständlichen Produkt ein Sonderfall vorliege. Es werde kein Hanfextrakt eingesetzt, sondern es handele sich bei dem Produkt um ein Öl mit Hanfextrakt-Aroma. Allein dies schließe die Einstufung als neuartiges Lebensmittel nach dem unzweideutigen Wortlaut der einschlägigen Rechtsgrundlagen von vorneherein aus. Nach dem unzweideutigen Wortlaut des Art. 2 Abs. 2 b) ii) NFV gelte die NFV nicht für Lebensmittelaromen im Sinne der VO (EG) Nr. 1334/2008. Deshalb sei der hier fragliche Hanf-Aroma-Extrakt vom Anwendungsbereich der NFV zwingend ausgeschlossen. Der Kennzeichnung des streitgegenständlichen Produkts sei unzweideutig zu entnehmen, dass der eingesetzte Extrakt einen Hanf-Aroma-Extrakt darstelle. Die Zutat diene beim streitgegenständlichen Produkt auch objektiv der Aromatisierung. Hinzu komme, dass ein wirtschaftlich bedeutender Konsumentenkreis gerade eine solche Aromatisierung schätze und bei der Kaufentscheidung berücksichtige.
Auch die Anordnung des Sofortvollzugs sei rechtswidrig. Es seien schon die erforderlichen Formalien nicht eingehalten, da die Begründung der sofortigen Vollziehung keinerlei Einzelfallbezug erkennen lasse. In materieller Hinsicht sei die Interessenabwägung nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden. Die Behörden hätten berücksichtigen müssen, dass die Anordnungen in erheblichem Maße in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Antragstellers eingreifen, der von Art. 14 Abs. 1 GG geschützt werde. Außerdem greife ein Vertriebsverbot unverhältnismäßig in die von Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit ein. In diesem Zusammenhang sei zu berücksichtigen, dass von den Anordnungen erfassten Produkten keinerlei Gesundheitsrisiken ausgehen würden. Es gebe keine konkreten Hinweise dafür, dass das Produkt „Kannaway Pure Gold“ in seiner spezifischen Zusammensetzung und Dosierung gesundheitsschädlich sein könnte. Bei den im Bescheid aufgeführten Gesundheitsgefahren handele es sich um bloße Spekulationen und abstrakte Überlegungen, die nicht ausreichen würden, um einen Sofortvollzug zu rechtfertigen. In diesem Zusammenhang sei auch darauf hinzuweisen, dass der Antragsgegner das Inverkehrbringen nicht etwa auf der Grundlage von Art. 14 BasisVO wegen angeblicher Gesundheitsrisiken untersage, sondern allein aufgrund einer Einstufung als neuartiges Lebensmittel. Wenn aber der Antragsgegner der Auffassung sei, dass das Produkt gesundheitsschädlich sei, hätte er ein Vertriebsverbot auf der Grundlage des Art. 14 BasisVO aussprechen müssen.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid des Landratsamts Rottal-Inn vom 20.10.2021 bezüglich der Ziffern 1 und 2 wiederherzustellen und bezüglich der Ziffer 4 anzuordnen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
CBD, cannabinoidhaltige Extrakte aus Cannabis sativa L. und sämtliche Lebensmittel (einschließlich Nahrungsergänzungsmittel), zu denen cannabinoidhaltige Extrakte als Zutat zugesetzt wurden, seien als Lebensmittel „neuartig“ im Sinne der Definition in Art. 3 Abs. 2 a) NFV. Zur Beurteilung der Neuartigkeit eines Lebensmittels komme dem Novel-Food-Katalog der Europäischen Kommission eine maßgebliche Indizwirkung zu. Die Kommission sei verpflichtet den Katalog nach Art. 6 Abs. 1 NFV ständig auf dem neuesten Stand zu halten. Nach dem Eintrag zu „Cannabinoids“ im Novel-Food-Katalog würden Extrakte von Cannabis sativa L. und daraus abgeleitete Produkte, die Cannabinoide enthalten, als neuartige Lebensmittel gelten, da eine Vorgeschichte des Konsums nicht nachgewiesen sei. Dies gelte sowohl für die Extrakte selbst als auch für alle Produkte, denen sie als Zutat zugesetzt würden.
Der Antragsteller habe eine fehlende Novel-Food-Eigenschaft nicht nachgewiesen. Aus der antragstellerseits zitierten E-Mail aus Großbritannien vom 13.12.2017 ergebe sich nicht, auf welches Produkt sie sich konkret beziehe. Die seitens des Antragstellers in Bezug genommenen Ausführungen des BVL seien ebenfalls ungeeignet, die Einstufung als neuartiges Lebensmittel zu widerlegen. Es gehe in den Ausführungen lediglich um die betäubungsmittelrechtliche Sicht.
Nach Kenntnis des Landratsamts und des LGL lägen der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) derzeit zwar mehrere Anträge auf Zulassung von CBD vor, eine entsprechende Zulassung sei jedoch bislang nicht erteilt worden. Weise die Kennzeichnung von Hanferzeugnissen CBD als Zutat aus, so könne von einem neuartigen Lebensmittel ausgegangen werden, das derzeit mangels Zulassung nicht in den Verkehr gebracht werden dürfe.
Bei Produkten, die als „Aroma-Öl“ in den Verkehr gebracht werden, sei aufgrund der Gesamtumstände zu beurteilen, ob es sich um ein neuartiges Lebensmittel oder um ein Mittel zur Raumluftverbesserung handele. Ausschlaggebend sei, ob nach vernünftigem Ermessen erwartet werden könne, dass das Produkt von Menschen aufgenommen werde. Insoweit sei auf Art. 2 BasisVO zu verweisen. In die Gesamtbewertung seien die Zweckbestimmung, Kennzeichnung, Aufmachung, Vermarktung und Werbung einschließlich des Zusammenhangs mit weiteren Produkten sowie die Herstellerangaben und die augenscheinliche Intention des Inverkehrbringens aufzunehmen. Kalt gepresste (goldgelbe Farbe), fette Hanfsamenöle würden sich im Gegensatz zu ätherischen Ölen nicht zur Raumluftbefeuchtung eignen. Das Produkt „Kannaway Pure Gold“ sei vom Hersteller mit einer Verzehrempfehlung versehen, weshalb es offensichtlich sei, dass es sich um ein Lebensmittel handle.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten im Hauptsachesowie im Eilrechtschutzverfahren Bezug genommen. Das Gericht hat außerdem die den ersten Bescheid des Landratsamts vom 5.7.2021 betreffenden Akten (Az. RN 5 K 21.1584 und RN 5 S 21.1615) zum Verfahren beigezogen.
II.
Der zulässige Antrag hat keinen Erfolg.
Der Antrag ist zulässig, insbesondere statthaft. Bezüglich der Anordnungen in den Ziffern 1 und 2 des Bescheids vom 20.10.2021 hat der Antragsgegner den Sofortvollzug gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) angeordnet, weshalb der Klage keine aufschiebende Wirkung zukommt. Insoweit ist ein Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO statthaft. Im Hinblick auf die in der Ziffer 4 des Bescheids enthaltenen Zwangsgeldandrohungen ergibt sich die sofortige Vollziehbarkeit kraft Gesetzes, nämlich aus Art. 21a des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes (VwZVG). Diesbezüglich ist ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO statthaft.
Im Rahmen der Begründetheitsprüfung trifft das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung, im Rahmen derer eine Interessenabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs stattfindet. Bei dieser Interessenabwägung spielen die Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfs eine maßgebliche Rolle. Bleibt nämlich der Hauptsacherechtsbehelfs mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolglos, so wird im Regelfall das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung überwiegen. Umgekehrt besteht im Regelfall kein Sofortvollzugsinteresse, wenn der Hauptsacherechtsbehelfs mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolgreich sein wird (ausführlich dazu: Schoch/Schneider/Schoch, 41. EL Juli 2021, VwGO § 80 Rn. 372 ff.).
Hat die Behörde die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten angeordnet, so ist gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Die Begründungspflicht ist auch Ausdruck des aus Art. 19 Abs. 4 GG folgenden Gebots effektiven Rechtsschutzes gegen Akte der öffentlichen Gewalt. Die nach § 80 Abs. 1 VwGO für den Regelfall vorgesehene aufschiebende Wirkung ist eine adäquate Ausprägung der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG. Die Pflicht zur Begründung nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO soll der Behörde den Ausnahmecharakter der Vollziehungsanordnung vor Augen führen und sie veranlassen, mit Sorgfalt zu prüfen, ob tatsächlich ein überwiegendes öffentliches Interesse den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung erfordert. Diese vom Gesetzgeber beabsichtigte „Warnfunktion“ beruht letztlich auf dem besonderen Stellenwert, den die Verfassung der aufschiebenden Wirkung beimisst (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, § 80 Rn. 84 m.w.N.). Dem Erfordernis einer schriftlichen Begründung ist nicht bereits genügt, wenn überhaupt eine solche gegeben wird. Es bedarf vielmehr einer schlüssigen, konkreten und substantiierten Darlegung der wesentlichen Erwägungen, warum aus Sicht der Behörde gerade im vorliegenden Einzelfall ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung gegeben ist und das Interesse des Betroffenen am Bestehen der aufschiebenden Wirkung ausnahmsweise zurückzutreten hat (so ausdrücklich: BVerwG, B.v. 18.9.2001 – 1 DB 26.01 – juris Rn. 6 m.w.N. aus Rspr. und Lit.). Andererseits kommt es im Rahmen des formellen Begründungserfordernisses auf die inhaltliche Richtigkeit oder Tragfähigkeit der Begründung nicht an, da § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO eine formelle und keine materielle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung normiert (BayVGH, B.v. 7.9.2020 – 11 CS 20.1436 – juris Rn. 20; Schoch/Schneider/Schoch, 41. EL Juli 2021, VwGO § 80 Rn. 246).
1. Die für sofort vollziehbar erklärten Untersagungen des Inverkehrbringens des Produktes „Kannaway Gold“ (Ziffer 1 des Bescheides) sowie von Lebensmitteln, die Cannabidiol (CBD) als Zutat ausweisen (Ziffer 2 des Bescheids), sind aller Voraussicht nach rechtmäßig.
a) In formeller Hinsicht ist die Anordnung des Sofortvollzug in Ziffer 3 des streitgegenständlichen Bescheids bezüglich der Anordnungen in den Ziffern 1 und 2 nicht zu beanstanden. Die Begründung entspricht den oben dargestellten Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Auf Seite 5 des streitgegenständlichen Bescheids hat das Landratsamt ausführlich dargestellt, dass aus seiner Sicht mit der Vollziehung der Untersagung des Inverkehrbringens bis zum Abschluss eines möglicherweise länger dauernden verwaltungsgerichtlichen Prozesses nicht zugewartet werden könne. Bei CBD seien unerwünschte Effekte bekannt, wie etwa Schläfrigkeit und Benommenheit, Schlaflosigkeit, Schlafstörungen und innere Unruhe. Auch seien Fragen zu Dosierung, Sicherheit und Wechselwirkungen noch nicht geklärt. Aufgrund dieser mit dem Inverkehrbringen verbundenen Verbrauchergefährdung würden die Interessen der Allgemeinheit an der sofortigen Einhaltung der einschlägigen lebensmittelrechtlichen Vorschriften die Interessen des Inverkehrbringers des Produktes überwiegen. Insoweit diene die sofortige Vollziehung der Gefahrenabwehr und sei auch unter Berücksichtigung der Grundrechte und -freiheiten des Antragstellers gerechtfertigt. Diese auf den Einzelfall bezogene Begründung ist aus formellen Gründen nicht zu beanstanden.
b) Nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen aber auch ausreichenden summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage sind die in formeller Hinsicht nicht zu beanstandenden Anordnungen – insbesondere wurde die erforderliche Anhörung nach Art. 28 Abs. 1 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (BayVwVfG) vor Bescheidserlass durchgeführt – nach summarische Prüfung auch materiell rechtmäßig.
Rechtsgrundlage des Inverkehrbringungsverbots ist Art. 138 Abs. 1 b) VO (EU) Nr. 2017/625. Wird danach ein Verstoß (gegen lebensmittelrechtlichen Vorschriften) festgestellt, ergreifen die zuständigen Behörden geeignete Maßnahmen, um zu gewährleisten, dass der betreffende Unternehmer den Verstoß beendet und dass er erneute Verstöße dieser Art verhindert. Bei der Entscheidung über die zu ergreifenden Maßnahmen berücksichtigen die zuständigen Behörden die Art des Verstoßes und das bisherige Verhalten des betreffenden Unternehmers in Bezug auf die Einhaltung der Vorschriften. Dies bedeutet, dass dem Antragsgegner bei der Feststellung von Verstößen grundsätzlich kein Entschließungsermessen hinsichtlich der Frage des „Ob“ des Einschreitens zusteht. Er ist gehalten zu handeln. Lediglich bei der Frage des „Wie“ des Einschreitens steht ihm ein Ermessen zu, wobei er insoweit die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit zu beachten hat und insbesondere die Erforderlichkeit der zu treffenden Maßnahmen in den Blick zu nehmen hat. Nach Art. 138 Abs. 2 d) VO (EU) Nr. 2017/625 gehört auch das Verbot des Inverkehrbringens zu den Maßnahmen, welche die Behörde ergreifen kann.
Vorliegend war ein Einschreiten des Landratsamts geboten, weil ein Verstoß des Antragstellers gegen Art. 6 Abs. 2 NFV vorliegt. Nach dieser Vorschrift dürfen nur zugelassene und in der – nach den Art. 7, 8 und 9 NFV erstellten Unionliste (vgl. Art. 6 Abs. 1 NFV) – aufgeführte neuartige Lebensmittel nach Maßgabe der in der Liste festgelegten Bedingungen und Kennzeichnungsvorschriften als solche in Verkehr gebracht oder in und auf Lebensmitteln verwendet werden.
aa) Der Anwendungsbereich der NFV ist eröffnet.
(1) nach Art. 2 Abs. 2 b) iii) NFV findet die Verordnung keine Anwendung für Lebensmittel, die verwendet werden als Lebensmittelaroma gemäß der VO (EG) Nr. 1334/2008.
„Aroma“ ist nach der Begriffsbestimmung in Art. 3 Abs. 2 a) VO (EG) Nr. 1334/2008 ein Erzeugnis, das als solches nicht zum Verzehr bestimmt ist und Lebensmitteln zugesetzt wird, um ihnen einen besonderen Geruch und/oder Geschmack zu verleihen oder diese zu verändern (Ziff. i), und das aus den Kategorien Aromastoffe, Aromaextrakte, thermisch gewonnenen Reaktionsaromen, Raucharomen, Aromavorstufen sowie sonstigen Aromen oder deren Mischungen hergestellt wurde oder besteht (Ziff. ii). Die Definition des Begriffes Aroma besteht demnach aus zwei Teilen, nämlich einer Abgrenzung nach der Zweckbestimmung und einer Abgrenzung nach Kategorien von Stoffen, aus denen Aromen hergestellt werden oder bestehen. Diese beiden Teile der Definition sind kumulativ anzuwenden, das heißt ein Stoff ist nur dann ein Aroma, wenn er beide Begriffselemente erfüllt (Zipfel/Rathke LebensmittelR/Rathke, 179. EL März 2021, VO (EG) 1334/2008 Art. 3 Rn. 4).
Hier fehlt es bezüglich des Produktes „Kannaway Pure Gold“, für das in Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheids ein Inverkehrbringungsverbot angeordnet wurde, schon an der besonderen Zweckbestimmung von CBD zur Geruchs- und/oder Geschmacksverleihung oder -veränderung. Auf der Homepage des Herstellers des Produktes befindet sich zur Kennzeichnung der Zweckbestimmung folgende Passage (Behördenakte S. 7): „Pure Gold ist der beste Weg, um Sie täglich mit Cannabinoiden zu versorgen, die das körpereigene Endocannabinoidsystem nähren“ (vgl. dazu auch: NdsOVG, B.v. 4.2.2021 – 13 ME 545/20 – juris Rn. 9 ff.; VG Berlin, B.v. 4.3.2021 – 14 L 37/21 – juris Rn. 28 ff.).
Auch das „allgemeine“ Inverkehrbringungsverbot von Lebensmitteln, die CBD als Zutat aufweisen, in Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheids bezieht sich nicht auf Aromen. Dies folgt aus Art. 18 Abs. 2 und 4 VO (EU) Nr. 1169/2011 (Lebensmittelinformationsverordnung – LMIV) i.V.m deren Anhang VII. Danach sind Aromen im Zutatenverzeichnis mit den Begriffen „Aroma/Aromen“ zu bezeichnen. Da die Verbotsverfügung sich ausdrücklich auf ausgewiesene Zutaten bezieht, wird deutlich, dass die Verwendung von CBD als Aroma gerade nicht untersagt ist (vgl. dazu auch unten 1. b) dd) (2)).
(2) Soweit der Antragsteller darauf hinweist, dass Art. 2 Abs. 2 b) iv) NFV Extraktionslösungsmittel ausdrücklich vom Anwendungsbereich ausschließe, so ist nicht ersichtlich, warum deshalb bei einem Zusatz von CBD zu Lebensmitteln oder Nahrungsergänzungsmitteln der Anwendungsbereich der NFV ausgeschlossen sein sollte. CBD wird den streitgegenständlichen Produkten als Zutat beigegeben und ist im Endprodukt noch vorhanden. Nach der oben unter 1. b) aa) (1) dargestellten Zweckbestimmung beim Produkt „Kannaway Pure Gold“ ist das Vorhandensein von CBD im Endprodukt gerade der Zweck des Zusatzes. Extraktionslösungsmittel zeichnen sich dagegen dadurch aus, dass sie zu Herstellungszwecken verwendet werden und dann aus dem Erzeugnis wieder entfernt werden. In diesem Sinne bestimmt Art. 1 Abs. 2 b) der Richtlinie (EG) 2009/32, dass der Ausdruck „Extraktionslösungsmittel“ Lösungsmittel bezeichnet, die in einem Extraktionsverfahren bei der Bearbeitung von Rohstoffen, Lebensmitteln oder deren Bestandteilen oder Zutaten verwendet und aus dem Enderzeugnis entfernt werden, die jedoch unbeabsichtigte, aber technisch unvermeidbare Rückstände oder Rückstandsderivate in den Lebensmitteln oder Lebensmittelzutaten hinterlassen können.
bb) Die Untersagungsverfügungen beziehen sich nach summarischer Prüfung auf neuartige Lebensmittel im Sinne des Art. 3 Abs. 2 a) iv) NFV. Danach sind neuartige Lebensmittel alle Lebensmittel, die vor dem 15.5.1997 unabhängig vom Zeitpunkt des Beitritts der Mitgliedsstaaten zur Europäischen Union nicht in nennenswertem Umfang in der Union für den menschlichen Verzehr verwendet wurden und in mindestens eine der in der Vorschrift genannten Kategorien fallen. Unter die Kategorie iv) fallen Lebensmittel, die aus Pflanzen oder Pflanzenteilen bestehen oder daraus isoliert oder erzeugt wurden, ausgenommen Fälle, in denen das Lebensmittel eine sichere Verwendungsgeschichte in der Union hat und das Lebensmittel aus einer Pflanze oder einer Sorte derselben Pflanzenart besteht oder daraus isoliert oder erzeugt wurde, die ihrerseits gewonnen wurde mithilfe von herkömmlichen Vermehrungsverfahren, die vor dem 15.5.1997 in der Union zur Lebensmittelerzeugung eingesetzt wurden, oder nicht herkömmlicher Vermehrungsverfahren, die vor dem 15.5.1997 in der Union nicht zur Lebensmittelerzeugung eingesetzt wurden, sofern diese Verfahren nicht bedeutende Veränderungen der Zusammensetzung oder Struktur des Lebensmittels bewirken, die seinen Nährwert, seine Fettstoffwechselung oder seinen Gehalt an unerwünschten Stoffen beeinflussen.
(1) Die Anordnung bezieht sich auf Lebensmittel im Sinne der Definition des Art. 2 BasisVO. Auf die BasisVO nimmt Art. 3 Abs. 1 NFV zur Begriffsbestimmung Bezug. „Lebensmittel“ sind nach Art. 2 BasisVO alle Stoffe oder Erzeugnisse, die dazu bestimmt sind oder von denen nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann, dass sie in verarbeitetem, teilweise verarbeitetem oder unverarbeitetem Zustand von Menschen aufgenommen werden. Dementsprechend sind auch Nahrungsergänzungsmittel – wie etwa „Kannaway Pure Gold“ – Lebensmittel.
(2) Nach summarischer Überprüfung waren Lebensmittel, denen aus der Hanfpflanze oder synthetisch gewonnenes CBD zugesetzt worden ist, vor dem 15.5.1997 noch nicht in nennenswertem Umfang in den jetzigen Mitgliedstaaten der Union im Verkehr.
Bezüglich synthetisch hergestelltem CBD dürfte dies zwischen den Beteiligten unstreitig sein. Die Antragstellerseite bezieht sich in ihren Ausführungen stets nur darauf, dass CBD enthaltende Produkte, die bereits vor dem 15.5.1997 im Verkehr gewesen seien, aus der Hanfpflanze mittels Extraktion hergestellt worden seien.
Dass Lebensmittel, denen mittels Extraktion gewonnenes CBD zugesetzt worden ist, bereits vor dem genannten Zeitpunkt in der Union im Verkehr waren, hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht. Grundsätzlich ist es Sache des Lebensmittelunternehmers, glaubhaft zu machen, dass ein seitens der Behörden als „neuartig“ eingestuftes Lebensmittel bereits vor dem oben genannten Zeitpunkt in der Union im Verkehr war. Diesbezügliche Zweifel gehen grundsätzlich zulasten des Lebensmittelunternehmers (BayVGH, U.v. 12.5.2009 – 9 B 09.199 – juris Rn. 19 f.; VGH BW, B.v. 23.10.2017 – 9 S 1887/17 – juris Rn. 23; OVG Saarl, B.v. 27.2.2019 – 2 B 294/18 – juris Rn. 18; VG Würzburg, B.v. 27.7.2018 – W 8 S 18.904 – juris Rn. 50).
Dass Lebensmittel, denen CBD als Zutat in (konzentrierter Form) beigegeben wurde, vor dem 15.5.1997 nicht in nennenswertem Umfang in der Union für den menschlichen Verzehr verwendet worden sind, hat bereits das Verwaltungsgericht München in seinem Beschluss vom 6.10.2021 (M 26a S 21.4118 – juris Rn. 41 ff.) zutreffend dargestellt. Das Verwaltungsgericht München führt dort in Bezug auf die Argumente, die auch im vorliegenden Verfahren vorgebracht worden sind, folgendes aus:
„Nach dem Novel-Food-Katalog (https://ec.europa.eu/food/safety/novel_food/catalogue/search/public/index.cfm) haben nur einige bestimmte aus Cannabis sativa L. gewonnene Produkte oder Pflanzenteile eine Verwendungsgeschichte als sicheres Lebensmittel in der Union und sind daher nicht als neuartig einzustufen, und zwar die Hanfsamen, das Hanfsamenöl, das Hanfsamenmehl und die entfetteten Hanfsamen. Extrakte aus Cannabis sativa L. und daraus gewonnene Produkte, die Cannabinoide enthalten, gelten hingegen als neuartige Lebensmittel, da für diese in der Vergangenheit kein nennenswerter Verzehr als Lebensmittel nachgewiesen wurde. Dabei gilt die Einstufung als neuartig sowohl für die Extrakte selbst als auch für alle Produkte, denen die Extrakte als Zutat zugesetzt werden, beispielsweise ein einem Hanfsamenöl zugefügter Extrakt. Auch synthetisch gewonnene Cannabinoide gelten als neu (VG Sigmaringen B.v.29.06.2021 – 3 K 1081/21, beck-online Rn. 35, m.w.N.). Die Aufnahme von Cannabinoiden in den Novel-Food-Katalog erfolgte im Januar 2019 (BTDrs. 19/11922 vom 25. 7. 2019). Auch wenn der Novel-Food-Katalog nicht rechtsverbindlich ist, so kommt den darin enthaltenen Ausführungen dennoch Indizwirkung zu (VGH Mannheim, B.v.16.10.2019 – 9 S 535/19 -, beck-online, Rn. 16; BVerwG, Urt.v.1. 3.2012 − 3 C 15/11 -, beck-online, Rn. 26). Die Änderungen des Novel Food Katalogs führen nicht zur Schwächung des Aussagegehalts des Katalogs. Die Europäische Kommission ist nach Art. 6 Abs. 1 VO (EU) 2015/2283 verpflichtet, den Katalog auf dem neuesten Stand zu halten. Ungeachtet dessen ist die Änderung des Eintrags zu „Cannabinoids“ nicht als Abkehr von der bisherigen Einschätzung der Europäischen Kommission, sondern als Klarstellung zu verstehen. So heißt es in der Antwort der Bundesregierung vom 25.7.2019 auf eine Kleine Anfrage: „Im Januar 2019 erfolgte keine Änderung von Einträgen in der Novel Food-Verordnung (Verordnung (EU) 2015/2283 über neuartige Lebensmittel), vielmehr wurden Cannabinoide von der Europäischen Kommission neu in den sogenannten Novel Food-Katalog aufgenommen, da in jüngerer Zeit verstärkt Produkte mit Cannabinoiden, insbesondere Cannabidiol (CBD), in der EU aufgetaucht sind, die als Lebensmittel vermarktet wurden, und sich die Frage nach der Verkehrsfähigkeit entsprechender Erzeugnisse stellte. Mit den Einträgen hat die Europäische Kommission klargestellt, dass es sich bei den betreffenden Produkten um neuartige Lebensmittel im Sinne der Novel Food-Verordnung handelt, die zulassungspflichtig sind. Die Entscheidung über die Einträge zu Cannabinoiden wurde von den EU-Mitgliedstaaten und der Europäischen Kommission nach Sichtung und Wertung der verfügbaren Informationen im Konsens getroffen.“ (Antwort der Bundesregierung vom 25.7.2019 auf eine Kleine Anfrage, Einschränkungen von CBD durch Novel-Food-Verordnung und Auswirkungen auf deutsche Unternehmen, BT-Drs. 19/11922, S. 2; vgl. VG Düsseldorf, B.v.27. 9. 2019 – 16 L 2333/19 – juris Rn. 36 f.).
Die Einschätzung durch den Novel-Food-Katalog wird im Übrigen im vorliegenden Fall bestätigt durch den Erlass des Bundesministeriums Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz Österreich vom 04.12.2018 (https://www.verbrauchergesundheit.gv.at/Lebensmittel/Cannabinoid/Erledigung_Erlass_LH_BMASGK-75100_0020-IX_B_16a_2018_04.12.2.pdf?7 vjan5) und einen „Überblick und Vollzugshilfe“ für Produkte mit Cannabidiol der Schweizerischen Eidgenossenschaft mit Stand 30.11.2018 (file:/ …c:/temp/Cannabidiol-Merkblatt-Vollzugshilfe_de_rz.pdf), die cannabinoidhaltige Extrakte, die als Lebensmittel auf den Markt gebracht werden, als neuartige Lebensmittel im Sinne der VO (EU) 2015/2283 ansehen und von einem Zulassungserfordernis ausgehen. Auch das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BLV), das in Deutschland die zuständige Behörde für Konsultationen nach Art. 4 Abs. 2VO (EU) 2015/2283 ist (vgl. § 1 Abs. 1 der Verordnung zur Durchführung unionsrechtlicher Vorschriften über neuartige Lebensmittel), hält CBDhaltige Hanfextrakte und jedes mit solchen Extrakten versetzte Lebensmittel für neuartig (https://www.bvl.bund.de/DE/Arbeitsbereiche/01_Lebensmittel/04_AntragstellerUnternehmen/13_FAQ/FAQ_Hanf_THC_CBD/FAQ_Cannabidiol_node.html).
Die Voraussetzungen der Ausnahme zu Art. 3 Abs. 2 lit. a Ziffer iv VO (EU) 2015/2283 liegen nicht vor. Danach werden von der Kategorie Fälle nicht erfasst, in denen das Lebensmittel eine Verwendungsgeschichte als sicheres Lebensmittel in der Union hat und das Lebensmittel aus einer Pflanze oder einer Sorte derselben Pflanzenart besteht oder daraus isoliert oder erzeugt wurde, die ihrerseits mithilfe näher definierter Vermehrungsverfahren gewonnen wurde. Lebensmittel im Sinne dieser Ausnahmevorschrift ist das zu beurteilende Lebensmittel bzw. die Lebensmittelzutat (…), nicht das Ausgangsprodukt bzw. die verarbeitete Pflanze (…) (VG Düsseldorf, B.v.27.09.2019 – 16 L 2333/19 -, beck-online Rn. 32 f.; Ballke, in: Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, NFV, Stand: November 2018, Art. 3 Rn. 91 f.). Für eine solche Verwendungsgeschichte sind aber aus dem Vorbringen der Antragstellerin und auch unabhängig davon keine Anhaltspunkte ersichtlich.
Die Eintragung im Novel-Food-Katalog hat Indizwirkung dafür, dass es sich um ein neuartiges Lebensmittel im Sinne der Novel-Food-Verordnung handelt (VGH BW, B.v. 23.10.2017 – 9 S 1887/17 -, juris Rn.23, BayVGH, U.v.12.05.2009 – 9 B 09.199 – juris Rn.19). Die Antragstellerin konnte diese Indizien für das Vorliegen der Novel-Food-Eigenschaft nicht widerlegen. Nach Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 2 VO (EU) 2015/2283 haben die Lebensmittelunternehmer dem Mitgliedstaat die erforderlichen Informationen zu liefern, damit festgestellt werden kann, ob ein Lebensmittel in den Anwendungsbereich der Verordnung fällt. Hierzu gehören auch die Informationen über die Verwendung eines Lebensmittels zum menschlichen Verzehr in der Union vor dem 15.5.1997 (vgl. auch Erwägungsgrund 19 der VO (EU) 2015/2283). Lässt sich nach Auswertung der seitens des Lebensmittelunternehmers beigebrachten und der Behörde von Amts wegen bekannten oder bekannt gewordenen Information nicht feststellen, dass das betroffene Lebensmittel über eine Verwendungsgeschichte als sicheres Lebensmittel in der Union verfügt, wirkt dies zu Lasten des Lebensmittelunternehmers (VG Sigmaringen, B.v.29.06.2021 – 3 K 1081/21 -, Beckonline, Rn. 31).Der Antragstellerin ist es nicht gelungen, die erforderlichen Informationen zu liefern. Durch die im Verfahren benannten Quellen konnte nicht glaubhaft gemacht werden, dass cannabinoidhaltige Lebensmittel vor Mai 1997 in der Union in nennenswertem Umfang für den menschlichen Verzehr verwendet wurden.
Soweit die Antragstellerin eine Mitteilung der britischen Food Standards Agency (FSA) vom 13. Dezember 2017 zitiert, ist deren Inhalt überholt. Die FSA schließt sich inzwischen der Auffassung der Europäischen Kommission an, dass ein nennenswerter Konsum von Cannabidiol-Produkten vor dem Stichtag nicht nachgewiesen werden kann (VG Gießen, B.v.11.11.2019 – 4 L 3254/19 -, beck-online Rn.29; VG Cottbus, B.v.8.1.2020 – VG 3 L 230/19 -, beck-online, Rn. 20).
Auch die italienische Positivliste, auf die sich die Antragstellerin bezieht, vermag das Indiz für die Neuartigkeit nicht zu widerlegen. Aus der Verordnung des italienischen Gesundheitsministeriums vom 10. August 2018 geht hervor, dass für die Pflanze Cannabis sativa L. nur der Samen und Öl aus dem Samen als traditionell verwendete Teile der Pflanze erfasst sind.
Auch aus der von der Antragstellerin in Bezug genommenen Verkehrsfähigkeitsbescheinigung Bulgariens vom 9. April 2019 lässt sich kein für die Antragstellerin günstigeres Ergebnis ableiten. Die Bescheinigung wurde dem Gericht nicht vorgelegt. Es ist nicht ersichtlich, ob die Produkte „Power Protein“, „Pure Gold“, „Humulus Oil“ und „Super Greens“, die Gegenstand der Bescheinigung sein sollen, CBDhaltige Erzeugnisse sind.

Die von der Antragstellerin genannten Stoffliste des Deutschen Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit liefert ebenfalls keine Grundlage für eine anderweitige Einschätzung hinsichtlich der streitgegenständlichen Lebensmittelzutat, da sich die Ausführungen nur auf Cannabis-Samen beziehen.

Auch aus Erwägungsgrund Nr. 20 der Verordnung (EG) Nr. 1925/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über den Zusatz von Vitaminen und Mineralstoffen sowie bestimmten anderen Stoffen zu Lebensmitteln (ABl EU L 404/26) und der dortigen Regelung des Artikel 8 kann nicht abgeleitet werden, dass ein aus einem bekannten Lebensmittel gewonnener Lebensmittelextrakt nicht der Novel-Food-Verordnung unterliegen soll. Zwar ist das Verhältnis zu horizontalen Unionsvorschriften, die das Anreichern von Lebensmitteln mit anderen Stoffen betreffen, nicht klar geregelt, dennoch kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Unionsgesetzgeber den eigenständigen Anwendungsbereich solcher Regelungsbereiche beschränken wollte. Daher ist bei der Anreicherung mit anderen Stoffen stets auch die Novel-Food-Verordnung zu beachten (Zipfel/Rathke LebensmittelR/Rathke/Teufer/Hahn, 178. EL November 2020, EG-AnreicherungsVO Art. 8 Rn. 9).
Auch aus der zitierten Äußerung der Europäischen Kommission vom 3. März 1998 ergeben sich keine Tatsachen, die die Neuartigkeit der streitgegenständlichen Lebensmittelzutat widerlegen würden. Eine Aussage dazu ist diesen Ausführungen nicht zu entnehmen. Das Schreiben verhält sich lediglich unspezifisch zu Lebensmitteln, die „Teile der Hanfpflanze enthalten“ (vgl. VGH BW, B.v.16.10.2019 – 9 S 535/19 -, juris Rn. 23; VG Düsseldorf, U.v.22.7.2020 – 16 K 6311/19 -, juris Rn. 41).
Aus den von der Antragstellerin in Bezug genommenen Ausführungen der … GmbH, Dr. …, kann die geltend gemachte fehlende Neuartigkeit der in Rede stehenden Zutat nicht abgeleitet werden. Zwar wird darin als Ergebnis ausgeführt, dass Hanfblüten und Hanfblätter sowie deren Extrakte, aber insbesondere auch Hanfsamenöl bereits vor Mai 1997 kommerziell und damit in nennenswertem Umfang für den menschlichen Verzehr verwendet worden seien. Durch die angegebenen Quellen wird dies jedoch nicht belegt (VG Mainz, B.v.23.3.2021 – 1 L 85/21.MZ -, beck-online). Die Passage auf Seite 4 der Stellungnahme, wonach in Europa jährlich etwa 7,5 t Hanfblüten für die Produktion von essentiellen Ölen für die Nahrungs- und Getränkeindustrie sowie für medizinische Zwecke verarbeitet werden, betrifft Lebensmittelaromen (Art. 2 Abs. 2 lit. b Ziffer iii VO (EU) 2015/2283) sowie Arzneimittel, für die die Novel Food-VO nicht gilt (vgl. VG Düsseldorf, B.v.27. 9.2019 – 16 L 2333/19 -, juris Rn. 43).
Auch die Ausführungen von Prof. Dr. … in seiner gutachtlichen Stellungnahme vom 28. Dezember 2015 sind nicht geeignet, das Indiz für die Neuartigkeit der streitgegenständlichen Lebensmittel zu wiederlegen. Die angeführten Quellen beschäftigen sich nicht mit der streitgegenständlichen Zutat, die daraus gezogenen Schlussfolgerungen werden somit nicht hinreichend belegt.

Auch aus der Stellungnahme der … GmbH, Herr …, vom 26. November 2018 lässt sich kein anderer Schluss ziehen, da keine Aussage zur Verwendung der streitgegenständlichen Zutat vor dem Stichtag getroffen wird und der angenommene zulässige Grenzwert für CBD in Lebensmitteln willkürlich festgelegt und nicht belegt wird. Die im Gutachten genannte Ausnahme nach Art. 3 Abs. 2 lit. a Ziffer iv der VO (EU) 2015/2283 greift vorliegend nicht, da es für die streitgegenständliche Zutat gerade an der Verwendungsgeschichte als sicheres Lebensmittel fehlt. Auf die Verwendungsgeschichte der Hanfpflanze als solche kommt es dabei nicht an, sondern vielmehr auf die des konkret in Rede stehenden Lebensmittels (OVG Münster, B.v.02.03.2021 – 9 B 1574/20 -, beck-online, Rn. 28).
Der Auszug einer Stellungnahme der zuständigen Behörden in der Tschechischen Republik vom 12. August 2015 ist wenig aussagekräftig, da nicht ersichtlich ist, auf welches Produkt und welche Fragestellung dieser bezogen ist. Es ergibt sich daraus nicht, dass für die streitgegenständliche Zutat ein Nachweis für eine Verwendung vor dem 15. Mai 1997 vorhanden ist.
Entgegen der Annahme der Antragstellerin spricht der Erwägungsgrund Nr. 17 der VO (EU) 2015/2283 nicht dafür, dass es sich nicht um eine neuartige Lebensmittelzutat handelt. Es handelt sich vorliegend gerade nicht um Lebensmittel, die ausschließlich aus Lebensmittelzutaten hergestellt werden, die nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung fallen. Dafür spricht gerade das Indiz der Ausführungen im Novel-Food-Katalog in dem es heißt
„(…) extracts of Cannabis sativa L. and derived products containing cannabinoids are considered novel foods as a history of consumption has not been demonstrated. (…)“
Da Voraussetzung der Anwendbarkeit des Erwägungsgrundes Nr. 17 der Novel-Food-Verordnung gerade ist, dass es sich um nicht-neuartige Lebensmittelzutaten handelt, ist dieser Erwägungsgrund nicht dazu geeignet, nachzuweisen, dass Nutzhanfextrakt (Cannabis Sativa), sofern es sich um cannabinoidreichen, insbesondere cannabidiolreichen Extrakt (CBD) aus der Hanfpflanze handelt, keine neuartige Lebensmittelzutat ist, da der Bestandteil Cannabidiol nach dem Novel-Food-Katalog gerade neuartig ist.“
Diesen in jeder Hinsicht überzeugenden Ausführungen schließt sich die entscheidende Kammer vollumfänglich an. Ergänzend sei noch auf Folgendes hingewiesen:
Durch die seitens des Landratsamts verfügten Anordnungen wird der freie Warenverkehr innerhalb der Europäischen Union im Sinne des Art. 34 AEUV nicht beeinträchtigt. Nach der genannten Vorschrift sind mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen sowie alle Maßnahmen gleicher Wirkung zwischen den Mitgliedstaaten verboten. Nach dem Wortlaut der Vorschrift richtet sich die Norm in erster Linie an die Mitgliedstaaten. Dies bedeutet, dass der freie Warenverkehr nicht durch nationale Vorschriften, die ausschließlich auf dem Gebiet eines Mitgliedstaats Anwendung finden, beeinträchtigt werden darf. Hier steht dagegen eine lebensmittelrechtliche Untersagungsverfügung im Streit, die ihre rechtliche Grundlage ausschließlich im Unionsrecht hat – nämlich in Art. 138 VO (EU) Nr. 2017/625 sowie in Art. 6 Abs. 2 NFV -, das in allen EU-Mitgliedstaaten im gleichen Maße Geltung beansprucht. Eine nationale Regelung, deren Anwendung den freien Warenverkehr beeinträchtigen könnte, steht somit nicht im Raum (vgl. auch OVG NRW, B.v. 2.3.2021 – 9 B 1574/20 – juris Rn:57). Selbst wenn daher ein mit CBD angereichertes und gegen die NFV verstoßendes Lebensmittel in einem anderen Mitgliedstaat unbeanstandet im Verkehr sein sollte, so bedeutet dies nicht, dass dieses Produkt auch in Deutschland verkehrsfähig wäre. Vielmehr wäre in diesem Fall der andere Mitgliedstaat gehalten, das Inverkehrbringen des Produkts auf seinem Territorium wegen Verstoßes gegen europarechtliche Vorgaben zu unterbinden.
Nach summarische Prüfung handelt es sich somit bei Lebensmitteln, denen CBD, das durch Extraktion aus der Hanfpflanze oder auch synthetisch gewonnen worden ist, zugegeben wurde, um neuartige Lebensmittel im Sinne der NFV (so auch BayVGH, B.v. 12.8.2021 – 20 CS 21.688 – juris; OVG NRW, B.v. 2.3.2021 – 9 B 1574/20 – juris; HessVGH, B.v. 11.5.2020 – 8 B 2915/19 – juris; OVG NRW, B.v. 23.1.2020 – 13 B 1423/19 – juris; NdsOVG, B.v. 12.12.2019 – juris; OVG Hamburg, B.v. 4.5.2021 – 5 Bs 29/21 – juris; VG Würzburg, B.v. 16.11.2021 – W 8 E 21.1399 – juris; VG München, B.v. 6.10.2021 – M 26a S 21.4118 – juris; VG Sigmaringen, B.v. 29.6.2021 – 3 K 1081/21- juris; VG Gelsenkirchen, B.v. 28.9.2020 – 20 L 1029/20 – juris; VG Düsseldorf, U.v. 22.7.2020 – 16 K 6311/19 – juris; VG Würzburg, U.v. 13.7.2020 – W 8 K 20.161 – juris; VG Cottbus, B.v. 8.1.2020 – 3 L 230/19 – juris; VG Hannover, B.v. 18.11.2019 – 15 B 3035 – juris).
cc) Da derartige Lebensmittel bislang auch noch nicht in die nach Art. 6 Abs. 1 NFV zu erstellende Unionsliste eingetragen sind, verstößt das Inverkehrbringen der fraglichen Produkte gegen Art. 6 Abs. 2 NFV.
Nach summarische Prüfung liegen somit die Eingriffsvoraussetzungen des Art. 138 Abs. 1 b) VO (EU) Nr. 2017/625 vor. Das Inverkehrbringen von Produkten, die (konzentriertes) CBD enthalten, das durch Extraktion oder synthetisch gewonnen worden ist, verstößt nach dem oben Gesagten aller Voraussicht nach gegen Art. 6 Abs. 2 NFV, weshalb das Landratsamt verpflichtet war, gegen das Inverkehrbringen einzuschreiten. Die Untersagung des Inverkehrbringens von nicht verkehrsfähigen Lebensmitteln gehört zu den Maßnahmen, die die zuständige Behörde anordnen kann (vgl. Art. 138 Abs. 2 d) VO (EU) Nr. 2017/625). Die angeordneten Inverkehrbringensverbote sind auch verhältnismäßig. Sie sind erforderlich und geeignet, um sicherzustellen, dass die vom Antragsteller begangenen lebensmittelrechtlichen Verstöße beendet werden. Ein milderes Mittel, das ebenso geeignet wäre, Verstöße zu unterbinden, ist nicht ersichtlich.
c) Die Anordnungen des Landratsamts in den Ziffern 1 und 2 des streitgegenständlichen Bescheids sind auch hinreichend bestimmt im Sinne des Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG.
aa) Bezüglich der Anordnung in Ziffer 1 ist dies unproblematisch. Sie enthält ein Verkehrsverbot bezüglich eines ganz konkret bezeichnetes Produkts („Kannaway Pure Gold“). Die antragstellerseits vorgetragene Argumentation, dass aufgrund der Formulierung der Untersagungsverfügung in Ziffer 2 der Eindruck entstehen könne, dass es sich bei dem unter Ziffer 1 konkret bezeichneten Produkt nicht um ein Lebensmittel handele, greift nicht. Insbesondere ergibt sich aus den Gründen des angegriffenen Bescheides eindeutig, dass das Produkt aus Sicht des Landratsamts als Nahrungsergänzungsmittel und dementsprechend zugleich als Lebensmittel eingestuft wird. Aus maßgeblicher Sicht des Adressaten der Anordnung können im Übrigen keine Zweifel daran bestehen, dass das Inverkehrbringungsverbot in Ziffer 1 des Bescheids auf das dort namentlich genannte Produkt „Kannaway Pure Gold“ bezogen ist.
bb) Auch das „allgemeine“ Inverkehrbringungsverbot für Lebensmittel, die Cannabidiol (CBD) als Zutat ausweisen (Ziffer 2 des Bescheids), ist hinreichend bestimmt und insbesondere nicht zu weitgehend.
Der Antragsteller argumentiert insoweit, es sei zu weitgehend, wenn man auf die „Ausweisung als Zutat“ abstelle, da es nicht darauf ankomme, ob CBD als Zutat ausgewiesen sei. Maßgeblich sei vielmehr, ob CBD tatsächlich im Lebensmittel enthalten sei. Insoweit ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Antragsteller Hanfprodukte verkauft und diese nicht selbst herstellt. Dementsprechend kann er die Zutaten eines von ihm vertriebenen Produktes nur dem beigegebenen Zutatenverzeichnis entnehmen, das nach Art. 9 Abs. 1 b) LMIV zu den verpflichtenden Angaben bei Lebensmitteln gehört. Da grundsätzlich davon auszugehen ist, dass sich ein Hersteller gesetzeskonform verhält und er dementsprechend nur Zutaten im Zutatenverzeichnis aufnimmt, die dem Produkt tatsächlich beigegeben worden sind, bestehen keine Bedenken dahingehend, dass das Verkehrsverbot auf die Ausweisung von CBD im Zutatenverzeichnis abstellt. Im Übrigen wäre eine Fehlinformation über die Inhaltsstoffe eines Lebensmittels unlauter im Sinne des Art. 7 LMIV und damit ebenso untersagt.
Das in Ziffer 2 des Bescheids ausgesprochen Inverkehrbringens bezieht sich auch nur auf nicht verkehrsfähige neuartige Lebensmittel im Sinne des Art. 3 a) NFV. Insbesondere werden Aromen, für die die NFV gemäß § 2 Abs. 2 b) iii) NFV keine Anwendung findet, nicht erfasst. Nach dem ausdrücklichen Wortlaut der streitgegenständlichen Anordnung umfasst das Verbot nämlich ausschließlich Produkte, die CBD als Zutat ausweisen. Sofern einem Lebensmittel jedoch Aromen zugegeben werden, müssen diese nach Art. 18 Abs. 2 und 4 LMIV i.V.m. deren Anhang VI im Zutatenverzeichnis mit den Begriffen „Aroma/Aromen“ bezeichnet werden. Da das Inverkehrbringungsverbot wiederum auf die Angabe im Zutatenverzeichnis abstellt, wird bei verständiger Auslegung der Anordnung aus Empfängersicht (§§ 133, 137 BGB) ersichtlich, dass das Verbot dann nicht gilt, wenn CBD einem Produkt als Aroma beigegeben wird. In diesem Falle müsste nämlich das Produkt im Zutatenverzeichnis als „CBD-Aroma“ oder ähnlich ausgewiesen sein.
Ferner wird durch die Anordnung unter Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheids auch nicht das Inverkehrbringen von nicht der NFV unterfallenden Lebensmitteln untersagt, die selbst oder deren Zutaten „natürlich vorkommendes“ CBD enthalten. Dies mag etwa der Fall sein, wenn einem Lebensmittel Hanf oder Hanfsamen beigegeben werden. In diesem Fall erscheint aber auch nicht CBD in der Zutatenliste, sondern ausschließlich das beigegebenen Lebensmittel (vgl. Art. 18 LMIV).
d) Die Anordnung des Sofortvollzugs in Ziffer 3 des streitgegenständlichen Bescheids stößt ebenfalls nicht auf Bedenken. Nach summarischer Überprüfung überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Unterbindung des Inverkehrbringens der streitgegenständlichen Produkte das wirtschaftliche Interesse des Antragstellers, die der NFV unterfallenden und nicht in der Unionsliste enthaltenen CBDhaltigen Lebensmittel weiterhin in den Verkehr bringen zu dürfen.
Die mit den Inverkehrbringungsverboten bezweckte Gewährleistung der Lebensmittelsicherheit dient dem vorbeugenden Gesundheits- und Verbraucherschutz potenzieller Konsumenten und damit hochrangigen Rechtsgütern. Zum Schutz der menschlichen Gesundheit und für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes ist es notwendig, Maßnahmen zu treffen, die gewährleisten, dass nicht sichere Lebensmittel nicht in den Verkehr gelangen. Bei neuartigen Lebensmitteln lässt sich generell nicht ausschließen, dass deren Verzehr zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Konsumenten führen kann. Allein dieses Gesundheitsrisiko dürfte es schon rechtfertigen, den Sofortvollzug anzuordnen. Im Falle der Verwendung von CBD als Lebensmittelzutat kommt hinzu, dass CBD von Seiten der Wissenschaft verschiedene Nebenwirkungen zugeschrieben werden. Dazu zählen Müdigkeit, Schwindel sowie kardiovaskuläre und psychische Effekte (Grotenhermen/Müller-Vahl, Das therapeutische Potenzial von Cannabis und Cannabinoiden, https://www.aerzteblatt.de/archiv/127598/Das-therapeutische-Potenzial-von-Cannabis-und-Cannabinoiden, abgerufen am 18.1.2022). Vor diesem Hintergrund sind gesundheitliche Risiken der Verwendung von CBD nicht auszuschließen, weshalb es nicht zu beanstanden ist, wenn der Sofortvollzug eines entsprechenden Verkehrsverbots aus Gründen des vorbeugenden Gesundheitsschutzes angeordnet wird.
Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist es jedenfalls nicht erforderlich, dass konkrete Gesundheitsgefahren bereits nachgewiesen sein müssen, um den Sofortvollzug anordnen zu können. Im letzteren Fall wäre ohnehin – wie der Antragsteller zutreffend ausgeführt hat – ein Verkehrsverbot nach Art. 14 BasisVO auszusprechen.
2. Hinsichtlich der Zwangsgeldandrohungen in Ziffer 4 des streitgegenständlichen Bescheids bestehen keine rechtlichen Bedenken. Der Antragsteller hat diesbezüglich auch keine Einwände vorgetragen. Sie beruhen auf den Art. 19 Abs. 1 Nr. 2, 29, 30 Abs. 1, 31 und 36 VwZVG.
Nach alledem war der Antrag mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG) i.V.m. den Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Da im Rahmen des Eilrechtsschutzverfahrens die wirtschaftlichen Auswirkungen der angeordneten Maßnahmen für den Antragsteller nicht abschätzbar sind, geht das Gericht vom Regelstreitwert aus, der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs zu halbieren ist.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben