Europarecht

Marke, Technik, Fahrzeug, Software, Beweislast, Kostenentscheidung, Darlegungslast, Verwendung, Kilometerstand, Vollstreckbarkeit, Anspruch, Klage, Zinsen, Verordnung, Zug um Zug, Stand der Technik, unerlaubte Handlung

Aktenzeichen  093 O 1237/20

Datum:
16.12.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 53112
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 24.077,14 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.
A.
I.
Vertragliche Ansprüche kommen offensichtlich nicht in Betracht, da der Kläger sein Fahrzeug unstreitig nicht bei der Beklagten erworben hat.
II.
Auch deliktische Ansprüche liegen nicht vor, insbesondere konnte die Klagepartei nicht den Nachweis führen, dass sie von der Beklagten im Sinne des § 826 BGB vorsätzlich sittenwidrig geschädigt worden sei.
1. Es fehlt bereits an schlüssigem Vortrag hinsichtlich einer konkreten Schädigungshandlung durch die Beklagte.
a) Die Klagepartei trägt hierzu vor, dass die Beklagte den von ihr hergestellten und in dem klägerischen Fahrzeug verbauten Motor mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet habe.
Zwar kann Einbau und Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung grundsätzlich eine unerlaubte Handlung darstellen (vgl. OLG München, Beschluss vom 11.7.2019, 8 U 1449/19 m.w.N. – Anlage B 7). Gemäß Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (VO) 2007/715/EG (künftig: EG-VO) ist die Verwendung von Abschalteinrichtungen, die die Wirkung von Emissions-Kontrollsystemen verringern, grundsätzlich unzulässig.
Eine Abschalteinrichtung ist ein Konstruktionsteil, das die Temperatur, die Fahrgeschwindigkeit, die Motordrehzahl, den eingelegten Getriebegang, den Unterdruck im Einlass-Krümmer oder sonstige Parameter ermittelt, um die Funktion eines beliebigen Teils des Emissions-Kontrollsystems zu aktivieren, zu verändern, zu verzögern oder zu deaktivieren, wodurch die Wirksamkeit des Emissions-Kontrollsystems unter Bedingungen, die bei normalem Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise zu erwarten sind, verringert sind. Eine Anknüpfung an verschiedene Parameter, u.a. die Umgebungstemperatur, liegt hier nach eigenem Vortrag der Klagepartei vor.
Eine Einflussnahme auf das Emissionskontrollsystem ist durch die parameterabhängige Steuerung der Abgasrückführungsrate gegeben. Unzulässig ist ein solches System gemäß Art. 5 Abs. 2 Satz 2 der genannten EG-VO jedoch nicht, soweit die Einrichtung notwendig ist, um den Motor vor Beschädigungen zu schützen. Auch für das Nichtvorliegen dieser Ausnahme trägt die Klagepartei die volle Darlegungs- und Beweislast, eine sekundäre Darlegungslast der Beklagten besteht insoweit nicht (OLG München a.a.O., S. 7).
Hierbei ist grundsätzlich auch für einen Laien nachvollziehbar, dass die Abgasrückführung, also das (teilweise) Rückführen des beim Verbrennungsvorgang entstehenden Gases in den Verbrennungskreislauf, um durch die niedrigere Sauerstoffkonzentration die Verbrennungstemperatur herabzusetzen, nicht unbegrenzt gesteigert werden kann. Weiter ist in der Folge auch plausibel, dass das genaue Mischverhältnis von Frischluft zu zurückgeführten Abgasen nicht unter allen denkbaren Betriebsbedingungen gleichbleibend sein kann, um unerwünschte Folgen, wie die Beschädigung des Motors oder einzelner Bauteile zu vermeiden. Hiervon scheint auch die Klagepartei selbst auszugehen, die im Falle der Beseitigung des „Thermofensters“ von einer gesteigerten Fehleranfälligkeit, sowie von möglicher Beschädigung des Abgasrückführungsventils spricht.
b) Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen stellt sich die Behauptung der Klagepartei als reine Behauptung ins Blaue hinein dar. Konkrete Anhaltspunkte, dass das Fahrzeug des Klägers vorsätzlich mit einer im Sinne des oben Gesagten unzulässigen Software ausgestattet wurde, trägt die Klagepartei nicht substantiiert vor; angesichts der Verschiedenheit unterschiedlicher Motortypen und -untervarianten ist Vortrag zu anderen Modellen, insbesondere dem bekannten Motortyp EA 189 des Volkswagen-Konzerns, hierbei offensichtlich nicht hilfreich. Bei dieser Sachlage wäre die beantragte Erholung eines Sachverständigengutachtens als nicht zulässiger Ausforschungsbeweis anzusehen.
2. Darüber hinaus ist nicht erkennbar, welcher Schaden beim Kläger eingetreten sein soll. Anders als in den Fällen des VW-Motors EA 189, in welchen den betroffenen Autofahrern grundsätzlich der Entzug der Betriebserlaubnis droht, wenn sie das Fahrzeug ohne Aufspielen des von VW entwickelten Software-Updates weiter nutzen, gibt es vorliegend keinerlei substantiiert vorgetragenen Anhaltspunkt, aus welchem sich die Gefahr eines solchen Entzugs – der einen Schaden im deliktsrechtlichen Sinne darstellen könnte – ergeben würde.
3. Schließlich fehlt es aber jedenfalls durchgreifend an schlüssigem Vortrag zu einem auch in subjektiver Hinsicht als verwerflich zu qualifizierenden Verhalten der Beklagten.
„Im Hinblick auf die Funktionsweisen eines sogenannten Thermofensters sind nach einhelliger obergerichtlicher Rechtsprechung, der sich auch der Senat anschließt, die Bestimmungen des Art. 5 der Verordnung 207/715/EG keineswegs so eindeutig und unzweifelhaft formuliert, dass sich die Verwendung einer temperaturabhängigen oder sonst variablen Abgasrückführung eindeutig als unzulässig darstellen müsste (vgl. OLG Frankfurt a. Main, Beschluss vom 06.06.2019, Az.: 11 U 92/19; OLG München, Beschluss vom 14.08.2019, Az.: 21 U 3241/19; OLG Nürnberg, Urteil vom 17.07.2019, Az.: 5 U 1670/18; OLG Stuttgart, Urteil vom 30.07.2019, Az.: 10 U 134/19; OLG München, Hinweisbeschluss vom 23.04.2020, Az.: 27 U 6186/19; OLG München, Hinweisbeschluss vom 30.04.2020, Az.: 27 U 6184/19; OLG München, Hinweisbeschluss vom 04.05.2020, Az.: 27 U 6185/19). Wenn Motor- bzw. Bauteilschutz, wie hier, ernsthaft als Rechtfertigung für die Abgasrückführung angeführt werden können, ist wohl kaum vertretbar, eine abweichende Interpretation eines ersichtlich auslegungsfähigen und auslegungsbedürftigen Tatbestands als verwerflich im Sinne des § 826 BGB anzusehen.
Bei dieser Sachlage kommt es auch nicht mehr entscheidungserheblich darauf an, in wessen Person und wodurch im vorliegenden Falle der subjektive Tatbestand des § 826 BGB (Vorsatz bezüglich eines Sittenverstoßes und eines eintretenden Schadens) erfüllt sein könnte.
Insoweit bleibt lediglich darauf hinzuweisen, dass eine vertretbare Auslegung des Unionsrechts schwerlich als verwerfliches Verhalten im Sinne des § 826 BGB gewertet werden kann (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 21.10.2019, Az.: 12 U 346/19).“ (OLG München, Hinweisbeschluss vom 13.05.2020, Az.: 27 U 1368/20 – beck-online).
Diesen völlig überzeugenden Ausführungen schließt sich dieses Gericht uneingeschränkt an.
III.
Mangels Anspruch in der Hauptsache kommen auch Zins- oder Feststellungsansprüche nicht in Betracht.
B.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO.
C.
Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben