Europarecht

Mikrobielle Belastung einer Trinkwasserversorgungsanlage

Aktenzeichen  20 B 16.1351

Datum:
17.5.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 23717
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
TrinkwV § 4, § 5 Abs. 2, § 7 Abs. 1, § 9 Abs. 4, Abs. 5, § 14, § 20 Abs. 1 Nr. 3
IfSG § 37, § 38, § 39 Abs. 2
VwGO § 113 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

1 Bei der Anordnung einer wöchentlichen Untersuchungspflicht handelt es sich um einen Dauerverwaltungsakt, so dass zur Beurteilung der Sach- und Rechtslage auf den Schluss der mündlichen Verhandlung abzustellen ist. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
2 § 5 Abs. 2, § 7 Abs. 1 und § 17 Abs. 1 TrinkwV stellen keine Befugnisnormen dar, sondern enthalten materiell-rechtliche Anforderungen an Trinkwasser. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
3 Im Verhältnis zur allgemeinen Befugnisnorm des § 39 Abs. 2 Nr. 1 IfSG ist grundsätzlich von einer Spezialität der Befugnisnormen der Trinkwasserverordnung auszugehen. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
4 § 20 Abs. 1 Nr. 5 TrinkwV ist Rechtsgrundlage für präventive Maßnahmen. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
5 Indikator-Parameter beziehen sich auf Stoffe und Faktoren, die im Falle einer Überschreitung der Grenzwerte selbst kein oder nur ein geringes gesundheitliches Risiko für den Verbraucher darstellen, aber indirekt eingetretene Veränderungen der Wasserqualität, die unter Umständen erhebliche Risiken mit sich bringen können, anzeigen. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

5 K 14.959 2015-04-30 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, aber unbegründet. Die Bescheide des Beklagten vom 6. Mai 2014 sind, soweit sie von der Klägerin mit der Anfechtungsklage angegriffen worden sind, im maßgeblichen Zeitpunkt rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Das Verwaltungsgericht hat die Klage daher im Ergebnis zu Recht abgewiesen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Berufung ist zurückzuweisen.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist ausweislich der beim Verwaltungsgericht und im Berufungsverfahren gestellten Anträge der Klägerin die Anfechtungsklage gegen die jeweilige Ziffer 1 der Bescheide vom 6. Mai 2014 bezüglich der Wasserversorgungsanlagen L* …, L* …m* … und S* … der Klägerin, soweit darin zusätzlich zu der von der Klägerin nicht angefochtenen UV-Desinfektionsanlage auch eine Filteranlage gefordert wird. Daneben ist Gegenstand des Verfahrens die Anfechtungsklage gegen die jeweilige Ziffer 2 der Bescheide, soweit darin eine Untersuchung des Trinkwassers in einem wöchentlichen statt einem zweiwöchigen Abstand verlangt wird. Darüber hinaus, also hinsichtlich der ebenfalls angeordneten Sanierung eines Hochbehälters und mehrerer Sammelschächte, sind die Bescheide nicht angegriffen.
Maßgeblicher Zeitpunkt zur Beurteilung der Sach- und Rechtslage hinsichtlich der Anfechtungsklage gegen Ziffer 1 der streitgegenständlichen Bescheide (soweit darin der Einbau einer Filteranlage gefordert wird) ist der 23. Dezember 2015. Grundsätzlich bestimmt sich im Verwaltungsprozess der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage nach dem materiellen Recht (BVerwG, U.v. 27.4.1990 – 8 C 87/88 – NVwZ 1991, 360, 1. Leitsatz; Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 113 Rn. 45). Den maßgeblichen Vorschriften der Trinkwasserverordnung ist jedoch keine Aussage zu entnehmen, auf welchen Zeitpunkt für die rechtliche Beurteilung einer auf diese gestützten Maßnahme abzustellen ist. Daher greift der prozessrechtliche Grundsatz, dass für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage auf den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung abzustellen ist (Schmidt in Eyermann, a.a.O., § 113 Rn. 45; vgl. zur TrinkwV auch BayVGH, U.v. 6.3.2018 – 20 B 17.1378 – juris Rn. 38).
Hier hat der Beklagte im Schreiben des Landratsamts vom 23. Dezember 2015 gegenüber der Klägerin neue, die streitgegenständlichen Bescheide vom 6. Mai 2014 ergänzende „Auflagen“ festgesetzt. Neben den im 1. und im 4. Spiegelstrich enthaltenen neuen Anordnungen, die von der Klägerin nicht angefochten wurden, findet sich im 2. Spiegelstrich eine Verlängerung der für die Umsetzung der Ziffer 1 des Bescheids vom 6. Mai 2014 dort gesetzten Frist für die Wasserversorgungsanlage L* … Im 5. Spiegelstrich findet sich wiederum eine erneute Fristsetzung für die Umsetzung der Nr. 1 der streitgegenständlichen Bescheide hinsichtlich der Wasserversorgungsanlagen L* …m* … und S* … Damit wurden die streitgegenständlichen Bescheide vom 6. Mai 2014 für alle drei Wasserversorgungsanlagen durch eine erneute Verwaltungsentscheidung modifiziert. Bei dem Schreiben vom 23. Dezember 2015 handelt es sich somit um die letzte Behördenentscheidung in dieser Sache. Auf dieses Datum ist damit für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblich abzustellen. Bei der in Ziffer 2 der streitgegenständlichen Bescheide angeordneten wöchentlichen Untersuchungspflicht handelt es sich dagegen um einen sogenannten Dauerverwaltungsakt, so dass insoweit zur Beurteilung der Sach- und Rechtslage auf den Schluss der mündlichen Verhandlung des Senats abzustellen ist (vgl. Schmidt in Eyermann, a.a.O. Rn. 48 m.w.N.).
1. Die Anordnung in Ziffer 1 der Bescheide vom 6. Mai 2014, das Wasser aus den Wasserversorgungsanlagen der Klägerin vor seiner Abgabe kontinuierlich einer den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprechenden Aufbereitung (Filtration) zu unterziehen, ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
a) Allerdings ist die Rechtsgrundlage dieser Anordnung entgegen der Begründung der Bescheide nicht § 39 Abs. 2 Nr. 1 IfSG i.V.m. § 5 Abs. 2, § 7 Abs. 1, § 9 Abs. 4 und 5, § 17 Abs. 1 TrinkwV. Dies ist jedoch unschädlich, da das Berufungsgericht die Rechtmäßigkeit eines Bescheides grundsätzlich unter allen Gesichtspunkten prüft, unabhängig von einer etwa genannten Rechtsgrundlage (BVerwG, U.v. 27.1.1982 – 8 C 12/81 – BVerwGE 64, 356, 1. Leitsatz). Die Anordnungen können hier nämlich mit § 9 Abs. 4 bzw. 5 TrinkwV jeweils auf eine Befugnisnorm gestützt werden, deren Tatbestandsvoraussetzungen auch vorliegen.
Insoweit ist zunächst festzuhalten, dass die in den Bescheiden im Zusammenhang mit deren Rechtsgrundlage zitierten Bestimmungen der §§ 5 Abs. 2, 7 Abs. 1 und 17 Abs. 1 TrinkwV keine Befugnisnormen darstellen, sondern vielmehr materiell-rechtliche Anforderungen an Trinkwasser enthalten. Nach § 5 Abs. 2 TrinkwV dürfen im Trinkwasser die in der Anlage 1 Teil I festgelegten Grenzwerte für mikrobiologische Parameter nicht überschritten werden. Damit trifft die Bestimmung eine inhaltliche Vorgabe, die für jede Tätigkeit im Zusammenhang mit der Gewinnung, Aufbereitung und Verteilung von Trinkwasser gilt (Rathke in Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, 170. Ergänzungslieferung, März 2018, § 5 TrinkwV, Rn. 18). Nach § 7 Abs. 1 TrinkwV müssen im Trinkwasser die in der Anlage 3 festgelegten Grenzwerte und Anforderungen für Indikator-Parameter eingehalten sein. Die in Anlage 3 Teil I bestimmten Grenzwerte stellen grundsätzlich nur Indikatoren für mögliche Qualitätsminderungen des Trinkwassers dar, müssen aber grundsätzlich uneingeschränkt eingehalten werden (vgl. Rathke in Zipfel/Rathke, a.a.O., § 7 Rn. 9). Auch insoweit liegt damit lediglich eine inhaltliche Anforderung vor. Gleiches gilt für § 17 Abs. 1 TrinkwV, der ebenfalls allein inhaltliche Anforderungen enthält (vgl. Rathke in Zipfel/Rathke, a.a.O., § 17 TrinkwV, Rn. 3) und der zuständigen Behörde selbst keine Eingriffsbefugnis eröffnet.
Der zuvorderst in den streitgegenständlichen Bescheiden genannte § 39 Abs. 2 Nr. 1 IfSG stellt zwar anders als die zunächst genannten Bestimmungen eine Befugnisnorm dar. Danach hat die zuständige Behörde die notwendigen Maßnahmen zu treffen, um die Einhaltung der Vorschriften des § 37 Abs. 1 und 2 IfSG und von Rechtsverordnungen nach § 38 Abs. 1 und 2 IfSG sicherzustellen. Die Trinkwasserverordnung stützt sich in ihren maßgeblichen Teilen auf die Verordnungsermächtigung des § 38 Abs. 1 und 2 IfSG und dient nach § 38 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 1 IfSG der Umsetzung der in § 37 Abs. 1 und 2 IfSG geregelten Anforderungen an Wasser für den menschlichen Gebrauch bzw. Wasser, das in Gewerbebetrieben oder öffentlichen Bädern bereitgestellt wird (vgl. Rathke in Zipfel/Rathke, a.a.O., § 4 TrinkwV, Rn. 4, § 17 TrinkwV, Rn. 4). Damit kann diese Befugnisnorm grundsätzlich herangezogen werden, wenn es zur Einhaltung der materiellen Anforderungen der Trinkwasserverordnung einer behördlichen Anordnung bedarf. Allerdings enthält die Trinkwasserverordnung selbst sowohl hinsichtlich der Tatbestandsvoraussetzungen als auch hinsichtlich der einzelnen zu treffenden Maßnahmen spezielle Befugnisnormen, die sich insbesondere in den §§ 9, 10 und 20 TrinkwV finden. Würde auch im Anwendungsbereich dieser speziellen Eingriffsbefugnisse ein Rückgriff auf die allgemeine Befugnisnorm des § 39 Abs. 2 Nr. 1 IfSG möglich sein, so würden deren Tatbestandsanforderungen im Ergebnis ausgehebelt und leerlaufen. Daher ist grundsätzlich von einer Spezialität der Befugnisnormen der Trinkwasserverordnung auszugehen. Ein Rückgriff auf die allgemeine Befugnisnorm des § 39 Abs. 2 Nr. 1 IfSG ist wegen dieses Spezialitätsverhältnisses nur denkbar, soweit die Trinkwasserverordnung materielle Anforderungen an die Beschaffenheit von Wasser für den menschlichen Gebrauch aufstellt, ohne der zuständigen Behörde zu ihrer Durchsetzung eine entsprechende Eingriffsbefugnis zur Seite zu stellen. Nur in diesem Fall existiert keine speziellere, vorrangige Befugnisnorm, die die Anwendung des § 39 Abs. 2 Nr. 1 IfSG sperren würde (BayVGH, U.v. 6.3.2018 – 20 B 17.1378 – juris, Rn. 33).
Soweit der Beklagte im Berufungsverfahren als Rechtsgrundlage neben § 39 Abs. 2 Nr. 1 IfSG auch § 20 Abs. 1 Nr. 5 TrinkwV genannt und ausgeführt hat, dass Zielrichtung von Ziff. 1 der streitgegenständlichen Bescheide neben der Sicherstellung der einwandfreien Beschaffenheit des Trinkwassers auch die Anordnung präventiver Maßnahmen zum Schutz der menschlichen Gesundheit sei, ist anzumerken, dass § 20 Abs. 1 Nr. 5 (letzter HS) TrinkwV grundsätzlich eine geeignete Befugnisnorm für derartige Anordnungen darstellt. Danach kann das Gesundheitsamt, wenn es unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zum Schutz der menschlichen Gesundheit oder zur Sicherstellung einer einwandfreien Beschaffenheit des Trinkwassers erforderlich ist, anordnen, dass der Unternehmer Maßnahmen zu treffen hat, die erforderlich sind, um künftigen Verunreinigungen vorzubeugen. Mit der 2. Änderungsverordnung zur Trinkwasserverordnung vom 5. Dezember 2012 (BGBl. I S. 2562) wurde im letzten Satzteil („und um künftigen Verunreinigungen vorzubeugen“), das bisherige Wort „und“ in „oder“ geändert. Die amtliche Begründung (BR-DRs. 525/12, S. 28) führt hierzu aus, dass die bestehende Regelung gefordert habe, dass die Maßnahme sowohl erforderlich sei, um eine bestehende Verunreinigung zu beseitigen als auch um künftigen Verunreinigungen vorzubeugen. Mit der Änderung werde eine Ermächtigungsgrundlage für Maßnahmen geschaffen, die allein der Vorbeugung künftiger Verunreinigungen dienten. § 20 Abs. 1 Nr. 5 TrinkwV kann also nach der Änderung Rechtsgrundlage für allein präventive Maßnahmen sein (vgl. Rathke in Zipfel/Rathke, a.a.O., § 20 TrinkwV, Rn. 2b). Allerdings handelt es sich bei der Bestimmung um eine Ermessensvorschrift. Nachdem den streitgegenständlichen Bescheiden hinsichtlich der in den jeweiligen Ziff. 1 getroffenen Anordnungen aber keine Ermessenserwägungen zu entnehmen sind, können diese nicht rechtmäßig auf § 20 Abs. 1 Nr. 5 TrinkwV gestützt werden.
b) Die Anordnung, das Wasser aus der Wasserversorgungsanlage L* … vor seiner Abgabe kontinuierlich einer den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprechenden Aufbereitung (Filtration) zu unterziehen (Ziff. 1 des diesbezügl. Bescheids vom 6.5.2014), findet ihre Rechtsgrundlage in § 9 Abs. 4 TrinkwV. Danach ordnet das Gesundheitsamt bei Nichteinhaltung oder Nichterfüllung der in den §§ 5 und 6 TrinkwV festgelegten Grenzwerte oder Anforderungen unverzüglich an, dass unverzüglich die notwendigen Maßnahmen zur Wiederherstellung der Trinkwasserqualität getroffen werden und dass deren Durchführung vorrangig ist. Nach § 9 Abs. 4 Satz 2 TrinkwV richtet sich die Dringlichkeit der Maßnahme nach den Grad der Gefährdung der menschlichen Gesundheit und der öffentlichen Sicherheit. Nach § 5 Abs. 2 TrinkwV dürfen im Trinkwasser die in Anlage 1 Teil I festgelegten Grenzwerte für mikrobiologische Parameter nicht überschritten werden. Der Grenzwert für Escherichia coli beträgt laut Anlage 1 Teil I der TrinkwV 0 (Koloniebildende Einheiten – KBE) pro 100 ml, für Enterokokken 0 KBE/100 ml. Diese Grenzwerte wurden am 8. Juli 2014 bei einer Probe überschritten, bei der konkret 16 KBE/100 ml Escherichia coli und 4 KBE/100 ml Enterokokken festgestellt wurden. Damit lagen die Tatbestandsvoraussetzungen für ein unverzügliches Einschreiten des Gesundheitsamts nach § 9 Abs. 4 TrinkwV vor.
Daran ändert es nichts, dass dieser Befund erst nach dem Erlass der streitgegenständlichen Bescheide am 6. Mai 2014 festgestellt wurde. Denn nach den obigen Ausführungen ist der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage aufgrund des nach Bescheidserstellung ergangenen Schreibens vom 23. Dezember 2015 dieser Tag.
Die Frage, ob daneben auch die Tatbestandsvoraussetzungen des § 9 Abs. 5 TrinkwV vorlagen, kann dahingestellt bleiben, da beide Befugnisnormen auf der Rechtsfolgenseite Maßnahmen zur Wiederherstellung der Trinkwasserqualität nach sich ziehen. Der Unterschied zwischen beiden Befugnisnormen liegt allein in der Dringlichkeit der Maßnahmen, die bei § 9 Abs. 4 TrinkwV zusätzlich vorliegt, niedergelegt in dem Tatbestandsmerkmal „unverzüglich“. § 9 Abs. 4 TrinkwV ist daher die grundsätzlich in die Rechte des Betreibers einer Wasserversorgungsanlage stärker eingreifende Befugnisnorm.
c) Für die Anordnung einer Filtrierung bei der Wasserversorgungsanlage der Klägerin L* …m* … liegen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 9 Abs. 5 TrinkwV vor. Danach ordnet das Gesundheitsamt bei Nichteinhaltung oder Nichterfüllung der in § 7 TrinkwV festgelegten Grenzwerte oder Anforderungen Maßnahmen zur Wiederherstellung der Qualität des Trinkwassers an. § 7 Abs. 1 TrinkwV verlangt, dass im Trinkwasser die in Anlage 3 festgelegten Grenzwerte und Anforderungen für Indikator-Parameter eingehalten sein müssen. Indikator-Parameter beziehen sich auf Stoffe und Faktoren, die im Falle einer Überschreitung der Grenzwerte selbst kein oder nur ein geringes gesundheitliches Risiko für den Verbraucher darstellen. Sie zeigen aber indirekt eingetretene Veränderungen der Wasserqualität an, die unter Umständen erhebliche Risiken mit sich bringen können (BR-Drs. 721/00, S. 37). Die Anlage 3 enthält in ihrem Teil I u.a. einen Grenzwert für Coliforme Bakterien im Trinkwasser. Dieser beträgt 0 KBE/100 ml. Daneben enthält die Anlage 3 im Teil I einen Grenzwert für die Trübung in Höhe von 1,0 Nephelometrischen Trübungseinheiten (NTU).
Betrachtet man die vom Gesundheitsamt vorgelegten Untersuchungsbefunde der Wasserversorgungsanlage L* …m* …, so ist zunächst festzustellen, dass der Trübungswert von 1,0 NTU seit 2001 bis zum 23. Dezember 2015 nie überschritten wurde. Bei Coliformen Bakterien gab es eine Überschreitung am 21. Juli 2011, wobei insoweit fragwürdig ist, ob dieser Befund im Zeitpunkt des Bescheidserlasses am 6. Mai 2014 oder jedenfalls im maßgeblichen Zeitpunkt zur Beurteilung der Sach- und Rechtslage am 23. Dezember 2015 nicht verbraucht ist. Es kann jedoch dahingestellt bleiben, da auch in der Zeit zwischen 6. Mai 2014 und dem 23. Dezember 2015 noch vier Grenzwertüberschreitungen bei Coliformen Bakterien zu verzeichnen waren, und zwar bei Probennahmen am 2. September 2014 (1 KBE/100 ml), am 8. September 2014 (2 KBE/100 ml), am 17. November 2014 (1 KBE/100 ml) und am 12. März 2015 (2 KBE/100 ml). Damit lagen die Tatbestandsvoraussetzungen nach § 9 Abs. 5 TrinkwV im maßgeblichen Zeitpunkt vor.
d) Auch für die Anordnung einer Filtrierung bei der Wasserversorgungsanlage Sp* … liegen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 9 Abs. 5 TrinkwV im maßgeblichen Zeitpunkt vor. Anderes gilt jedoch für die Befugnisnorm des § 9 Abs. 4 TrinkwV. Zwar wurde bei der Wasserversorgungsanlage Sp* … am 10. Dezember 2005 eine Grenzwertüberschreitung nach § 5 Abs. 2 i.V.m. Anlage 1 Teil I bei Escherichia coli von 1 KBE/100 ml festgestellt. Dieser Befund war jedoch im Zeitpunkt der streitgegenständlichen Anordnung nicht mehr aktuell: Denn § 9 Abs. 4 TrinkwV sieht vor, dass das Gesundheitsamt bei einer Nichteinhaltung der in den §§ 5 und 6 TrinkwV festgelegten Grenzwerte oder Anforderungen unverzüglich Anordnungen zur Wiederherstellung der Trinkwasserqualität trifft und dass deren Durchführung vorrangig ist. Aufgrund dieses Befundes hätte daher im unmittelbaren Anschluss daran, gegebenenfalls nach einer gewissen Frist zur Abklärung der Ursachen, eine Anordnung getroffen werden können und müssen. Mehr als acht Jahre nach dem Befund kann aber nicht mehr von einer „unverzüglichen“ Anordnung in diesem Sinne gesprochen werden.
Die Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 9 Abs. 5 TrinkwV ergibt sich daraus, dass in der Zeit zwischen Bescheidserlass und dem 23. Dezember 2015 drei Grenzwertüberschreitungen bei Coliformen Bakterien feststellbar sind, und zwar am 14. Juli 2014 (1 KBE/100 ml), am 4. August 2014 (2 KBE/100 ml) und am 14. Januar 2015 (3 KBE/100 ml). Damit lagen die Tatbestandsvoraussetzungen im maßgeblichen Zeitpunkt vor.
e) Liegen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 9 Abs. 4 bzw. Abs. 5 TrinkwV vor, so ordnet das Gesundheitsamt an, dass unverzüglich die notwendigen Maßnahmen zur Wiederherstellung der Trinkwasserqualität getroffen werden (§ 9 Abs. 4 TrinkwV) bzw. ordnet es Maßnahmen zur Wiederherstellung der Qualität des Trinkwassers an (§ 9 Abs. 5 TrinkwV). Weitergehende Konkretisierungen hinsichtlich dieser Maßnahmen enthält die Verordnung nicht. Aufgrund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (vgl. Rathke in Zipfel/Rathke, a.a.O., § 9, Rn. 15) müssen diese Maßnahmen aber geeignet, erforderlich und angemessen sein. Welche Maßnahmen zur Wiederherstellung der Trinkwasserqualität geeignet und erforderlich sind, bemisst sich nach der fachlichen Einschätzung. § 9 Abs. 4 und 5 TrinkwV verweisen insoweit anders als z.B. § 4 Abs. 1 Satz 3 oder § 17 Abs. 1 TrinkwV nicht auf die allgemein anerkannten Regeln der Technik. Ob eine geforderte Maßnahme bereits „allgemein anerkannt“ ist, ist daher im Rahmen dieser Befugnisnormen nicht entscheidend. Ob eine Maßnahme angemessen ist im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, bemisst sich aus einem Vergleich zwischen dem hierfür notwendigen Aufwand und der zuvor bestehenden Belastung des Trinkwassers.
Nach diesen Maßstäben ist die vom Gesundheitsamt geforderte, der von der Klägerin akzeptierten UV-Desinfektion vorgeschaltete Filtrierung zur Wiederherstellung der Qualität des Trinkwassers geeignet, erforderlich und angemessen. Die Klägerin wendet sich nicht gegen die Eignung der Filtrierung zur Wiederherstellung der Qualität des Trinkwassers, sondern macht im Kern geltend, dass diese nicht erforderlich und, jedenfalls wegen der damit verbundenen Kosten, nicht angemessen sei. Diese Argumentation vermag jedoch nach den maßgeblichen fachlichen Einschätzungen nicht zu überzeugen.
Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 TrinkwV dürfen während der Gewinnung, Aufbereitung und Verteilung von Trinkwasser nur Aufbereitungsstoffe verwendet werden, die in einer Liste des Bundesministeriums für Gesundheit enthalten sind. Nach § 11 Abs. 1 Satz 5 TrinkwV dürfen zur Desinfektion von Trinkwasser nur Verfahren zur Anwendung kommen, die einschließlich der Einsatzbedingungen, die ihre hinreichende Wirksamkeit sicherstellen, in die Liste aufgenommen werden. In dieser vom Umweltbundesamt bekannt gemachten Liste, die im maßgeblichen Zeitpunkt zur Beurteilung der Sach- und Rechtslage (23. Dezember 2015) in der Fassung ihrer 18. Änderung (Stand: Oktober 2015) gültig war, ist in Teil II (Desinfektionsverfahren) auch die von der Klägerin jeweils zur Desinfektion gewählte UV-Bestrahlung genannt. Hierzu führt die Legende zu den Einsatzbedingungen (vgl. § 11 Abs. 1 Satz 5 TrinkwV) aus, dass bei Einsatz der Verfahren für die Desinfektion von Oberflächenwasser oder von durch Oberflächenwasser beeinflusstem Wasser auf eine weitestgehende Partikelabtrennung vor der Desinfektion zu achten sei. Dabei seien Trübungswerte im Ablauf der Partikel abtrennenden Stufe im Bereich von 0,1 bis 0,2 NTU anzustreben, wenn möglich zu unterschreiten. Auf die Mitteilung des Umweltbundesamtes „Anforderungen an die Aufbereitung von Oberflächenwässern zu Trinkwasser im Hinblick auf die Eliminierung von Parasiten“ (veröffentlicht im Bundesgesundheitsblatt 12/97) werde ausdrücklich hingewiesen. In der Liste wird also für die Anwendung einer UV-Desinfektion darauf hingewiesen, dass bei durch Oberflächenwasser beeinflusstem Wasser auf eine weitgehende Partikelabtrennung vor der Desinfektion zu achten ist. Nach dieser Partikel abtrennenden Stufe sei eine Trübung von 0,1 bis 0,2 NTU anzustreben. Aus dieser Aussage lässt sich jedoch nicht mit der Klägerin ableiten, dass, wenn ohne eine solche Partikel abtrennende Stufe bereits Trübungswerte im Bereich 0,1 – 0,2 NTU erreicht werden, auf eine solche Stufe verzichtet werden kann.
Ähnliche Aussagen trifft die in der Liste nach § 11 TrinkwV in Bezug genommene Veröffentlichung im Bundesgesundheitsblatt 12/97. In dieser Mitteilung des Umweltbundesamtes mit dem Titel „Anforderungen an die Aufbereitung von Oberflächenwässern zu Trinkwasser im Hinblick auf die Eliminierung von Parasiten“, die nach Anhörung der Trinkwasserkommission des Umweltbundesamtes erstellt wurde, wird ausgeführt, dass entscheidend für eine mikrobiologisch-hygienisch einwandfreie Beschaffenheit eines Wassers nicht in erster Linie der Zusatz und die Einwirkung von Desinfektionsmitteln sei, sondern die Beschaffenheit des Wassers vor der Desinfektion. Eine sorgfältige Aufbereitung von Oberflächenwasser mit einer weitestgehenden Eliminierung von Partikeln sei unerlässliche Voraussetzung für die Minimierung eines Infektionsrisikos und eine wirkungsvolle Desinfektion. Werde das Trinkwasser aus Oberflächengewässern einschließlich Trinkwasser-Talsperren oder nicht ausreichend geschützten Grundwasserleitern z.B. Karstwässern (Hervorhebung durch den Senat) gewonnen, müsse durch Schutz- und Sanierungsmaßnahmen in deren Einzugsgebieten dafür gesorgt werden, dass der Eintrag von Krankheitserregern und insbesondere von Parasiten so gering wie möglich sei. Die eingeführten Desinfektionsverfahren seien gegenüber Parasitendauerformen nicht wirksam. Der kontinuierlichen Überwachung der Trübung komme besondere Bedeutung zu. Mit dem Anstieg der Trübung im Rohwasser sei auch ein Anstieg der Keimzahlen zu befürchten. Werde durch einen optimierten Filtrationsbetrieb eine effektive Trübstoffentnahme sichergestellt, so dass keine Trübungswerte im Filtrat von mehr als 0,2 FNU (Formazine Nephelometric Units; gleichbedeutend mit der Abkürzung NTU, vgl. den Eintrag bei Wikipedia zu Nephelometric Turbidity Unit) und keine mikrobiologischen Beanstandungen nach § 1 TrinkwV aufträten, genüge das unter diesen Voraussetzungen gewonnene Trinkwasser nach derzeitigem Wissensstand den Anforderungen im Hinblick auf die Eliminierung von Parasiten. Auch in dieser fachlichen Stellungnahme des Umweltbundesamtes wird damit wiederum die Bedeutung der Filtration vor einer Desinfektion betont. Aus der Forderung, dass nach der Filtrierung Trübungswerte von nicht mehr als 0,2 FNU/NTU vorhanden sein dürften, kann wiederum nicht abgeleitet werden, dass, wenn derartige Trübungswerte regelmäßig ohne eine Filtration vorliegen, eine solche entbehrlich sei. Denn damit wird keine Aussage über das Nichtvorhandensein der in der Mitteilung genannten Parasitendauerformen getroffen.
Aufbauend auf der eben genannten Mitteilung des Umweltbundesamtes hat dieses im Jahr 2001 eine „Empfehlung zur Vermeidung von Kontaminationen von Trinkwasser mit Parasiten“ (Bundesgesundheitsblatt 2001, 406 ff) veröffentlicht. Darin befasst es sich weitergehend mit den bereits in der vorgenannten Veröffentlichung thematisierten Parasitendauerformen. Nach allgemeinen Ausführungen zu diesen Parasiten stellt das Umweltbundesamt fest, dass trotz fehlender Hinweise für wasserbedingte Parasitosen in Deutschland, aufgrund der fehlenden systematischen Erfassung und Klärung dieser Problematik, davon ausgegangen werden müsse, dass für Wasserversorgungssysteme, die kontaminierte Oberflächenwässer als Rohwässer ohne oder ohne adäquate Aufbereitung oder oberflächenwasserbeeinflusstes Grundwasser ohne Filtrationssysteme verwenden, das Risiko einer wasserbedingten Parasitose grundsätzlich nicht unter Kontrolle gehalten werden könne. Die Entfernung der Parasitendauerformen aus dem Wasser sei nur durch eine leistungsfähige Filtration möglich (S. 407). Ursachen für das Vorkommen von Parasiten in Rohwasser seien immer Kontaminationen mit Abwässern, durch Wildtiere, der Zufluss kontaminierten Oberflächenwassers oder auch die intensive Tierhaltung oder Ausbringung von Gülle in Trinkwasserschutzgebieten. Das Umweltbundesamt hält also auch in dieser Empfehlung an der bereits vier Jahre vorher getroffenen Aussage zur grundsätzlichen Notwendigkeit einer Partikel abtrennenden Stufe fest.
Schließlich hat auch die Deutsche Vereinigung des Gas- und Wasserfaches e.V. (DVGW) als Vereinigung der einschlägigen Fachunternehmen in ihrem Arbeitsblatt W 290 – Trinkwasserdesinfektion – Einsatz- und Anforderungskriterien, Aussagen zu dieser Thematik getroffen. So findet sich zunächst unter Ziff. 4 (Notwendigkeit und Ziel der Desinfektion) die allgemeine Aussage, dass Wasser aus einem gut geschützten und gut filtrierenden (Hervorhebung durch den Senat) Grundwasserleiter im Lockergesteinsbereich aus hygienisch-mikrobiologischer Sicht ohne Aufbereitung und Desinfektion für die Trinkwasserversorgung eingesetzt werden könne. Mikrobiell belastete Gewässer bedürften in aller Regel einer Aufbereitung zur Partikelentfernung unter Einbeziehung einer Desinfektion. Ob eine Desinfektion allein ausreiche, müsse im Einzelfall geprüft werden (unter Verweis auf die Ziff. 5.2). Hier findet sich im Sinne der Argumentation der Klägerin also erstmals ein Hinweis darauf, dass eine alleinige Desinfektion aus fachlicher Sicht ausreichen könnte. Betrachtet man die in Bezug genommene Ziff. 5.2 des Arbeitsblatts, so findet sich dort zunächst die allgemeine Feststellung, dass Voraussetzung für eine sichere Desinfektion von Oberflächen-, Quell- und Grundwässern eine weitgehende Trübstoff- und Partikelfreiheit sei. Im Weiteren findet sich die Aussage, dass bei der Nutzung von Oberflächenwässern zur Trinkwassergewinnung ohne Untergrundpassage vor der Desinfektion immer eine Trübstoff- und Partikeleliminierung erforderlich sei. Inwieweit bei der Nutzung von Quell- und Grundwässern vor der Desinfektion eine Trübstoff- und Partikelentfernung erforderlich sei, hänge dagegen von der Belastung des Wassers ab. Würden die in der Empfehlung des Umweltbundesamts von 2001 angegebenen mikrobiologischen Belastungen nicht überschritten und lägen die Trübungswerte deutlich unterhalb des Grenzwertes der Trinkwasserverordnung von 1,0 FNU, sei im allgemeinen keine Aufbereitung zur Trübstoff- und Partikelentfernung erforderlich. Andernfalls sei auf der Grundlage einer Bewertung der Gesamtsituation im Einzugsgebiet zu entscheiden. Die technische Regel ist daher mit ihren Aussagen sehr vorsichtig. Auch soweit die Trübungswerte unterhalb des Grenzwertes von 1,0 FNU lägen, wird nur die Aussage getroffen, dass „im allgemeinen“ keine Aufbereitung zur Trübstoff- und Partikelentfernung erforderlich sei. Der Automatismus, den die Klägerin für sich in Anspruch nimmt, wird also auch in dieser technischen Regel nicht formuliert.
Schließlich ist noch die von der Klägerin zur Unterstützung ihrer Argumentation herangezogene DIN 2001-1 zu berücksichtigen. Dort findet sich in der Ziff. 6.3.8.3 die Aussage, dass, wenn mit Zustimmung des Gesundheitsamtes mikrobiell belastetes Wasser zur Trinkwasserversorgung herangezogen werden muss, eine mehrstufige Aufbereitung erforderlich sei, mit der sichergestellt werden könne, dass das aufbereitete Trinkwasser den Anforderungen nach Ziff. 5.2.1 (wo der Wortlaut des § 4 Abs. 1 TrinkwV im Wesentlichen wiedergegeben wird) entspricht. Des Weiteren wird ausgeführt, dass mikrobiell kontaminiertes Wasser durch Filtration und Desinfektion aufzubereiten sei. Durch Filtration sei sicherzustellen, dass Trübstoffe, in denen sich Krankheitserreger verbergen und vor Desinfektionsmaßnahmen geschützt seien, weitgehend entfernt würden, so dass eine sichere Desinfektion möglich sei. Als ausreichend werde eine Resttrübung von kleiner als 0,2 Trübungseinheiten (FNU) unmittelbar nach der Filtration angesehen. Auch hier wird also wieder die Gewährleistung einer Resttrübung von maximal 0,2 Trübungseinheiten nach der Filtration gefordert. In Abs. 7 der Ziff. 6.3.8.3 führt die DIN-Vorschrift dann aus, dass auf die Filtrationsstufe mit Zustimmung des Gesundheitsamtes verzichtet werden könne, wenn die Trübung des Rohwassers vor der Desinfektion ständig, auch bei außergewöhnlichen Wetterereignissen, wie Schneeschmelze oder Starkregen, den Anforderungen der Trinkwasserverordnung entspreche und das Rohwasser keine parasitären Protozoen enthalte. Der Verzicht auf eine Filtrationsstufe wird damit nach der DIN-Vorschrift ins Ermessen des Gesundheitsamtes gestellt und von einer Gesamtbewertung der Umstände des Einzelfalls abhängig gemacht.
Wendet man diese Grundsätze nun auf den konkreten Fall der Wasserversorgungsanlagen der Klägerin an, so führt dies zu dem Ergebnis, dass eine vorgeschaltete Filtrierungsstufe erforderlich ist. Wie das Gesundheitsamt in verschiedenen Stellungnahmen, die während des gerichtlichen Verfahrens abgegeben und auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat wiederholt wurden, mehrfach betont hat, liegen die für die Wasserversorgung der Klägerin erschlossenen Quellen nur wenige Meter unter der Oberfläche. Die Filterfunktion des Bodens, die nach den vorstehend wiedergegebenen sachverständigen Stellungnahmen eine entscheidende Bedeutung für die Freiheit des Rohwassers von Parasiten hat, ist daher im Bereich der Wasserversorgungsanlagen der Klägerin nur sehr gering ausgeprägt. Damit kann trotz der von der Klägerin festgelegten Wasserschutzgebiete bei einem Eintrag von Parasiten oder Krankheitserregern z.B. durch Kot von Wildtieren, aufgrund der geringen Filterungswirkung nicht ausgeschlossen werden, dass diese Erreger ihren Weg in das Rohwasser finden. Insbesondere bei Starkregenereignissen oder bei Schneeschmelze kann dies der Fall sein. Entgegen der klägerischen Argumentation kann auch keine Rede davon sein, dass wegen der Einrichtung von Trinkwasserschutzgebieten für die klägerischen Wasserversorgungseinrichtungen konkret keine Gefahr von Verunreinigungen des Rohwassers bestünde. Einen so weitgehenden Schutz vermag ein Wasserschutzgebiet nämlich nicht zu gewähren.
Die nun über vier Jahre wöchentlich vorgenommene Messung der Trübungswerte kann somit nicht darüber hinweg täuschen, dass die Einhaltung solch geringer Trübungswerte dauerhaft nicht mit Sicherheit gewährleistet ist. Denn an der geringen Mächtigkeit der über den Grundwasser führenden Schichten liegenden Deckschichten, dokumentiert in der im wasserrechtlichen Verfahren abgegebenen Stellungnahme des Wasserwirtschaftsamts Deggendorf, lässt sich nun einmal nichts ändern. Diese Problematik ist auch durch die in den vergangenen Jahren wiederholt aufgetretenen Verunreinigungen bei den drei Wasserversorgungsanlagen mit Escherichia coli, Coliformen Bakterien und Enterokokken bestätigt. Sie wird durch die Tatsache, dass seit dem Einbau der UV-Desinfektionsanlagen ein derartiger Befund nicht mehr aufgetreten ist, nicht grundlegend in Frage gestellt. Denn auch insoweit ist wiederum festzuhalten, dass diese nichts an der geringen Mächtigkeit der filtrierenden Deckschichten ändern können. Hinzu kommt, dass verschiedene Parasitendauerformen durch die nach der Trinkwasserverordnung vorgegebenen Tests gar nicht erfasst werden (vgl Umweltbundesamt, Bundesgesundheitsblatt 12/1997, S. 484).
Die Argumentation der Klägerin, es seien nur selten Keime festgestellt worden, so dass nicht von einer (starken) mikrobiellen Belastung des Wassers gesprochen werden könne, geht an der im Einzugsbereich der klägerischen Wasserversorgungsanlagen bestehenden Problematik vorbei. Daneben ist aufgrund der vorliegenden Befunde nachgewiesen, dass das Wasser aller drei Versorgungsanlagen wiederholt mit Keimen belastet war. Das DVGW-Arbeitsblatt W 290 führt zwar, worauf die Klägerin zutreffend hinweist, auf S. 8 aus, dass die Notwendigkeit einer Aufbereitung vor der Desinfektion umso höher ist, je höher die mikrobielle Belastung des Rohwassers ist und je öfter Belastungssituationen auftreten. Nachweise von mehr als 10 Escherichia coli bzw. 100 coliformen Bakterien pro 100 ml wiesen auf eine hohe Belastung hin. Gleichzeitig weist es einige Zeilen weiter vorne darauf hin, dass, wenn die in der Empfehlung des Umweltbundesamts von 2001 angegebenen mikrobiologischen Belastungen nicht überschritten werden und die Trübungswerte deutlich unterhalb 1,0 FNU lägen auf der Grundlage einer Bewertung der Gesamtsituation im Einzugsgebiet zu entscheiden ist. Das DVGW-Arbeitsblatt W 290 geht damit nicht von einem Automatismus aus, dass bei nicht als „hoch“ einzustufenden mikrobiellen Belastungen des Wassers auf eine vorgeschaltete Filtrierung verzichtet werden könne. Vielmehr verlangt es dann eine Bewertung der Gesamtsituation im Einzugsgebiet. Eine solche hat das Gesundheitsamt hier aber gerade vorgenommen und ist aufgrund derselben zu dem Ergebnis gelangt, dass auf eine vorgeschaltete Filtrierung nicht verzichtet werden kann.
Ob es sich bei dem Rohwasser der Wasserversorgungsanlagen der Klägerin um Quellwasser „im eigentlichen Sinn“ handelt oder ob es sich um eher dem Oberflächenwasser angenähertes Wasser handelt, und ob diese Einschätzung aus den von der Klägerin vorgetragenen Gründen falsch ist, ist nicht entscheidungserheblich. Der Senat versteht die diesbezügliche Formulierung des Gesundheitsamts, die Eingang in die Entscheidungsgründe des verwaltungsgerichtlichen Urteils gefunden hat, dahingehend, dass damit die Problematik der geringen Filterung veranschaulicht werden sollte. Für die getroffene Anordnung ist diese Begrifflichkeit aber nicht ausschlaggebend, sondern vielmehr, dass Grenzwerte nach §§ 5, 7 TrinkwV überschritten wurden und eine der Desinfektion vorgeschaltete Filtrierung im Einzugsbereich der streitgegenständlichen Wasserversorgungsanlagen nach sachverständiger Einschätzung erforderlich ist.
Die Anordnung einer Filtrierung vor der UV-Desinfektion ist auch angemessen, also verhältnismäßig im engeren Sinne. Die Angaben, mit welchen Kosten hier zu rechnen ist, unterscheiden sich insoweit erheblich. Während die Klägerin von 200.000,- EUR ausgeht, belaufen sich die Kosten nach den Angaben des Beklagten auf deutlich unter 100.000,- EUR. Wie hoch die Kosten tatsächlich sind, kann jedoch dahingestellt bleiben, da es sich bei der Sicherheit des Trinkwassers um ein sehr hohes Schutzgut handelt. Daneben besteht für die Klägerin die Möglichkeit, die entstehenden Kosten über mehrere Jahre verteilt abzuschreiben und in die Wassergebühren einzukalkulieren, so dass die Belastung auf viele Schultern verteilt wird.
Schließlich lässt sich der von der Klägerin geforderte Verzicht auf die der Desinfektion vorgeschaltete Filtrierung auch nicht mit § 9 Abs. 4 Satz 2 TrinkwV bzw. § 9 Abs. 5 Satz 2 TrinkwV begründen. Bei beiden Bestimmungen handelt es sich um spezielle Ausprägungen des Verhältnismäßigkeitsprinzips (Rathke in Zipfel/Rathke, a.a.O., § 9 Rn. 15, 16). Hintergrund dieser Ergänzungen zu den Eingriffsregelungen der § 9 Abs. 4 und 5 TrinkwV ist, dass deren Tatbestandsvoraussetzung nicht die Gefahr einer Schädigung der menschlichen Gesundheit, sondern die Nichteinhaltung oder Nichterfüllung bestimmter Grenzwerte oder Anforderungen ist. Dies muss aber nicht zwingend mit einer Gefährdung der menschlichen Gesundheit einhergehen (Rathke a.a.O.). Der für die Wasserversorgungsanlage L* … einschlägige § 9 Abs. 4 Satz 2 TrinkwV lässt jedoch allein eine zeitliche Verschiebung der erforderlichen Maßnahmen aufgrund fehlender Dringlichkeit zu. Eine solche ist jedoch angesichts der weiterhin bestehenden Problematik der unzureichenden Filterung der Bodenschichten nicht angezeigt. Bezüglich der Wasserversorgungsanlagen L* …m* … und Sp* … eröffnet § 9 Abs. 5 Satz 2 TrinkwV zwar grundsätzlich die Möglichkeit, im Ermessenswege im Einzelfall von einer Anordnung von Maßnahmen zur Wiederherstellung der Qualität des Trinkwassers abzusehen, wenn eine Schädigung der menschlichen Gesundheit nicht zu besorgen ist und Auswirkungen auf die eingesetzten Materialien nicht zu erwarten sind. Vorliegend fehlt es aber bereits an den Tatbestandsvoraussetzungen, da wegen der unzureichenden Filterungswirkung der Bodenschichten ohne die angeordneten Maßnahmen eine Schädigung der menschlichen Gesundheit zu besorgen ist.
2. Auch die in Ziff. 2 der streitgegenständlichen Bescheide angeordnete wöchentliche Untersuchung des Wassers bis zum Einbau der Filteranlagen ist rechtmäßig. Rechtsgrundlage ist § 20 Abs. 2 Nr. 3 TrinkwV. Danach kann das Gesundheitsamt, wenn es unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zum Schutz der menschlichen Gesundheit oder zur Sicherstellung einer einwandfreien Beschaffenheit des Trinkwassers erforderlich ist, anordnen, dass der Unternehmer oder der sonstige Inhaber einer Wasserversorgungsanlage die Untersuchungen nach § 14 TrinkwV in kürzeren als den in dieser Vorschrift genannten Abständen durchzuführen oder durchführen zu lassen hat.
Die Klägerin ist Inhaberin einer Wasserversorgungsanlage nach § 3 Nr. 2 Buchst. a oder Buchst. b TrinkwV. Damit unterliegt sie der Untersuchungspflicht nach § 14 Abs. 1 TrinkwV. Nach deren Ziffern 1 und 3 hat sie daher das Trinkwasser grundsätzlich auf die Einhaltung der Grenzwerte nach § 5 Abs. 2 oder § 7 TrinkwV zu untersuchen. Die Häufigkeit der Untersuchungen richtet sich nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TrinkwV und der Anlage 4 zur Trinkwasserverordnung. Letztere differenziert zwischen routinemäßigen Untersuchungen und umfassenden Untersuchungen. Während Escherichia coli, Coliforme Bakterien und Trübung von den routinemäßigen Untersuchungen erfasst sind, sind Enterokokken nur von der umfassenden Untersuchung erfasst. Dennoch handelt es sich bei allen genannten Parametern um nach § 14 Abs. 1 TrinkwV ohnehin zu untersuchende Parameter. Diese sind nach Ziff. 2 des Bescheides nun wöchentlich zu untersuchen. Damit hält sich die Anordnung im Rahmen der Befugnisnorm.
Tatbestand:svoraussetzung ist die Erforderlichkeit der Untersuchung zum Schutz der menschlichen Gesundheit oder zur Sicherstellung einer einwandfreien Beschaffenheit des Trinkwassers. Angesichts der Tatsache, dass es in den vergangenen Jahren bei den Wasserversorgungsanlagen der Klägerin wiederholt zu Grenzwertüberschreitungen gekommen ist, zu deren Beseitigung in Zukunft die in Ziff. 1 angeordneten Maßnahmen erforderlich sind, ist es auch erforderlich, bis zur Installation der angeordneten technischen Vorkehrungen das Wasser entsprechend häufiger zu untersuchen. Anhaltspunkte für eine Überschreitung des Ermessens oder andere Ermessensfehler sind weder ersichtlich noch dargelegt.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 VwGO).


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