Europarecht

Modernisierung der IT-Infrastruktur in Rechtsanwaltskanzlei

Aktenzeichen  W 8 K 19.1546

Datum:
25.5.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 11230
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayHO Art. 23, Art. 44
GewStG § 2 Abs. 1 S.2
EStG § 15 Abs. 2 S. 1
GG Art. 3
PartGG § 1 Abs. 1 S. 2
VwGO § 113 Abs. 5 S. 1, § 114

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Die Klage ist als Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage zulässig. Insbesondere ist die Klägerin selbst beteiligtenfähig.
Die Beteiligtenfähigkeit der Klägerin als Rechtanwaltskanzlei in der Rechtsform der Partnerschaft gemäß § 61 Nr. 2 VwGO gegeben (Schöne in BeckOK BGB, Bamberger/Roth/Hau/Poseck, 53. Ed., Stand 1.2.2020, § 1 PartGG Rn. 4), da sie kraft ausdrücklicher gesetzlicher Regelung vor Gericht klagen und verklagt werden kann (§ 124 Abs. 1 HGB i.V.m. § 7 Abs. 2 PartGG – wie OHG).
Die Klage ist unbegründet.
Der streitgegenständliche Ablehnungsbescheid vom 22. Oktober 2019 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Sie hat keinen Anspruch auf die begehrte Förderung.
Die Regierung von … hat im streitgegenständlichen Bescheid vom 22. Oktober 2019 die Sach- und Rechtslage zutreffend dargestellt und dabei auf die einschlägigen Rechtsgrundlagen verwiesen. Zur Vermeidung von Wiederholungen kann auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Bescheid, den die Regierung von … in ihrer Klageerwiderung noch ergänzt und vertieft hat, Bezug genommen und insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden (§ 117 Abs. 5 VwGO). Das Klagevorbringen führt zu keiner anderen Beurteilung.
Im Einzelnen ist weiter auszuführen:
Die Klägerin hat keinen Rechtsanspruch auf Gewährung einer Zuwendung, da die Förderung eine freiwillige Maßnahme des Freistaates Bayern ist und die Gewährung der Zuwendung im billigen Ermessen und im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel (Art. 23, 44 BayHO) erfolgt. Ein Anspruch ergibt sich nur ausnahmsweise, insbesondere aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) durch Selbstbindung der Verwaltung aufgrund ständiger Verwaltungspraxis auf der Basis der Richtlinien. Des Weiteren liegt auch kein atypischer Ausnahmefall vor. Genauso wenig ist der Ausschluss der Klägerin als Freiberuflerin nach der Richtlinie und der Förderpraxis des Beklagten als gleichheitswidriger oder gar willkürlicher Verstoß zu werten.
Bei Zuwendungen der vorliegenden Art handelt es sich um freiwillige Maßnahmen des Freistaates Bayern. Eine explizite Rechtsnorm, die konkret einen Anspruch der Klägerin auf Bewilligung der beantragten Zuwendung begründet, existiert nicht. Vielmehr erfolgt die Zuwendung auf der Grundlage der einschlägigen Förderrichtlinien im billigen Ermessen der Behörde und im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel (Art. 23, 44 BayHO). Ein Rechtsanspruch besteht danach nur ausnahmsweise, insbesondere aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) durch eine Selbstbindung der Verwaltung aufgrund einer ständigen Verwaltungspraxis auf Basis der einschlägigen Richtlinien. Die Förderrichtlinien begründen als ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften nicht wie Gesetze und Rechtsverordnungen unmittelbar Rechte und Pflichten, sondern entfalten erst durch ihre Anwendung Außenwirkung. Das Gericht ist somit grundsätzlich an den Zuwendungszweck gebunden, wie ihn der Zuwendungsgeber versteht. Für die gerichtliche Prüfung einer Förderung ist deshalb entscheidend, wie die Behörde des zuständigen Rechtsträgers die Verwaltungsvorschrift im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger Praxis gehandhabt hat und in welchem Umfang sie infolgedessen durch den Gleichheitssatz gebunden ist (vgl. BayVGH, U.v. 11.10.2019 – 22 B 19.840 – juris Rn. 26; U.v. 28.10.1999 – 19 B 96.3964 – juris Rn. 59; VG München, U.v. 19.11.2009 – M 15 K 07.5555 – juris Rn. 30). Ein Anspruch auf die Förderung besteht im Einzelfall über den Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung und den Gleichheitssatz dann, wenn die in den Richtlinien dargelegten Fördervoraussetzungen vorliegen und vergleichbare Anträge in ständiger Förderpraxis des Beklagten auch positiv verbeschieden werden (BayVGH, U.v. 11.10.2019 – 22 B 19.840 – juris Rn. 26; siehe auch VG Würzburg, Ue. v. 13.1.2020 – W 8 K 19.364 und W 8 K 19.1096 – jeweils juris).
Sind die Fördervoraussetzungen – wie hier – zulässigerweise in Förderrichtlinien geregelt, so müssen diese von der zuständigen Bewilligungsbehörde gleichmäßig (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV), im Einklang mit Art. 23 und 44 BayHO, ohne Verstoß gegen andere Rechtsvorschriften und gemäß dem Förderzweck angewendet werden, wie dieser in den selbst gegebenen Richtlinien zum Ausdruck kommt. Die Verwaltungsgerichte haben sich auf die Prüfung zu beschränken, ob bei der Anwendung einer solchen Richtlinie im Einzelfall der Gleichheitssatz verletzt worden ist oder gegebenenfalls ein sonstiger Verstoß gegen einschlägige materielle Rechtsvorschriften vorliegt. Entscheidend ist daher allein, wie die zuständige Behörde die Richtlinie im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger, zu einer Selbstbindung führenden Verwaltungspraxis gehandhabt hat und in welchem Umfang sie infolgedessen an den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV) gebunden ist. Dabei darf eine solche Richtlinie nicht – wie Gesetze oder Rechtsverordnungen – gerichtlich ausgelegt werden, sondern sie dient nur dazu, eine dem Gleichheitsgrundsatz entsprechende Ermessensausübung der Behörde zu gewährleisten (BVerwG, U.v. 16.6.2015 – 10 C 15.14 – BVerwGE 152, 211 – juris Rn. 24; BayVGH, B.v. 17.11.2010 – 4 ZB 10.1689 – juris Rn. 19; BayVGH. B.v. 27.7.2009 – 4 ZB 07.1132 – juris Rn. 13).
Die rechtliche Prüfung im vorliegenden Fall hat demnach nicht daran anzusetzen, wie die maßgeblichen Förderrichtlinien und andere Unterlagen auszulegen wären, sondern daran, welche Förderpraxis des Beklagten dem Zuwendungsbescheid zugrunde lag (BayVGH, U.v.11.10.2019 – 22 B 19.840 – juris). Da Richtlinien keine Rechtsnormen sind, unterliegen sie auch grundsätzlich keiner richterlichen Interpretation. Eine Überprüfung hat sich darauf zu beschränken, ob aufgrund der einschlägigen Förderrichtlinien überhaupt eine Verteilung öffentlicher Mittel vorgenommen werden kann (Vorbehalt des Gesetzes) und bejahendenfalls, ob bei Anwendung der Richtlinien in Einzelfällen, in denen die begehrte Leistung versagt worden ist, der Gleichheitssatz (Art. 3 GG) verletzt oder der Rahmen, der durch die gesetzliche Zweckbestimmung gezogen ist, nicht beachtet worden ist (vgl. BVerwG, U.v. 26.4.1979 – 3 C 111/79 – BVerwGE 58, 45; BayVGH, U.v.11.10.2019 – 22 B 19.840 – juris).
Die Richtlinien setzen Maßstäbe für die Verteilung der Fördermittel und regeln insoweit die Ermessenshandhabung. Die Ermessensbindung reicht jedoch nur soweit wie die festgestellte tatsächliche ständige Verwaltungspraxis. Die gerichtliche Überprüfung erfolgt nur im Rahmen § 114 VwGO. Das Gericht hat nicht die Befugnis zu einer eigenständigen oder gar erweiternden Auslegung der Richtlinien (SaarlOVG, B.v. 28.5.2018 – 2 A 480/17 – NVwZ-RR 2019, 219; OVG SH, U.v. 17.5.2018 – 3 LB 5/15 – juris; OVG NRW, B.v. 29.5.2017 – 4 A 516/15 – juris; HessVGH, U.v. 28.6.2012 – 10 A 1481/11 – ZNER 2012, 436).
Nach diesen rechtlichen Vorgaben hat die Klägerin mit ihr rechtsanwaltlichen, freiberuflichen Tätigkeit keinen Rechtsanspruch aufgrund der Selbstbindung der Verwaltung, da nach der maßgeblichen Förderpraxis auf der Basis der Richtlinien nur eine Förderung der gewerblichen Wirtschaft, also der gewerblichen KMU (kleine und mittlere Unternehmen) erfolgt, die gewerbesteuerpflichtig und keine Freiberufler sind. Dass in der Verwaltungspraxis keine Förderung von Freiberuflern erfolgt – auch nicht in der Rechtsform einer GmbH -, hat der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung am 22. Mai 2020 ausdrücklich nochmals bestätigt. Vielmehr wird in der Praxis die Regelung zur Gewerbesteuerpflicht, der die Freiberufler als solche nicht unterfallen, herangezogen.
Die Verwaltungspraxis steht auch mit den einschlägigen Förderrichtlinien im Einklang. So wird schon in der Vorbemerkung der Richtlinien zum Förderprogramm „Digitalbonus“ (7071-W-184, Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie vom 12. September 2016, Az. 73-3400/472/6, AllMBl. S. 2142) ausdrücklich unter anderem ausgeführt, dass der Freistaat … eine Förderung an die gewerbliche Wirtschaft gewährt für die Digitalisierung sowie die Verbesserung der IT-Sicherheit in kleinen und mittleren Unternehmen. Unter Nr. 3 dieser Richtlinien zum Förderprogramm „Digitalbonus“ ist ausdrücklich vermerkt, dass nur KMU der gewerblichen Wirtschaft mit einer Betriebsstätte im Freistaat … antragsberechtigt sind. Die in der Vorbemerkung in Bezug genommene Allgemeine Verwaltungsvorschrift für die Gewährung von Zuwendungen an die gewerbliche Wirtschaft (AVG) nimmt ihrerseits Bezug auf eine Förderung konkret der gewerblichen Wirtschaft aus Mitteln der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“. Des Weiteren wird dort Bezug genommen konkret auf die besonderen Nebenbestimmungen für Zuwendungen an die gewerbliche Wirtschaft (BNZW). Zudem hat der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung angeführt, dass explizit bei der Förderung eine Bezugnahme auf die Industrie- und Handelskammer sowie Handwerkskammern genommen wurde.
Der Einwand der Klägerseite, dass in Nr. 1 Satz 1 der Förderrichtlinie zum „Digitalbonus“ von „allen“ Unternehmen spricht, verfängt nicht, weil schon im nächsten Satz die Einschränkung auf KMU erfolgt und sowohl davor in der Vorbemerkung als auch nachfolgend unter Nr. 3 dieser Richtlinie der ausdrückliche einschränkende Bezug auf die gewerbliche Wirtschaft erfolgt. Gefördert werden sollen konkret nicht alle Unternehmen und auch nicht alle KMU, sondern nur gewerbliche KMU. Nach diesen Vorgaben hat sich die Förderpraxis der Verwaltung auch explizit ausgerichtet.
Die Beklagtenseite hat des Weiteren zutreffend darauf hingewiesen, dass in ihrer Praxis Grundlage für die Differenzierung zwischen Gewerbebetrieb und Freiberufler die steuerrechtliche Definition des Gewerbebetriebs in § 2 Abs. 1 Satz 1 Gewerbesteuergesetz (GewStG) i.V.m. § 15 Abs. 2 Satz 1 Einkommensteuergesetz (EStG) ist, um KMU der gewerblichen Wirtschaft zu konkretisieren verbunden mit dem Ausschluss von Freiberuflern. Die Ausübung freier Berufe unterfällt ausdrücklich nicht der Gewerbesteuerpflicht.
Die Klägerin in Form einer Partnerschaft fällt damit nicht unter die Definition der vorliegend begünstigten gewerblichen Unternehmen.
Die Partnerschaft ist eine Gesellschaft, in der sich Angehörige freier Berufe zur Ausübung ihrer Berufe zusammenschließen (§ 1 Abs. 1 S. 1 PartGG). Die Partnerschaft übt kein Handelsgewerbe aus (§ 1 Abs. 1 S. 2 PartGG).
Freie Berufe sind von Gewerbe abzugrenzen; auch bei Zusammenschlüssen sollen die Wesensmerkmale des freien Berufes gewahrt werden (vgl. dazu Lenz in Meilicke u.a., PartGG, 3. Aufl. 2015 § 1 Rn.3). Die Partnerschaft will die Lücke zwischen der BGB-Gesellschaft und den Kapitalgesellschaften schließen, indem sie als Personengesellschaft einerseits dem Charakter freiberuflicher Berufsausübung gerecht wird und sie sich andererseits auf Grund einer verfestigten Struktur, ihrer Rechtsfähigkeit, ihrer Registerpflichtigkeit und ihrer Haftungsverfassung nebst nach neuem Recht möglicher Haftungsbegrenzung auch als Unternehmensträgerin für größere, auch interprofessionelle, überregionale und internationale Zusammenschlüsse eignet. Neben der Partnerschaft sollen auch die Kapitalgesellschaften grundsätzlich zur Verfügung stehen. Diese können insbesondere dann als Organisationsform vorzugswürdig sein, wenn großer Investitionsbedarf besteht und gegebenenfalls die Möglichkeiten der Kapitalgesellschaft zur Eigenkapitalbeschaffung genutzt werden sollen (Brüggemann in Weyland, BRAO, 10. Aufl. 2020, § 1 PartGG Rn. 2 u. 4).
Die Partnerschaft grenzt sich weiter deutlich von der GmbH ab (Hirtz in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2019, § 1 PartGG R.n 5). Abgesehen davon, dass es zahlreiche Unterschiede zwischen einer GmbH und einer Partnerschaft gibt, etwa im Haftungsbereich sowie bei der Publizität von Daten oder im Steuerrecht (vgl. im Einzelnen Schöne in BeckOK BGB, Bamberger/Roth/Hau/Poseck, 53. Ed., Stand 1.2.2020, § 1 PartGG Rn. 5; Schäfer in Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl. 2017, vor § 1 PartGG Rn. 22 ff.; Brüggemann in Weyland, BRAO, 10. Aufl. 2020, § 1 PartGG Rn. 7 und 12 jeweils m.w.N.), hat der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich betont, dass auch Freiberufler in der GmbH nach der gängigen Verwaltungspraxis nicht der Förderung der streitgegenständlichen Richtlinie unterfallen.
Die Klägerin hat nach alledem keinen Anspruch auf die begehrte Zuwendung, weil sie nach der an den Förderrichtlinien ausgerichteten Zuwendungspraxis nicht zum Kreis der Zuwendungsberechtigten gehört (vgl. OVG NRW, B.v. 29.1.2018 – 4 A 527/16 – juris).
Eine eventuelle künftige Änderung der Richtlinie und der Verwaltungspraxis (siehe „Dringlichkeitsantrag 2“ vom 18.2.2020) – wie von der Klägerin vorgebracht – ist irrelevant. Zum einen steht nicht fest, dass (und wann) die politisch teilweise gewünschte Änderung wirklich umgesetzt wird. Zum anderen belegen die dahingehenden Änderungsbestrebungen, dass es gegenwärtig noch an einer derartigen „Regelung“ samt Verwaltungspraxis gerade fehlt. Sonst wäre eine Änderung entbehrlich.
Vorliegend liegt des Weiteren keine atypische Fallgestaltung aufgrund Besonderheiten des Einzelfalles vor.
Ausgangspunkt ist – wie ausgeführt – die ständige Förderpraxis in vergleichbaren Fällen, sofern sie nicht im Einzelfall aus anderen Gründen zu rechtswidrigen Ergebnissen führt. Spielraum für die Berücksichtigung der Besonderheiten atypischer Fälle muss bleiben (Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 20. Aufl. 2019, § 40 Rn. 42 ff.; Schenke/Ruthig in Kopp/Schenke, VwGO 25. Aufl. 2019, § 114 Rn. 41 ff.).
Ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften dürfen nur für den Regelfall gelten und müssen Spielraum für die Berücksichtigung der Besonderheiten atypischer Fälle lassen. Ein derartiger atypischer Fall ist dann gegeben, wenn der konkrete Sachverhalt außergewöhnliche Umstände aufweist, deren Besonderheiten von der ermessenslenkenden Vorschrift nicht hinreichend erfasst und von solchem Gewicht sind, dass sie eine von der im Regelfall vorgesehenen Rechtsfolge abweichende Behandlung gebieten (OVG NRW, B.v. 29.5.2017 – 4 A 516/15 – juris).
Wenn unzureichende Richtlinien selbst ermessensfehlerhaft sind oder ihre Anwendung im konkreten Fall den besonderen Ermessenserfordernissen des § 114 VwGO nicht genügt, kann auch ihre sonst korrekte Anwendung die Ermessensfehlerhaftigkeit des betroffenen Handelns nicht ausschließen. (Schenke/Ruthig in Kopp/Schenke, VwGO 25. Aufl. 2019, § 114 Rn. 42).
Vorliegend ist kein atypischer Ausnahmefall gegeben, der eine abweichende Entscheidung des Beklagten hätte gebieten müssen (vgl. OVG NRW, B.v. 29.5.2017 – 4 A 516/15 – juris), weil zulässige Kriterien für die Ungleichbehandlung bei der Gewährung öffentlicher Zuschüsse bestehen und die Ungleichbehandlung nicht willkürlich ist. Denn zwischen Freiberuflern, konkret Rechtsanwälten in Form der Partnerschaft, und Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft bestehen grundlegende Unterschiede, nicht nur bei der Steuerpflicht.
Hier ist kein atypischer Ausnahmefall wegen Besonderheiten des vorliegenden Einzelfalles mit konkretem Bezug auf die Klägerin gegeben, da nach Auffassung der Klägerin vielmehr alle KMU erfasst werden sollten, also auch alle Freiberufler (sowie Selbständige und Landwirte usw.). Eine konkrete atypische Sondersituation konkret bezogen auf die Klägerin ist nicht zu erkennen. Vielmehr sind Freiberufler generell ausgeschlossen.
Der Ausschluss der Klägerin vom Kreis der Zuwendungsempfänger ist schließlich auch sonst keine unzulässige Ungleichbehandlung, da keine Willkür vorliegt, sondern sachgerechte, vertretbare Gründe gegeben sind.
Art. 3 Abs. 1 GG gebietet eine gleichmäßige Verwaltungspraxis. Dazu gehört das Verbot einer nicht durch sachliche Unterschiede gerechtfertigten Differenzierung zwischen verschiedenen Sachverhalten bei der Förderung (BayVGH, U.v.11.10.2019 – 22 B 19.840 – juris Rn 32).
Bei der Verteilung staatlicher Leistungen ist der Kreis der Begünstigten und die Auswahl der verfügten Mittel unter Beachtung des Leistungszwecks sachgemäß abzugrenzen bzw. zu bestimmen, zum Beispiel beim Verteilungsermessen (Schenke/Ruthig in Kopp/Schenke, VwGO 25. Aufl. 2019, § 114 Rn. 43). Der Gleichheitssatz gebietet dem Subventionsgeber, ein gleichheitsgerechtes Verteilungsprogramm zu erstellen (SaarlOVG, B.v. 28.5.2018 – 2 A 480/17 – NVwZ-RR 2019, 219). Geboten ist eine landesweit gleichmäßige und willkürfreie Mittelverteilung. Nicht erlaubt ist eine uneinheitliche und damit objektiv willkürliche Förderpraxis (BayVGH, U.v. 25.7.2013 – 4 B 13.727 – DVBl 2013, 1402).
Bei der Gewährung von staatlichen Fördermitteln muss eine an Art. 3 Abs. 1 GG orientierte Vergabe sichergestellt sein. Da sich im Haushaltsplan und in den haushaltsgesetzlichen Vorschriften meist nur allgemeine Zweckvorgaben finden, muss der für den Haushaltsvollzug parlamentarisch verantwortliche Staatsminister durch den Erlass verwaltungsintern verbindlicher Richtlinien für eine landesweit gleichmäßige und willkürfreie Mittelverteilung sorgen (vgl. Oldiges, NJW 1984, 1927/1929 m.w.N.). Da den Vergaberichtlinien insoweit die Funktion „gesetzesvertretender Verwaltungsvorschriften“ zukommt (Ossenbühl in Isensee/Kirchhof, HStrR V, § 104 Rn. 34), darf weder der Minister selbst – etwa aufgrund einer Petition – punktuell davon abweichen noch darf es den Vollzugsbehörden ausdrücklich oder stillschweigend freigestellt werden, ob sie die ministeriellen Richtlinien in Einzelfällen unangewendet lassen und die verfügbaren Fördermittel nach eigenen Kriterien vergeben. Der fehlende formell-gesetzliche Rahmen erlaubt der staatlichen Verwaltung keine uneinheitliche und damit objektiv willkürliche Förderpraxis. Auch ein Kläger kann sich auf einen Rechtsverstoß berufen (BayVGH, U.v. 25.7.2013 – 4 B 13.727 – DVBl 2013, 1402 – juris Rn. 41).
Gerichtlicher Prüfungsmaßstab ist allein die aus Art. 3 Abs. 1 GG abgeleitete Willkürgrenze, selbst wenn es auch gute Gründe für Alternativen zu der vorgefundenen Verwaltungspraxis gibt. Der Gesetzgeber hat eine weitgehende Freiheit darüber zu entscheiden, welche Personen oder Unternehmen durch finanzielle Zuwendungen des Staates gefördert werden sollen. Zwar bleibt er an den Gleichheitssatz gebunden. Das bedeutet aber nur, dass er seine Leistungen nicht nach unsachlichen Gesichtspunkten verteilen darf. Die unterschiedliche Behandlung von Leistungsempfängern bei der Zuwendung ist bereits dann nicht zu beanstanden, wenn vernünftige Gründe für die Differenzierung bestehen und willkürliche Privilegierungen und Diskriminierungen vermieden werden. Sachbezogene Gesichtspunkte stehen dem Staat hierbei im weitesten Umfang zu Gebote. Solange sich die Regelung nicht auf eine der Lebenserfahrung geradezu widersprechende Würdigung der jeweiligen Lebenswelten stützt, kann sie von der Verfassung her nicht beanstandet werden. Eine Verletzung des Willkürverbots liegt mithin nur dann vor, wenn die maßgeblichen Kriterien unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar sind und sich daher der Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruhen. Dies gilt auch für die Abgrenzung des Kreises der Begünstigten. Die Umstände müssen die gesetzlichen Differenzierungen lediglich auf hinreichend sachbezogenen, nach Art und Gewicht vertretbaren Gründen beruhen (VG Köln, G.v. 17.8.2015 – 16 K 6804/14 – juris mit Verweis auf BVerfG, U.v. v 8.7.1997 – 1 BvR 1934/93 – BVerfGE 96,189; siehe auch BVerfG, B.v.14.10.2008 – 1 BvF 4/05 – BVerfGE 122, 1).
Solange Förderpraxis und die zugrundeliegenden Förderrichtlinien willkürfrei sind und dem Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG beachten, also alle potentiellen Förderungsempfänger auch nach der Verwaltungspraxis gleichbehandelt werden, begegnet diese Vorgehensweise keine rechtlichen Bedenken und der Kläger kann sich nicht auf schützenswertes Vertrauen berufen (vgl. hierzu etwa BVerwG, B.v. 8.4.1997 – 3 C 6/95 – BVerwGE 104, 220; VG München, U.v. 8.5.2003 – M 4 K 01.3496 – BeckRS 2003, 30225).
Für eine willkürliche Fassung der Förderrichtlinien, also ohne dass es hierfür einen in irgendeiner Weise einleuchtenden, sachlichen Grund gäbe, bestehen vorliegend keine Anhaltspunkte (vgl. VG Würzburg, U.v. 13.1.2020 – W 8 K 19.364 – juris, Rn. 38).
Aufgrund der schon erwähnten fundamentalen Unterschiede zwischen Freiberuflern, konkret Rechtsanwälten, und gewerblichen Unternehmen liegt keine unangemessene willkürliche Ungleichbehandlung vor. Vielmehr ist es von Rechts wegen vertretbar, einerseits gewerbliche KMU zu fördern und gleichzeitig Freiberufler von dieser Förderung auszuschließen. Allein das Erfordernis der digitalen Kommunikation mit den Behörden und Gerichten und der Zweck der Förderung der Digitalisierung zwingen schon aus Gründen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (vgl. BayVGH B.v. 28.10.1998 – 3 B 97.1936 – IÖD 1999, 175) nicht dazu, dass mit einer Richtlinie unisono alle Unternehmen gefördert werden müssen. Vielmehr konnte sich der Beklagte mit der Richtlinie zum Förderprogramm „Digitalbonus“ zunächst an die gewerbliche Wirtschaft richten. Weiter ist anzumerken, dass auch andere von der hier relevanten Förderung Ausgeschlossene, wie etwa die Landwirtschaft, auf digitale Kommunikation angewiesen sind, etwa bei der Antragstellung online für Förderung oder auch bei der digitalen Meldung von statistischen Daten durch Gewerbetreibende an Behörden. Unter diesem Aspekt liegt auch kein unangemessener Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 GG) vor. Vielmehr ist ein sachlicher Grund gegeben. Wie ausgeführt geht es vorliegend gerade um die Förderung der gewerblichen Wirtschaft zum Zweck auch der Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur.
Der Richtliniengeber hat wie auch der Gesetzgeber sonst in vielen Bereichen bewusst zwischen Freiberuflern und gewerblichen Unternehmen unterschieden. Umgekehrt gibt es zahlreiche Privilegierungen von Freiberuflern im Vergleich zu gewerblichen Unternehmen gerade auch von Rechtsanwälten im Vergleich zu Gewerbetreibenden, wie etwa ein eigenes Standesrecht. Zudem haben Rechtsanwälte als Organ der Rechtspflege eine besondere Stellung. So erfolgt keine Unterwerfung unter die Gewerbeordnung, wie in § 6 GewO und § 2 Abs. 2 BRAO ausdrücklich geregelt ist. Als Organ der Rechtspflege unterscheidet sich ein Rechtsanwalt grundlegend von einem Kaufmann mit einer erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit, bei dem das Gewinnstreben im Vordergrund steht. Der Charakter der Berufstätigkeit sowie die bedeutende Stellung freier Berufe im Sozialgefüge sind wesentliche Unterscheidungsmerkmale, die grundsätzlich eine verschiedene Behandlung rechtfertigen (vgl. zum Ganzen Brüggemann in Weyland, BRAO 10. Aufl. 2020, § 2 Rn. 6 ff.; Marcks in Landmann/Rohmer, GewO, Werkstand: 83. EL Dezember 2019, § 6 Rn. 23). Unterschiede gibt es etwa bei den Werbebeschränkungen für Rechtsanwälte. Demgegenüber haben sie ein eigenes Standesrecht und besonderes Disziplinarrecht. Sie unterliegen keiner repressiven staatlichen Aufsicht, Kontrolle und Bevormundung (vgl. Brüggemann, Brüggemann in Weyland, BRAO 10. Aufl. 2020, § 1 Rn. 8 ff.).
Abgesehen davon, dass es auch – wie schon erwähnt – wesentliche Unterschiede zwischen der Rechtsform einer GmbH und einer Partnergesellschaft gibt, hat der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich auf die Verwaltungspraxis hingewiesen, auch Freiberufler in Form der GmbH nicht zu fördern, so dass die dahingehende Argumentation der Klägerseite ins Leere geht.
Ausgehend von den hier nur angedeuteten zahlreichen Unterschieden stand es dem Beklagten frei, in der Förderpraxis zwischen Freiberuflern und gewerblichen Unternehmen zu unterscheiden. Insofern werden keine gleichen Sachverhalte ungleich behandelt. Vielmehr sind unterschiedliche Sachverhalte gegeben, die auch unterschiedlich behandelt werden dürfen.
Des Weiteren ist anzumerken, dass der Hinweis auf die Förderpraxis in Hessen und Baden-Württemberg vorliegend rechtlich irrelevant ist. Ein Vergleich zu anderen Bundesländern ist nicht anzustellen, da allein die Verwaltungspraxis in Bayern ohne Rücksicht auf die Praxis in anderen Bundesländern und die dortigen Förderleistungen maßgeblich ist (OVG NRW, B.v. 29.5.2017 – 4 A 516/15 – juris). Auf die Förderpraxis anderer Bundesländer mit möglicherweise anderen förderpolitischen Zielsetzungen kann sich die Klägerin nicht berufen. Denn Art. 3 GG bindet jeden Träger öffentlicher Gewalt allein in dessen konkreten Zuständigkeitsbereich (VG Koblenz, U.v. 20.3.2015 – 5 K 9/14.KO – juris mit Verweis auf BVerfG, U.v. v 23.11.1988 – 2 BvR 1619/83, 2 BvR 1628/83 – BVerfGE 79, 127, 158; Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 20. Aufl. 2019, § 40 Rn. 43). Die föderale Struktur rechtfertigt gerade unterschiedliche Regelungen und Förderungen sowie Schwerpunktsetzungen in einzelnen Bundesländern.
Schließlich ist noch anzumerken, dass auch kein Verstoß gegen EU-Recht ersichtlich ist. Insbesondere erfolgt keine Diskriminierung von Ausländern. Maßgebend ist bei der Förderung nicht die Staatsangehörigkeit, sondern allein der Umstand, dass die Betriebsstätte im Freistaat … ist, in der die geförderte Maßnahme auch zum Einsatz kommt (vgl. Nr. 3 der Richtlinien zum Förderprogramm „Digitalbonus“).
Nach alledem war die Klage im vollen Umfang abzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten ergibt sich § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.


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