Europarecht

Modifizierte Typengenehmigung bei Dieselfahrzeugen bei Nachrüstung durch Hersteller

Aktenzeichen  M 23 K 18.1347

Datum:
28.11.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BayVBl – 2019, 526
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
FZV § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1, Abs. 2, § 6 Abs. 3
EG-FGV § 25 Abs. 2
RL 2007/46/EG Art. 3 Nr. 5

 

Leitsatz

1. Verweigern Fahrzeughalter die Nachrüstung von Dieselfahrzeugen, die werksseitig mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehen sind, darf der Betrieb der Pkw untersagt werden. (Rn. 15 – 17)
2. Durch die von den Herstellern im Rahmen der Rückrufaktion vorgesehene Nachrüstung wird die Vorschriftsmäßigkeit der Pkw wiederhergestellt, da die Fahrzeuge hierdurch (wieder) mit der vom Kraftfahrt-Bundesamt (modifizierten) Typengenehmigung übereinstimmen. (Rn. 18 – 19)
3. Hinsichtlich etwaiger durch das Update hervorgerufener Mängel, ist es angesichts des überwiegenden öffentlichen Interesses an einer Reduzierung einer Gesamtbilanz des Stickoxidausstoßes dennoch nicht unverhältnismäßig, das Update zu fordern. Insoweit kann der Fahrzeughalter darauf verwiesen werden, etwaige Folgeschäden gegenüber Hersteller bzw. Händler geltend zu machen. (Rn. 27)
4. Im Sinne des gesetzlich geforderten maßvollen Vorgehens müssen die Behörden i.d.R. vorrangig ein Zwangsgeld androhen, bevor sie die zwangsweise Außerbetriebsetzung androhen. (Rn. 31)

Tenor

I. Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Beteiligten das Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt haben.
II. Die Klage wird abgewiesen.
III. Die Kosten des Verfahrens haben die Klägerin zu ¾ und der Beklagte zu ¼ zu tragen.
IV. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
V. Die Berufung wird zugelassen.

Gründe

Soweit die Beteiligten das Verfahren mit Hinblick auf Nr. 3 des Bescheids übereinstimmend für erledigt erklärt haben, war das Verfahren entsprechend § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.
I.
Die verbleibende zulässige Klage hat keinen Erfolg.
Der streitgegenständliche Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Die vom Landratsamt in Nr. 1 getroffene Maßnahme erweist sich als rechtmäßig.
Das Landratsamt durfte nach § 5 Abs. 1 Fahrzeug-Zulassungsverordnung – FZV – als zuständige Zulassungsbehörde (§ 46 Abs. 1 und 2 FZV i.V.m. Art. 2 Satz 1 Nr. 2 des Gesetz über Zuständigkeiten im Verkehrswesen) den Betrieb des Fahrzeugs nach erfolgter Anhörung untersagen oder beschränken. Erweist sich nämlich ein Fahrzeug nach der FZV oder der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung – StVZO – als nicht vorschriftsmäßig, kann die Zulassungsbehörde dem Eigentümer oder Halter eine angemessene Frist zur Beseitigung der Mängel setzen oder den Betrieb des Fahrzeugs auf öffentlichen Straßen beschränken oder untersagen, § 5 Abs. 1 FZV.
Das klägerische Fahrzeug war und ist nicht (mehr) vorschriftsmäßig i.S.d. FZV, nachdem es ohne Teilnahme an der Rückrufaktion nicht (mehr) einem genehmigten Typ i.S.d. § 3 Abs. 1 Satz 1 und 2 FZV entspricht. Danach dürfen Fahrzeuge auf öffentlichen Straßen nur in Betrieb gesetzt werden, wenn sie zum Verkehr zugelassen sind. Die Zulassung wird erteilt, wenn das Fahrzeug einem genehmigten Typ entspricht oder eine Einzelgenehmigung erteilt ist und eine dem Pflichtversicherungsgesetz entsprechende Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung besteht.
Die Unvorschriftsmäßigkeit folgt vorliegend daraus, dass das Fahrzeug ohne Teilnahme an der Rückrufaktion keiner Typengenehmigung (mehr) entspricht, die ursprünglich bestand, da das KBA den Herstellern der mit den Motoren EA 189 (Euro 5) ausgestatteten Fahrzeuge eine EG-Typengenehmigung nach §§ 4 ff der Verordnung über die EG-Genehmigung für Kraftfahrzeuge und ihre Anhänger sowie für Systeme, Bauteile und selbstständige technische Einheiten für diese Fahrzeuge (EG-Fahrzeuggenehmigungsverordnung – EG-FGV) erteilt hatte. Durch eine solche EG-Typengenehmigung wird den Herstellern bescheinigt, dass der in der Genehmigung beschriebene Fahrzeugtyp den einschlägigen Verwaltungsvorschriften und technischen Anforderungen entspricht (vgl. Art. 3 Nr. 5 der Richtlinie 2007/46/EG).
Während die Klägerin bis zur Anordnung des KBA im Oktober 2015 den Nachweis, dass ihr Fahrzeug einem solchen genehmigten Typ entspricht, mittels Übereinstimmungsbescheinigung i.S.d. § 2 Nr. 7 FZV problemlos nachweisen konnte, ist dies nach der Anordnung durch das KBA nicht mehr der Fall, sodass die Klägerin sich auf diesen Rechtsschein nicht mehr berufen kann. Der Rechtsschein dieser Bescheinigung geht nur so weit wie der Inhalt der entsprechenden Typgenehmigung (VG Düsseldorf, U.v. 24.1.2018 – 6 K 12341/12 – juris; VG Magdeburg, B.v. 2.7.2018 – 1B 268/18 – juris Rn. 9; VG Mainz, B.v. 16.11.2018 – 3 L 1099/18.MZ – Rn. 8). Zwar lassen die vom KBA getroffenen Anordnungen, die als nachträgliche Nebenbestimmungen auf der Grundlage des § 25 Abs. 2 EG-FGV zu qualifizieren sind, die Wirksamkeit der Typengenehmigung unberührt, da sie lediglich deren inhaltliche Änderung bzw. Modifizierung zur Folge haben (vgl. VG Magdeburg, B.v. 2.7.2017 – 1B 268/18 – Rn. 14; VG Stuttgart, B.v. 27.4. 2018 – 8 K 1962/18 – juris Rn. 17; VG Düsseldorf, U.v. 24.1.2018 – 6 K 12341/12 – juris Rn. 300 f.; VG Schleswig, U.v. 13.12. 2017 – 2 A 59/17 – juris Rn. 65; VG Mainz, B.v. 16.11.2018, 3 L 1099/18.MZ, Rn. 10). Allerdings hat das KBA die ursprüngliche Typengenehmigung durch seine Anordnung vom Oktober 2015 dahingehend modifiziert, dass nur noch solche Fahrzeuge mit der EG-Typengenehmigung übereinstimmen, die an dem angeordneten Rückruf teilnehmen (VG Düsseldorf, U.v. 24.1.2018 – 6 K 1241/12 – juris Rn. 268 ff.) und sobald sie nachgerüstet sind. Wird am Fahrzeug hingegen nach Ablauf der zur Teilnahme an der Rückrufaktion laufenden Fristen nicht die von den Herstellern vorgesehene Nachrüstung vorgenommen, entspricht das Fahrzeug keiner EG-Typengenehmigung mehr und ist das Fahrzeug unvorschriftsmäßig, ohne dass es darauf ankommt, ob die betroffenen Fahrzeuge (nach Umrüstung) tatsächlich die gesetzlichen Grenzwerte einhalten. In dieser Einsicht hat das KBA im Rahmen seiner Rückrufanordnung auch lediglich Maßnahmen angeordnet, um eine Übereinstimmung der betroffenen Fahrzeuge mit der Typengenehmigung wiederherzustellen.
Dieser modifizierten Typengenehmigung entsprach das Fahrzeug der Klägerin nicht. Sie hat an der vom Hersteller vorgesehenen Nachrüstung nicht teilgenommen. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 5 Abs. 1, § 3 Abs. 1 Satz 2 FZV sind erfüllt, da die Klägerin auch keinen Nachweis einer für das Fahrzeug vorliegenden Einzelgenehmigung (§ 6 Abs. 3 Satz 3 FZV) erbracht hat.
Das infolge des Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen durch § 5 Abs. 1 FZV eröffnete Ermessen hat das Landratsamt unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit rechtsfehlerfrei ausgeübt (vgl. Art. 40 BayVwVfG, § 114 Satz 1 VwGO).
Das Gericht kann die getroffene Ermessensentscheidung der Behörde gemäß § 114 Satz 1 VwGO nur eingeschränkt daraufhin überprüfen, ob sie das ihr eingeräumte Ermessen erkannt, von ihrem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat und ob sie die gesetzlichen Grenzen des Ermessens eingehalten hat.
Soweit der Beklagte schriftsätzlich ausführt, es bedürfe nicht der Betätigung des Entschließungsermessens, sondern es müsse bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen das zur Gefahrenabwehr Nötige und Angemessene getan werden, so spricht einiges dafür. Denn stellt die Zulassungsbehörde fest, dass sich ein Fahrzeug als nicht vorschriftsmäßig erweist, so muss sie die erforderlichen Gefahrabwehrmaßnahmen ergreifen (VG Magdeburg, B.v. 2.7.2018 – 1B 268/18 – juris Rn. 18; Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44. Auflage, § 5 FZV, Rn. 4). Lediglich bei der Frage der Verhältnismäßigkeit bzw. des Auswahlermessens, nämlich ob zunächst auf erster Stufe zur Mängelbeseitigung aufgefordert und ob auf zweiter Stufe oder aber sofort der Betrieb des Fahrzeugs beschränkt oder untersagt wird, steht der Zulassungsbehörde Ermessensspielraum zu. Aus der Bescheidsbegründung geht erkennbar hervor, dass das Landratsamt den Entschluss zur Betriebsuntersagung im Wesentlichen damit begründet, dass sich die Klägerin einerseits einer Umrüstung verweigert und es andererseits zur Gewährleistung der Teilnahme nur vorschriftsmäßiger Kraftfahrzeuge am Straßenverkehr zu diesem Mittel gegriffen hat. Es ist unter Ermessensgesichtspunkten nicht zu beanstanden, dass das Landratsamt das öffentliche Interesse an der Luftreinhaltung zum Schutz der Allgemeinheit und der Umwelt vor schädlichen Einwirkungen vorrangig berücksichtigt und sich angesichts des Umstandes, dass das Fahrzeug der Klägerin ohne Teilnahme an der Rückrufaktion nicht (mehr) den Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Satz 2 FZV entspricht, aus Gründen der Gefahrenabwehr zu einem Tätigwerden gegen die Halterin entschlossen hat (VG Mainz, B.v. 16.11.2018 – 3 L 1099/18.MZ – Rn. 11).
Ohnehin dürfte im Ordnungsrecht bereits ein überwiegendes Vollzugsinteresse vorliegen, wenn der Tatbestand einer gefahrabwehrenden Norm erfüllt ist (VG Stuttgart, B. v. 27.4.2018 – 8 K 1962/18 – juris Rn. 25). Schreitet also die Behörde – wie hier – gegen einen rechtwidrigen Zustand ein, darf sie im Regelfall ihre Ermessenserwägungen darauf beschränken, dass sie zum Ausdruck bringt, ihr gehe es um die Beseitigung eines rechtswidrigen Zustands (BVerwG, U.v. 30.4.1985 – 4 C 50.82 – juris Rn. 22; OVG NRW, B.v. 17.8.2018 – 8 B 548/18 – juris Rn. 27). Vor diesem Hintergrund ist daher nicht zu beanstanden, dass das Landratsamt dem in der Betriebsuntersagung zum Ausdruck kommenden Aspekt der Gefahrenabwehr Vorrang vor dem Interesse der Klägerin an der (berufsbedingten) Nutzung ihres Fahrzeugs eingeräumt hat; ein der gerichtlichen Kontrolle zugänglicher Ermessensfehler ist hierdurch jedenfalls nicht zu erkennen.
Die Betriebsuntersagung genügt weiter dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Mit der Wiederherstellung der Vorschriftsmäßigkeit i.S.d. § 5 Abs. 1 und § 3 Abs. 1 Satz 2 FZV verfolgt das Landratsamt einen legitimen Zweck, den es mit der Betriebsuntersagung mit einer geeigneten, erforderlichen und angemessenen Maßnahme umzusetzen sucht.
Soweit sich die Klägerin darauf beruft, das Software-Update sei untauglich, weil es nicht zu einer Absenkung der Stickoxidwerte unterhalb des gesetzlichen Grenzwertes führe, steht dieser Gesichtspunkt – unabhängig davon, ob sich dieser Gesichtspunkt als zutreffend herausstellt, was sich nach derzeitigem Erkenntnisstand nicht abschließend und verlässlich beurteilen lässt – der Geeignetheit der Maßnahme zur Erreichung des Zwecks nicht entgegen. So kann dahingestellt bleiben, ob die Teilnahme an der Rückrufaktion dazu geeignet ist, den Ausstoß an Stickoxiden auf den gesetzlichen Grenzwert abzusenken. Da nämlich die Unvorschriftsmäßigkeit des Fahrzeugs alleine – und insofern formalistisch – daraus folgt, dass das Fahrzeug ohne Teilnahme am Rückruf nicht (mehr) von der (modifizierten) Typengenehmigung erfasst wird, wird die Vorschriftsmäßigkeit alleine durch die Teilnahme am Rückruf wiederhergestellt (vgl. VG Düsseldorf, U.v. 24.1.2018 – 6 K 12341/12 – juris; VG Stuttgart, B.v. 27.4. 2018 – 8 K 1962/18 – juris Rn. 23). Aus diesem Grund hat das KBA im Rahmen seiner Rückrufanordnung auch lediglich Maßnahmen angeordnet, um eine Übereinstimmung der betroffenen Fahrzeuge mit der Typengenehmigung wieder zu erreichen. Im Übrigen durfte das Landratsamt davon ausgehen, dass das KBA mit Freigabe der jeweiligen Software-Updates im Rahmen der einzelnen bestandskräftigen Rückrufaktionen auch aus fachlicher Sicht bestätigt hat, dass die für unzulässig erachtete Abschalteinrichtung durch diese Nachrüstung wirksam beseitigt wird (vgl. VG Düsseldorf, U.v. 24.1.2018 – 6 K 12341/12 – juris; VG Stuttgart, B.v. 27.4. 2018 – 8 K 1962/18 – juris Rn. 23); eine eigene Prüfpflicht des Landratsamts bestand insofern nicht.
Das Landratsamt hat weiter erkannt, dass eine Betriebsuntersagung i.S.e. maßvollen Vorgehens erst in Betracht kam, nachdem andere – mildere – Mittel erfolglos geblieben sind. Es wurde zum Ausdruck gebracht, dass die Betriebsuntersagung erst angeordnet wurde, nachdem die Klägerin der Aufforderung zur Mängelbeseitigung nicht nachgekommen ist und diese sogar ausdrücklich verweigert hat. Das Landratsamt hat die Betriebsuntersagung ausweislich Nr. 1 i.V.m. Nr. 2 lit. a des Bescheids zudem unter die auflösende Bedingung des Nachweises über die Teilnahme an der Rückrufaktion des Fahrzeugs gestellt. In der mündlichen Verhandlung wurde schließlich von Beklagtenseite der Betrieb des Fahrzeugs für Werkstattfahrten zum Zwecke der Teilnahme an der Rückrufaktion erlaubt.
Selbst wenn – was sich aufgrund der im Verfahren lediglich benannten Einzelfälle zumindest flächendeckend nicht abschließend beurteilen lässt – nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Durchführung des Software-Updates zu (neuen) Mangelerscheinungen führt und die Klägerin hierdurch (weitere) wirtschaftliche Nachteile erfährt, steht dies der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme nicht entgegen. Hinsichtlich etwaiger durch das Update möglicherweise hervorrufbarer Mängel ist es angesichts des überwiegenden öffentlichen Interesses an einer Reduzierung der Gesamtbilanz des Stickoxidausstoßes nach wie vor nicht unverhältnismäßig, das Update zu fordern. Im Interesse der Gesundheit der Allgemeinheit und im Interesse der Umwelt ist es ermessensgerecht, dem Interesse der Klägerin an der Nutzung ihres Fahrzeugs keinen Vorrang einzuräumen. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass von dem einzelnen Fahrzeug der Klägerin bei überschrittenen Abgaswerten realistisch eine Gesundheitsgefahr für die Allgemeinheit und Umwelt kaum messbar ausgehen dürfte, da die Abgase eines einzelnen Fahrzeugs sehr verdünnt werden (a.A. wohl VG Karlsruhe, B.v. 26.2.2018 – 12 K 16702/17 – juris Rn. 22; VG Sigmaringen, B.v. 4.4.2018 – 5 K 1476/18 – juris Rn. 19). Maßgeblich ist nicht, inwiefern durch die Teilnahme eines einzelnen Fahrzeugs am Straßenverkehr Luftverschmutzungen zu erwarten sind. Bei Emmissionsgrenzwertvorschriften des motorisierten Individualverkehrs erfolgt die Luftreinhaltung naturgemäß mit Blick auf das einzelne Fahrzeug als Emissionsquelle (VG Mainz, B.v. 16.11.2018 – 3 L 1099/18.MZ – Rn. 16). Emmissionsbegrenzende Maßnahmen bedürfen zu ihrer Wirksamkeit einer gleichmäßigen Anwendung. Nur so ist die angestrebte Minderung der Gesamtemission erreichbar (OVG NRW, B. v. 17.8.2018 – 8 B 548/18 – juris Rn. 30,33 – 8 B 865/18 – juris Rn. 26; VG Mainz, B.v. 16.11.2018 – 3 L 1099/18.MZ – Rn. 16; VG Magdeburg, B.v. 2.7.2018 – 1B 268/18 – juris Rn. 21). Aufgrund des überwiegenden Interesses der Allgemeinheit an einer Reduzierung der Gesamtbilanz des Stickoxidausstoßes ist es der Klägerin nicht unzumutbar, sich hinsichtlich etwaiger Folgeschäden an den Pkw-Hersteller bzw. Händler verweisen zu lassen. Ob das Fahrzeug durch das Software-Update mangelhaft im zivilrechtlichen Sinne wird oder ggf. von Anfang an war, betrifft ohnehin nur das Verhältnis zwischen dem betroffenen Käufer und dessen Vertragspartner bzw. Hersteller. Auf die Frage der verkehrsrechtlichen Zulassung oder Außerbetriebsetzung hat dies keinen Einfluss (VG Düsseldorf, B.v. 28.3.2018 – 6 L 709/18 – juris Rn. 17; VG Stuttgart, B.v. 27.4.2018 – 8 K 1962/18 – juris Rn. 22, 24; VG Köln, B.v. 29.5.2018 – 18 L 854/18 – juris Rn. 22; VG Magdeburg, B.v. 2.7.2018 – 1 B 268/18 – juris Rn. 19; VG Mainz, B.v. 16.11.2018 – 3 L 1099/18.MZ – Rn. 15).
Soweit die Klägerin im Verwaltungsstreitverfahren schriftsätzlich noch vorgetragen hat, die Teilnahme an der Rückrufaktion führe zur Beweisvereitelung im zivilrechtlichen Klageverfahren, kommt es hierauf im vorliegenden Verfahren ohnehin nicht an, da die Klägerin die Berufung im Zivilprozess zurückgenommen hat.
2. Auch die in Nr. 2 des Bescheids angeordneten Verpflichtungen zum Nachweis der Teilnahme an der Rückrufaktion oder zur Außerbetriebsetzung des Fahrzeugs erweisen sich als rechtmäßig. Nachdem der Betrieb des Fahrzeugs rechtmäßig untersagt ist, finden diese Aufforderungen ihre Rechtsgrundlage in § 5 Abs. 2 FZV. Danach hat der Eigentümer oder Halter das Fahrzeug, für das ein Kennzeichen zugeteilt ist, nach erfolgter Betriebsuntersagung unverzüglich nach Maßgabe des § 14 FZV außer Betrieb setzen zu lassen oder der Zulassungsbehörde nachzuweisen, dass die Gründe für die Beschränkung oder Untersagung des Betriebs nicht oder nicht mehr vorliegen. Nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 FZV hat der Halter oder Verfügungsberechtigte die Außerbetriebsetzung bei der Zulassungsstelle unter Vorlage der Zulassungsbescheinigung Teil I zu beantragen und die Kennzeichen zur Entstempelung vorzulegen, wie dies das Landratsamt von der Klägerin gefordert hat. Insbesondere ist auch die der Klägerin gesetzte Frist von zwei Wochen nicht zu beanstanden, zumal sie bereits zuvor unter Fristsetzung aufgefordert wurde, den Nachweis über die durchgeführte Nachrüstung zu erbringen. Da das Landratsamt die sofortige Vollziehbarkeit der Nr. 1 des Bescheids nicht angeordnet hat, ist nach verständiger Würdigung die Nr. 2 des Bescheids dahingehend zu verstehen und auszulegen, dass die Verpflichtung erst zwei Wochen nach Bestandskraft des Bescheids Geltung erlangt und vollstreckbar ist.
3. Schließlich wurden die Maßnahmen zutreffend gegen die Klägerin als Halterin des Fahrzeugs gerichtet, wie dies § 5 Abs. 1 FZV – unabhängig davon, dass die Klägerin nicht die eigentliche Verursacherin des misslichen Zustands ist – zwingend vorgibt.
II.
Die Kostenentscheidung folgt im Hinblick auf die Klageabweisung aus § 154 Abs. 1 VwGO und berücksichtigt bezüglich des für erledigt erklärten Teils des Rechtsstreits den Rechtsgedanken des § 161 Abs. 2 VwGO. Danach entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen über die Kosten des übereinstimmend für erledigt erklärten Teils der Hauptsache. Billigem Ermessen entspricht es im vorliegenden Fall, die Kosten des für erledigt erklärten Klageverfahrens dem Beklagten aufzuerlegen und diese Kosten mit ¼ der Gesamtkosten zu bemessen. Schließlich wäre die Klage im Hinblick auf Nr. 3 des Bescheids erfolgreich gewesen. Insoweit fehlte es bereits an den allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen, da der Bescheid in Nr. 1 weder bestandskräftig (Art. 19 Abs. 1 Nr. 1 Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz – VwZVG) war noch von Gesetzes wegen (Art. 19 Abs. 1 Nr. 2 VwZVG) oder aufgrund Anordnung sofort vollziehbar war (Art. Art. 19 Abs. 1 Nr. 3 VwZVG). Im Übrigen ist die Zwangsgeldandrohung einer Androhung der Außerbetriebsetzung aus Gründen der Verhältnismäßigkeit als milderes Mittel i.d.R. vorrangig. Dies gilt sowohl für die Androhung einer Ersatzvornahme (Art. 32 Satz 2 VwZVG) als auch der Androhung unmittelbaren Zwangs (Art. 34 Satz 1 VwZVG). Nichts anderes gilt im vorliegenden Verfahren. Selbst wenn die Klägerin die Teilnahme an der Rückrufaktion aus den von ihr geschilderten Gründen verweigert hat, wäre zum maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses nicht von vornherein davon auszugehen gewesen, dass sie der Aufforderung nicht doch noch unter dem Eindruck einer Zwangsgeldandrohung nachgekommen wäre.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff ZPO.
III.
Die Berufung war nach § 124a Abs. 1, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen, da der Rechtssache aufgrund einer Vielzahl gleichgelagerter rechtshängiger Verfahren grundsätzliche Bedeutung zukommt.


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