Europarecht

Nachprüfungsantrag im Vergabeverfahren

Aktenzeichen  Z3-3-3194-1-48-11/16

Datum:
27.1.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Vergabekammer
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VgV VgV § 8, § 71 Abs. 3, § 73 Abs. 1
RL 2014/24/EU Art. 18, Art. 80 Abs. 1
GWB GWB § 103 Abs. 6, § 106, § 124 Abs. 1, § 155

 

Leitsatz

1. Bei der Auswahl von Teilnehmern für einen nicht offenen Planungswettbewerb gelten die Grundsätze der Gleichbehandlung, Nichtdiskriminierung und Transparenz uneingeschränkt, was klar durch die Verweisung in Art. 80 Abs. 1 der Richtlinie 2014/24/EU auf den Titel I der Richtlinie und damit auch auf Art. 18 der Richtlinie 2014/24/EU zum Ausdruck kommt.
2. Die Auswahlkriterien „Originalität, Innovation und gestalterische Qualität eines Referenzobjekts und ihre Übertragbarkeit auf das anstehende Projekt“ sind ohne konkretisierende Unterkriterien oder Erläuterungen keine eindeutigen und nichtdiskriminierenden Auswahlkriterien i.S.d. § 71 Abs. 3 VgV.
3. Auch bei einem Teilnahmewettbewerb zu einem nicht offenen Planungswettbewerb dürfen bei der Bewertung der Teilnahmeanträge keine nicht bekanntgemachten Unterkriterien eine Rolle spielen, die den Teilnehmern hätten bekanntgemacht werden müssen.

Tenor

1. Dem Antragsgegner wird untersagt, im nicht offenen Realisierungswettbewerb zur Errichtung eines K…in M… vor Durchführung einer Neuwertung des Teilnahmeantrags des Antragstellers die vorgesehenen Preise zu vergeben.
2. Der Antragsgegner hat den Teilnahmeantrag des Antragstellers unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer erneut zu werten.
3. Im Übrigen wird der Nachprüfungsantrag zurückgewiesen.
4. Die Kosten des Verfahrens sowie Aufwendungen des Antragstellers und des Antragsgegners zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung bzw. -verteidigung tragen jeweils zu 1/4 der Antragsteller und zu 3/4 der Antragsgegner. Die Beigeladenen tragen ihre Aufwendungen zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung selbst.
5. Für das Verfahren wird eine Gebühr …. EUR festgesetzt. Der Antragsgegner ist von der Zahlung der Gebühr befreit.
6. Die Aufwendungen des Antragstellers zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung und die Aufwendungen des Antragsgegners zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung werden als notwendig angesehen.

Gründe

I.
Der Antragsgegner beabsichtigt die Durchführung eines nicht offenen Realisierungswettbewerbs für den Entwurf eines vom F. zu errichtenden K. in München. Eine entsprechende Veröffentlichung erfolgte im Rahmen einer europaweiten Bekanntmachung im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 12.08.2016.
Der bekannt gemachte Wettbewerb war in Nr. II.1.1 als Neubau K., Planungswettbewerb gemäß VgV, nichtoffener Realisierungswettbewerb für Architekten nach RPW 2013 beschrieben worden.
Eine konkretisierende Beschreibung der Beschaffungsmaßnahme ist in Nr. II.2.4 der Bekanntmachung enthalten.
Die Kriterien für die Auswahl der Teilnehmer sind in Nr. III.1.10 der Bekanntmachung unter den dortigen Ziffern 1. und 2. a – k vorgegeben worden.
Zugleich war unter Nr. III.1.10 auf die im Internet abrufbaren detaillierten Angaben aus den Anlagen 1 und 2 zur Wettbewerbsbekanntmachung verwiesen worden.
Die Mindestzahl der aufzufordernden Teilnehmer war auf 25, die Höchstzahl auf 35 festgelegt worden. Sechs in der Bekanntmachung benannte Büros waren bereits vorausgewählt worden.
Der Schlusstermin für den Eingang der Projekte/Teilnahmeanträge war für den 19.09.2016, 18:00 Uhr festgelegt worden.
In der abrufbaren Anlage 1 zur Wettbewerbsbekanntmachung „K.“ waren unter anderem Konkretisierungen zu den in Nr. III.1.10 der Bekanntmachung festgelegten Kriterien für die Auswahl der Teilnehmer vorgesehen.
Unter B der Anlage 1 zur Wettbewerbsbekanntmachung „K.“ war vorgegeben worden, anhand welcher Gesichtspunkte und Kriterien die eingereichten Referenzprojekte beurteilt werden sollten. Dabei wurde unterschieden in die technische Leistungsfähigkeit und die planerisch-gestalterische Leistungsfähigkeit.
Bezüglich der technischen Leistungsfähigkeit sollten die vorgelegten Referenzprojekte anhand einer gestuften Bewertung nach Punkten, die unterschiedlich gewichtet wurden, nach Projekttyp, Baumaßnahme, Leistungsbild, Projektgröße, Wettbewerbsergebnis, Status Realisierung und Aktualität des Projekts beurteilt werden.
Der Projekttyp, d. h. die Komplexität der Planungsanforderung, die durch die Benennung der Honorarzone anzugeben war, sollte dabei vierfach gewichtet werden, die übrigen Gesichtspunkte jeweils einfach.
Eine Matrix zur Bewertung der Projektreferenzen mit der Darstellung der einzelnen Wertungsgesichtspunkte und der dafür vorgesehenen Spreizungen war in der ebenfalls abrufbaren Anlage 2 zur Wettbewerbsbekanntmachung „K.“ vorgegeben worden.
Die Bewertung der planerisch-gestalterischen Leistungsfähigkeit sollte durch den Auftraggeber nach der Beratung durch ein fachkundiges Gremium erfolgen. Dem Gremium sollten u.a. zwei vom Auftraggeber unabhängige Architekten angehören.
Die Aspekte Originalität, Innovation und gestalterische Qualität eines eingereichten Referenzprojekts sowie die Übertragbarkeit dieser drei Aspekte auf das anstehende Projekt sollten beurteilt werden.
Auch diese Gesichtspunkte und die dafür vorgesehene Spreizung mit den Einschätzungsmöglichkeiten „weniger gut geeignet“, „gut geeignet“, „sehr gut geeignet“ und „besonders geeignet“ waren in der Anlage 2 zur Wettbewerbsbekanntmachung „K.“ enthalten.
Dort war weiterhin geregelt, dass bei der Bewertung der planerisch-gestalterischen Leistungsfähigkeit nur eine der eingereichten Referenzen gewertet werden solle, die vom Auswahlgremium als die Beste bestimmt wird.
Auch das Büro des Antragstellers hat sich mit einem fristgerechten Teilnahmeantrag an dem Wettbewerb beteiligt.
Mit seinem Teilnahmeantrag hat er die Projektreferenzen „P…. “, „P…, “ und „M, “ benannt.
Für die Projektreferenz „P..“ hat der Antragsteller unter der Rubrik „Komplexität“ die Honorarzone V angegeben. Weiter hat er unter der Rubrik „Leistungsbild“ angegeben, mit den Leistungsphasen 1, 2, 3, 4, 5 und 8 beauftragt worden zu sein.
Insgesamt sind 201 Bewerbungen eingegangen, aus welchen am 21.10.2016 29 Architektenbüros – darunter vier aus der Kategorie Berufsanfänger und kleine Bürostrukturen – ausgewählt wurden. Die formale Prüfung wurde von der Vergabestelle durchgeführt.
Mit Schreiben vom 02.11.2016 wurde dem Antragsteller durch den Antragsgegner mitgeteilt, dass sein Büro nicht zu den ausgewählten Teilnehmern gehört. Er habe insgesamt 260 Punkte von 300 möglichen Punkten erreicht und somit den 21. Rang belegt. Da die letzte Bewerbung, welche sich noch qualifizieren konnte, auf Rang 13 mit 268 Punkten lag, habe sich der Antragsteller nicht unter den ausgewählten Teilnehmern befunden.
Der Antragsteller rügte mit anwaltlichem Schreiben vom 10.11.2016 diese Entscheidung. Die Rüge wurde vorläufig damit begründet, dass die Bewertung des Leistungsnachweises des Antragstellers nicht transparent sei und das Schreiben vom 02.11.2016 keine nähere Begründung der jeweiligen Punktevergabe enthalte. Dadurch sei die Entscheidung des Auswahlgremiums nicht überprüfbar. Deswegen werde um Zusendung der Auswertungsunterlagen nach dem Punktesystem gebeten.
Der Antragsgegner informierte den Antragsteller mit Schreiben vom 11.11.2016 über das durchgeführte Bewerbungsverfahren und fügte die Dokumentation des Teilnahmewettbewerbs zur Bewertung der technischen Leistungsfähigkeit als Anlage bei. Der Antragsgegner erklärte, dass die Bewertung nach den in der EU-Bekanntmachung veröffentlichten Kriterien zur Bewertung der technischen und planerisch-gestalterischen Leistungsfähigkeit erfolgte. Im Bereich der technischen Leistungsfähigkeit seien alle eingereichten Projektreferenzen bewertet und 140 Punkte von 150 möglichen Punkten erreicht worden. Bezüglich der planerisch-gestalterischen Leistungsfähigkeit sei nur eine der eingereichten Projektreferenzen, nämlich die dritte eingereichte Projektreferenz („M…, “) bewertet worden, welche vom Auslober ausgewählt worden sei. Hier habe der Antragsteller 120 Punkte von 150 möglichen Punkten erreicht.
Eine weitere Rüge erfolgte daraufhin nicht.
Mit Schreiben der Verfahrensbevollmächtigten vom 23.11.2016 stellte der Antragsteller einen Nachprüfungsantrag, weil die vorangegangene Rüge den Antragsgegner nicht zur Änderung seiner Rechtsauffassung bewegte. Er beantragte,
1.Dem Antragsgegner aufzugeben, das Ergebnis des nicht offenen Realisierungswettbewerbs zur Errichtung eines K…in M… aufzuheben und die vorgesehenen Preise nicht zu vergeben;
2.Dem Antragsgegner aufzugeben, das Verfahren auf den Stand der Bekanntmachung zurückzuversetzen;
3.Dem Antragsteller Akteneinsicht zu gewähren;
4.Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigte des Antragsteller für notwendig zu erklären;
5.Die Kosten des Verfahrens und die Kosten des Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers dem Antragsgegner aufzugeben;
6.Feststellen, dass der Antragsteller in seinen Rechten verletzt ist.
Begründet wurde der Nachprüfungsantrag im Wesentlichen damit, dass Vergabevorschriften durch den Antragsgegner verletzt worden seien, auf deren Beachtung der Antragsteller gem. § 97 Abs. 7 GWB Anspruch habe. Ihm drohe ein Schaden dadurch, dass er keine Möglichkeit habe, den Wettbewerb zu gewinnen. Der Antragsgegner verstoße sowohl aufgrund seiner intransparenten Entscheidungskriterien, als auch dadurch, dass er die ausdrücklich erhobene Rüge als solche nicht anerkenne, gegen den Bieterschutz und den Wettbewerbsgrundsatz.
Laut Wettbewerbsbekanntmachung handele es sich bei dem gegenständlichen Wettbewerb um einen nicht offenen Wettbewerb mit einer Mindestteilnehmerzahl von 25 und einer Höchstteilnehmerzahl von 35 Teilnehmern. Sechs Teilnehmer seien bereits eingeladen worden, weswegen mindestens 19, aber höchstens 29 Plätze für weitere Teilnehmer noch offen stünden. Die Angabe der Mindest- bzw. Höchstzahl werde so interpretiert, dass nur bei mindestens 19 Teilnehmern ein Wettbewerb stattfinden könne, und bei mehr als 29 Teilnehmern ein Auswahlverfahren stattzufinden habe. Deswegen sei eine Entscheidungsfreiheit des Auslobers, wie viele Bewerber zwischen 19 und 29 Teilnehmern er zulassen wolle, nicht zulässig, da dieser sonst rein willkürlich handeln könne. Aus diesem Grund hätte der Antragsteller zugelassen werden müssen, da er den 21. Rang erreichte.
Ein weiterer Grund für die Rechtswidrigkeit der Nichtberücksichtigung sei, dass gem. Wettbewerbsbedingungen der Wettbewerb nach RPW 2013 erfolgen solle und somit in § 1 Abs. 3 und 4 RPW 2013 als Grundsätze des Vergabeverfahrens die Gleichbehandlung und die Anonymität maßgeblich seien.
Dadurch, dass spezifische Kenntnisse herangezogen worden seien, weil sich in der Vergabeakte ein Aktenvermerk mit Titel „Dienstliche Stellungnahme“ finde, in dem die Angaben des Antragstellers im Teilnahmeantrag zum Referenzobjekt „P.“ vor dem Hintergrund des von ihm mit dem Antragsgegner geschlossenen Architektenvertrags von 1994 hinterfragt worden seien, sei die Nichtberücksichtigung rechtswidrig.
Der Antragsteller habe in seinem Teilnahmeantrag in Bezug auf das Referenzobjekt „P.“ angegeben, dass er die Leistungsphasen 1, 2, 3, 4, 5 und 8 erbracht habe, und dass seine Tätigkeit der Honorarzone V zugeordnet wurde.
Bei Annahme echter Anonymität hätte der Inhalt des Architektenvertrags von 1994 nicht bekannt sein können oder es hätten im Rahmen des Gleichbehandlungsgrundsatzes sämtliche Angaben aller Wettbewerbsteilnehmer geprüft werden müssen.
Zudem hätte der Antragsgegner die Angaben des Antragstellers als unrichtig unterstellt, was einerseits nicht zutreffe, da sie richtig seien und andererseits diese im Zuge der Gleichbehandlung, wie bei allen anderen Teilnehmern auch als richtig unterstellen müssen.
Die erbrachte Leistung in Bezug auf das Referenzobjekt „P.“ sei in Honorarzone V anzusiedeln gewesen, da sehr hohe Anforderungen gestellt worden seien. Tatsächlich habe das vereinbarte Honorar für die Leistungsphase 8 der Honorarzone V entsprochen. Die Vereinbarung, Honorarzone IV zu deklarieren, sei auf den Wunsch des Antragsgegners zurückgegangen, der aus „hierarchischen Gründen“ für die damals kurz zuvor fertig gestellte Staatskanzlei eine höhere Honorarzone gewünscht habe, als für die P…
Des Weiteren sei bezüglich der Auswahl der eingereichten Projektreferenzen ein Ermessensfehler begangen worden, da keine Auswahlkriterien für die Nachvollziehbarkeit der Entscheidung bekannt gegeben worden seien. Deswegen sei nicht ersichtlich, wieso das „M… (M…)“ ausgewählt wurde. Auch sei anscheinend nicht die am besten geeignete Projektreferenz gewählt worden, da das M… bezüglich seiner eingeschränkten Übertragbarkeit, da es nur geringe Publikumsströme aufnehme, kritisiert werde. Anstatt dessen hätte man aber die P. heranziehen können, da dieses Museum sehr große Besucherströme fast täglich und zu jeder Tageszeit aufnehme.
Im Übrigen sei die P. ein international bekanntes und renommiertes Gebäude und – wie die anderen Referenzobjekte des Antragstellers auch – dem Auswahlgremium sicherlich bekannt. Eine Bewertung lediglich aufgrund eines eingereichten Fotos sei bei diesem Bekanntheitsgrad völlig unangemessen, insoweit liege ein Ermessensfehler vor. Damit sei der Antragsteller in seinen Rechten verletzt.
Zudem sei falsch bewertet worden, dass das M… ebenfalls große Publikumsströme zu bewältigen habe. Schon der Website des Deutschen Bundestags könne man entnehmen, dass ein Veranstaltungssaal für 1.200 Gäste vorgesehen sei. Darüber hinaus sehe das Raumprogramm des M… unter anderem einen weiteren Saal mit 400 Plätzen sowie zwei kleinere Säle mit 200, bzw. 100 Plätzen vor. Diese Informationen hätten vom Antragsgegner herangezogen werden müssen, da sie allgemein bekannt seien. Wäre dies berücksichtigt worden, hätte es ohne weiteres zu einer großen Übertragbarkeit des M… auf das Projekt K… kommen müssen und dem Antragsteller hätte die Höchstpunktzahl zuerkannt werden müssen.
Die Vergabekammer informierte den Antragsgegner über den Nachprüfungsantrag mit Schreiben vom 02.12.2016.
Mit Antragserwiderung vom 02.12.2016 beantragte der Antragsgegner:
1. Den Nachprüfungsantrag vom 23.11.2016 zurückzuweisen,
2.Dem Antragsteller die Kosten des Verfahrens, einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung des Antragsgegners erforderlichen Aufwendung zu übertragen,
3.Die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten durch den Antragsgegner für erforderlich zu erklären Der Antragsgegner wies darauf hin, dass der Nachprüfungsantrag unzulässig sei, da er angebracht wurde ohne zuvor die Vergabeentscheidung im Sinne von § 160 Abs. 3 GWB gerügt zu haben.
Das anwaltliche Schreiben des Antragstellers vom 10.11.2016 enthalte zwar mehrfach die Bezeichnung „Rüge“, es sei der Sache nach jedoch keine Vergaberechtsverstöße beanstandet, sondern es sei nur die inhaltliche Bewertung des Antragstellers und der von ihm vorgelegten Projektreferenzen hinterfragt worden.
Es fehle eine konkrete vergaberechtliche Beanstandung im Sinne des § 160 Abs. 3 GWB. Dafür sei mitzuteilen, welcher Sachverhalt als vergaberechtswidrig empfunden werde. Die Vergabestelle müsse aus der Rüge erkennen können, um welchen Verstoß es sich handele. Zudem müsse ersichtlich sein, dass die Beseitigung des Vergaberechtsfehlers geltend gemacht werde.
Die Rüge sei demnach unbeachtlich, da sie das Vergabeverfahren pauschal als rechtsfehlerhaft bezeichne. Zwar dürfe nicht verlangt werden, dass das Wort „Rüge“ ausdrücklich verwendet werde, umgekehrt reiche diese Bezeichnung nicht aus, wenn die inhaltlichen Anforderungen an eine Beanstandung eines Vergaberechtsverstoßes mit der Aufforderung zur Beseitigung der angeblichen Vergaberechtswidrigkeit nicht hinreichend klar aus einer Mitteilung für den Bieter hervorgehe.
Eine Rüge gegen eine angeblich unzureichende Vorabmitteilung könne schon deshalb nicht erhoben werden, weil eine Vorabmitteilungspflicht nach § 134 Abs. 1 GWB noch nicht entstanden sei.
Nach dem für die Auslegung von Willenserklärungen maßgeblichen Empfängerhorizont könne die Vergabestelle damit dem Schreiben des Antragstellers vom 10.11.2016 nicht entnehmen, dass bereits eine Rüge erhoben werden sollte. Nach dem Inhalt des Schreibens sei eine solche erst für die Zukunft angekündigt worden.
Zudem sei der Nachprüfungsantrag des Antragstellers vom 23.11.2016 auch unbegründet. Die im Nachprüfungsantrag erhobenen Beanstandungen hinsichtlich der Beurteilung der Bewerber anhand der Wettbewerbsbekanntmachungen würden nicht zutreffen, da sie nicht die behaupteten Vergaberechtsverletzungen begründen.
Auf die Interpretation des Antragstellers, dass die Angabe der Mindest- und Höchstzahl nur so interpretiert werden könne, dass der avisierte Wettbewerb nur stattfinden solle, wenn sich insgesamt über 29 Teilnehmer bewerben, komme es nicht an. Die Rangstellen seien bei gleichem, identischem Punkteergebnis mehrfach besetzt worden. Aus der bloßen numerischen Platzierung könne dieser Schluss nicht gezogen werden.
Auch sei die Kritik an der Nichtwahrung der Anonymität der Person des Antragstellers nicht zutreffend. Der Antragsteller beziehe sich zu Unrecht auf § 1 Abs. 4 RPW. Diese Regelung stelle lediglich eine Richtlinie dar, keine verbindliche Bedeutung in einem europaweiten Vergabeverfahren. Die verlangte Anonymität betreffe allein die Wettbewerbsbeiträge selbst, welche bis zur Entscheidung des Preisgerichts anonym bleiben sollen. Das vorliegende Verfahren habe das Stadium des Wettbewerbs noch nicht erreicht, da es sich lediglich um einen Planungswettbewerb handele.
Außerdem widerspreche sich der Antragsteller selbst, wenn er einerseits die mangelnde Anonymität kritisiere, aber andererseits beklagt, dass der Auslober nicht die Website des deutschen Bundestages herangezogen habe.
Der Antragsteller sei mit seinem Vortrag, dass nur eine Referenz zur Beurteilung der planerisch-gestalterischen Leistungsfähigkeit herangezogen werde, präkludiert. Die Bekanntmachung weise hierauf ausreichend deutlich und klar hin.
Ebenfalls nicht durchdringen könne der Antragsteller mit der Behauptung, dass die Kriterien zur Beurteilung der planerisch-gestalterischen Leistungsfähig nicht vorgegeben seien. Diese seien in der Anlage 2 der Bekanntmachung unter Punkt B beschrieben. Es liege in der Natur eines Planungswettbewerbs, dass hier Kriterien mit einem sehr weiten, sowie u. a. auch künstlerisch geprägtem bzw. von ästhetischen Gesichtspunkten beeinflussten weiten Beurteilungsspielraum anzuwenden seien.
Soweit der Antragsteller beanstande, dass die ausgewählte Projektreferenz nicht die höchste Bewertung erhalten habe und eigentlich die „P..“ als am besten geeignete Projektreferenz zur Beurteilung der planerischen und gestalterischen Eignung hätte herangezogen werden müssen, setze er seine eigenen Vorstellungen und Vorlieben über die des Auslobers. Hierfür orientiere sich der Auslober an den Maßstäben des Abschnitts 5 der VgV für die Ausschreibung von Planungswettbewerben, welche eingehalten worden seien. Diese würden auch und insbesondere für Planungswettbewerbe für Architekten- und Ingenieurleistungen, § 78 Abs. 3 S. 1 VgV gelten.
Die für die Durchführung anzuwendenden Regeln seien in der Wettbewerbsbekanntmachung mitgeteilt worden. Beanstandungen hiergegen seien durch den Antragsteller bis zum Zeitpunkt der Einreichung seines Teilnahmeantrages und auch durch den Nachprüfungsantrag nicht erhoben worden. Er berufe sich allein auf eine angeblich falsche Ermessensausübung des Auslobers, die dieser auf die Empfehlung des Planungsgremiums gestützt habe.
Zudem sei der Nachprüfungsantrag unbegründet, weil der Antragsteller in seiner Darstellung eingestehe, mit seinem Teilnahmeantrag objektiv unrichtige Angaben im Zusammenhang mit der Benennung der Referenz „P.“ gemacht zu haben. Einmal habe der Antragsteller die Komplexität dieses Projekts mit der Angabe versehen, es sei die Honorarzone V vereinbart worden. Dabei ergebe sich, wie dem Antragsteller auch selbst bewusst gewesen sei, aus der vertraglichen Vereinbarung über das Projekt „P. M…“ in § 6 Nr. 6.1.3 des Gegenteil. Dort sei die Honorarzone mit IV/8 angegeben. Diese unzutreffende Angabe habe jedoch keinen Einfluss auf das Bewertungsergebnis.
Weiter habe der Antragsteiler behauptet, die Leistungen der Leistungsphase 8 (vollständig) erbracht zu haben.
Dagegen ergebe sich aus dem Inhalt des Vertrages in § 3 Nr. 3.5 ebenfalls das Gegenteil, nämlich dass die Objekt-(Bau-)Überwachung gerade nicht vollständig übertragen worden war. Demzufolge sei auch in § 6 Nr. 6.1.4 für das Leistungsbild Objekt-(Bau)Überwachung kein Vergütungsansatz ausgewiesen worden.
Diese Angabe habe auch Einfluss auf das Bewertungsergebnis. Die zutreffende Bewertung der Referenz sei bei diesem Kriterium von 5 auf 4 Punkte zu ändern.
Auch habe sich bei einer Überprüfung der Angaben zur Referenz „M…“ herausgestellt, dass auch die dafür vom Antragsteller gemachten Angaben zumindest zweifelhaft waren. So ergebe sich aus der Darstellung auf der Website des Bundestages, dass dieses Projekt in zwei Abschnitten errichtet werde. Der erste Bauabschnitt sei schon im Jahr 2003 bezogen, der zweite werde seit 2006 planerisch und seit 2010 baulich realisiert und sei bis zum heutigen Tag nicht fertiggestellt. Die vom Antragsteller in seinen Projektangaben mitgeteilten Zahlen und Werte beträfen die zusammengefassten Daten beider Bauabschnitte. Dies werde den tatsächlichen Gegebenheiten und Geschehensabläufen jedoch nicht gerecht.
Der Nachprüfungsantrag sei demnach zurückzuweisen.
Als Anlage 1 überreichte der Antragsgegner noch die Information über die Wettbewerbsbekanntmachung „K.“. Darin seien die Kriterien für die Auswahl der Teilnehmer erkennbar, sowie die Bewertung der eingereichten Referenzen.
In Anlage 2 zur Wettbewerbsbekanntmachung „K.“ wurde eine Matrix zur Bewertung der Projektreferenzen übersandt, welches einzelne Bewertungskriterium erkennen lasse und auch die Unterteilung in technische und planerisch-gestalterische Leistungsfähigkeit.
Mit Beschlüssen vom 06.12.2016 und 16.12.2016 wurden die Bieter, deren Interessen im streitgegenständlichen Vergabeverfahren von der Entscheidung der Vergabekammer in erheblicher Weise berührt sein könnten, beigeladen.
Die Vergabekammer hat mit Schreiben vom 05.12.2016 und 16.12.2016 die Beteiligten zur mündlichen Verhandlung am 23.01.2016 um 10.30 Uhr geladen.
Mit Schreiben vom 12.12.2016 hat der Antragsteller zu den zu Akteneinsicht überlassenen Unterlagen und zum Schreiben des Antragsgegners vom 02.12.2016 Stellung genommen. Dem zufolge sei das Verfahren schon auf Grund einer völlig unzureichenden Aktenführung aufzuheben. Die Akte sei ersichtlich unvollständig, da die dienstliche Stellungnahme, welche einen Rügegrund darstelle, nicht beigefügt gewesen sei. Außerdem sei nicht ersichtlich, welche Teile der Akte nicht zur Einsicht freigegeben wurden und aus welchem Grund. Deswegen sei das vollständige und uneingeschränkte Akteneinsichtsrecht im Sinne von § 165 Abs. 2 GWB nicht gewahrt. Weil die Seiten der Akte nicht fortlaufend nummeriert seien, sei nicht erkennbar, ob die Akte insgesamt vollständig sei, oder ob Teile aus der Akte entfernt worden seien.
Auch könne die Auffassung des Antragsgegners, dass die Rüge nicht als solche zu betrachten sei, weil sie keinen konkreten Vergaberechtsverstoß bemängelt habe, nicht geteilt werden. Vielmehr habe das Informationsschreiben des Antragsgegners nicht den Ansprüchen des § 134 Abs. 1 GWB genügt und dies sei gerügt worden.
Tatsächlich habe der Antragsgegner mit Schreiben vom 11.11.2016 auch eine konkrete Antwort auf die Rüge des Antragstellers gegeben, nämlich der Rüge nicht abzuhelfen. Mit der Einleitung zum Schreiben vom 11.11.2016 habe der Antragsgegner auch hinreichend deutlich gemacht, dass er weder beabsichtige, die Rüge des Antragstellers als solche zu betrachten, noch ihm die geschuldeten Auskünfte zu geben. Wenn der Antragsteller auf dieses Schreiben hin noch etwas geschrieben hätte, wäre er das Risiko eingegangen, die Frist für ein Nachprüfungsverfahren zu versäumen.
Insgesamt sein ein Rügeverfahren im Sinne des § 160 Abs. 3 Nr. 1 GWB durchgeführt worden, somit sei der Nachprüfungsantrag zulässig.
Auch wenn der Antragsgegner der Auffassung sei, dass er die Bewerbung des Antragstellers nach den in der Wettbewerbsbekanntmachung und den Anlagen dazu angegebenen Kriterien bewertet habe, dass ihm dabei keine Fehler unterlaufen seien, und dass er den Antragsteller in ausreichender Weise über das Wettbewerbsergebnis informiert habe, sei dies aus verschiedenen Gründen falsch.
Der Antragsgegner habe die Referenz „P..“ mit 45 von 50 möglichen Punkten bewertet. Richtig wäre gewesen dieser Referenz 46 von 50 möglichen Punkten bei der technischen Leistungsfähigkeit zuzusprechen.
Ohne jede Begründung sei vorgetragen worden, dass dem Antragsteller für die Referenz M… – die als beste Referenz genutzt worden sei, um die planerisch-gestalterische Leistungsfähigkeit zu prüfen – lediglich 49 von 50 möglichen Punkten zugestanden worden sei. Unter Berücksichtigung sämtlicher Kriterien der Matrix hätten dem Antragsteller hier aber 50 von 50 möglichen Punkten zugestanden werden müssen.
Wenn der Antragsgegner sein Ermessen richtig ausgeübt hätte, hätte der Antragsteller für das Kriterium planerisch-gestalterische Qualität die Höchstpunktzahl erreichen und somit zugelassen werden müssen.
Außerdem ergebe sich aus den überlassenen Teilen der Vergabeakte, dass der Antragsgegner die Ausschreibungsbedingungen genauso interpretiert habe, wie der Antragsteller. Es seien 29 Teilnehmer ausgewählt worden. Wenn man die sechs eingeladenen Büros hinzuzähle, komme man auf 35 Teilnehmer. Dieses numerische Bewertungskriterium zeige, dass auch der Antragsgegner davon ausgehe, dass bei mehr als 29 Bewerbungen sechs gesetzte und 29 weitere Teilnehmer zum Wettbewerb zugelassen werden müssen. Insofern hätte der Antragsteller selbst mit der ihm zugestandenen Punktzahl zugelassen werden müssen, selbst wenn vier kleine Büros mitberücksichtigt worden seien.
Gerade von diesen vier kleinen Büros sei der Antragsteller weiterhin verdrängt worden. Es gehe weder darum, dass die Privilegierung kleinerer Büros angegriffen werden solle, noch gehe es um die Frage, ob die angewandten Kriterien angemessen seien. Es seien einfach keine Kriterien bekannt, aufgrund derer die Privilegierungen nachvollziehbar wären.
Die Tabelle in der Vergabeakte zur Reihung der Büros nach dem Teilnahmewettbewerb sei auch aus einem anderen Grund falsch oder mindestens nicht nachvollziehbar.
Nach § 3 Abs. 3 RPW 2013 müssten bereits vorausgewählte Teilnehmer die gestellten Anforderungen und Kriterien ebenfalls erfüllen.
Wenn der Antragsgegner sich an diese Regelung gehalten hätte und auch die vorab eingeladenen Büros entsprechend bewertet hätte, müsste die in der Dokumentation enthaltene Tabelle 35 Teilnehmer aufweisen. Dies sei jedoch nicht der Fall. Daher müsse angenommen werden, dass die eingeladenen Büros keiner Prüfung ihrer technischen und planerisch-gestalterischen Leistungsfähigkeit im Verhältnis zu den nicht eingeladenen Teilnehmern unterworfen wurden. Jedenfalls sei dies nicht dokumentiert.
Damit liege ein erheblicher Verfahrensfehler vor, der zur Aufhebung führen müsse.
Mit Schreiben vom 16.12.2016 erklärte die Beigeladenen zu 2 kurz ihre Stellung im Wettbewerb. Zum Nachprüfungsantrag selbst nahm sie keine Stellung.
Der Antragsgegner erwiderte auf die Schriftsätze des Antragstellers vom 12.12.2016, dass diese ein unrichtiges Verständnis des Antragstellers über Inhalt, Zweck und Reichweite des Akteneinsichtsrechts aufzeigen. Zudem halte er den Nachprüfungsantrag weiterhin für unzulässig und unbegründet.
Darüber hinaus könne der Antragsteller nicht zum anschließenden Verhandlungsverfahren eingeladen werden. Dies ergebe sich daraus, dass die Bewerbung des Antragstellers wegen schwerwiegender Täuschungen durch vorsätzlich unrichtige Angaben im Hinblick auf Eignungskriterien, jedenfalls aber wegen des Versuchs, die Entscheidungsfindung des Auslobers in unzulässiger Weise zu beeinflussen, gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 8, Nr. 9 a, c GWB ausgeschlossen werde.
Der Antragsteller habe bezüglich des Referenzprojekts „P.. M…“ wissentlich und vorsätzlich (absichtlich) unrichtige Angaben zu den Kriterien „Leistungsbild“ und „Projekttyp“ gemacht. Der Antragsteiler sei mit diesem Projekt durch einen Architektenvertrag beauftragt worden. In diesem Architektenvertrag sei für die Honorarzone die Honorarzone IV/8 vereinbart worden. Wie sich aus dem eigenen Vertrag des Antragstellers ergebe, nehme er aber für sich in Anspruch, obwohl ihm in einem zwischen den Beteiligten anderweitig geführten Rechtstreit von dem zuständigen Landgericht München l bereits mehrfach durch entsprechende richterliche Hinweise das Gegenteil mitgeteilt worden sei, sich an diese vertragliche Vereinbarung nicht halten zu müssen. Vielmehr nehme der Antragsteller für sich in Anspruch, aus eigener Einschätzung heraus entgegen der wirksamen vertraglichen Vereinbarung die P.. in die Honorarzone V einordnen zu können.
Dies belege eine absichtsvolle Fehlinformation im Teilnahmeantrag, die dazu führe, dass der Antragsteller mit seiner Bewerbung ausgeschlossen werden könne. Unter Ausübung des dem Antragsgegners insoweit zustehenden Ermessens und unter Bezugnahme aller Erwägungen, die ausdrücklich zum Gegenstand der Vergabedokumentation gemacht werden, werde deshalb der Antragsteller aus dem vorliegenden Wettbewerb gem. §§ 124 Abs. 1 Nr. 8, Nr. 9 a, c GWB ausgeschlossen. Der Umstand, dass der Antragsteller dennoch versucht habe, die Referenz „P..“ durch Benennung der Honorarzone V sogar noch im jetzigen Nachprüfungsverfahren weiter aufzuwerten, verstärke aus Sicht des Antragsgegners die Schwere der in diesen offensichtlich beabsichtigten unzutreffenden Angaben liegende Pflichtverletzung noch. Dabei spiele es auch keine Rolle, dass dadurch eine Verbesserung der Wertung nicht herbeigeführt werden könne. Die gleichen Erwägungen würden entsprechend für die unrichtigen Angaben bezüglich des Leistungsbildes und der hierfür vom Antragsteller angegebenen Leistungsphasen, die er für das Projekt P.. bearbeitet zu haben behauptet habe, gelten.
Der Nachprüfungsantrag sei deshalb in verschiedener Hinsicht unzulässig und unbegründet, jedenfalls aber zurückzuweisen.
Der erste Termin zur mündliche Verhandlung fand am 20.12.2016 in den Räumen der Regierung von Oberbayern statt. Die Beteiligten hatten Gelegenheit zum Vortrag. Die Sach- und Rechtslage wurde erörtert. Der Antragsteller beantragte – auf rechtlichen Hinweis der Vergabekammer – noch hilfsweise die Neubewertung seines Teilnahmeantrags.
Der Antragsteller erhielt noch die Möglichkeit, sich bis zum 23.12.2016 zum verfügten Ausschluss seines Teilnahmeantrags zu äußern.
Der Vorsitzende hat die Entscheidungsfrist der Vergabekammer gem. § 167 Abs. 1 Satz 2 GWB bis zum 20.01.2017 verlängert.
Mit Schreiben vom 23.12.2016 trat der Antragsteller dem Vortrag des Antragsgegners entgegen und trug vor, dass keine Täuschung vorgelegen habe und damit auch kein Ausschlussgrund nach § 124 Abs. 1 Nr. 8 GWB gegeben sei. Der Antragsteller habe in der mündlichen Verhandlung unwidersprochen vorgetragen, dass in dem seit Jahren zwischen den Parteien andauernden Rechtsstreit über das dem Antragsteller für die P.. zustehende Honorar neben vielen anderen Aspekten auch die Frage strittig sei, welcher Honorarzone die vom Antragsteller gelieferte Arbeit zuzuordnen sei. Dabei habe der Antragsteller immer vorgetragen, seine Leistung sei der Honorarzone V zuzuordnen. Der Antragsteller habe also seine – im Streit befindliche – Auffassung dessen korrekt wiedergegeben. Die dem Antragsteller vom Antragsgegner unterstellte Täuschungshandlung wäre aber auch nicht geeignet, einen Ausschluss zu begründen, denn sie wäre nicht schwerwiegend.
Nach der vom Antragsgegner vorgegebenen Matrix mache es keinen Unterschied in der Bewertung, ob die in Bezug genommene Referenz der Honorarzone V oder IV zugeordnet war, da für beide Honorarzonen dieselbe Punktzahl vergeben worden sei. Der Antragsgegner habe die Referenz „P..“ nach eigener Aussage der Honorarzone IV/8 zugeordnet, also mit der höchsten für die Honorarzone IV vorgesehenen Punktzahl bewertet. Das sei lediglich ein Punkt weniger, als Honorarzone V, die nach der Punktebewertung mit 9 Punkten bewertet werde.
Für die Täuschungshandlung des § 124 Abs. 1 Nr. 8 GWB sei auch Verschulden erforderlich. Hieran fehle es aber bereits, denn der Antragsteller habe sei seiner Ansicht nach richtige Vertragslage dargestellt. Es sei in den Vergabeunterlagen nirgends die Möglichkeit vorgesehen, eine strittige Position als solche darzustellen. Es könne aber nicht Sinn des § 128 Abs. 1 Nr. 8 GWB sein, den Bewerber dazu zu zwingen, eigene Rechtspositionen aufzugeben, zumal der Antragsgegner dies sicherlich in dem erwähnten Rechtsstreit zu seinen Gunsten nutzen würde.
Auch der Tatbestand des § 124 Abs. Nr. 9 a) GWB liege nicht vor. Hier sei nicht etwa gemeint, dass der Bewerber den öffentlichen Auftraggeber mit falschen Angaben bedient, sondern Kontaktaufnahmen mit dem Auftraggeber oder Dritten, die nicht die in dem konkreten Verfahren vorgesehenen Wege und Mittel der Kommunikation einhalte, und in der ein Unternehmen versucht, Einfluss auf den Auftraggeber zu nehmen. Ein solches Verhalten habe der Antragsgegner dem Antragsteller nicht vorgeworfen.
Die Beschreibung des Tatbestandes mache bereits deutlich, dass er nicht in fahrlässiger Weise erfüllt werden könne, wie dies der Antragsgegner anzunehmen scheine. Deshalb regele § 124 Abs. 1 Nr. 9 c) einen anderen Ausschlussgrund.
Den Ausschlussgrund des § 124 Abs. 1 Nr. 9 c) GWB habe der Antragsgegner nicht gemacht. Daher werde lediglich vorsorglich darauf hingewiesen dass ein solcher bereits tatbestandlich nicht vorliege.
Es müssten vorsätzlich oder fahrlässig, also schuldhaft, irreführende Informationen übermittelt worden sein, die die Vergabeentscheidung erheblich beeinflussen könnten.
Wie bereits dargelegt, habe der Antragsteller keine falschen Informationen übermittelt. Schließlich setze § 124 Abs. 1 Nr. 9 c) GWB voraus, dass diese falsche Information geeignet ist, die Vergabeentscheidung erheblich zu beeinflussen. Dies sei nicht der Fall. Wie dargelegt, sehe die Matrix für die Honorarzone IV und V dieselbe Punktzahl vor.
Dem Antragsteller sei hinsichtlich des weiteren Vortrags des Antragsgegners in dessen Schriftsatz vom 16.12.2016 keine Möglichkeit zur Stellungnahme mehr eingeräumt worden.
In Hinblick auf den in der mündlichen Verhandlung gestellten Hilfsantrag sei jedoch betont, dass es sich um einen Hilfsantrag handle. Er sei unter dem Eindruck gestellt worden, dass einige Aspekte des Vortrags des Antragstellers, die er jedoch für wesentlich hält, überhaupt nicht erörtert worden seien.
Es werde daher auf den gesamten Vortrag des Antragstellers ergänzend Bezug genommen und gebeten, diesen bei der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen.
Mit Schreiben vom 05.01.2017 teilte der Antragsgegner mit, dass Der Antragsgegner halte an seiner Auffassung fest, dass die Referenzprojekte des Antragstellers ausschließlich anhand der in der Anlage 1 zur Wettbewerbsbekanntmachung vorgegebenen Kriterien bewertet worden und damit vergaberechtlich ordnungsgemäß seien. Gleichwohl habe er die von der Vergabekammer in der mündlichen Verhandlung geäußerten Kritikpunkte zum Anlass genommen, seine Sichtweise nochmals zu prüfen. Vorsorglich habe er die im Teilnahmeantrag des Antragstellers genannten Referenzprojekte nochmals mit Hilfe des ursprünglichen Auswahlgremiums bewertet. Die Bewertung und das aus der Bewertung erzielte Ergebnis seien dabei unverändert geblieben, so dass keine Änderung Rangfolge eintrete.
Der Antragsgegner hat dazu der Vergabekammer ein Ergebnisprotokoll der Nachbewertung der Referenzen der S. Architekten durch das ursprüngliche Auswahlgremium im Rahmen einer Telefonkonferenz am 30.12.2016 vorgelegt. Auf dessen Inhalt wird Bezug genommen.
Dem Antragsgegner sei zudem nach der gerügten Entscheidung vom 02.11.2016 bekannt geworden, dass auch die Angaben zur Referenz M… nicht in allen Punkten den Tatsachen entsprechen. Von den Vertragspartnern sei dieses Bauvorhaben nicht der Honorarzone V zugeordnet worden. Vereinbart sei eine Vergütung mach Honorarzone 4 ¾. Nach § 124 Abs. 1 Ziffer 8 GWB könnten öffentliche Auftraggeber unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ein Unternehmen zu jedem Zeitpunkt von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren ausschließen, wenn das Unternehmen in Bezug auf Eignungsgründe eine schwerwiegende Täuschung begangen hat. Es stehe außer Frage, dass die Angaben zur (vereinbarten) Honorarzone beim Referenzobjekt P.. unzutreffend sei. Weiterhin stehe fest, dass im Zeitpunkt des Vertragsschlusses Museen sowohl der Honorarzone IV als auch der Honorarzone V zugeordnet werden konnten (vgl. § 12 AHO). Die vom Antragsteller genannten Gründe für die Zuordnung seien in der AHO nicht vorgesehen. Bewusst fehlerhafte Auskünfte könnten jedoch die Annahme rechtfertigen, dass der Bewerber/ Bieter für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit nicht die erforderliche Zuverlässigkeit aufweise. Die Möglichkeit einer Auswirkung auf die Eignungsprüfung oder die Bewertung eines Teilnahmeantrags spiele deshalb weder für § 124 Abs. 1 Nr. 8 GWB (n. F.), noch für die Vorgängerregelungen aus der VOL/A-EG oder der VOF eine Rolle. Der Antragsgegner halte deshalb an dem vorgenommenen Ausschluss nach § 124 Abs. 1 Nr. 8 GWB ausdrücklich fest.
Hierauf erwiderte der Antragsteller mit Schreiben vom 12.01.2017, dass der Antragsgegner dem Schriftsatz eine neue Begründung für den Ausschluss des Antragstellers beigefügt habe. Offensichtlich habe der Antragsgegner diese neue Begründung aufgrund der Erwägungen der Vergabekammer in der mündlichen Verhandlung vom 20.12.2016 verfasst. Der Antragsteller betrachte diese neue Begründung als erneute Ablehnung und habe dagegen mit Datum vom 10.01.2017 Rüge erhoben.
Das entsprechende Rügeschreiben vom 10.01.2017 wurde der Kammer vorlegt. Der Antragsteller rügt insbesondere, dass es dem Antragsgegner nur darum gegangen sein, die ursprüngliche Bewertung angesichts der von der Vergabekammer im Verhandlungstermin vom 20.12.2016 geäußerten Bedenken zu „retten“. Die Bewertung sei pauschal und keineswegs ergebnisoffen erfolgt. Eine Erklärung dafür, wie die bewertenden Personen zu der Auffassung gelangt seien, die Architektursprache der P. sei wenig spezifisch und nicht unverwechselbar könne nicht nachvollzogen werden. Zudem würden sich die Ausführungen der Verfasser des Ergebnisprotokolls widersprechen. Weiterhin fehle jede Begründung für die Auffassung der bewertenden Personen, weshalb die P.. keine innovativen Elemente enthalte. Eine angemessene Ermessensausübung zur Frage der Übertragbarkeit bestehe nicht. Die nunmehr gewählten Kriterien wichen vollständig von den Kriterien der Sitzung vom 21.10.2016 ab und seien nicht geeignet, die Übertragbarkeit der P. auf den anstehenden Bau des K… zu begründen.
Ähnliches gelte für das Pl. Auch hier überrasche die Bewertung, dass die Architektursprache wenig spezifisch und nicht unverwechselbar sei, obwohl das Pl. nicht nur in Fachkreisen bekannt sein, sondern auch von jedem Berlin-Touristen wiedererkannt werde.
Auch hinsichtlich der Referenz M… sei das Ermessen allenfalls unzureichend und wenn, dann falsch ausgeübt worden. Auch hier widerspreche die Aussage, die Referenz weise keine spezifische, unverwechselbare Architektursprache auf, den eigenen Ausführungen: „Die verschiedenen aneinander gereihten Baukörper und Architekturelemente … werden formal als prägnant eingeschätzt. Die Komposition wirkt spannungsreich, expressiv und auch räumlich interessant.“ Darauf folge erneut der von den beiden oberen Referenzen wörtlich übernommene Satz ohne Begründung, dass die Architektursprache wenig spezifisch und nicht unverwechselbar sei. Diese Aussage widerspreche im Übrigen der Bekanntheit und dem Wiedererkennungswert des M…es.
Da in Hinblick auf Innovation und Übertragbarkeit auch hier offensichtlich überhaupt kein Ermessen ausgeübt worden, sondern die bereits zu den anderen Referenzen benutzten Standardsätze verwendet würden, werde auf die Ausführungen zur P.. verwiesen.
Auf den Inhalt des Rügeschreibens wird im Übrigen Bezug genommen.
Der Antragsgegner versuche erneut, den Antragsteller durch Geltendmachung angeblicher fakultativer Ausschlussgründe auszuschließen und zu desavouieren. Dies gelinge aber nicht.
Es sei bereits in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen worden, dass die Matrix für Referenzen aus Honorarzone IV dieselbe Punktzahl vergebe, wie für Honorarzone V. Insofern fehle es schon am Tatbestandsmerkmal „schwerwiegend“ des § 124 Abs. 1 Nr. 8 GWB. Auch hinsichtlich der Angaben zur Referenz P. liege keine Täuschungshandlung vor. Die Täuschungshandlung wäre, angenommen, es habe eine solche stattgefunden, nicht mit Täuschungsvorsatz erfolgt, da ein Rechtsstreit darüber bestehe, welcher Honorarzone die Leistungen des Antragstellers zur P.. zuzuordnen seien.
Auch hinsichtlich des Pl.es (gemeint ist wohl das M…) liege ein fakultativer Ausschlussgrund nicht vor. Es stelle sich bereits die Frage, ob die Nachfrage beim B.. zur Eigenerklärung des Antragstellers nicht ermessensfehlerhaft sei. Die Ausführungen des Antragsgegners scheitern weiter an dem Umstand, dass die Matrix eine Bruchteilsdifferenzierung der Honorarzonen nicht vorsehe, eben weil es eine solche nicht gebe. Daher hätte der Antragsteller, angenommen, es sei eine nicht existente Honorarzone 4 ¾ vereinbart worden, gar nicht die Möglichkeit gehabt, die richtige Honorarzone anzugeben.
Die Vergabekammer hat mit Schreiben vom 16.01.2017 die Beteiligten zum zweiten Termin der mündlichen Verhandlung am 20.01.2017 um 14.00 Uhr geladen.
Mit Schreiben vom 18.01.2017 nahm der Antragsgegner nochmals Stellung und führte aus, dass er dem Schriftsatz vom 05.01.2017 keine „neue Begründung für den Ausschluss des Antragstellers“ beigefügt habe, sondern eine erneute und vertiefende Begründung des (gleichen) Ergebnisses, das der Antragsteller im vorliegenden Vergabenachprüfungsverfahren beanstande.
Der Antragsgegner habe sein Ermessen ausgeübt. Die Ausübung erfolgte auch innerhalb des ihm zustehenden Beurteilungsspielraums. Die Nachbewertung (so die Bezeichnung des Antragstellers) sei auch ergebnisoffen erfolgt. Für die anderslautenden Behauptungen habe der Antragsteller nicht einmal irgendwelche Anhaltspunkte vorgetragen. Der Vertrag des Antragstellers zu den geltend gemachten und vom Antragsgegner aufrecht erhaltenen Ausschlusstatbeständen kann nicht zu einem anderen Ergebnis führen.
Der zweite Termin zur mündlichen Verhandlung fand am 20.01.2017 in den Räumen der Regierung von Oberbayern statt. Die Beteiligten hatten Gelegenheit zum Vortrag. Die Sach- und Rechtslage wurde erörtert. Die Beteiligten hielten an ihren bereits im Termin vom 20.12.2016 gestellten Anträgen fest.
Im Nachgang zur mündlichen Verhandlung hat die Vergabekammer den Antragsteller mit Schreiben vom 20.01.2017 gebeten, seinen Vortrag im Schriftsatz vom 12.01.2017, dass Honorarzonen im Vertrag des Antragstellers mit der B.. nicht definiert gewesen wären, durch Vorlage der entsprechenden Verträge und sonstiger Vereinbarungen bis zum 25.01.2017 unter Beweis zu stellen. Der Antragsteller legte fristgerecht die Vereinbarung zwischen der B.. vom 12.01.1996, den Generalplanungsvertrag vom 12.01.1996, einen Auszug aus dem Generalplanerhonorar sowie den Architektenvertrag vom 04./15.01.2006 (nebst Anlagen 3, 4.1, 4.2 und 12) vor.
Die Beteiligten wurden durch den Austausch der jeweiligen Schriftsätze informiert.
Auf die ausgetauschten Schriftsätze, die Verfahrensakte der Vergabekammer sowie auf die Vergabeakten, soweit sie der Vergabekammer vorgelegt wurden, wird ergänzend Bezug genommen.
II.
Der Nachprüfungsantrag ist nur teilweise zulässig und nur im Hilfsantrag begründet.
Die Vergabekammer Südbayern ist für die Überprüfung des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens zuständig.
Die sachliche und örtliche Zuständigkeit der Vergabekammer Südbayern ergibt sich aus §§ 155, 156 Abs. 1, 158 Abs. 2 GWB i.V.m. §§ 1 und 2 BayNpV.
Gegenstand der Vergabe ist ein Wettbewerb i. S. d. § 103 Abs. 6 GWB. Auch Wettbewerbe fallen in die Zuständigkeit der Vergabenachprüfungsinstanzen. Sie sind zwar in § 155 GWB nicht ausdrücklich genannt, werden aber über § 103 Abs. 6 GWB mit einbezogen (Diemon-Wies in Müller-Wrede GWB-Vergaberecht § 155 GWB Rn. 20).
Der Antragsgegner ist Auftraggeber gemäß §§ 98, 99 Nr. 1 GWB.
Der gemäß § 106 GWB maßgebliche Schwellenwert in Höhe von 209.000 Euro wird überschritten, weil schon die Gesamtsumme der ausgelobten Preisgelder im Wettbewerb bei 500.000 € liegt und auch ein im nachfolgenden Verhandlungsverfahren vergebener Planungsauftrag den Schwellenwert weit überschreiten wird (vgl. § 3 Abs. 12 VgV).
Eine Ausnahmebestimmung der §§ 107 – 109 GWB liegt nicht vor.
1. Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags
Der Nachprüfungsantrag ist nur teilweise zulässig, weil der Antragsteller nur in beschränktem Umfang seiner Rügeobligenheit genügt hat.
1.1 Antragsbefugnis Gemäß § 160 Abs. 2 GWB ist ein Unternehmen antragsbefugt, wenn es ein Interesse am Auftrag hat, eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB und zumindest einen drohenden Schaden darlegt.
Der Antragsteller hat sein Interesse am Auftrag durch die Abgabe seines Teilnahmeantrags nachgewiesen. Es ist nicht erkennbar, dass er mit diesem Nachprüfungsantrag einen anderen Zweck verfolgt, als den, die Teilnahme am Planungswettwerb zu erstreiten und damit die Möglichkeit zu erhalten, ggf. den künftigen Planungsauftrag zu erhalten. Da der Antragsteller nicht zur Teilnahme am Planungswettbewerb ausgewählt wurde und sein Teilnahmeantrag nachträglich ausgeschlossen wurde, droht ihm auch ein finanzieller Schaden.
1.2 Rügeobliegenheit
Der Antragsteller hat seiner Rügeobliegenheit gemäß § 160 Abs. 3 GWB nur in beschränktem Umfang genügt.
Das Schreiben des Antragstellers vom 10.11.2016 ist als Rüge i.S.d. § 160 Abs. 3 Satz 1 GWB zu verstehen. Auch wenn man an die konkrete Darlegung eines Vergabeverstoßes durch einen schon bei der Rüge anwaltlich vertretenen Bieter möglicherweise etwas höhere Anforderungen stellen muss, als bei einem nicht anwaltlich vertretenen Bieter, ergibt sich aus dem Schreiben eine konkrete vergaberechtliche Beanstandung. Der damalige Bevollmächtigte des Antragstellers rügt, dass sein Mandant nicht für den Planungswettbewerb ausgewählt wurde, dass die Bewertung des Leistungsnachweises seines Mandanten und der Mitbewerber nicht transparent sei, das Schreiben vom 02.11.2016 keine nähere Begründung der jeweiligen Punktevergabe enthalte und damit die Entscheidung des Auswahlgremiums nicht überprüfbar sei. Sehr viel konkretere Rügen konnte der damalige Bevollmächtige auf dem Kenntnisstand vor Akteneinsicht aufgrund der Angaben im Schreiben vom 02.11.2016 nicht erheben.
Auch wenn der Antragsteller nach der Überlassung von weiteren Informationen durch den Antragsgegner seine Rüge nicht erweitert hat, kann ihr doch zumindest der Inhalt entnommen werden, dass die Wertung des Teilnahmeantrags des Antragstellers intransparent und damit nach seiner Auffassung rechtswidrig war. Dies genügt insoweit den Anforderungen an eine Rüge.
An den Inhalt einer Rüge sind nur relativ geringe Anforderungen zu stellen, da ansonsten die Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes gefährdet sein könnte. Detaillierte Rechtsausführungen sind nicht erforderlich, auch von einem anwaltlich vertretenen Bieter kann nicht verlangt werden, bereits im Rügeschreiben alle denkbaren juristischen Aspekte aufzuzeigen, unter denen ein vergaberechtliches Problem gesehen werden kann (vgl. nur OLG München, Beschluss vom 20.03.2014 – Verg 17/13). Soweit eine Rüge zumindest erhoben wurde, kann diese im weiteren Verfahren weiter begründet und vertieft werden (so schon OLG Celle, Beschluss vom 12.05.2005 – 13 Verg 6/05).
Zudem wird ausdrücklich das Wort Rüge benutzt, was bei einem von einem Rechtsanwalt verfassten Schreiben ein starkes Indiz darstellt, dass mit diesem Schreiben tatsächlich eine Rüge gemeint ist.
Dass der Antragsgegner in seinem Schreiben vom 11.11.2016 die Rüge nur als Auskunftsverlangen verstehen wollte, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit bereits prozesstaktischen Erwägungen geschuldet. Das Verhältnis zwischen dem Antragsteller und dem Antragsgegner, und dort insbesondere dem den Wettbewerb durchführenden B. M… I, ist seit Jahren durch langdauernde und offenbar hartnäckig geführte Zivilprozesse belastet. Die Rüge des Antragstellers dürfte vor diesem Hintergrund beim Antragsgegner – auch angesichts der Bedeutung des Architektenwettbewerbs – erhebliche Besorgnis ausgelöst haben.
Allerdings hat der Antragsteller mit seinem Schreiben vom 10.11.2016 weder die Auswahlkriterien in der Anlage 1 zur Bewertung der planerisch-gestalterischen Leistungsfähigkeit (Originalität, Innovation und gestalterische Qualität und die Übertragbarkeit der vorgenannten drei Aspekte auf das anstehende Projekt) noch die Tatsache gerügt, dass bei der Bewertung der planerisch-gestalterischen Leistungsfähigkeit nur eine der eingereichten Referenzen gewertet soll, die vom Auswahlgremium als die Beste bestimmt wird.
Diese Aspekte hätten wohl gem. § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GWB auch schon vor Abgabe des Teilnahmeantrags gerügt werden müssen, da sie sich aus der Anlage 1 zur Bekanntmachung ergaben, die den Bewerbern bekanntgegeben war. Es spricht auch Vieles dafür, dass diese Verstöße nicht nur in tatsächlicher, sondern auch in rechtlicher Hinsicht erkennbar waren, da § 71 Abs. 3 VgV, der gem. § 73 Abs. 1 VgV auch für die Vergabe von Architekten und Ingenieurleistungen gilt, regelt, dass bei einem Planungswettbewerb mit beschränkter Teilnehmerzahl der öffentliche Auftraggeber eindeutige und nichtdiskriminierende Auswahlkriterien festzulegen hat. Ähnliches legt § 3 Abs. 3 RPW 2013 fest.
Keiner Rügeobligenheit unterlag der Antragsteller dagegen bei seinem im Laufe des Nachprüfungsverfahrens erhobenen Vorwurfs, dass die Eignung der gesetzten Bieter nicht geprüft worden sei, denn dies konnte er erst aufgrund der Akteneinsicht erkennen.
Ebenfalls keiner Rügeobligenheit unterlag der Antragsteller bei seinem Vorgehen gegen den erst im laufenden Nachprüfungsverfahren mit Schriftsatz des Antragsgegners vom 16.12.2016 verfügten Ausschluss seines Teilnahmeantrags nach § 124 Abs. 1 Nr. 8 bzw. 9a und c GWB. Einen erst im Nachprüfungsverfahren verfügten Ausschluss muss der Antragsteller nicht gesondert rügen, sondern ihn lediglich rechtzeitig zum Gegenstand des laufenden Nachprüfungsverfahrens machen. Dies hat der Antragsteller in der mündlichen Verhandlung und mit nachgelassenem Schriftsatz vom 23.12.2016 getan.
2. Begründetheit des Nachprüfungsantrags
Der Nachprüfungsantrag ist nur im Hilfsantrag, nicht aber im Hauptantrag begründet. Zwar durfte der Teilnahmeantrag des Antragstellers nicht wegen seiner Angaben zur technischen Leistungsfähigkeit nach §§ 124 Abs. 1 Nr. 8 bzw. 9a und c GWB ausgeschlossen werden. Die Angriffe des Antragstellers führen – soweit sie sich nicht im Ergebnis gegen die Regelungen in der Anlage 1 zur Bekanntmachung richten und damit präkludiert sind – nicht dazu, dass der nicht offene Realisierungswettbewerb aufgehoben oder in den Stand der Bekanntmachung zurückversetzt werden muss.
Begründet ist allerdings der Hilfsantrag, da bei der Bewertung der planerisch-gestalterischen Leistungsfähigkeit des Antragstellers in der ursprünglichen Bewertung vom 21.10.2016 bereits die Auswahl des Referenzobjektes anhand von sachfremden Kriterien erfolgte und die Frage der Übertragbarkeit von Originalität, Innovation und gestalterischer Qualität des Referenzobjekts auf das anstehende Projekt anhand nicht bekanntgegebener Kriterien erfolgte. Zudem ist eine Ungleichbehandlung des Teilnahmeantrags des Antragstellers im Vergleich zu der Bewertung der Teilnahmeanträge anderer Bewerber nicht auszuschließen.
Diese Mängel konnten auch durch die Nachbewertung vom 30.12.2016 nicht ausgeräumt werden, da der Austausch der dokumentierten Ermessenserwägungen zur Wertung in diesem Umfang nicht zulässig ist und im Übrigen auch die nachgeschobenen Erwägungen keine nachvollziehbare Bewertung darstellen.
2.1. Der Teilnahmeantrag des Antragstellers wurde vom Antragsgegner mit Schriftsatz vom 16.12.2016 allerdings zu Unrecht nachträglich von der Wertung ausgeschlossen.
Gem. § 124 Abs. 1 GWB können Unternehmen unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu jedem Zeitpunkt des Vergabeverfahrens und somit auch im laufenden Nachprüfungsverfahren von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren ausgeschlossen werden, falls die entsprechenden Ausschlusstatbestände erfüllt. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
Der Antragssteller ist allerdings nicht dadurch in seinen Rechten verletzt, dass der Antragsgegner seinen Teilnahmeantrag nicht anonym behandelt hat und die Angaben im Antrag hinterfragt hat.
Zwar sieht § 1 Abs. 3 und 4 RPW 2013 als Grundsätze eines Planungswettbewerbs die Gleichbehandlung und die Anonymität der Wettbewerbsbeiträge vor. Auch ist der Antragsgegner gehalten, sich an die Vorgaben der RPW 2013 zu halten, da er die Anwendung dieser Richtlinie in Ziffer II.1.1 der Bekanntmachung festgelegt hat. Die verlangte Anonymität nach § 1 Abs. 4 RPW 2013 gilt jedoch allein für die Wettbewerbsbeiträge selbst, welche bis zur Entscheidung des Preisgerichts anonym bleiben sollen. Das vorliegende Verfahren hat jedoch das Stadium des Wettbewerbs noch nicht erreicht, da es sich lediglich um den Teilnahmewettbewerb um die Zulassung zum Architektenwettbewerb handelt.
Genauso wenig kann der Antragsteller eine individuelle Rechtsverletzung oder auch die Unzulässigkeit des Ausschlusses daraus herleiten, dass nur seine Angaben im Teilnahmeantrag geprüft wurden. Es ist zwar der Vergabedokumentation an keiner Stelle zu entnehmen, dass auch bei anderen Bewerbern die Angaben im Teilnahmeantrag geprüft und hinterfragt worden wären, aber aus diesem Unterlassen des Antragsgegners kann der Antragsteller keinen Anspruch auf Gleichheit im Unrecht geltend machen. Der Antragsgegner hätte die Angaben aller Bewerber prüfen müssen. Der Antragsteller beim dem (möglicherweise als einzigem) diese Prüfung erfolgt ist, kann daraus aber keinen Anspruch ableiten, dass auch seine Angaben ungeprüft übernommen hätten werden müssen.
Der Ausschlussgrund des § 124 Abs. 1 Nr. 8 GWB ist allerdings nicht gegeben. Nach dieser Vorschrift kann ein Angebot oder Teilnahmeantrag ausgeschlossen werden, wenn das Unternehmen in Bezug auf Ausschlussgründe oder Eignungskriterien eine schwerwiegende Täuschung begangen hat, Auskünfte zurückgehalten hat oder nicht in der Lage ist, die erforderlichen Nachweise zu übermitteln. In Betracht kommt vorliegend nur die erste Alternative der schwerwiegenden Täuschung.
Unstrittig hat der Antragsteller für die Projektreferenz „P..“ unter der Rubrik „Komplexität“ die Honorarzone V angegeben, obwohl im Architektenvertrag zwischen dem Antragsteller und dem Antragsgegner zur P.. vom 09.11.1994 die Honorarzone IV/8 vereinbart wurde. Weiter hat er unter der Rubrik „Leistungsbild“ angegeben, mit den Leistungsphasen 1, 2, 3, 4, 5 und 8 beauftragt worden zu sein. Aus besagtem Vertrag geht in § 3 Nr. 3.5 aber hervor, dass der Antragsteller nur mit relativ kleinen Teilen der Leistungsphase 8 beauftragt war, nämlich der Überwachung der Herstellung des Objekts hinsichtlich der Einzelheiten der Gestaltung und Einhaltung des Entwurfes. Die gesamten geschuldeten Leistungen der Objekt-(Bau)- Überwachung im Rahmen der Leistungsphasen 6/7 und 8 der HOAI wurden insgesamt mit 5 v.H. bewertet.
Dennoch sind diese Angaben nicht als schwerwiegende Täuschung in Bezug auf Ausschlussgründe oder Eignungskriterien anzusehen. Da die Angaben zur technischen Leistungsfähigkeit zur Auswahl der „geeignetsten Teilnehmer“ führen sollten, betreffen sie Eignungskriterien.
Für einen Ausschluss wegen einer schwerwiegenden Täuschung ist ein Verschulden im Sinne eines vorsätzlichen Handelns explizit erforderlich, da es hier gerade um die subjektive Komponente der Vertrauensbindung zwischen Auftraggeber und Bewerber geht. Das geht auch aus dem Wortlaut in Art. 57 Abs. 4 lit. h) RL 2014/24/EU (einer schwerwiegenden Täuschung schuldig gemacht) hervor. Die fahrlässige Übermittlung irreführender Informationen zu Eignung und Ausschlussgründen wird von § 124 Abs. 1 Nr. 9 lit. c) GWB erfasst (Hausmann/von Hoff in Kulartz/Kus/Portz/Prieß, GWB Vergaberecht, § 124 GWB Rn. 57).
Der Antragsteller hat zwar zumindest bzgl. der Angabe der Leistungsphase V in dem Wissen gehandelt, dass im Vertrag von 1994 etwas anderes vereinbart war. Allerdings handelte er nicht mit Täuschungsabsicht. Zwischen dem Antragsteller und dem Antragsgegner ist in dem seit Jahren zwischen den Parteien andauernden Rechtsstreit über das dem Antragsteller für die P.. zustehende Honorar neben vielen anderen Aspekten auch die Frage strittig, welcher Honorarzone die vom Antragsteller gelieferte Arbeit zuzuordnen sei. Dabei hat der Antragsteller immer vorgetragen, seine Leistung sei der Honorarzone V zuzuordnen. Der Antragsteller hat damit lediglich seine – im Streit befindliche – Auffassung wiedergegeben, dass die P.. in Honorarzone V einzustufen sei. In den Unterlagen des Teilnahmewettbewerbs war keine Möglichkeit vorgesehen, eine strittige Position als solche darzustellen. Zu einer Aufgabe seiner im Zivilprozess vertretenen Rechtsauffassung im Teilnahmeantrag war der Antragsteller vor einem erstinstanzlichen Urteil im Zivilverfahren nicht verpflichtet. Er war sich dabei – nach seiner Einlassung in der mündlichen Verhandlung – auch bewusst, dass seine Auffassung nicht zu einer anderen Bewertung seines Teilnahmeantrags führen konnte, da nach dem Anhang 2 der Bekanntmachung sowohl Honorarzone IV als auch V zu einer Bepunktung mit 5 Punkten führt.
Bezüglich der Nennung der Leistungsphasen ist schon zweifelhaft, ob die Angabe der Leistungsphase 8 überhaupt eine unrichtige Angabe war, da es keine explizite Vorgabe gibt, dass die genannten Leistungsphasen vollständig erbracht sein müssen und Teile der Leistungsphase 8 vom Antragsteller erbracht wurden. Im Übrigen ist es ebenfalls Gegenstand des Zivilrechtsstreits zwischen dem Antragsteller und dem Antragsgegner, in welchem Umfang der Antragsteller Leistungen der einzelnen Leistungsphasen erbracht hat.
Überdies kann zumindest im vorliegenden Fall eine Angabe im Teilnahmeantrag, die keine Auswirkungen auf das Ergebnis des Teilnahmewettbewerbs haben kann, keine schwerwiegende Täuschung darstellen. Denn ebenso wie die Angabe der Honorarzone V statt IV kann die Angabe der Leistungsphase 8 im Teilnahmeantrag des Antragstellers zu keiner anderen Bewertung führen. Unabhängig davon, ob Leistungsphase 8 angegeben war oder nicht, konnte die Referenz „P..“ in der Kategorie „Leistungsbild“ nur mit 4 Punkten bewertet werden. Der Antragsteller hat nicht angegeben, die Leistungsphasen 2 bis 8 erfüllt zu haben, was für eine Bepunktung mit 5 Punkten erforderlich gewesen wäre.
§ 124 Abs. 1 Nr. 8 GWB soll insbesondere verhindern, dass ein ungeeigneter Wirtschaftsteilnehmer durch die Täuschungshandlung den Anschein erweckt, er sei geeignet. Im Rahmen der Eignungsprüfung bei der Vergabe eines Auftrags ist die Täuschung dann schwerwiegend, wenn der öffentliche Auftraggeber auf der Grundlage der richtigen Informationen den Wirtschaftsteilnehmer von Verfahren ausgeschlossen hätte (Conrad in Müller-Wrede, GWB-Vergaberecht § 124 GWB Rn. 164).
Vorliegend wird aber anhand der Angaben im Teilnahmewettbewerb nur sekundär die Eignung an sich geprüft, stattdessen sollen in einer Wertung der Referenzobjekte die geeignetsten Bewerber ermittelt werden. Ließe man in einer solchen Situation einen Ausschluss wegen einer irreführenden Angabe, die keine Auswirkungen auf die Bewertung haben kann zu, hätte das Tatbestandsmerkmal „schwerwiegend“ keine Bedeutung mehr. Jede Täuschung (die vorliegend ohnehin nicht gegeben ist) würde dann zum Ausschluss führen können. Zudem würden dadurch die Voraussetzungen von § 124 Abs. 1 Nr. 9c GWB umgangen.
Soweit der Antragsgegner den Ausschluss des Teilnahmeantrags des Antragstellers auf § 124 Abs. 1 Nr. 9 a) gestützt hat, liegt bereits der Tatbestand des § 124 Abs. 1 Nr. 9 a) GWB nicht vor.
Die Vorschrift gibt dem Auftraggeber dann einen fakultativen Ausschlussgrund, wenn der Bewerber versucht hat, die Entscheidungsfindung des öffentlichen Auftraggebers in unzulässiger Weise zu beeinflussen.
Damit ist nicht gemeint, dass der Bewerber den öffentlichen Auftraggeber mit falschen Angaben bedient – dieser Fall ist in § 124 Abs. 1 Nr. 8 GWB geregelt – sondern Kontaktaufnahmen mit dem Auftraggeber oder Dritten, die nicht die in dem konkreten Verfahren vorgesehenen Wege und Mittel der Kommunikation einhalten, und bei denen ein Unternehmen versucht, Einfluss auf den Auftraggeber zu nehmen (vgl. Hausmann/von Hoff in Kulartz/Kus/Portz/Prieß, GWB Vergaberecht, § 124 GWB, Rn. 62).
Ein solches Verhalten hat der Antragsgegner dem Antragsteller nicht vorgeworfen.
Aber auch ein Ausschluss des Teilnahmeantrags des Antragstellers nach § 124 Abs. 1 Nr. 9 c) GWB kommt nicht in Betracht. Der Tatbestand der Norm ist eindeutig nicht erfüllt.
Dazu müsste der Antragsteller vorsätzlich oder fahrlässig, also schuldhaft, irreführende Informationen übermittelt haben, die die Vergabeentscheidung erheblich beeinflussen könnten. Auch wenn man den Architektenvertrag zwischen dem Antragsteller und dem Antragsgegner zur P.. vom 09.11.1994 als einzig maßgeblich halten würde und die Informationen damit potentiell irreführend gewesen wären, waren die Angaben des Antragstellers im Teilnahmeantrag gerade nicht geeignet, die Vergabeentscheidung des öffentlichen Auftraggebers erheblich zu beeinflussen, weil sie gerade keine Auswirkung auf die Bepunktung der Referenz „P..“ im Rahmen der Bewertung der technischen Leistungsfähigkeit haben konnten (s.o.).
Dasselbe gilt auch hinsichtlich der offenbar unrichtigen Angabe der Honorarzone V bzgl. des M…es, die der Antragsgegner verspätet erstmals im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 05.01.2017 vorgetragen hat, obwohl ihm die Auskunft des Bundesamts für Bauwesen und Raumordnung, das für Bauvorhaben Elisabeth-Lüders-Haus zuständig ist, bereits seit dem 15.12.2016 und damit vor dem ersten Termin zur mündlichen Verhandlung bekannt war. Das Zurückhalten dieses Tatsachenvortrags stellt eine Verletzung der Verfahrensförderungspflicht des Antragsgegners dar. Die Vergabekammer war insoweit nicht gehalten, dem vom Antragsteller im Schriftsatz vom 12.01.2017 bestrittenen Verstoß durch Beiziehung der entsprechenden Verträge des Antragstellers mit dem Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung vertieft nachzugehen. Der Antragsgegner muss insoweit die aus seiner Verletzung der Verfahrensförderungspflicht herrührenden Verfahrensnachteile tragen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19.11.2003 – VII-Verg 22/03; Ohlerich in Kulartz, Kus, Portz, Prieß GWB-Vergaberecht, § 167 GWB Rn. 34). Dennoch hat die Vergabekammer mit Schreiben vom 20.01.2017 den Antragsteller gebeten, seinen Vortrag im Schriftsatz vom 12.01.2017, dass Honorarzonen im Vertrag des Antragstellers mit der Bundesbaugesellschaft nicht definiert gewesen wären, durch Vorlage der entsprechenden Verträge und sonstiger Vereinbarungen unter Beweis zu stellen. Die vom Antragsteller vorgelegten Unterlagen lassen keine abschließende Aussage über eine vereinbarte Honorarzone zu. Allerdings ist zu erkennen, dass wesentliche Honorarabrechnungen auf der Grundlage der Honorarzone IV erfolgten. Es spricht daher Einiges dafür, dass der Antragsteller in seinem Teilnahmeantrag die Honorarzone der Referenz unrichtig angegeben hat.
Allerdings gilt auch hier, dass die unrichtige Angabe keine Auswirkung auf die Bewertung haben konnte, so dass eine etwaige Täuschung nach dem oben ausgesagten nicht schwerwiegend war.
Der mit Schriftsatz vom 16.12.2016 ausgesprochene Ausschluss des Angebots des Antragsstellers kann daher keinen Bestand haben.
2.2 Der Antragsteller ist nicht in einer Art und Weise in seinen Rechten aus § 97 Abs. 6 GWB verletzt, dass der nicht offene Realisierungswettbewerb aufgehoben oder auf den Stand der Bekanntmachung zurückversetzt werden muss.
Die Auswahlkriterien in Anlage 1 zur Bekanntmachung und auch die von ihm monierte Intransparenz der Berücksichtigung von Berufsanfängern und kleinen Büros hat der Antragsteller – wie er selbst einräumt – nicht gerügt, so dass er insoweit keine Aufhebung oder Rückversetzung des Verfahrens erreichen kann.
Die Tatsache, dass nirgendwo in der Dokumentation erkennbar ist, dass eine Prüfung stattgefunden hat, ob die gesetzten Büros die gestellten Anforderungen und Kriterien, also die technische und planerisch-gestalterische Leistungsfähigkeit entsprechend der Anlage 1 zur Bekanntmachung, ebenfalls erfüllen, wie in § 3 Abs. 3 RPW 2013 vorgeschrieben ist, führt nicht zu einer Rechtsverletzung des Antragstellers. Es muss – mangels Dokumentation – zwar davon ausgegangen werden, dass eine solche Prüfung nicht stattgefunden hat. Aufgrund dieses Mangels kann der Antragsteller aber weder verlangen, das Verfahren aufzuheben, noch es zurückzuversetzen. Selbst wenn eines oder mehrere der gesetzten Büros mangels vergleichbarer Eignung mit den ausgewählten Büros ausscheiden müsste, würde dies nicht zu einer Besserstellung des Antragstellers ohne Neuwertung seines eigenen Teilnahmeantrags führen, da zwischen ihm und dem ersten ausgewählten Teilnehmer mehr besser platzierte Teilnehmer liegen, als vorausgewählte Büros am Verfahren teilnehmen. Der Antragsteller würde damit nicht einmal beim – völlig unrealistischen – Ausscheiden aller gesetzter Teilnehmer automatisch nachrücken.
2.3 Die aus der Vergabedokumentation ersichtliche Bewertung des Teilnahmeantrags des Antragstellers verletzt diesen dagegen in seinen Rechten, da in der ursprünglichen Bewertung vom 21.10.2016 die Auswahl der „besten“ Referenz für die planerisch-gestalterische Leistungsfähigkeit nach sachfremden Kriterien erfolgt ist und die Dokumentation der Bewertung des Teilnahmeantrags bei der planerisch-gestalterischen Leistungsfähigkeit darauf hinweist, dass diese auf nicht bekanntgemachten Gesichtspunkten, unzutreffenden Annahmen und einer Ungleichbehandlung mit anderen Teilnehmern beruht.
Daran ändern auch die neuen Ermessenserwägungen in der sog. Nachbewertung vom 30.12.2016 nichts. Es spricht bereits viel dafür, dass der Auftraggeber im laufenden Nachprüfungsverfahren daran gehindert ist, seine bisherigen, in der Vergabedokumentation enthaltenen Ermessenserwägungen völlig auszuwechseln. Auch wenn der Antragsgegner im Schriftsatz vom 18.01.2017 vorgetragen hat, dass die Nachbewertung lediglich eine Ergänzung der dokumentierten Bewertung vom 21.10.2016, die als rechtmäßig verteidigt wird, darstellen solle, liefert sie doch tatsächlich eine völlig neue Begründung für das bisherige Ergebnis.
Auch bei der Auswahl von Teilnehmern für einen nicht offenen Planungswettbewerb gelten die Grundsätze der Gleichbehandlung, Nichtdiskriminierung und Transparenz uneingeschränkt, was klar durch die Verweisung in Art. 80 Abs. 1 der Richtlinie 2014/24/EU auf den Titel I der Richtlinie und damit auch auf Art. 18 der Richtlinie 2014/24/EU zum Ausdruck kommt.
2.3.1 Vor diesem Hintergrund kann aufgrund der dokumentierten ursprünglichen Begründung aus der Bewertung vom 21.10.2016 für die Nichtberücksichtigung des Referenzobjekts „P..“ als „beste“ Referenz für die Bewertung der planerisch-gestalterischen Leistungsfähigkeit eine Auswahl anhand eines sachwidrigen Kriteriums oder eine Sonderbehandlung des Teilnahmeantrags des Antragstellers nicht mit der nötigen Sicherheit ausgeschlossen werden.
Die vom Antragsteller nicht gerügte Auswahl der Referenz zur Bewertung der planerisch-gestalterischen Leistungsfähigkeit, die vom Auswahlgremium als „die beste“ bestimmt wird, ohne dass spezifiziert wird, nach welchen Gesichtspunkte die beste Referenz auszuwählen ist, lässt eine Auswahl nach einer Vielzahl von sachgerechten Gesichtspunkten zu, eröffnet aber auch die Gefahr willkürlicher Entscheidungen.
Die einzige Begründung der Nichtauswahl dieses Referenzobjekts, eines allgemein und mit Sicherheit auch dem fachkundigen Auswahlgremium bekannten, international renommierten Gebäudes, lautet, dass die Innenraumaufnahme die räumlich-gestalterischen Qualitäten unzureichend darstelle.
Damit drängt sich der Eindruck auf, dass die Nichtauswahl dieses Referenzobjekts nur erfolgte, weil das fachkundige Wertungsgremium meinte, die architektonischen Qualitäten des ihm bekannten Gebäudes nicht aus dem vorgelegten Foto ersehen zu können. Damit hat das Wertungsgremium die Nichtauswahl der P.. (und auch der Referenz „Pl.“) mit einem sachwidrigen und soweit ersichtlich nur beim Teilnahmeantrag des Antragstellers verwendeten Kriterium begründet. Mit einer Bewertung nach der Qualität des vorgelegten Fotos musste der Antragsteller bei der Auswahl der „besten“ Referenz nicht rechnen.
Soweit aus der Dokumentation der Teilnahmeanträge der Beigeladenen und weiterer von der Vergabekammer Südbayern vorgenommener Stichproben z.B. bei den ausgewählten Bewerbern Nr. 7003, 7021, 7028 und 7188 ersichtlich ist, lautete die Überschrift in der Dokumentation der Referenzauswahl zwar bei allen Teilnehmern „Referenzauswahl anhand der vorgelegten Bilddateien“, das Wertungsgremium hat die Auswahl aber – abgesehen vom Teilnahmeantrag des Antragstellers – weitgehend einheitlich so gehandhabt, dass die Auswahl der „besten“ Referenz nach den Wertungskriterien Originalität, Innovation und gestalterische Qualität und der Übertragbarkeit der vorgenannten drei Aspekte auf das anstehende Projekt erfolgte. Als Hilfskriterium hat sich das Wertungsgremium zudem regelmäßig die Nichtberücksichtigung von Referenzprojekten mit einer abweichenden Programmatik oder abweichenden Nutzung begründet. Eine Begründung der Nichtauswahl einer Referenz aufgrund der Qualität des vorgelegten Fotos findet sich – soweit ersichtlich nur beim Antragsteller.
Mit der dokumentierten ursprünglichen Begründung aus der Bewertung vom 21.10.2016 ist die Nichtauswahl des Referenzobjekts „P..“, das von der Programmatik (die sonst regelmäßig für die Auswahl verwendet wurde) dem anstehenden Projekt näher steht, als das ausgewählte „M… (M…)“ nicht zu rechtfertigen. Der Antragsteller ist insoweit in seinen Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB verletzt. Die Auswahl ist daher zu wiederholen, zumal nicht auszuschließen ist, dass die Nichtauswahl des Referenzprojekts „P..“ auch aufgrund der langjährigen Zivilrechtsstreitigkeiten zwischen dem Auftraggeber und dem Antragsteller bzgl. genau dieses Vorhabens, die möglicherweise auch dem Auswahlgremium bekannt waren, erfolgt sein könnte.
2.3.2 Auch die ursprüngliche Bewertung der ausgewählten Referenz „M…“ ist – soweit aus der Dokumentation der Bewertung vom 21.10.2016 ersichtlich – nicht fehlerfrei erfolgt. Zweifellos hat der Antragsgegner, bzw. das für ihn insoweit tätige fachkundige Bewertungsgremium, bei der Bewertung der – vom Antragsteller nicht gerügten – sehr offenen Wertungskriterien Originalität, Innovation und gestalterische Qualität und der kaum objektivierbaren Übertragbarkeit der vorgenannten drei Aspekte auf das anstehende Projekt einen weiten Beurteilungsspielraum.
Allerdings dürfen auch in einem Teilnahmewettbewerb – gerade wenn neben den eigentlichen Eignungskriterien gem. § 3 Abs. 3 RPW 2013 noch qualitative Kriterien wie die Originalität, Innovation und gestalterische Qualität zur Anwendung kommen, die (mit aussagekräftigen Unterkriterien versehen) auch als Zuschlagskriterien verwendet werden könnten – keine nicht bekanntgemachten Unterkriterien eine Rolle spielen, die den Teilnehmern hätten bekanntgemacht werden müssen. Bei der Ermittlung der geeignetsten Bewerber ist insoweit die zu den Zuschlagskriterien ergangene Rechtsprechung des EuGH (insbesondere EuGH, Urteil vom 24.01.2008 – Rs. C-532/06 Lianakis) sinngemäß auf die Bewertung der Teilnahmeanträge zu übertragen. Die Bewerber müssen in die Lage versetzt werden, bei der Vorbereitung ihrer Teilnahmeanträge vom Bestehen und von der Tragweite dieser Kriterien Kenntnis zu nehmen.
Das Referenzobjekt „M…“ ist vom Antragsgegner mit 120 Punkten (sehr gut geeignet), nicht aber mit 150 Punkten (besonders geeignet) bewertet worden.
Da die ursprüngliche Dokumentation zur Bewertung der Wertungskriterien Originalität, Innovation und gestalterische Qualität keinerlei Kritik enthält, kann aus der Dokumentation nur geschlossen werden, dass das Gremium seine Bewertung von 21.10.2016 aufgrund des Kriteriums „Übertragbarkeit der vorgenannten drei Aspekte auf das anstehende Projekt“ getroffen hat. Hier ist nämlich notiert:
„Nur eingeschränkt gegeben (abweichende Programmatik, großzügigere städtebauliche Rahmenbedingungen, geringere Publikumsströme)“
Eine Berücksichtigung der Publikumsströme ist aber ein nicht genanntes Unterkriterium, das bei der Bewertung der Übertragbarkeit der Aspekte Originalität, Innovation und gestalterische Qualität auf das anstehende Projekt, nicht verwendet werden durfte. Mit der Berücksichtigung eines solchen Kriteriums musste der Antragsteller nicht rechnen. In Kenntnis eines solchen Kriteriums hätte er seinen Teilnahmeantrag womöglich anders gestaltet.
Im Übrigen ist das Bewertungsgremium bei seiner unzulässigen Berücksichtigung angeblich geringerer Publikumsströme angesichts der großen Säle des M…es wohl von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen.
Auch mit der abweichenden Programmatik – gemeint ist eine abweichende Nutzung des Gebäudes – durfte eine Abwertung des Referenzobjekts nicht begründet werden. Dem steht schon § 75 Abs. 5 Satz 3 VgV entgegen, auf den der Auftraggeber auch bei der Beantwortung von Bieterfragen mehrfach hingewiesen hat.
Zudem stellt sie eine Ungleichbehandlung des Teilnahmeantrags des Antragstellers gegenüber anderen Bewerbern dar. Völlig korrekt und in Einklang mit den bekanntgegebenen Wertungskriterien, § 75 Abs. 5 Satz 3 VgV und den eigenen Aussagen zur Wertung von Referenzobjekten mit abweichender Nutzung, hat das Wertungsgremium etliche Referenzobjekte mit teilweise massiv abweichender Nutzung z.B. bei den Bewerbern 7021, 7028 und ganz besonders 7188 (Amtsgebäude in einem mittelgroßen, oberbayerischen Ort !) als besonders geeignet beurteilt, während beim Antragsteller die Dokumentation nur so verstanden werden kann, dass hier die abweichende Programmatik bei der Abwertung des Teilnahmeantrags eine Rolle gespielt hat.
Hinzu kommt noch, dass das Bewertungsgremium das von der Programmatik näher liegende Referenzobjekt „P..“ mit einer nicht tragfähigen Begründung nicht berücksichtigt hat.
Der Antragsteller war damit durch die dokumentierte Wertung seines Teilnahmeantrags vom 21.10.2016 in seinen Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB verletzt.
2.4 An dieser Rechtsverletzung ändern auch die nachgeschobenen Ermessenserwägungen aus der Nachbewertung vom 30.12.2016 nichts, die der Antragsgegner mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 05.01.2017 ins Verfahren eingebracht hat.
2.4.1 Trotz der prozessualen Verspätung dieses Vortrags hat die Vergabekammer nach pflichtgemäßem Ermessen entschieden, den Vortrag in die Entscheidung einzubeziehen. Dies hat sie den Parteien bereits im zweiten Termin der mündlichen Verhandlung am 20.01.2017 mitgeteilt. Der Vortrag des Antragsgegners vom 05.01.2017 war verspätet, da die Vergabekammer in den Schreiben an den Antragsgegner vom 12.12.2016 und 16.12.2016 auf die Rechtsfolge des § 167 Abs. 2 Satz 2 GWB hingewiesen hatte und der Vortrag zudem nach dem ersten Termin zur mündlichen Verhandlung am 20.12.2016 erfolgte, ohne dass dem Antragsgegner Schriftsatzfrist eingeräumt worden wäre. Der Vortrag führte auch zu einer erheblichen Verzögerung des Nachprüfungsverfahrens um etwa einen Monat, da die Vergabekammer – um diesen Vortrag ggf. berücksichtigen zu können – die mündliche Verhandlung wiedereröffnen musste (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16.12.2015 – Verg 24/15).
Dennoch hat sich die Vergabekammer im Rahmen ihres Entscheidungsspielraums, den ihr § 167 Abs. 2 Satz 2 GWB einräumt, entschieden, den verspäteten Vortrag – sofern dies unter dem Gesichtspunkt der Zulässigkeit des Nachschiebens von Ermessenserwägungen möglich war – zu berücksichtigen, da der Vortrag nach überwiegender Auffassung in einem möglichen Beschwerdeverfahren vor dem OLG trotz seiner Verspätung Berücksichtigung finden könnte, da es an einer § 128a Abs. 2 VwGO bzw. § 531 Abs. 1 ZPO vergleichbaren ausdrücklichen Regelung fehlt (vgl. Ohlerich in Kulartz/Kus/Portz/Prieß, GWB-Vergaberecht § 167 Rn. 44 unter Verweis auf OLG Koblenz, Beschluss vom 10.08.2000 – 1 Verg 2/00; a.A. Horn in Müller-Wrede, GWB-Vergaberecht). Zudem käme es nach Auffassung der Vergabekammer Südbayern einer Förmelei gleich, den Antragsgegner nur unter Berücksichtigung der Bewertung vom 21.10.2016 zu einer Neuwertung zu verpflichten, wenn dieser im vorliegenden Fall mit der sog. Nachbewertung vom 30.12.2016 einen Schritt durchgeführt hat, der einer Neuwertung sehr nahe kommt.
2.4.2 Die in der Nachbewertung vom 30.12.2016 enthaltenen neuen Ermessenserwägungen zur Begründung des unveränderten Wertungsergebnisses des Teilnahmeantrags des Antragstellers können im laufenden Nachprüfungsverfahren allerdings nicht ohne Weiteres berücksichtigt werden.
Zwar ist anerkannt, dass gerade bei unvollständiger Dokumentation etwaige Mängel durch das Nachschieben von Bestandteilen der Dokumentation auch noch im Nachprüfungsverfahren geheilt werden kann. Nach der Rechtsprechung des BGH (Beschluss vom 08.02.2011 – Az. X ZB 4/10) kann der Auftraggeber im Nachprüfungsverfahren nicht kategorisch mit allen Aspekten und Argumenten präkludiert werden, die nicht im Vergabevermerk zeitnah niedergelegt worden sind. Die Vergabekammer Südbayern ist deshalb der Auffassung, dass – in Anlehnung an § 114 Satz 2 VwGO – die für eine bestimmte Entscheidung maßgeblichen Erwägungen bzw. deren Dokumentation auch noch im Verlaufe der Nachprüfungsverfahrens bis zur letzten mündlichen Verhandlung nachgeholt werden können (OLG Düsseldorf B. v. 08.09.2011 – Az.: VII-Verg 48/11, OLG Düsseldorf B. v. 23.03.2011 – Az.: VII-Verg 63/10, siehe auch Vergabekammer Südbayern B. v. 08.10.2013 – Az.: Z3-3-3194-1-26-08/13), wenn eine Auftragsvergabe unter Berücksichtigung der vergaberechtlichen Grundsätze des Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung gewährleistet ist (vgl. auch OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21.10.2015 – Verg 28/14). Es erscheint nicht sachgerecht, eine inhaltlich vertretbare Entscheidung nur deshalb aufzuheben, weil es insoweit an einer nachvollziehbaren Dokumentation fehlt, wenn die Vergabestelle nach einer etwaigen Rückversetzung oder Aufhebung des Vergabeverfahrens dieselbe Entscheidung auf der Basis einer ausreichenden Dokumentation erneut treffen könnte (VK Südbayern, Beschluss vom 18.11.2014 – Z3-3-3194-1-39-09/14).
Der vorliegende Fall ist aber anders gelagert. Es geht hier nicht um das Nachschieben von nicht dokumentierten Ermessenserwägungen zur Begründung einer vom Ergebnis her vertretbaren Entscheidung. Stattdessen versucht der Antragsgegner sein gefundenes und insoweit auch ausreichend dokumentiertes Wertungsergebnis von 120 Punkten bei der Bewertung der planerisch-gestalterischen Leistungsfähigkeit angesichts der Bedenken, die die Vergabekammer Südbayern im ersten Termin der mündlichen Verhandlung am 20.12.2016 geäußert hat, auf eine neue Begründung zu stellen.
Dabei bleibt allerdings – angesichts der Widersprüche zwischen der ursprünglich in der Vergabedokumentation enthaltenen Wertung vom 21.10.2016 und den neuen Ermessenserwägungen – schon unklar, worauf sich die Bewertung des Teilnahmeantrags des Antragstellers überhaupt stützt. Während sich die Begründung des Nachbewertung in der Anlage zum Schriftsatz des Antragsgegners vom 05.01.2017 inhaltlich als völlige Neubewertung und damit kompletter Austausch der bisherigen Ermessenserwägungen darstellt, soll nach dem Schriftsatz des Antragsgegners vom 16.01.2017 die Nachbewertung lediglich eine „Ergänzung“ der Begründung der ursprünglichen Bewertung darstellen, die nach wie vor als vergaberechtskonform verteidigt wird.
Im zweiten Termin zur mündlichen Verhandlung hat der Antragsteller zutreffend darauf hingewiesen, dass sich bei den eingereichten Referenzen P.. und Pl. in der Nachbewertung vom 30.12.2016 erstmals überhaupt Erwägungen zu den bekanntgemachten Wertungsaspekten Originalität, Innovation und gestalterische Qualität Referenzprojekts sowie die Übertragbarkeit dieser drei Aspekte auf das anstehende Projekt finden. In der ursprünglichen Begründung war in Bezug auf diese Referenzobjekte lediglich auf die mangelnde Aussagekraft der mit dem Teilnahmeantrag der Antragstellerin übermittelten Bilddateien abgestellt worden. Inwieweit die nach Auffassung des Antragsgegners fehlende Aussagekraft der Bilddateien bei der Nachbewertung beim Bewertungsergebnis noch eine Rolle gespielt hat, bleibt angesichts des Vorbringens des Antragsgegners im Schriftsatz vom 16.01.2017, der lediglich von einer Ergänzung spricht, unklar.
In Bezug auf das Referenzobjekt M… bestehen dagegen zwischen der Begründung der ursprünglichen Bewertung vom 21.10.2016 und der Begründung der Nachbewertung insbesondere beim Aspekt Innovation Widersprüche.
Wurde das Referenzobjekt M… in der Begründung der ursprünglichen Bewertung beim Aspekt Innovation noch uneingeschränkt positiv bewertet, tauchen in der Begründung der Nachbewertung nunmehr erhebliche Einschränkungen auf, die – davon muss die Vergabekammer zumindest ausgehen – bei der Bewertung des Referenzobjekts als nur „sehr geeignet“ und nicht „besonders geeignet“ eine Rolle gespielt haben. Ähnliches gilt für den Aspekt der Originalität.
Inwieweit die in der ursprünglichen Begründung genannten – nicht bekanntgemachten – Aspekte der abweichenden Programmatik und der geringeren Besucherströme nach der Neubewertung beim Bewertungsergebnis noch eine Rolle gespielt haben, ist angesichts des Vorbringens des Antragsgegners im Schriftsatz vom 16.01.2017 unklar.
Während bei der Annahme einer Ergänzung zu den ursprünglichen Ermessenserwägungen somit Widersprüche verbleiben, ist ein vollständiger Austausch der dokumentierten Ermessenserwägungen gegen völlig neue vergaberechtlich nicht zulässig. Dies ergibt sich bereits aus der entsprechenden Orientierung an § 114 S. 2 VwGO, wo die verwaltungsrechtliche Judikatur einen Komplettaustausch für unzulässig hält (vgl. W.-R. Schenke/R.P. Schenke in Kopp/Schenke VwGO § 113 Rn. 72 mit weiteren Nachweisen). Zudem wäre die Dokumentationspflicht im Vergabeverfahren, bei der die Gründe für die Nichtberücksichtigung eines Teilnahmeantrags nach § 8 Abs. 2 Nr. 3 VgV sogar zum Mindestinhalt des Vergabevermerks gehören, weitgehend ausgehölt, wenn der Auftraggeber im Nachprüfungsverfahren diese beliebig austauschen könnte, um ein gefundenes Ergebnis im Prozess verteidigen zu können.
2.4.3 Die Frage, ob die nachgeschobenen Erwägungen aus der Nachbewertung überhaupt Berücksichtigung finden können, kann indes offen bleiben, weil auch bei ihrer Berücksichtigung keine ausreichende und nachvollziehbare Begründung für das gefundene Wertungsergebnis vorliegt.
Zwar liegt – bei Berücksichtigung der Begründung der Nachbewertung – mittlerweile eine für sich nachvollziehbare Begründung für die Entscheidung des Bewertungsgremiums vor, das M… als die „beste“ Referenz einzustufen. Allerdings fußt schon die Auswahl des „besten“ Referenzprojekts auf der – mangels einer Begründung – nicht nachvollziehbaren Annahme, die Referenzprojekte P.. und Pl. wiesen Defizite bei den Aspekten Originalität und Innovation auf. Es ist schon nicht zu erkennen, nach welchen Gesichtspunkten das Bewertungsgremium die Innovation bewertet hat, etwa nach ästhetischen, funktionalen, technischen oder sonstigen Ansätzen. Ebenso fehlen Ausführungen von welchem zeitlichen Aspekt her Innovation gesehen wird. Innovation aus heutiger Sicht ist anders zu beurteilen als unter einer ex-ante Betrachtung. Dies ist gerade bei der P.. von Bedeutung, da diese bereits 2002 eröffnet wurde.
Angesichts des internationalen Renommees und der Bekanntheit dieser Referenzprojekte und der Tatsache, dass sie jeweils als Siegerentwurf aus Architektenwettbewerben hervorgegangen waren, hätte die Dokumentation der Nachbewertung eine wenigstens kurze Begründung für diese Einschätzung des Bewertungsgremiums enthalten müssen. Es ist zwar richtig, dass sich die – vom Antragsteller nicht gerügten – Aspekte der Originalität und Innovation nur schwerlich einer Objektivierung zuführen lassen und damit de facto nicht nachprüfbar sind.
Dennoch ist gerade angesichts der Gesamtumstände durch ein Mindestmaß an Begründung sicherzustellen, dass die Nachbewertung nicht lediglich dem Ziel diente, die einmal gefundene Bepunktung im Nachprüfungsverfahren zu „retten“ und zu gewährleisten, dass das belastete Verhältnis zwischen dem Antragsteller und dem Antragsgegner wegen ihrer langjährigen Zivilrechtsstreitigkeiten bei der Bewertung keine Rolle gespielt hat.
Beides kann jedoch – auch gerade angesichts der völlig formelhaften Aussagen zur Übertragbarkeit, einem weiteren Kriterium, das sich jeder Nachprüfung entzieht – nicht mit der nötigen Sicherheit ausgeschlossen werden. Damit kann auch bei Berücksichtigung der Ermessenserwägungen der Nachbewertung nicht nachvollzogen werden, ob sowohl die Auswahl des „besten“ Referenzprojekts als auch die Bepunktung der jeweiligen Referenzprojekte mit „nur“ 120 Punkten sachgerecht und frei von Willkür erfolgt ist.
Aus diesem Grund ist der Antragsteller durch die dokumentierte Wertung seines Teilnahmeantrags auch unter Berücksichtigung der Nachbewertung vom 30.12.2016 in seinen Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB verletzt.
Es ist daher eine (erneute) Neuwertung des Teilnahmeantrags des Antragstellers außerhalb eines laufenden Nachprüfungsverfahrens durchzuführen. Vorher dürfen die Preise im laufenden Realisierungswettbewerb nicht vergeben werden.
3. Kosten des Verfahrens
Die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer hat gemäß § 182 Abs. 3 S.1 GWB derjenige zu tragen, der im Verfahren vor der Vergabekammer unterlegen ist. Dies ist hier überwiegend der Antragsgegner, da der Antragsteller aber mit seinem Hauptantrag nicht durchdringen konnte, ist eine Kostenaufteilung von 3/4 zu Lasten des Antragsgegners und 1/4 zu Lasten des Antragstellers sachgerecht.
Die Gebührenfestsetzung beruht auf § 182 Abs. 2 GWB. Diese Vorschrift bestimmt einen Gebührenrahmen zwischen 2.500 Euro und 50.000 Euro, der aus Gründen der Billigkeit auf ein Zehntel der Gebühr ermäßigt und, wenn der Aufwand oder die wirtschaftliche Bedeutung außergewöhnlich hoch sind, bis zu einem Betrag vom 100.000 Euro erhöht werden kann. Der Antragsgegner ist von der Zahlung der Gebühr befreit. Dies ergibt sich aus § 182 Abs. 1 S.2 GWB i.V. m. § 8 Abs. 1 Nr.2 VwKostG.
Die Höhe der Gebühr richtet sich nach dem personellen und sachlichen Aufwand der Vergabekammer unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung des Gegenstands des Nachprüfungsverfahrens. Im vorliegenden Fall wird eine Gebühr von … € festgesetzt.
Vom Antragsteller wurde bei Einleitung des Verfahrens ein Kostenvorschuss in Höhe von 2.500 Euro erhoben. Der überschießende Kostenvorschussanteil wird nach Bestandskraft erstattet.
Die Entscheidung über die Tragung der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen des Antragstellers und des Antragsgegners beruht auf § 182 Abs. 4 GWB. Die Zuziehung eines anwaltlichen Vertreters wird als notwendig i.S.v. § 182 Abs. 4 S.1 und 4 GWB i.V. m. Art. 80 Abs. 2 S.3, Abs. 3 S.2 BayVwVfG angesehen.
Die anwaltliche Vertretung war erforderlich, da eine umfassende Rechtskenntnis und damit eine zweckentsprechende Rechtsverfolgung im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens nach dem GWB nicht erwartet werden kann. Zur Durchsetzung ihrer Rechte waren sowohl der Antragsteller als auch der Antragsgegner hier aufgrund der komplexen Rechtsmaterie auf anwaltliche Vertretung angewiesen. Hierüber hinaus war die Zuziehung eines anwaltlichen Vertreters seitens des Antragstellers notwendig, um die erforderliche „Waffengleichheit“ gegenüber dem anwaltlich vertretenen Antragsgegner herzustellen.
Eine Entscheidung über die Tragung der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beigeladenen nach § 182 Abs. 4 S.2 GWB erübrigt sich, da die Beigeladenen keine anwaltliche Vertretung in Anspruch genommen haben.


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