Europarecht

Namensänderung bei Problemen mit Aussprache und Schreibweise des Namens

Aktenzeichen  RO 3 K 19.1358

Datum:
1.4.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
StAZ – 2021, 50
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
EGBGB Art. 47 Abs. 1
ZPO § 114, § 121
VwGO § 68 Abs. 2, § 75 S. 1, § 166

 

Leitsatz

Eine Namensänderung wegen einer seelischen Belastung kommt nicht in Betracht, wenn der gewünschte neue Familienname Probleme der Aussprache und Schreibweise in sich trägt.  (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung wird abgelehnt.

Gründe

I.
Die Klägerin zu 1 begehrt die Änderung des Familiennamens für sich und ihren minderjährigen Sohn von „A…“ in „B…“.
Die Klägerin zu 1 wurde als Tochter von Frau S… A…, geb. B… und Herrn C… A… am 20. Juni 1997 geboren. Sie beantragte mit am 13. April 2018 bei der Beklagten eingegangenem Schreiben die Änderung des Familiennamens von „A…“ in B…“ für sich und ihren Sohn D…, geb. 9. September 2017. Zur Begründung führte die Klägerin zu 1 an, durch viele negative Erfahrungen durch ihren Nachnamen und wegen der psychischen Belastung aus dem Verhältnis zu ihrem Vater, der gegenüber ihrer Mutter und der Klägerin zu 1 handgreiflich geworden sei, die Klägerin zu 1 aber auch psychischer Gewalt ausgesetzt habe, sei es für die Klägerin zu 1 eine große Hilfe, sich psychisch wieder zu stabilisieren. Durch die Namensänderung würde sie mit ihrem Sohn D… den Namen ihrer Mutter und ihrer Großeltern annehmen. Auch für ihren Sohn würde sie es sich wünschen, da er nicht auch einmal in dieser Hinsicht negative Erfahrung sammeln müsse, sondern in Ruhe aufwachsen könne.
Die Klägerin zu 1 ist mit dem Vater ihres Sohnes D…, Herrn W… nach Aktenlage nicht verheiratet.
Mit Schreiben vom 1. August 2018 teilte die Beklagte der Klägerin zu 1 mit, eine seelische Belastung und/oder Erkrankung, die eine Notwendigkeit einer Namensänderung zur Folge hätte, sei im vorliegenden Fall nicht nachgewiesen. Die vorgelegte Bescheinigung der Praxisgemeinschaft für Psychotherapie E… vom 9. März 2018 enthalte weder eine Diagnose hinsichtlich einer etwaigen Erkrankung noch eine nachvollziehbare Begründung, weshalb eine Erforderlichkeit der Namensänderung auf die massiven Traumatisierungen durch den Vater zurückzuführen sein solle. Darüber hinaus bringe der gewünschte Name „B…“ neue Schwierigkeiten in der Schreibweise und Aussprache mit sich. Es sei daher beabsichtigt, den Antrag auf Namensänderung abzulehnen.
Mit Schreiben vom 2. Juli 2019 teilte die Klägerin zu 1 mit, sie wolle ihren Antrag auf Namensänderung aufrechterhalten. Ein anderer als der gewünschte Familienname „B…“ komme nicht in Betracht.
Mit Bescheid vom 11. Juli 2019 lehnte die Beklagte den Antrag auf Namensänderung ab. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, nach § 3 Abs. 1 NamÄndG dürfe ein Familienname nur geändert werden, wenn ein wichtiger Grund die Änderung rechtfertige. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts könne eine seelische Belastung als wichtiger Grund im Sinne von § 3 Abs. 1 NamÄndG angesehen werden, wenn diese unter Berücksichtigung der gegebenen Umstände nach allgemeiner Lebensauffassung verständlich und begründet sei. Das Namensänderungsrecht setze einen besonderen allgemeinen nachvollziehbaren Härtefall voraus. Ein Anspruch auf einen bestimmten Familiennamen bestehe nicht, Nr. 52 NamÄndVwV. Der begehrte Familienname trage im Kern neue Schwierigkeiten in sich. Der gewünschte Familienname in der Schreibweise „B…“ sei wegen des im deutschen Alphabets unbekannten diakritischen Zeichens auf dem Buchstaben „š“ von erheblicher Schwierigkeit. Das sog. Hatschek sei ein besonders in slawischen Sprachen verwendetes diakritisches Zeichen, das eine besondere Aussprache kennzeichne und zu einem stimmhaften Reibelaut oder einem Zischlaut führe. Im deutschen Alphabet sei ein solches Zeichen nicht vorgesehen. Aufgrund der in Deutschland ungewohnten Phonetik sei der Familienname „B…“ geeignet, im Alltag häufig zu Nachfragen Dritter, fehlerhafter Wiedergabe und mehr als geringfügiger Beeinträchtigungen für den Namensträger zu führen. Die Auswirkungen beträfen die Schreibweise und die Aussprache und Wahrnehmung des Namens. Der Buchstabe „š“ sei in EDV-Systemen nicht direkt vorgesehen. Die beantragte Form des Familiennamens rechtfertige die Gefahr unterschiedlicher Schreibweisen im Berufsleben, gegenüber Behörden und im Rechtsverkehr. Damit würde die Identifizierungsfunktion des Familiennamens gemindert. Eine seelische Belastung, die zwingend eine auf dem Familiennamen „B…“ lautende Änderung des Familiennamens erfordern würde, sei durch die beigebrachten psychotherapeutischen Atteste nicht hinreichend nachgewiesen. Dass der gewünschte Familienname für die Klägerin zu 1 positiv besetzt sei und für die Betroffene ein positives Zugehörigkeitsgefühl vermittle, genüge nicht. Im Übrigen wird auf den Bescheid Bezug genommen, der der Klägerin zu 1 am 16. Juli 2019 zugestellt wurde.
Am 29. Juli 2019 hat die Klägerin zu 1 Klage erheben lassen.
Zur Begründung der Klage wird im Wesentlichen vorgetragen, insbesondere im zweiten Attest vom 30. Januar 2019 sei dargelegt, dass sich die Klägerin zu 1 seit 5. Februar 2018 in psychotherapeutischer Behandlung befinde. In der Krankheitsgeschichte der Klägerin zu 1 seien ausgeprägte Traumatisierungen durch den Vater auffallend. Insbesondere hätten Abwertungen, Beschimpfungen, Beleidigungen und körperliche Gewalt stattgefunden. Bis zum 8. Lebensjahr der Klägerin zu 1 habe diese mit dem Vater, der Mutter und einem Halbbruder zusammengelebt. Von klein auf sei die Klägerin zu 1, aber es sei auch die Mutter als „scheiß Ausländerblut“ bezeichnet worden. Der Vater sei äußerst aggressiv gewesen. Er habe die Klägerin zu 1 bereits als Kleinkind z.B. mit dem Stuhl umgeworfen, durch die Wohnung gezerrt und geschlagen. Von klein auf sei der Klägerin zu 1 gesagt worden, dass sie wie die Mutter sei, sie nichts hinkriege und dass aus ihr nie etwas werden würde. Die Klägerin zu 1 habe auch zusehen müssen, wie der Vater ihre Mutter geschlagen habe. Als die Klägerin zu 1 acht Jahre alt gewesen sei, habe sich die Mutter von ihrem Vater scheiden lassen. Hauptgrund seien die beschriebenen Vorfälle gewesen. Die Klägerin zu 1 selbst sei aufgrund der durch den Vater erlittenen Abwertungen, Beschimpfungen, Beleidigungen und der erfahrenen körperlichen Gewalt eine ängstliche und unsichere Persönlichkeit. Insbesondere der Familienname des Vaters erinnere die Klägerin zu 1 immer wieder an die dramatischen Erlebnisse. Dies führe zu Rezidivierungen der genannten dramatischen Erlebnisse und beinhalte für die Klägerin zu 1 Wiederholungen der Kindheitstraumata, was zu einer Aufrechterhaltung der gesundheitlichen Beschwerden beitrage. Die Klägerin zu 1 begehre daher die Änderung des Namens in den Geburtsnamen ihrer Mutter „B…“. Im Zuge der Gespräche mit dem Ansprechpartner bei der Beklagten habe die Klägerin zu 1 auch erklärt, dass sie auf das diakritische Zeichen keinen maßgeblichen Wert lege. Es lägen ausreichend Anhaltspunkte für das Vorliegen einer seelischen Belastung vor bedingt durch das Tragen des Familiennamens „A…“. Die Klägerin zu 1 habe auch konkret, insbesondere durch den Inhalt des Arztattests vom 30. Januar 2019, dargelegt, aufgrund welcher Umstände der Name für sie eine seelische Belastung begründe. Zu genehmigen sei auch der beantragte Familienname „B…“, alternativ der Familienname „V…“. Wie ausgeführt, handele es sich bei dem Namen um den Geburtsnamen der Mutter der Klägerin zu 1. Er trage keinen Kern neuer Schwierigkeiten in sich.
Die Kläger beantragen,
Unter Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 11. Juli 2019 wird die Beklagte verpflichtet, den Familiennamen der Klägerin zu 1 wie des Sohnes D… A…, geb. 9. September 2017 in „B…“, alternativ „V…“ abzuändern.
Des Weiteren wird beantragt, für die Klage Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwalt … beizuordnen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Konfliktlage werde nicht bestritten. Der Annahme des begehrten Familiennamens „B…“ stünden jedoch gewichtige öffentliche Interessen entgegen, da der Name im deutschen Sprachraum erhebliche Schwierigkeiten in der Schreibweise und Aussprache verursache. Nach Nr. 53 Abs. 1 Satz 2 NamÄndVwV dürfe der gewünschte Familienname nicht im Keim neue Schwierigkeiten in sich tragen. Abzustellen sei dabei auf den deutschen Sprachraum. Zwar könne aus der Tatsache allein, dass ein Familienname fremdsprachlichen Ursprungs sei oder nicht Deutsch klinge, ein wichtiger Grund für eine Namensänderung im Allgemeinen nicht abgeleitet werden, Nr. 37 NamÄndVwV. Gemäß Nr. 36 Satz 1 NamÄndVwV sei eine Namensänderung allerdings bereits dann regelmäßig nicht gerechtfertigt, wenn Schwierigkeiten in der Schreibweise und bei der Aussprache zu einer nicht nur unwesentlichen Behinderung des Namensträgers führen würden. Eine nicht unwesentliche Behinderung im Sinne einer erheblichen Beeinträchtigung liege nach dem Verständnis der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung vor, wenn die Beeinträchtigungen im Einzelfall über die gesellschaftliche Normalität wesentlich hinausgingen (VG Braunschweig, U.v. 17.6.2015 – 5 A 5/14). Unwesentliche Behinderungen seien hinzunehmen (VGH BW., U.v. 19.2.2014 – 1 S 1335/13 m.w.N.). Das sog. Hatschek kennzeichne einen stimmhaften Reibelaut oder einen Zischlaut und sei dem deutschen Alphabet fremd. Das diakritische Zeichen führe unausweichlich zur Notwendigkeit, den Namen buchstabieren zu müssen. Gleichzeitig würden Irritationen hinsichtlich der richtigen Aussprache hervorgerufen. Bei Anlegung eines objektiven Maßstabs biete der Familienname auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass ein fremdländischer Name mittlerweile infolge der zunehmenden Einwanderung nach Deutschland nichts Ungewöhnliches mehr darstelle, hinreichenden Anlass für eine falsche und unzutreffende Namenswiedergabe im Rechts- und Geschäftsverkehr wie auch im Berufsleben und bei der Korrespondenz mit Behörden. Damit sei die soziale Ordnungsfunktion des Namens wesentlich eingeschränkt, weil die Kläger insbesondere im amtlichen Register nicht mehr in der gebotenen einfachen Weise identifiziert werden könnten. Der Name sei auch im Zeitalter der elektronischen Datenverarbeitung das Mindestmerkmal zur Unterscheidung von Personen in allen amtlichen Registern geblieben. Der Familienname rufe in der Gesamtschau erhebliche Beeinträchtigungen hervor, die wegen der im deutschen unbekannten Phonetik und Orthografie des Buchstaben „š“ über die gesellschaftliche Normalität hinausgingen. Unerheblich sei, ob der Familienname „B…“ bereits vereinzelt im Zuständigkeitsbereich der Beklagten oder in Deutschland existiere. Die dargestellten Schwierigkeiten blieben auch in diesem Fall bestehen. Die Beklagte sei im Rahmen der behördlichen Namensänderung gehalten, mit Namen, deren Gebrauch zu Missverständnissen, Komplikationen oder Hindernissen führe, restriktiv zu verfahren. Die Namensänderung aus wichtigem Grund solle nicht dazu beitragen, bereits bestehende Schwierigkeiten zu vergrößern oder zu vermehren (VG Düsseldorf, U.v. 22.3.2012 – 11 K 120/11). Zwar eröffne Art. 47 Abs. 1 EGBGB die Möglichkeit diakritische Zeichen entfallen zu lassen (OLG München, B.v. 13.5.2009 – 31 Wx 007/09). Mangels eines Statutenwechsels wäre die Norm aber auf die Kläger zu 1 und 2 nicht anwendbar. Ihnen wäre somit ein Verzicht auf das sog. Hatschek auf dem zivilrechtlichen Weg verwehrt. Dem träten die Kläger nicht substantiiert entgegen. Das Vorbringen des Bevollmächtigten erschöpfe sich in der Behauptung, dass der Name keinen Keim neuer Schwierigkeiten in sich trage. Eine Auseinandersetzung mit den im streitgegenständlichen Bescheid dargestellten Gründen für die Ablehnung des gewünschten Familiennamens finde nicht statt. Auch das VG Würzburg habe wegen des sog. Hatscheks erhebliche Schwierigkeiten in der Schreibweise und Aussprache eines Familiennamens gesehen und eine Entscheidung der Namensänderungsbehörde aufgehoben (VG Würzburg, U.v. 21.3.2012 – W 6 K 10.1053). Die Klage sei auch im Hilfsantrag unzulässig und unbegründet. Ein Klagebegehren, das auf die Verpflichtung einer Behörde zum Erlass eines Verwaltungsakts gerichtet sei, sei nur zulässig, wenn zuvor bei der Behörde ein Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts gestellt oder abgelehnt und nicht beschieden worden sei (§ 68 Abs. 2, § 75 Satz 1 VwGO). Dies folge aus dem Grundsatz der Gewaltenteilung, der gebiete, dass sich zunächst die Verwaltung mit vermeintlichen Ansprüchen des Einzelnen befasse (BVerwG, U.v. 28.11.2007 – 6 C 42/06). An einer solchen Antragstellung fehle es hier. Eine auf den Familiennamen „V…“ lautende Namensänderung sei bislang nicht Gegenstand eines Verwaltungsverfahrens gewesen. Die Klägerin zu 1 habe mit Schreiben vom 2. Juli 2019 bekräftigt, den Antrag auf Änderung des Familiennamens in der Schreibweise „B…“ aufrecht zu erhalten (Bl. 27 der Akten). Der fehlende Verwaltungsantrag könne auch nicht durch die im Verfahren eingereichte Klage ersetzt werden. Das Erfordernis der erfolglosen Durchführung eines Verwaltungsverfahrens sei keine Sachurteilsvoraussetzung, sondern eine im gerichtlichen Verfahren nicht mehr nachholbare Klagevoraussetzung (BVerwG, B.v. 1.12.1993 – 2 B 115/93). Die Klage auf Verpflichtung der Beklagten, den Familiennamen in „V…“ zu ändern, sei daher unzulässig. Die Klage sei auch im Hilfsantrag unbegründet. Eine seelische Konfliktlage, die eine Änderung des bisherigen Familiennamens notwendig mache, sei durch die vorgelegten psychotherapeutischen Atteste nicht hinreichend nachgewiesen. Allein der Umstand, dass der gewünschte Name für die Klägerin zu 1 positiv besetzt sei und ein positives Zugehörigkeitsgefühl vermittle, genüge nicht. Es sei auch nicht dargetan, dass die seelische Belastung nur durch Annahme des begehrten Namens überwunden werden könnte. Ausländisch klingende Namen seien auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass durch Zuzug und Einbürgerung eine Vielzahl von deutschen Staatsangehörigen einen fremdsprachigen Namen trage, nicht ohne nachgewiesene Erforderlichkeit im Rahmen der öffentlich-rechtlichen Namensänderung zu gewähren.
Mit Schreiben vom 16. September 2019 ließ der Klägervertreter mitteilen, der Prozesskostenhilfeantrag erstrecke sich auch auf den Kläger zu 2.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung ist abzulehnen, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Erfolgsaussicht bietet (§ 166 VwGO i.V.m. §§ 114, 121 ZPO).
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gebietet das Grundgesetz eine weitgehende Angleichung der Situation Bemittelter und Unbemittelter bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes (vgl. BVerfG, B.v. 3.7.1973 – 1 BvR 153/69 – BVerfGE 35, 348, m.w.N.). Verfassungsrechtlich ist es unbedenklich, die Gewährung der Prozesskostenhilfe davon abhängig zu machen, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (vgl. BVerfG, B.v. 13.3.1990 – 2 BvR 94/88 – BVerfGE 81, 347, 357). Die Auslegung und Anwendung des § 114 ZPO obliegt in erster Linie den zuständigen Fachgerichten, die dabei den – verfassungsrechtlich gebotenen – Zweck der Prozesskostenhilfe zu beachten haben. Diese Gerichte dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung jedoch nicht überspannen und dadurch den Zweck der Prozesskostenhilfe, dem Unbemittelten den weitgehend gleichen Zugang zum Gericht zu ermöglichen, verfehlen. Für den Erfolg eines Antrags auf die Bewilligung von Prozesskostenhilfe genügt eine gewisse Wahrscheinlichkeit des Erfolgs im Klageverfahren. Der Standpunkt eines Klägers muss hinreichend vertretbar sein (Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 23. Auflage 2017, § 166 Rn. 8; Wache in Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Auflage 2016, § 114 Rn. 50).
Die Klage mag im Hauptantrag zulässig sein, ist aber voraussichtlich unbegründet; im Hilfsantrag ist die Klage voraussichtlich bereits unzulässig.
Hierbei mag zunächst dahinstehen, inwieweit die Klägerin zu 1 im Rahmen ihres Sorgerechts allein berechtigt sein mag, für den Kläger zu 2 die Namensänderung zu beantragen.
Jedenfalls ist der Hauptantrag, die Beklagte zu verpflichten, den Familiennamen der Kläger von „A…“ in „B…“ zu ändern, voraussichtlich nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 11. Juli 2019 ist voraussichtlich rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1, Abs. 5 VwGO).
Eine öffentlich-rechtliche Änderung des Familiennamens darf gemäß § 3 Abs. 1 NamÄndG nur vorgenommen werden, wenn ein wichtiger Grund die Änderung rechtfertigt. Beim Begriff „wichtiger Grund“ handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der unbeschränkten gerichtlichen Nachprüfung unterliegt.
Ob ein die Namensänderung rechtfertigender wichtiger Grund vorliegt, ist durch Abwägung aller für und gegen die Namensänderung sprechenden Interessen festzustellen. Ein wichtiger Grund für die Änderung des Familiennamens ist gegeben, wenn das schutzwürdige Interesse des Namensträgers an der Ablegung des bisherigen Namens und der Führung des neuen Namens Vorrang hat vor dem schutzwürdigen Interesse der durch die Namensänderung betroffenen Dritten und vor dem in den gesetzlichen Bestimmungen zum Ausdruck gekommenen Grundsätzen der Namensführung, zu denen auch die Ordnungsfunktion des Namens sowie sicherheitspolizeiliche Interessen an der Namensbeibehaltung gehören (vgl. BVerwG, B. v. 17.5.2001 – 6 B 23/01 – juris). Grundsätzlich regelt das bürgerliche Recht das Namensrecht abschließend. Die öffentlich-rechtliche Namensänderung hat lediglich Ausnahmecharakter und verfolgt allein den Zweck, Unzuträglichkeiten zu beseitigen, die bei der Führung des nach bürgerlichem Recht zu tragenden Namens auftreten. Diesem Grundsatz liegt die Wertung des Gesetzgebers zugrunde, dass ein öffentliches Interesse an der Beibehaltung des herkömmlichen oder nach bürgerlichem Recht gewählten Familiennamens besteht. Durch den Familien- bzw. Nachnamen unterscheidet sich eine Person von den anderen. Ihm kommt insoweit erhebliche Ordnungsfunktion zu. Die Tauglichkeit als Identifizierungsmerkmal würde umso geringer, je leichter eine, gegebenenfalls sogar mehrfache Namensänderung möglich wäre. Auch wenn sich durch neue Regelungen des Familiennamensrechts die sozialen Ordnungsfunktionen des Familiennamens in ihrer Bedeutung für das Vorliegen eines wichtigen Grundes im Sinne des § 3 Abs. 1 NamÄndG relativiert haben mögen, stellt diese Funktion weiterhin einen gewichtigen Belang dar. Denn mit seinem Familiennamen nimmt der Einzelne am gesamten Rechtsverkehr teil.
Bei der Auslegung des Begriffs „wichtiger Grund“ im Sinne des § 3 Abs. 1 NamÄndG kommt der allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Namensänderungsgesetz vom 11. August 1980 in der Fassung vom 18. April 1986 (NamÄndVwV) die Bedeutung eines Maßstabs zu, der bei der Prüfung der Frage nach dem Vorliegen eines wichtigen Grundes mit in die Betrachtung einbezogen werden muss. Die Verwaltungsvorschrift ist Ausdruck der im Geltungsbereich des Namensänderungsgesetzes bestehenden allgemeinen Anschauung. Zugleich lässt sie erkennen, von welchen Grundgedanken der Gesetzgeber bei der Aufnahme des Begriffs „wichtiger Grund“ in das Namensänderungsgesetz ausgegangen ist (vgl. VGH BW., U. v. 28.11.1996 – 13 S 3124/95 – juris). Die Verwaltungsvorschrift dient zugleich einer einheitlichen Auslegung des Begriffs durch die zuständigen Behörden und der Vermeidung von Ungleichbehandlungen.
Eine seelische Belastung durch die Namensführung kann nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur als wichtiger Grund für eine Namensänderung angesehen werden, wenn diese unter Berücksichtigung der gegebenen Umständen nach allgemeiner Verkehrsauffassung verständlich und begründet ist (BVerwG, U. v. 2.10.1970 – Buchholz 402.10, § 3 NamÄndG Nr. 30; B. v. 17.3.1987 – Buchholz 402.10, § 3 NamÄndG Nr. 59). Voraussetzung ist hierbei nicht, dass eine seelische Belastung bereits den Grad einer behandlungsbedürftigen Krankheit oder Krise erreicht hat. Die Namensänderung muss aber einen wichtigen Beitrag dazu leisten, die Risikofaktoren für den Eintritt einer behandlungsbedürftigen Krise zu reduzieren (OVG Hamburg, U. v. 14.9.2010 – 3 Bf 207/08 – juris). Maßgeblich hierbei ist ein objektiver Maßstab. Sollen angegebene soziale oder psychische Probleme noch die Kriterien eines wichtigen Grundes erfüllen und die Namensänderung nicht der Beliebigkeit aussetzen, muss die gewünschte Namensänderung unter Berücksichtigung der gegebenen Umstände nach der genannten Rechtsprechung nach allgemeiner Verkehrsauffassung verständlich und begründet sein. Bei Prüfung des wichtigen Grundes kann somit nicht maßgeblich sein, mit welcher Vehemenz beteuert wird, unter dem Zwang zur Führung eines bestimmten Namens zu leiden. Entscheidend ist vielmehr, ob bei objektiver Betrachtung Grund zur Empfindung besteht, der Name hafte als Bürde an. Das Namensänderungsrecht setzt somit einen besonderen allgemein nachvollziehbaren Härtefall voraus.
Es erscheint fraglich, ob diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall vorliegen.
Das die Klägerin zu 1 betreffende Attest vom 9. März 2018 von Dipl.-Psych. E… ist insoweit kaum aussagekräftig, als dort nicht einmal eine Diagnose angegeben ist. Es wird auch lediglich im Zuge einer psychischen Krankheitsverarbeitung empfohlen, der Patientin zu erlauben, den Familiennamen des Vaters abzulegen.
Im Attest vom 30. Januar 2019 von Dipl.-Psych. E… ist zwar ausgeführt, dass die Klägerin zu 1 noch unter Albträumen leide, die auf traumatisierende Ereignisse im Zusammenhang mit ihrem Vater zurückzuführen seien. Die namentliche Identifizierung mit dem Vater führe zu Rezidivierungen der traumatischen Erlebnisse. Allerdings hat auch die Mutter der Klägerin den Namen „A…“ zumindest einige Jahre geführt. Weiter ist im Attest vom 30. Januar 2019 ausgeführt, für die psychische Verarbeitung der Vergangenheit und der damit verbundenen gesundheitlichen Stabilisierung sei es erforderlich, sich auch namentlich vom Vater distanzieren zu können. Nur so sei es für die Klägerin zu 1 möglich zu einer neuen positiven Identitätsfindung zu gelangen, die Vergangenheit abschließen zu können und im Gesundungsprozess voranzuschreiten. Der Geburtsname der Mutter sei für die Klägerin zu 1 sehr positiv besetzt. Nicht nachvollziehbar ist aber, weshalb gerade die Namensänderung zur Besserung der gesundheitlichen Lage der Klägerin zu 1 beitragen soll und die traumatischen Erlebnisse nicht anderweitig durch psychotherapeutische Maßnahmen aufgearbeitet werden könnten, auch unter Beibehaltung des Nachnamens der Klägerin zu 1. Auch in diesem Attest wird keine Diagnose angegeben.
Schließlich mag die Frage der seelische Belastung durch die Namensführung, die allein die Klägerin zu 1 betrifft, dahinstehen. Denn hierauf kommt es letztlich nicht an, so dass sich auch die Frage einer Beweiserhebung hierüber im Rahmen des Hauptantrags nicht stellen würde.
Nach Nr. 52 NamÄndVwV obliegt die Wahl des neuen Familiennamens den Klägern, es besteht aber kein Anspruch auf einen bestimmten Familiennamen. Nach Nr. 53 Abs. 1 Satz 2 NamÄndVwV darf der neue Familienname nicht Kern neuer Schwierigkeiten in sich tragen. Ein Kern neuer Schwierigkeiten trägt ein Familienname dann, wenn er Probleme in Aussprache und Schreibweise in sich trägt. Dies ist im vorliegenden Fall der Fall. Sie rühren daher, dass im deutschen Sprachraum diakritische Zeichen auf dem „š“ nicht gängig sind. Wie die Beklagte zutreffend hinweist, hat das sog. Hatschek die Bedeutung eines stimmhaften Reibelauts oder Zischlauts. Dies ist dem deutschen Alphabet fremd. Das diakritische Zeichen auf dem „š“ führt unausweichlich zur Notwendigkeit, den Namen buchstabieren zu müssen, um eine richtige Schreibweise zu begründen. Gleichzeitig werden Irritationen auch hinsichtlich der zutreffenden Aussprache hervorgerufen („tsch“ oder „sch“ oder „s“). Damit wäre die soziale Ordnungsfunktion des Namens wesentlich eingeschränkt, weil die Kläger nicht mehr in der gebotenen einfachen Weise im Rechtsverkehr identifiziert werden könnten. Unerheblich ist hierbei, ob der Familienname „B…“ bereits in Deutschland aufgrund Zuwanderung gebräuchlich ist. Denn hier geht es nicht um das Tragen eines bestehenden Familiennamens, sondern um eine Namensänderung. Der Name „B…“ führt indes zu Missverständnissen, Komplikationen bei Aussprache und Schreibweise und damit zu Hindernissen. Die Namensänderung hingegen soll dazu beitragen, bereits bestehende Schwierigkeiten zu verringern, zumal gemäß Nr. 36 NamÄndVwV eine Namensänderung regelmäßig gerechtfertigt sein soll, wenn Schwierigkeiten in Schreibweise oder Aussprache eines Familiennamens zu einer nicht nur unwesentlichen Behinderung des Antragstellers führen. Der beim gewünschten Familiennamen der Kläger beizufügende Akzent ist im Deutschen nicht vorgesehen und führt wie ausgeführt zu erheblichen Schwierigkeiten in der Schreibweise und Unsicherheiten in der Aussprache; die offensichtlich ausländischen Ursprungs herrührende Schreibweise des Familiennamens „B…“ ist der deutschen Schreibweise nicht vertraut. Es wäre u.a. davon auszugehen, dass der Name „B…“ im Rechtsverkehr ohne Buchstabieren in unterschiedlicher Schreibweise wiedergegeben wird oder beim Vorlesen nicht zutreffend phonetisch erfasst wird. Bei objektiver Betrachtung könnte dies zu einer gewissen Behinderung der Kläger im gesellschaftlichen Leben und im Rechtsverkehr führen.
Art. 47 Abs. 1 Satz 1 EGBGB ist vorliegend nicht einschlägig, da die Kläger den Namen „B…“ nicht nach anwendbarem ausländischen Recht erworben haben.
Die Klage ist damit voraussichtlich im Hauptantrag unbegründet.
Soweit die Kläger begehren, „alternativ“ den Namen in „V…“ abzuändern, handelt es sich um einen Hilfsantrag.
Dieser Hilfsantrag ist bereits unzulässig. Denn es fehlt an einem bei der Beklagten im Verwaltungsverfahren gestellten Vorantrag. Die Klägerin zu 1 hat im Schreiben vom 2. Juli 2019 im behördlichen Verfahren ausdrücklich angegeben, ein anderer als der von ihr gewünschte Familienname „B…“ komme nicht in Betracht.
Für die Verpflichtungsklage ist anerkannt, dass die Zulässigkeit grundsätzlich von einem vorher im Verwaltungsverfahren erfolglos gestellten Antrag auf Vornahme des eingeklagten Verwaltungsakts abhängt (vgl. BVerwG, U.v. 28.11.2007 – 6 C 42/06 – m.w.N.). Diese Zulässigkeitsvoraussetzung folgt aus § 68 Abs. 2, § 75 Satz 1 VwGO („Antrag auf Vornahme“) und zusätzlich aus dem Grundsatz der Gewaltenteilung, nachdem es zunächst Sache der Verwaltung ist, sich mit Ansprüchen zu befassen, die an sie gerichtet werden. Sie gilt grundsätzlich unabhängig davon, ob der erstrebte Verwaltungsakt auf Antrag oder von Amts wegen zu erlassen ist. Ein derartiger Antrag fehlt im Verwaltungsverfahren. Der Antrag stellt keine im Prozess nachholbare Sachurteilsvoraussetzung dar, vielmehr eine nicht nachholbare Klagevoraussetzung (vgl. BVerwG, B.v. 1.12.1993 – 2 B 115/93).
Nach alldem war der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung unabhängig den persönlichen wirtschaftlichen Verhältnissen der Kläger abzulehnen.


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