Europarecht

Naturschutzfachliche Erforderlichkeit von Besatz- und Fütterungsverboten in Baggerweihern zwecks Erhaltung eines Lebensraums mit Potenzial für die Entwicklung seltener und gefährdeter Wassertierarten

Aktenzeichen  14 N 18.389

Datum:
1.10.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
UPR – 2020, 159
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 14
BNatSchG § 23
BayFiG Art. 1, Art. 3, Art. 9, Art. 18, Art. 73
NatSchGebV § 5 Nr. 8, § 8 Abs. 1, Abs. 2
VwGO § 47 Abs. 1 Nr. 2, § 133
AGVwGO Art. 5 Abs. 1 S. 1
RDGEG § 3, § 5
ZPO § 708 f.

 

Leitsatz

Für die Frage der Verhältnismäßigkeit von Verboten in einer Naturschutzgebietsverordnung, die Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Grundeigentums (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) darstellen, ist im Rahmen der Sozialpflichtigkeit des Eigentums (Art. 14 Abs. 2 GG) unter Berücksichtigung der aus Art. 20a GG folgenden staatlichen Schutzpflicht für die natürlichen Lebensgrundlagen auch relevant, ob die zu schützenden Lebensräume infolge vorangegangener Eingriffe in die Natur auf dem betreffenden Grundstück entstanden sind, wie es etwa bei durch Nassauskiesung entstandenen Baggerweihern der Fall sein kann. (Rn. 43)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Antragstellerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Antragsgegner vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Der zulässige Normenkontrollantrag ist nicht begründet.
1. Streitgegenständlich ist nicht die gesamte Naturschutzgebietsverordnung, sondern sind allein die im Antrag bezeichneten Teilregelungen, mithin nur die in § 5 Nr. 4 NatSchGebV enthaltenen Verbote der Fischfütterung und des Fischbesatzes. Der auf diese Regelungen begrenzte Normenkontrollantrag ist statthaft (§ 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO, Art. 5 Abs. 1 Satz 1 AGVwGO), fristgerecht erhoben (§ 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO) und auch im Übrigen zulässig. Die Antragstellerin ist als Eigentümerin der von der Naturschutzgebietsverordnung umfassten Gewässergrundstücke antragsbefugt (§ 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO).
2. Der Normenkontrollantrag ist jedoch unbegründet. Die Naturschutzgebietsverordnung steht mit dem gemäß § 47 VwGO zu prüfenden höherrangigen Recht in Einklang.
2.1. Fehler in Bezug auf die formelle Rechtmäßigkeit der Naturschutzgebietsverordnung wurden von der Antragstellerin nicht gerügt und sind auch nicht ersichtlich.
2.2. Die Naturschutzgebietsverordnung ist „erforderlich“ i.S.v. § 23 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG.
2.2.1. Gemäß § 23 Abs. 1 BNatSchG setzt die Unterschutzstellung in Form eines Naturschutzgebiets ein Gebiet voraus, in dem ein besonderer Schutz von Natur und Landschaft in ihrer Ganzheit oder in einzelnen Teilen erforderlich ist, und zwar zu einem der in § 23 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BNatSchG genannten Zwecke. Als solchen benennt § 23 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG neben der Erhaltung oder Wiederherstellung explizit auch die „Entwicklung“ von Lebensstätten, Biotopen oder Lebensgemeinschaften bestimmter wild lebender Tier- und Pflanzenarten.
2.2.2. Bezogen auf den Umgriff der Naturschutzgebietsverordnung als solcher ist die Schutzwürdigkeit des Naturschutzgebiets als Ganzes weder in Zweifel gezogen noch zweifelhaft angesichts der fachlichen Aussagen der dem Verordnungsverfahren zugrunde liegenden fachlichen Stellungnahme der Regierung von Mittelfranken zur Ausweisung als Naturschutzgebiet vom 25. Juli 2016, insbesondere in Bezug auf die Pflanzen- und Tierwelt.
Dass es sich um ein durch die Nassauskiesungsmaßnahmen der Antragstellerin künstlich entstandenes Gewässer handelt, steht der naturschutzrechtlichen Unterschutzstellung nicht entgegen – entscheidend ist allein die Schutzwürdigkeit zum maßgeblichen Zeitpunkt des Verordnungserlasses (vgl. HessVGH, U.v. 18.3.2004 – 4 N 348/99 – NVwZ-RR 2005, 800/801 zum Fall eines Steinbruchs), wobei der Gesetzgeber davon ausgegangen ist, dass naturnah entwickelte, aufgelassene Abbaugewässer auch als Biotope i.S.v. § 30 BNatSchG in Betracht kommen (vgl. BT-Drs. 14/6378 S. 66).
2.2.3. Aber auch im Hinblick auf die – für den hier allein angegriffenen Verordnungsteil zentrale – Wasserfauna bestehen keine Zweifel an der naturschutzfachlichen und -rechtlichen Erforderlichkeit der insoweit von der Naturschutzgebietsverordnung vorgesehenen Unterschutzstellung.
2.2.3.1. Entscheidend für die Erforderlichkeit des streitgegenständlichen Fütterungs- und Besatzverbots spricht – wie vom Antragsgegner überzeugend dargetan – die in Mittelfranken seltene Wasserqualität des von der Naturschutzgebietsverordnung geschützten Gewässers. Die Baggerweiher haben das Potenzial für eine Ansiedlung seltener Wasserwildtierarten (beispielsweise Elritzen, Gründlinge, Schlammpeitzger, Bitterling mit Teichmuschel, Moderlieschen, Edelkrebs), wobei es – entgegen der Kritik der Antragstellerin – naturschutzrechtlich nicht darauf ankommt, ob sich diese zwischenzeitlich seltenen Tiere schon jetzt dort angesiedelt haben, weil § 23 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG eine Unterschutzstellung gerade auch zwecks „Entwicklung“ von Lebensstätten, Biotopen oder Lebensgemeinschaften wild lebender Tier- und Pflanzenarten ermöglicht (so im Ergebnis bereits BVerwG, B.v. 18.7.1997 – 4 BN 5.97 – NVwZ-RR 1998, 225 zum früheren Recht; vgl. auch BayVGH, U.v. 29.10.2018 – 14 N 16.1498 – NuR 2019, 68 Rn. 44 m.w.N.). Dabei sind nach den überzeugenden und nicht bestrittenen naturschutzfachlichen Ausführungen des Antragsgegners der Sauerstoffreichtum des Gewässers, seine Nährstoffarmut bzw. die in ihm herrschende klare Sicht gerade wichtige Voraussetzungen für eine artgerechte Ansiedlung bestimmter seltener Wildtierarten. Es geht darum, die besagten Wassereigenschaften und damit eine notwendige Rahmenbedingung für eine „Entwicklung“ der Baggerweiher hin zu einer Lebensstätte für die besagten seltenen Wassertiere gegen solche Veränderungen zu erhalten, die aus der Ansiedlung anderer als der besagten Wassertierarten resultieren. Dass eine natürliche Ansiedlung ohne menschliches Zutun – etwa durch Eintragung von Fischlaich im Gefieder von Vögeln – solcher seltener Wasserwildtierarten wenn überhaupt erst nach Jahrzehnten zu erwarten ist, spricht naturschutzfachlich und -rechtlich nicht gegen eine Unterschutzstellung. Denn es geht gerade darum, die Baggerweiher als mögliche und seltene Habitate für solche seltenen Wasserwildtierarten längerfristig zu erhalten. Dabei ist gerade die zwischenzeitliche Seltenheit der besagten Tierarten, die die Wahrscheinlichkeit eines natürlichen Eintrags derartiger seltener Wassertierarten etwa als Laich über Vögel weiter mindert, ein Argument für die Erforderlichkeit einer Unterschutzstellung der Baggerweiher als Lebensraum für seltene Wassertiere, und zwar auch dann, wenn diese Wassertiere sich erst durch gezielte menschliche Besatzmaßnahmen ansiedeln sollten, wie es § 5 Nr. 8 NatSchGebV auch ermöglicht. Diesem Ansatz steht nicht entgegen, dass der Hecht ein bei klarer Sicht dominanter und seinerseits nicht seltener Raubfisch mit erhöhter Wahrscheinlichkeit eines natürlichen Eintrags in die Baggerweiher ist. Denn es ist – wie vom Antragsgegner überzeugend dargetan – davon auszugehen, dass sich ein natürliches Gleichgewicht zwischen Räuber und natürlicher Beute einstellen wird.
Aus den besagten Gründen ist es naturschutzfachlich zwecks Entwicklung hin zu einem Artenreichtum seltener Wassertierarten, für die die Baggerweiher aufgrund ihrer Wasserqualität – wie gezeigt – prädestiniert sind, erforderlich, den Besatz mit anderen, nicht seltenen oder von Natur aus auf derartige Gewässer nicht angepassten Fischarten zu untersagen. Denn die Weiher sollen gerade Lebensraum für zwischenzeitlich seltene Wassertierarten sein, die wild in derartigen, zwischenzeitlich seltenen Gewässern vorkommen, nicht aber für dort von Natur aus nicht heimische oder nicht seltene Wassertierarten.
Aus den gleichen naturschutzfachlichen Gründen ist auch das Fütterungsverbot erforderlich. Denn unabhängig von der möglichen Eutrophierung der bislang gerade nährstoffarmen Seen würde eine Fütterung von nicht seltenen Wassertieren deren Bestände stärken und damit einer Besetzung ökologischer Nischen durch solche, nicht seltene Arten Vorschub leisten, was dem – wie gezeigt legitimen – Ziel einer Ansiedlung seltener, gefährdeter Arten zuwider laufen würde. Es ist erforderlich, Fütterungen, wenn überhaupt dann zum Wohl der naturschutzfachlich und -rechtlich zu schützenden Arten vorzunehmen, wie es § 5 Nr. 8 NatSchGebV auch ermöglicht.
2.2.3.2. Die Kritik der Antragstellerin, dass die am Ufer brütenden Schwalben infolge menschlichen Verhaltens gestört und verschwunden seien, was zuvor durch das Engagement des Fischereivereins verhindert worden sei, ist nicht geeignet, die beschriebene naturschutzrechtliche Erforderlichkeit der Naturschutzgebietsverordnung in Frage zu stellen. Denn die hier allein streitgegenständlichen Besatz- und Fütterungsverbote weisen – anders als das Verbot der Bootsfischerei und die Vorgabe bestimmter Angelzonen – keinen unmittelbaren Bezug zum Brutgebiet der Schwalben auf. Vielmehr dienen sie – wie gezeigt – der Erhaltung eines möglichen Lebensraums für seltene und gefährdete Wasserwildtierarten, was unabhängig davon, ob in dem Gebiet Schwalben brüten oder nicht, schon für sich hinreicht, um die hier streitgegenständliche Unterschutzstellung erforderlich erscheinen zu lassen. Unabhängig davon ist zu sehen, dass die Naturschutzgebietsverordnung auch etwaige Störungen von Uferschwalben verbieten würde (vgl. insbesondere § 4 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 NatSchGebV), so dass es im vorliegenden, nur auf die (Teil) Wirksamkeit der Naturschutzgebietsverordnung bezogenen Verfahren auf die Frage etwaiger – vom Antragsgegner bestrittener – staatlicher Vollzugsdefizite oder etwaiger Vollzugsvorteile infolge der bisherigen Präsenz des Fischereivereins im Bereich des Vogelschutzes nicht ankommt, weshalb dem vorliegend nicht weiter nachzugehen ist.
2.2.3.3. Der Verordnungsgeber hat in § 3 NatSchGebV den besagten Schutzzweck der Erhaltung eines möglichen Lebensraums für seltene und gefährdete Wasserwildtierarten, der wie gezeigt objektiv naturschutzfachlich vorliegt und eine Unterschutzstellung der Wasserflächen rechtfertigt, mit hinreichender Deutlichkeit normativ zum Ausdruck gebracht.
§ 3 Nr. 1 NatSchGebV betrifft den Schutz der Lebensräume, und zwar unter anderem mit dem Ziel einer artenreichen Tierwelt mit einer großen Zahl gefährdeter Arten und umfasst damit das beschriebene naturschutzfachliche Ziel, den derzeitigen Zustand der Baggerweiher als seltenes mögliches Wasserwildtierhabitat zu erhalten. Dabei macht § 3 Nr. 3 NatSchGebV deutlich, dass es nicht nur unmittelbar um den Schutz bereits angesiedelter Wassertiere geht, sondern dass im Mittelpunkt der Lebensraum selbst steht, nämlich die „notwendigen“ Lebensraum- und Standortverhältnisse. Er umfasst damit gerade auch die Baggerweiher als solche mit ihren beschriebenen seltenen Gewässereigenschaften und ihrem Potenzial als Lebensraum seltener Fischarten (siehe 2.2.3.1.). Dass es der Naturschutzgebietsverordnung auch im Bereich der Wasserflächen um die „Entwicklung“ der von Wasserflächen wie den Baggerseen abhängigen Tierwelt geht, spricht § 3 Nr. 2 NatSchGebV explizit an. Diese spezifische Aussage zu den Wasserflächen wird flankiert von § 3 Nr. 4 NatSchGebV, wonach das Ziel einer artenschutzorientierten „Entwicklung“ des Biotopmosaiks des gesamten Naturschutzgebiets, insbesondere einschließlich offener Wasserflächen, gewährleistet werden soll.
2.3. Die in der Naturschutzgebietsverordnung vorgesehenen – wie gezeigt naturschutzfachlich und -rechtlich erforderlichen (siehe 2.2.) – Besatz- und Fütterungsverbote bewegen sich von der Rechtsfolge her im Rahmen des § 23 Abs. 2 BNatSchG.
Gemäß § 23 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG sind in einem Naturschutzgebiet alle Handlungen, die zu einer Zerstörung, Beschädigung oder Veränderung des Naturschutzgebiets oder seiner Bestandteile führen können, nach Maßgabe näherer Bestimmungen verboten. Damit sind die hier streitgegenständlichen Besatz- und Fütterungsverbote klar vom Wortlaut der Vorschrift erfasst, weil – wie gezeigt (siehe 2.2.) – Besatz und Fütterung zugunsten anderer Arten als der seltenen Wasserwildtierarten, für die die Baggerweiher als Lebensraum prädestiniert sind, gerade die Baggerweiher als Bestandteil des Naturschutzgebiets zumindest verändern würden.
Dabei verlangt § 23 Abs. 2 BNatSchG selbst keine besondere Beachtung der Belange der Fischereiwirtschaft, was sich eindeutig aus einem systematischen Vergleich des Verbotsrahmens für Naturschutzgebiete in § 23 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG mit dem Verbotsrahmen für Landschaftsschutzgebiete in § 26 Abs. 2 BNatSchG ergibt. Denn in § 23 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG fehlt gerade die in § 26 Abs. 2 BNatSchG enthaltene Wendung „…unter besonderer Beachtung des § 5 Absatz 1…“, wobei § 5 Abs. 1 BNatSchG die Berücksichtigung der besonderen Bedeutung unter anderem der Fischereiwirtschaft gebietet. Wenn aber § 23 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG in direktem Gegensatz zu § 26 Abs. 2 BNatSchG den § 5 Abs. 1 BNatSchG gerade nicht in Bezug nimmt, spricht dies klar dafür, dass für Naturschutzgebiete bei der Bestimmung der Verbote die besondere Bedeutung der Fischereiwirtschaft gerade nicht vorgegeben ist, so dass von § 23 Abs. 2 BNatSchG erfasste Verhaltensweisen im Prinzip selbst dann verboten werden können, wenn sie in Ausübung einer ordnungsgemäßen Fischerei erfolgen (vgl. bereits BVerwG, B.v. 18.7.1997 – 4 BN 5.97 – NVwZ-RR 1998, 225/229 zu den vergleichbaren Vorläuferbestimmungen; siehe auch NdsOVG, U.v. 2.7.2019 – 4 KN 298/15 – juris Rn. 46 m.w.N.).
2.4. Die streitgegenständlichen Besatz- und Fütterungsverbote füllen den Rahmen des § 23 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG verhältnismäßig aus.
2.4.1. Auch nach § 23 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG dürfen die Belange der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft „nicht beliebig hintangestellt“ werden und hängen das Ob und der Umfang der möglichen fischereiwirtschaftlichen Betätigung von dem jeweiligen Schutzzweck ab (BVerwG, B.v. 18.7.1997 – 4 BN 5.97 – NVwZ-RR 1998, 225/229). Entscheidend ist insoweit letztlich, ob das jeweilige Verbot im Hinblick auf das Gewicht der Belange und Ziele des Naturschutzes einerseits und der von den Verboten betroffenen Rechte andererseits verhältnismäßig erscheint, wobei sowohl verfassungsrechtliche als auch einfachgesetzliche Vorgaben zu berücksichtigen sind.
Dabei gehören die seitens der Antragstellerin unter anderem bezeichneten Grundrechte der Bayerischen Verfassung gemäß § 47 Abs. 3 VwGO i.V.m. Art. 98 Satz 4 BV – anders als die Grundrechte des Grundgesetzes – nicht zum Prüfungsmaßstab im vorliegenden Normenkontrollverfahren (BayVerfGH, B.v. 23.3.1984 – Vf. 33-VI-82 – VerfGHE 37, 35), wohl aber ist die Naturschutzgebietsverordnung an bundesverfassungsrechtlichen Grundrechten wie insbesondere die Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG), aber auch der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) zu messen.
2.4.2. Die Besatz- und Fütterungsverbote sind keine Enteignungen i.S.v. Art. 14 Abs. 3 GG, weil durch die Naturschutzgebietsverordnung keine Eigentumsposition im Wege der „Güterbeschaffung“ auf die öffentliche Hand übergeleitet wird (formeller Enteignungsbegriff, vgl. BVerfG, U.v. 6.12.2016 – 1 BvR 2821/11 – BVerfGE 143, 246 Rn. 242).
2.4.3. Vielmehr bringen die Verbote einen Eingriff in das Eigentum der Antragstellerin in Form einer Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums i.S.v. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG mit sich (vgl. BVerwG, B.v. 18.7.1997 – 4 BN 5.97 – NVwZ-RR 1998, 225/227), wobei nach Art. 3 Satz 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 des Bayerischen Fischereigesetzes (BayFiG) im Ausgangspunkt der Eigentümer des Gewässers fischereiberechtigt ist und bei den Baggerweihern als stehenden Gewässern der in § 4 Abs. 2 WHG vorgesehene Ausschluss der Eigentumsfähigkeit von Wasser fließender oberirdischer Gewässer nicht eingreift.
Allerdings erweist sich diese in den Besatz- und Fütterungsverboten liegende Inhalts- und Schrankenbestimmung unter Berücksichtigung des erheblichen Gewichts der naturschutzfachlichen Belange (siehe 2.2.) und der Sozialbindung des Eigentums (Art. 14 Abs. 2 GG) als rechtmäßig, insbesondere als verhältnismäßig (siehe 2.4.4. bis 2.4.6.), und zwar auch im Hinblick auf die Kriterien Vertrauensschutz und Gleichbehandlung (siehe 2.4.7.).
2.4.4. Die naturschutzfachlich erforderliche Zielsetzung (siehe oben 2.2.) ist angesichts der staatlichen Schutzpflichten für die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere (vgl. Art. 20a GG) auch aus verfassungsrechtlicher Sicht ein legitimes Ziel.
2.4.5. Die Verbote sind geeignet und erforderlich, um das legitime Naturschutzziel zu erreichen. Insbesondere ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass für die Ansiedlung der gewünschten seltenen und gefährdeten Wasserwildtierarten ein milderes Mittel als das von der Naturschutzgebietsverordnung vorgesehene grundsätzliche Besatz- und Fütterungsverbot (§ 5 Nr. 4 NatSchGebV) und die an ökologischen Zielen orientierte Ausnahmemöglichkeit zugunsten der gewünschten Arten (§ 5 Nr. 8 NatSchGebV) gleichermaßen geeignet wäre.
2.4.6. Die streitgegenständlichen Verbote sind angesichts der erheblichen naturschutzfachlichen Bedeutung der Baggerweiher auch unter Berücksichtigung des Gewichts des Eigentumsgrundrechts der Antragstellerin angemessen und dieser zumutbar im Hinblick auf die Sozialbindung des Eigentums (Art. 14 Abs. 2 GG).
2.4.6.1. Dabei ist zunächst zu sehen, dass die Naturschutzgebietsverordnung die Fischerei keineswegs vollständig ausschließt. Allerdings ist gleichwohl festzuhalten, dass bezüglich nicht seltener oder gefährdeter Wassertierarten Besatz und Fütterung erheblich eingeschränkt werden, wobei jedoch die besagten naturschutzfachlichen Gründe (siehe 2.2.) gerade für diesen Umfang der Verbote sprechen. Entscheidend für ein Überwiegen der Naturschutzbelange gegenüber dem Eigentumsschutz spricht vorliegend, dass die Baggerweiher ihrerseits durch einen Eingriff in Natur- und Landschaft zustande gekommen sind, für den die Antragstellerin als Eigentümerin verantwortlich ist. Denn gerade im Sandabbau in Form der Nassauskiesung, durch den die Baggerweiher als Gewässer entstanden sind, hat ein erheblicher großflächiger Eingriff in Natur- und Landschaft gelegen. Die Sozialpflichtigkeit des Eigentums (Art. 14 Abs. 2 GG), der im Rahmen von Inhalts- und Schrankenbestimmungen – hier der Naturschutzgebietsverordnung – ebenfalls vom Normgeber Rechnung zu tragen ist, spricht dafür, zu Lasten der Antragstellerin den auf ihrem Grundstück von ihr in Form der Nassauskiesung vorgenommenen Sandabbau als Eingriff in die Natur zu berücksichtigen, und zwar ungeachtet der Frage, inwieweit die Antragstellerin bereits aus der Verwertung der Bodenschätze Vorteile gezogen hat, und unter Berücksichtigung des Umstands, dass Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG auch die Möglichkeit schützt, aus dem Eigentum (weiteren) Nutzen zu ziehen. Denn gerade in der aus der Nassauskiesung resultierenden Schaffung und Erhaltung des Ansiedlungspotenzials für seltene und gefährdete Wassertierarten liegt hier der naturschutzfachliche und -rechtliche Wert der Baggerweiher, der geeignet ist, die von der Antragstellerin zu verantwortende Veränderung der ursprünglichen Naturphänomene auszugleichen. Das Entstehen der zu schützenden Wasserlebensräume ist gleichsam die Kehrseite der vormaligen eigenen naturinvasiven Grundstücksnutzung der Antragstellerin. Daran muss sie sich im Rahmen der Sozialbindung ihres Eigentums (Art. 14 Abs. 2 GG) festhalten lassen. Verfassungsrechtlich erfüllt der Normgeber dabei mit der konsequenten Unterschutzstellung derartiger Gewässer seine Schutzpflicht aus Art. 20a GG und kann auch die insoweit vom Antragsgegner betonte einfachgesetzliche Eingriffsregelung in §§ 14, 15 BNatSchG als Ausgestaltung dieser staatlichen Schutzpflicht interpretiert werden.
2.4.6.2. Gegen die auch aus Sicht des Art. 14 GG anzunehmende Legitimität der umstrittenen Verbote der Naturschutzgebietsverordnung sprechen auch nicht anderweitige Regelungen mit Bezug zu der unter Naturschutz gestellten Fläche.
So sieht auch der Regionalplan für die Region Nürnberg für die Fläche der Baggerweiher als Folgenutzung gerade keine weitergehenden gewerblichen Nutzungsmöglichkeiten, sondern Landwirtschaft, Forstwirtschaft, ökologische Ausgleichsflächen/Biotop oder Wasserfläche vor. Dieser Aussage ist jedenfalls keine Inhaltsbestimmung dahingehend zu entnehmen, dass auf den besagten Flächen der Verpachtung der Wasserflächen zur Ausübung der Sportfischerei ein besonderes regionalplanerisches Gewicht beigemessen worden wäre, das die beschriebenen Naturschutzbelange relativieren könnte.
Auch die bestandkräftige bergrechtliche Zulassung des Abschlussbetriebsplans durch den bergrechtlichen Bescheid des Bergamts Nordbayern vom 17. Februar 2015 beinhaltet keine darüber hinausgehende besondere Privilegierung des Grundstücks für andere als ökologische Zwecke, die geeignet wäre, im verfassungsrechtlichen Kontext das Gewicht des Eigentums im Vergleich zu den naturschutzrechtlichen Belangen zu erhöhen. Vielmehr nimmt die Begründung des bergrechtlichen Bescheids ihrerseits auf die Wertungen des Regionalplans Bezug.
2.4.6.3. Schließlich wird das Gewicht des Eigentumsgrundrechts auch nicht durch Vorgaben des Bayerischen Fischereigesetzes (BayFiG) erhöht, das dem Eigentümer unter anderem das Recht und die Pflicht zur Hege einräumt und zuweist (vgl. Art. 1 Abs. 1 und 2 i.V.m. Art. 3 Satz 1 BayFiG). Vielmehr öffnet sich das Bayerische Fischereigesetz seinerseits für Erfordernisse des Naturschutzes, die vorliegend gegenüber den Hegerechten und -pflichten als Ausfluss des Gewässereigentums überwiegen.
Zwar wird im Bayerischen Fischereigesetz (anders als in den Fischereigesetzen anderer Länder) nicht ausdrücklich festgehalten, dass sich das Fischereirecht dem Naturschutzrecht „unterzuordnen“ habe (so etwa das schleswig-holsteinische Fischereirecht im Fall von BVerwG, B.v. 18.7.1997 – 4 BN 5.97 – NVwZ-RR 1998, 225/229). Vielmehr spricht Art. 1 Abs. 3 BayFiG vom Leitbild der „Nachhaltigkeit“ (Satz 1) und hält fest, dass diesem Leitbild (der Nachhaltigkeit) die ausgewogene Berücksichtigung des Schutzes von Natur und Landschaft sowie des gesellschaftlichen Gewichts und der wirtschaftlichen Bedeutung, die der Fischerei in allen Ausübungsformen zukommen, entspricht (Satz 2). Das Bayerische Fischereigesetz hat sich damit explizit den Belangen des Naturschutzes geöffnet, vermeidet mit dem Kriterium der Ausgewogenheit aber, ein schematisches Rangverhältnis zwischen Naturschutz und Fischerei festzulegen, sondern verlangt eine Einzelfallprüfung. Diese fischereirechtliche Einzelfallprüfung steht allerdings nicht in Konflikt mit § 23 Abs. 2 BNatSchG, sondern führt letztlich zu den gleichen Maßstäben. Denn – wie gezeigt (siehe 2.4.1.) – dürfen auch nach § 23 Abs. 2 BNatSchG die Belange der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft „nicht beliebig hintangestellt“ werden und hängen das Ob und der Umfang der möglichen fischereiwirtschaftlichen Betätigung von dem Gewicht des jeweiligen Naturschutzzwecks ab (BVerwG, B.v. 18.7.1997 – 4 BN 5.97 – NVwZ-RR 1998, 225/229). Liegen entsprechend starke naturschutzrechtliche Belange vor und erscheint insbesondere die Hegebeschränkung insoweit verhältnismäßig, kann sich eine Naturschutzgebietsverordnung auch nach bayerischem Fischereirecht im Ergebnis durchsetzen.
Vor diesem Hintergrund folgt aus dem bayerischen Fischereirecht im Ergebnis keine Erhöhung des Gewichts der Eigentümerbelange. Auch insoweit steht dem erheblichen Gewicht der naturschutzfachlichen Belange (siehe 2.2.) ein Eingriff in das Grund- und Gewässereigentum gegenüber, der im Hinblick auf die von der Antragstellerin als Grund- und Gewässereigentümerin zu verantwortende Nassauskiesung und den darin liegenden Eingriff in den ursprünglichen Naturzustand wegen der Sozialbindung des Eigentums (Art. 14 Abs. 2 GG) hinter die staatlichen Schutzpflichten zugunsten der natürlichen Lebensgrundlagen (Art. 20a GG), denen mit den umstrittenen Verboten der Naturschutzgebietsverordnung genügt wird, zurücktritt (siehe 2.4.6.1.). Dabei ist zu sehen, dass für die Hegeeinschränkung ein hinreichender naturschutzfachlicher (fischökologischer) Grund vorliegt (siehe 2.2.), dass das bayerische Fischereirecht in Art. 73 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 BayFiG gerade im Zusammenhang mit Fragen der Nachhaltigkeit und der guten fachlichen Praxis als fachkundige Stelle den „Fachberater des Bezirks für das Fischereiwesen“ herausstellt und dass gerade dieser Fachberater vorliegend die – vom Fischereiverein und der Antragstellerin abgelehnten – Einschränkungen des Besatzes fischereifachlich für erforderlich gehalten hat.
Aus Art. 18 Abs. 2 BayFiG und der dort vorgesehenen Möglichkeit, die Ausübung des Fischereirechts zu beschränken oder auszuschließen, folgt keine Einschränkung hinsichtlich der in der streitigen Naturschutzgebietsverordnung vorgesehenen Fischerei-(Hege-)beschränkungen. Denn die in Art. 18 Abs. 2 BayFiG vorgesehene Möglichkeit, die Fischerei durch Verwaltungsakt einzuschränken, bezieht sich tatbestandlich nur auf Gewässer „geringer Größe“, wovon jedenfalls im Fall der Baggerweiher (ca. 35 ha) nicht ausgegangen werden kann, wobei gemäß Nr. 4.4.1. der „Verwaltungsvorschriften zum Vollzug fischereirechtlicher Bestimmungen“ (VwVFiR; Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Landwirtschaft und Forsten vom 12.11.1999 – R 6-7971-591 – AllMBl S. 939, zuletzt geändert durch Bekanntmachung vom 27.11.2007, AllMBl S. 780) von Flächen geringer Größe nur bis höchstens 0,3 ha auszugehen sein soll.
Dieses Auslegungsergebnis steht auch im Übrigen in Einklang mit Nr. 4.4.1. VwVFiR, wo ausdrücklich festgehalten wird, dass „Schutzmaßnahmen nach dem Abschnitt III oder IIIa des BayNatSchG“, die mit Einschränkungen der Fischereiausübung verbunden sein können, „unberührt“ bleiben, wobei dies das Bayerische Naturschutzgesetz in der seinerzeit – vom 1. August 2005 bis zum 28. Februar 2011 – geltenden Fassung betraf, wo sich der Abschnitt III (Art. 7-13a BayNatSchG a.F.) mit dem „Schutz von Flächen und einzelnen Bestandteilen der Natur“ und Art. 7 mit „Naturschutzgebieten“ befasste.
2.4.7. Insgesamt erweisen sich die mit den streitgegenständlichen Besatz- und Fütterungsverboten verbundenen Beschränkungen des fischereibezogenen Grund- und Gewässereigentums der Antragstellerin angesichts des Gewichts der betroffenen Naturschutzbelange einerseits und der infolge der von der Antragstellerin zu verantwortenden Nassauskiesung gesteigerten Sozialbindung des Grund- und Gewässereigentums andererseits als verhältnismäßig. Weil gerade der von der Antragstellerin mit der Nassauskiesung vorgenommene Eingriff in Natur und Landschaft die jetzige Schutzwürdigkeit der Baggerweiher verursacht hat, kann die Antragstellerin kein schutzwürdiges Vertrauen (vgl. BVerfG, U.v. 6.12.2016 – 1 BvR 2821/11 u.a. – BVerfGE 143, 246 Rn. 281, 309) dahingehend geltend machen, dass die von der früheren Landschaftsbestandteilschutzverordnung nicht erfassten Gewässerflächen nicht ebenfalls unter Naturschutz gestellt werden. Vielmehr waren diese von der Antragstellerin künstlich erzeugten Gewässerflächen angesichts der besagten Eigenschaften des von der Antragstellerin zu Tage gebrachten Grundwassers von vornherein mit dieser Möglichkeit belastet. Aus dem gleichen Grund ist die Antragstellerin auch im Hinblick auf den Aspekt der Gleichbehandlung (vgl. BVerfG, U.v. 6.12.2016 a.a.O.) nicht schutzwürdig. Ganz im Gegenteil ist es angesichts der auf eben diesem Grundstück verursachten Nassauskiesung gerechtfertigt, gerade dieses Grundstück dem Reglement der Naturschutzgebietsverordnung zu unterstellen. Weil sich die Verhältnismäßigkeit bereits daraus ergibt, dass die Eigentümerinteressen im Vergleich zum hohen Gewicht der zu schützenden Naturschutzbelange angesichts der aus der Verantwortung der Grundeigentümerin resultierenden Sozialbindung vorliegend weniger schwer wiegen (s.o.) und es auch nicht um den vollständigen Entzug einer Eigentumsposition, insbesondere nicht des Fischereirechts als solchem, geht, sondern nur um dessen restriktivere Ausgestaltung, setzt die Rechtmäßigkeit der Naturschutzgebietsverordnung hier auch keine Entschädigungsregelung voraus (vgl. BVerfG, U.v. 6.12.2016 – 1 BvR 2821/11 u.a. – BVerfGE 143, 246 Rn. 258, 260, 261).
2.4.8. Selbst wenn in den Besatz- und Fütterungsverboten – zusätzlich zum Eingriff in das Eigentumsgrundrecht der Antragstellerin – auch ein Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und in die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) der Antragstellerin liegen sollte, wären diese Eingriffe aus denselben Gründen gerechtfertigt wie der Eingriff in das Eigentumsgrundrecht (s.o.). Gleiches gilt für den in den Besatz- und Fütterungsverboten liegenden Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit des Fischereivereins.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit, die hier allein hinsichtlich der Kostenentscheidung im Raum steht, folgt aus § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil kein Zulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.


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