Europarecht

Nichtzulassungsbeschwerde, Marke, Revision, Eintragung, Verwechslungsgefahr, Kennzeichnung, Behinderung, Werbung, Berufung, Herkunft, Auskunft, Verletzung, Dienstleistungen, Kommission, Benutzung der Marke, betriebliche Herkunft, rechtserhaltende Benutzung

Aktenzeichen  U 2962/16 Kart

Datum:
29.7.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

I ZR 136/17 2020-09-08 Berichtigungsbeschluss BGH BGH Karlsruhe

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 13.06.2016, Az. 4 HK O 4748/15, wird zurückgewiesen.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits in erster und zweiter Instanz trägt die Klägerin 4/5, die Beklagten tragen jeweils 1/10. Die Kosten des Revisionsverfahrens trägt die Klägerin.
3. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Jede Partei kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Gründe

I.
Die Klägerin vertreibt unter anderem Papierhandtuchspendersysteme und als Nachfüllware dazu passende Papierhandtücher auf Rollen an Kunden aus der Gastronomie, der Industrie oder dem Gesundheitswesen. Die Spender werden vor allem in Waschräumen fest installiert und für Beschäftigte und Besucher öffentlich zugänglich bereitgestellt.
Die mit der Klägerin konzernmäßig verbundene Essity Hygiene and Health AB (Anlage VP3) ist – seit einer nach Rechtshängigkeit der Klage erfolgten Übertragung durch die Klägerin gemäß Eintragung vom 11.12.2015 (Anlage VP1) – Inhaberin der am 08.01.2008 eingetragenen Unionsmarke Nr. … (vgl. Anl. K 7; im Folgenden: Klagemarke)
die unter anderem Schutz beansprucht für
„Papier und Waren aus Papier, nämlich Abtrocken-, Trocken-, Polier- und Reinigungstücher aus Papier und Haushaltspapier in Rollen und vorgeschnittenen Stücken, Papierhandtücher. Küchen- und Toilettenpapierrollen“
sowie für
„Gestelle, Halterungen und Spender für Küchen- und Toilettenpapier und für Papier/nicht textil zum Abtrocknen, Trocknen, Polieren und Reinigen: Gestelle. Halterungen und Spender für Seifen.“
Die Papierhandtuchspender der Klägerin sind mit der Klagemarke gekennzeichnet.
Die Beklagte zu 1), deren Geschäftsführer der Beklagte zu 2) ist, betreibt einen Großhandel unter anderem mit Hygieneprodukten. Sie vertreibt Papierhandtuchrollen als Nachfüllware für Spender mit dem Hinweis „passend auch für Tork-Spender“. Die Papierhandtuchrollen und die Papierhandtücher selbst sind nicht gekennzeichnet.
Die Beklagte zu 1) unterhielt in ihrem Internetauftritt, für dessen Inhalt der Beklagte zu 2) verantwortlich ist, eine Suchfunktion, die bei Eingabe des Suchbegriffs Tork Papierrollen der Beklagten anzeigte, die nicht von der Klägerin stammten, wie dem im Klageantrag Ziffer II. wiedergegebenen Internetausdruck entnommen werden kann.
Die Klägerin ist der Auffassung, die Kunden der Beklagten zu 1) verletzten durch die Befüllung von Tork-Spendern mit Rollen der Beklagten die Klagemarke und die Beklagte zu 1) sei zumindest als mittelbare Täterin dieser Markenverletzung anzusehen. Außerdem stelle die Nutzung des Zeichens Tork im Rahmen der Suchfunktion eine Markenverletzung dar.
Die Klägerin hat nach einer Erweiterung der Klage um den nachstehenden Klageantrag II. mit Schriftsatz vom 07.12.2015 ursprünglich angekündigt zu beantragen.
I. die Beklagten zu verurteilen, es ihr gegenüber bei Meidung von Ordnungsmitteln zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr in der Europäischen Union neutrale Papierhandtuchrollen wie nachstehend wiedergegeben
die nicht von ihr stammen, als Nachfüllware zum Zwecke der Aufnahme Abgabe durch mit der Marke
gekennzeichnete, öffentlich zugängliche System-Papierhandtuchspender an Besitzer solcher Spender zu liefern oder liefern zu lassen, sofern die markenmäßige Kennzeichnung der System-Papierhandtuchspender wie nachfolgend dargestellt erfolgt:
II. die Beklagten zu verurteilen, es ihr gegenüber bei Meidung von Ordnungsmitteln zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr in der Europäischen Union die Bezeichnung TORK zur Kennzeichnung von nicht von der Klägerin stammenden neutralen Papierhandtuchrollen wie unter I. wiedergegeben zu benutzen, insbesondere wenn dies wie folgt geschieht
III. die Beklagten zu verurteilen, ihr Auskunft zu erteilen über die Vertriebswege der nach Antrag I. zum Zwecke des Nachfüllens in vorgenannte Spender der Klägerin vertriebene Waren, insbesondere unter Angabe der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer und Verkaufsstellen, für die sie bestimmt waren, und unter Angabe der Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Waren sowie über die Preise, die für die betreffenden Waren bezahlt wurden;
IV. die Beklagten zu verurteilen, ihr Auskunft über Art und Umfang der im Antrag I. bezeichneten Handlungen zu erteilen, und zwar durch Vorlage eines Verzeichnisses, aus dem sich die mit den Waren nach Antrag I. erzielten Umsätze und die Gestehungskosten einschließlich aller Kostenfaktoren ergeben, jeweils aufgeschlüsselt nach Kalendervierteljahren;
V. festzustellen, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet seien, ihr allen Schaden zu ersetzen, der ihr aus Handlungen gemäß Antrag I. entstanden sei und künftig entstehen werde, hilfsweise, die ungerechtfertigte Bereicherung, wie sie sich anhand der Auskunft und Rechnungslegung gemäß den Anträgen III. und IV. ergebe, herauszugeben.
Unter dem 12.02.2016 erklärten die Beklagten strafbewehrt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr im Gebiet der Europäischen Union die Bezeichnung TORK zur Kennzeichnung von nicht von der Klägerin stammenden Papierhandtuchrollen – wie im Klageantrag I. wiedergegeben – zu benutzen, wenn dies geschieht wie in einer im Wesentlichen mit der Wiedergabe im Klageantrag Ziffer II. übereinstimmenden Anlage.
Daraufhin hat die Klägerin den Rechtsstreit hinsichtlich des Klageantrags Ziffer II. für erledigt erklärt. Die Beklagten sind der Teilerledigterklärung entgegengetreten und haben ursprünglich beantragt.
die Klage abzuweisen.
Sie haben die Auffassung vertreten, die beanstandeten Handlungen stellten keine Markenverletzungen dar, und sich darauf berufen, dass das massive rechtliche Vorgehen der marktdominanten Klägerin eine gemäß §§ 19 f. GWB kartellrechtlich unzulässige Behinderung darstelle und gemäß § 4 Nr. 10 UWG unlauter sei.
Mit Urteil vom 13.06.2016 (Bl. 163/174 d.A.), auf dessen tatsächliche Feststellungen ergänzend Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Klage insgesamt abgewiesen.
Auf die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin, mit der sie ihr Vorbringen aus dem ersten Rechtszug wiederholt und vertieft hat, hat der Senat durch Urteil vom 09.03.2017 (Bl. 323/335 d.A.) unter Abänderung des Ersturteils festgestellt, dass sich der Rechtsstreit bezüglich des Klageantrags II. der Klageerweiterung vom 07.12.2015 insoweit erledigt hat. als der Antrag darauf gerichtet war, die Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr in der Europäischen Union die Bezeichnung TORK zur Kennzeichnung von nicht von der Klägerin stammenden neutralen Papierhandtuchrollen wie im Klageantrag 1. der Klageerweiterung vom 07.12.2015 wiedergegeben zu benutzen, und die Klage im Übrigen abgewiesen.
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde und die Revision der Klägerin hat der Bundesgerichtshof durch Urteil vom 17.10.2018. Az. I ZR 136/17 (GRUR 2019, 79). das Urteil des Senats vom 09.03.2017 aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, zurückverwiesen. Durch Beschluss vom 08.09.2020 (Bl. 96/97 der BGH-Akte) hat der Bundesgerichtshof den Tenor seines Urteils vom 17.10.2018 nach § 319 Abs. 1 ZPO dahingehend berichtigt, dass das Urteil des Senats vom 09.03.2017 lediglich im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben wurde, als der Klageantrag 1. abgewiesen worden ist.
Die Klägerin vertritt die Auffassung, sie sei nach wie vor prozessführungsbefugt. da die Übertragung der Marke auf die SCA Hygiene Products AB, welche nunmehr als Essity Hygiene and Health AB firmiere, im Laufe des Verfahrens (Anlage VP1) lediglich eine gesetzliche Prozessstandschaft begründe, im Übrigen aber keinen Einfluss auf den laufenden Prozess habe, so dass dieser zwischen den Parteien unverändert fortgesetzt werden könne. Selbst wenn man darin eine subjektive Klageänderung sähe, sei diese auch in der Berufungsinstanz sachdienlich, weil sie zu einer sachgemäßen und endgültigen Erledigung des Streits zwischen den Parteien führe und einem weiteren Rechtsstreit vorbeuge.
Auch unter Berücksichtigung der Vorgaben des Bundesgerichtshofs liege im Vertrieb der Handtuchrollen mit dem Kompatibilitätshinweis eine markenmäßige Benutzung, da Zweifel des angesprochenen Verkehrs an der wirtschaftlichen Verbundenheit zwischen Markeninhaber und Verletzer stets zulasten des Verletzers gingen und bereits die bloße Gefahr einer Herkunftstäuschung genüge, um eine Markenverletzung zu begründen. Dies entspreche auch der Rechtsprechung des EuG. das die Beeinträchtigung der Herkunftsfunktion der Marke nicht vorab bei der Frage der markenmäßigen Benutzung, sondern inzident im Rahmen der Verwechslungsgefahr prüfe.
Ein Anlass zur Abweichung von der vom BGH angenommenen Markenverletzung bestehe nicht, weil die beiden einzigen Fallgruppen, in denen der Verkehr ausnahmsweise keine wirtschaftliche Verbundenheit zwischen dem Anbieter des Papiertücher-Behältnisses und demjenigen der Nachfüllware annehme, d.h. die Kennzeichnung der Nachfüllware und das besondere Branchenwissen beim Nachfüllvorgang, unstreitig nicht vorlägen. Die Funktion der Marke sei aber bereits dann beeinträchtigt, wenn für den normal informierten und angemessen aufmerksamen Verbraucher nicht oder nur schwer zu erkennen sei, ob die angebotenen Waren vom Inhaber der Marke oder einem mit ihm wirtschaftlich verbundenen Unternehmen oder vielmehr von einem Dritten stammten. Nur wenn ausgeschlossen sei, dass die Marke im Verkehr als betriebliches Herkunftszeichen aufgefasst werde, scheide eine Beeinträchtigung der Herkunftsfunktion aus.
Da die Handtuchrollen der Beklagten unstreitig unbedruckt und von außen nicht sichtbar seien, existiere keine die Herkunftsfunktion der Klagemarke möglicherweise relativierende Zweitkennzeichnung. Ein Bedrucken wäre durchaus möglich gewesen, da Papier ein körperlicher Gegenstand sei. so dass angenommen werden müsse, dass die Beklagten hiervon möglicherweise aus wirtschaftlichen Gründen abgesehen hätten. Die Beispiele für bedruckte Papiere seien mannigfaltig wie etwa bei Hygienepapieren der Marke Zewa. Mangels Zweitkennzeichnung bestehe vorliegend für den durchschnittlichen Verbraucher aber keinerlei Veranlassung, den unbedruckten Papierhandtüchern eine eigenständige betriebliche Herkunft zuzuordnen. Die fehlende Zweitkennzeichnung könne auch nicht dadurch ersetzt werden, dass die Umverpackung der Papierhandtuchrollen etwaige Kennzeichnungen aufweise, da der Verbraucher weder bei der Lieferung der Papierware noch beim entsprechenden Befüllungsvorgang der Spender anwesend sei und daher die Umverpackung niemals zu Gesicht bekomme.
Eine Verkehrsgewöhnung im Hinblick auf eine gewisse Vielfalt vorhandener Handtuchspender und -systeme habe sich nach lebensnaher Betrachtung nicht entwickeln können, da sie voraussetzen würde, dass der Durchschnittsverbraucher überhaupt ein Bewusstsein für verschiedene Handtuchspendersysteme besitze. Da sich die Systeme in Form. Funktionalität und Platzierung aber ähnelten, setze eine entsprechende Gewöhnung für den Verbraucher ein sichtbares Unterscheidungsmerkmal voraus. Würde der Verbraucher in öffentlichen Waschräumen und Toiletten aber überhaupt nicht auf Marken achten, könnte sich eine Verkehrsgewöhnung hinsichtlich unterschiedlicher Spendersysteme überhaupt nicht einstellen. Der Verkehr verliere schließlich beim Betreten von Waschräumen nicht plötzlich seine Fähigkeit. Marken als betriebliche Herkunftshinweise zu erkennen. Auch verliere der Verbraucher diese Fähigkeit nicht deshalb, weil die Ausgabe der Waren kostenlos erfolge, da der Markenschutz ansonsten in jeglicher postsale-Situation entwertet würde, in der der Verbraucher die Ware ohne Gegenleistung verwende.
Auch ein überlegenes Branchenwissen hinsichtlich der Herkunft der Papierhandtuchrollen, das eine mögliche Herkunftstäuschung ausnahmsweise ausschließen würde, könne dem angesprochenen Verbraucher nicht unterstellt werden, da er die – nicht mit einer Zweitkennzeichnung versehenen – Rollen nicht selbst austausche. Er mache sich über die mögliche Eigenständigkeit der Ursprungsidentität von eingefüllten Papieren keine Gedanken und orientiere sich folglich allein an der Marke auf dem Spender.
Selbst wenn man davon ausgehe, dass der Verbraucher in der streitgegenständlichen Benutzungssituation Marken wenig bis gar keine Aufmerksamkeit schenke, folge daraus, dass er sich erst Recht keine Gedanken über eine mögliche Eigenständigkeit der Ursprungsidentität von eingefüllten Papieren mache, sondern sich vielmehr an der ihm auf dem Spender entgegentretenden Marke orientiere. In diesem Zusammenhang gelte nichts anderes als bei der Feststellung der Verwechslungsgefahr im Rahmen eines Zeichenvergleichs, wo auch erst ein gesteigerter Aufmerksamkeitsgrad dazu führe, dass sich die Gefahr von Verwechslungen verringere, weil dem Verkehr dann Unterschiede leichter auffielen. Umgekehrt führe ein geringerer Aufmerksamkeitsgrad des Verkehrs zu einer erhöhten Verwechslungsgefahr, da der Verbraucher sich über – möglicherweise tatsächlich bestehende – Unterschiede keine Gedanken mache. Die geringe Aufmerksamkeit des Verkehrs bezüglich der kostenlosen, niedrigpreisigen Papierhandtücher führe daher eher zur Annahme einer Beeinträchtigung der Herkunftsfunktion.
Zum gleichen Ergebnis führten auch Überlegungen zur rechtserhaltenden Benutzung von Marken, aus denen sich ergebe, dass die konkrete Benutzung der Klagemarke auf dem Papierhandtuchspender nicht nur eine relevante Benutzungshandlung im Rahmen der rechtserhaltenden Benutzung der Marke für den Spender, sondern auch für die Abtrockentücher selbst darstellten. Eine Benutzungsform, die den Anforderungen an die rechtserhaltende Benutzung genüge, sei – sofern sie wie vorliegend von einem unberechtigten Dritten durchgeführt werde – zwangsläufig auch rechtsverletzend.
Es könne auch nicht von einer Erschöpfung ausgegangen werden, wenn bei einer Wiederbefüllung von Behältnissen die auf dem Behältnis angebrachte Marke auf den nachgefüllten Inhalt bezogen werde. Bei jedem Vorgang der Ausgabe eines Papierhandtuchs aus dem Spender komme es aufgrund der Kennzeichenrichtung der Klagemarke, gerichtet auf das eingelegte Papier, jeweils zu einer neuen Erstkennzeichnung des konkret ausgegebenen Papiers. Eine etwaige Erschöpfung im Hinblick auf den Papierhandtuchspender sei irrelevant, da sie keine zwangsläufige Erschöpfung im Hinblick auf die eingelegten Handtücher zur Folge habe. Selbst im Falle einer Erschöpfung könne sich die Beklagte aufgrund berechtigter Gründe dem weiteren Vertrieb der Nachfüllware widersetzen.
Die Klägerin beantragt nunmehr (Bl. 412/415 d.A.):
1. Die Beklagten werden – unter Abänderung des Urteils des Landgerichts München I vom 13.06.2016 – Az. 4 HK O 4748/1 – verurteilt:
1.1 es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes von bis zu Euro 250.000. ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten. oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfalle von bis zu 2 Jahren, im Fall der Beklagten zu 1) zu vollziehen an ihrem Geschäftsführer gegenüber der Essity Hygiene and Health AB zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr in der Europäischen Union neutrale Papierhandtuchrollen, wie nachstehend wiedergegeben
die nicht von der Essity Hygiene and Health AB. Bäckstensgatan 5, Göteborg 405 03, Schweden, stammen, als Nachfüllware zum Zwecke der Aufnahme und Abgabe durch mit der Marke
gekennzeichnete, öffentlich zugängliche System-Papierhandtuchspender an Besitzer solcher Spender zu liefern oder liefern zu lassen, sofern die markenmäßige Kennzeichnung der System-Papierhandtuchspender wie nachfolgend dargestellt erfolgt:
1.2 der Essity Hygiene and Health AB. Bäckstensgatan 5, Göteborg 405 03. Schweden. Auskunft zu erteilen über die Vertriebswege der nach Antrag 1.1 zum Zwecke des Nachfüllens in vorgenannte Spender der Klägerin in Deutschland vertriebene Waren, insbesondere unter Angabe der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer und der Verkaufsstellen, für die sie bestimmt waren und unter Angabe der Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Waren sowie über die Preise, die für die betreffenden Waren bezahlt wurden.
1.3 der Essity Hygiene and Health AB, Bäckstensgatan 5. Göteborg 405 03. Schweden, Auskunft über Art und Umfang der im Antrag 1.1 bezeichneten Handlungen in Deutschland zu erteilen, und zwar durch Vorlage eines Verzeichnisses. aus dem sich die mit den Waren nach Antrag 1.1 erzielten Umsätze und die Gestehungskosten einschließlich aller Kostenfaktoren ergeben, jeweils aufgeschlüsselt nach Kalendervierteljahren.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind. der Essity Hygiene and Health AB. Bäckstensgatan 5. Göteborg 405 03. Schweden, allen Schaden zu ersetzen, der ihr aus Handlungen gemäß Antrag 1.1 in Deutschland entstanden ist und künftig entstehen wird, hilfsweise, die ungerechtfertigte Bereicherung, wie sie sich anhand der Auskunft und Rechnungslegung gemäß den Anträgen 1.2 und 1.3 ergibt, herauszugeben.
Die Beklagten beantragen (Bl. 425 d.A.),
die Klage abzuweisen.
Die Beklagten sind der Auffassung, jedenfalls die weiteren Klageanträge seien aufgrund des Inhaberwechsels der Klagemarke unzulässig, da die Regelung des § 265 ZPO keine Einziehungsermächtigung zu begründen vermöge.
Streitgegenständlich sei vorliegend ein komplettes Lieferverbot für neutrale Papierhandtuchrollen, die theoretisch in Spender der Klägerin passten, ohne dass diese Kompatibilität unter Verwendung der Klagemarke überhaupt kommuniziert werden müsse.
In dem Angebot neutraler Papierrollen durch die Beklagten liege auch bei Berücksichtigung der Vorgaben des Bundesgerichtshofs kein markenmäßiger Gebrauch, da der Verkehr die auf dem Spender angebrachte Marke nicht zugleich als Herkunftshinweis für die im Spender eingelegten Papierhandtücher verstehe, zumal Marken im AFH-Bereich (Away-From-Home-Bereich) eine geringere Rolle spielten als bei anderen Produkten, es bei Handtuchspendern und Spendersystemen eine gewisse Vielfalt gebe und die Rollen bzw. Handtücher von den Verbrauchern nicht selbst erworben, sondern regelmäßig kostenlos in Anspruch genommen würden. Für ein anderweitiges Verkehrsverständnis sei die Klägerin darlegungs- und beweisbelastet. Der BGH habe lediglich die Würdigung ergänzender Umstände für die Verkehrsauffassung für erforderlich gehalten, woraus sich ersehen lasse, dass die zwei bisher für wesentlich gehaltenen Gesichtspunkte, nämlich die Gewöhnung des Verkehrs an eine Vielzahl von Spendern und die Üblichkeit, Geräte mit Waren anderer Hersteller zu bestücken, weiterhin zu beachten seien.
Auch die Europäische Kommission gehe aufgrund ihrer Marktbeobachtungen davon aus. dass es keinen Unterschied zwischen gebrandeten und nicht gebrandeten AFH-Produkten gebe, dass Marken im AFH-Bereich nur von geringer Bedeutung seien, dass AFH-Marken nicht durch Werbung und Werbeaktionen unterstützt würden, dass die Markenkennzeichnung kein Indikator für die Produktqualität sei, dass der Unterschied zwischen den Marken von geringer Bedeutung sei. dass allein der Preis das wesentliche Unterscheidungskriterium sei. dass die Kunden nach Qualität und Funktion suchten und Marken unberücksichtigt ließen sowie dass bei Zellstoff-Produkten ein geringes Produktinteresse bestehe und ein Wechsel zu einer Eigenmarke durchaus üblich sei.
Auch bei der Beschaffung durch die öffentliche Hand zeige sich aufgrund der kostenlosen Abgabe der Papierhandtücher an die Verbraucher, dass der Preis das alleinige Entscheidungskriterium sei, was beispielsweise am Konzept des Berliner Senats für öffentliche Toiletten oder an Ausschreibungen des DPMA für Sanitärausstattungen (Anlagen B37 und B38) deutlich werde.
Eine Ausweitung der herkunftshinweisenden Funktion der Marke auf den Spendern auf die eingefüllten Papierhandtücher lasse sich nicht mit der fehlenden Zweitkennzeichnung der Handtücher begründen, weil der Verkehr an unbedruckte Hygienepapiere gewöhnt sei und dort allenfalls dekorative Aufdrucke oder Werbung für andere Produkte oder Dienstleistungen erwarte. Aus dem Fehlen einer Kennzeichnung lasse sich folglich nicht auf eine Übertragung der Kennzeichnung vom Spender auf die Handtücher schließen. Die Spenderhersteller könnten den Markt für unbedruckte Nachfüllmaterialien nicht für sich monopolisieren. Da die Einschränkungen des Verbotsantrags nach den Vorgaben des BGH unbeachtlich seien, richte sich die Klägerin mit ihrem Antrag entgegen ihren eigenen Einlassungen nicht gegen die Befüllung ihrer eigenen High-End-Sensorspender mit Verbrauchsmaterialien von Dritten, sondern sogar gegen die Befüllung sämtlicher ihrer Spender einschließlich ihre simplen bloßen Plastikschachteln, die sich optisch für den Betrachter erheblich von den Sensorspender-Modellen unterschieden.
Das Markenrecht der Klägerin an ihren Spendern habe sich mit deren Verkauf erschöpft. Auch das Recht, die Spender nach einer etwaigen ursprünglichen Befüllung bei einem Unternehmen seiner Wahl und nicht nur beim Markeninhaber, sondern auch bei einem Wettbewerber befüllen zu lassen, gehe durch das Inverkehrbringen des Spenders auf den Käufer über. Ausnahmen hiervon aufgrund einer Veränderung oder Verschlechterung des Zustands der Waren bestünden nicht. Vielmehr überwögen die Interessen der Besitzer wiederbefüllbarer Behältnisse und das Allgemeininteresse an der Aufrechterhaltung eines unverfälschten Wettbewerbs die Interessen der Markeninhaber, zumal bei einer ungerechtfertigten Beschränkung des nachgelagerten Marktes für Verbrauchsmaterialien das Risiko der Abschottung dieses Marktes bestehe.
Schließlich würde das Vorgehen der Klägerin mit Marktanteilen von 30 % bis 60 % aufgrund ihrer überragenden marktbeherrschenden Stellung in Europa und dem Rest der Welt zu einer kartellrechtlich unzulässigen Behinderung der Beklagten führen.
Zur Ergänzung wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 09.03.2017 und 29.07.2021 Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung der Klägerin ist – soweit über sie noch entschieden werden muss – unbegründet.
1. Weiterhin keinen Erfolg hat die Klage hinsichtlich des Berufungsantrags in Ziffer 1.1 sowie der darauf rückbezogenen Berufungsanträge in den Ziffern 1.2, 1.3 und 2., weil die insoweit beanstandeten Handlungen nicht zu einer Verletzung der Klagemarke beitragen. Wie durch den Berichtigungsbeschluss des Bundesgerichtshofs vom 08.09.2020 klargestellt wurde, ist über die Berufung nur noch hinsichtlich der Abweisung des ehemaligen Klageantrags I. zu entscheiden, der inhaltlich dem Berufungsantrag 1.1 entsprochen hat.
a) Die Klägerin ist weiterhin nach § 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO prozessführungsbefugt. auch wenn sie die Klagemarke nach Rechtshängigkeit auf die Essity Hygiene and Health AB übertragen hat. Als streitbefangene Sachen kommen nicht nur körperliche Gegenstände im Sinne von § 90 BGB in Betracht, sondern auch Immaterialgüterrechte (BGH NJW-RR 2008, 487 Rn. 19 – Patentinhaberwechsel im Einspruchsverfahren). Die bisherige Klägerin blieb als gesetzliche Prozessstandschafterin weiterhin prozessführungsbefugt. Den Wegfall der Sachlegitimation hat sie zutreffend dadurch berücksichtigt, dass sie die Anträge 1.1, 1.2, 1.3 und 2. auf Unterlassung gegenüber der bzw. Leistung an die neue Rechtsinhaberin sowie auf Feststellung der Leistungspflicht an die neue Rechtsinhaberin umgestellt hat (vgl. BGH NJW 2012, 3642 Rn. 8). Auf die Frage der Einziehungsermächtigung kommt es nicht an. da diese nur erteilt sein muss. wenn weiter die Leistung an den ursprünglichen Rechteinhaber verlangt wird (BeckOK ZPO/Bacher, 40. Ed. 1.3.2021, § 265, Rn. 17).
b) Die verbliebenen Klageanträge sind indes nicht begründet, weil das Befüllen von mit der Klagemarke gekennzeichneten Handtuchspendern mit nicht von der Klägerin stammenden nicht gekennzeichneten Handtuchrollen keine Verletzung der Klagemarke darstellt, zu der die Beklagten durch die Lieferung der Rollen beitragen könnten.
aa) Nach Art. 9 Abs. 2 lit. a) UMV kann der Inhaber einer Unionsmarke Dritten verbieten, ohne seine Zustimmung im geschäftlichen Verkehr ein Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, wenn das Zeichen mit der Unionsmarke identisch ist und für Waren oder Dienstleistungen benutzt wird, die mit denjenigen identisch sind, für die die Unionsmarke eingetragen ist.
Ob ein Zeichen „für eine Ware oder Dienstleistung“ benutzt wird, ist nach der Verkehrsauffassung aus der Sicht eines normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Angehörigen der angesprochenen Verkehrskreise zu beurteilen (vgl. BGH GRUR 2012, 1040 – pjur/pure Tz. 16 m.w.N.).
bb) Danach wird die Klagemarke auch unter Berücksichtigung der Vorgaben des Bundesgerichtshofs im Revisionsverfahren nicht für die in die Spender eingelegten Handtuchrollen der Beklagten benutzt, so dass es an einer Verletzung der Klagemarke fehlt.
(1) Grundsätzlich liegt eine Markenverletzung vor, wenn ein mit der Marke des Originalherstellers gekennzeichnetes wiederbefüllbares Behältnis mit Waren eines anderen Herstellers nachgefüllt wird und der Verkehr die Marke auf dem Behältnis als Hinweis nicht nur auf die betriebliche Herkunft des Behältnisses, sondern auch auf die betriebliche Herkunft des Inhalts versteht (vgl. Revisionsurteil, Rn. 30; BGH GRUR 1987, 438 – Handtuchspender: GRUR 2005, 162 – SodaStream).
(2) Maßgeblich für die markenrechtliche Beurteilung ist das Verständnis des Durchschnittsverbrauchers (vgl. Revisionsurteil, Rn. 27), da dieser durch die auf den Spendern angebrachten Marken als Benutzer der Waschräume angesprochen wird, in denen die Spender angebracht sind.
Der Senat kann das Verständnis des Durchschnittsverbrauchers selbst feststellen, weil seine Mitglieder zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehören (vgl. BGH GRUR 2016, 521 Rn. 11 – Durchgestrichener Preis II; GRUR 2016, 83 Rn. 52 – Amplidect/ampliteq; GRUR 2004, 244, 245 – Marktführerschaft) und er zudem aufgrund der ständigen Befassung seiner Mitglieder, die gleichzeitig einem für Streitigkeiten auf den Gebieten des gewerblichen Rechtsschutzes und des Lauterkeitsrechts zuständigen Senat angehören, in der Lage ist. das Verkehrsverständnis anhand von deren Erfahrungen selbst zu beurteilen (vgl. BGH GRUR 2014, 1211 Rn. 20 – Runes of Magic II; GRUR 2004, 244, 245 – Marktführerschaft).
(3) Der normal informierte, angemessen aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher, auf dessen mutmaßliche Wahrnehmung es für markenrechtliche Beurteilungen ankommt, geht im Streitfall nicht davon aus, dass die Marke auf dem Behältnis als Hinweis nicht nur auf die betriebliche Herkunft des Behältnisses, sondern auch auf die betriebliche Herkunft des Inhalts des Behältnisses, also der Papierhandtuchrollen und der Papierhandtücher, zu verstehen ist.
(a) Für die Frage, ob der Verkehr eine solche Verbindung im Einzelfall tatsächlich herstellt, kann maßgeblich sein, ob die Nachfüllware selbst ein für den Verkehr bei der Benutzung der Ware erkennbares Kennzeichen trägt. Durch eine Zweitkennzeichnung der Nachfüllware wird die herkunftshinweisende Funktion der Marke auf dem Behältnis für den Inhalt entkräftet. Auch die Bedingungen, unter denen die Nachfüllware ausgetauscht wird, müssen für die Beantwortung der Frage herangezogen werden, ob der Verkehr von der betrieblichen Herkunft des Behältnisses einen Schluss auf die betriebliche Herkunft des Inhalts zieht. Dabei sind die Praktiken im jeweiligen Wirtschaftszweig einzubeziehen sowie der Umstand, ob die Verbraucher es gewohnt sind, dass das Behältnis mit Ware anderer Hersteller bestückt wird. Erheblich kann schließlich sein, ob die Verbraucher den Vorgang der Befüllung selbst vornehmen (vgl. Revisionsurteil, Rn. 31 m.w.N.).
(b) Bei der Ermittlung des Verkehrsverständnisses ist unter Berücksichtigung dieser das Verkehrsverständnis beeinflussenden Faktoren zunächst zu beachten, dass die Handtuchrollen der Beklagten nicht mit eigenen Kennzeichen versehen, sondern unbedruckt sind, so dass eine herkunftshinweisende Funktion der Marke auf dem Behältnis auch für den Inhalt nicht von vornherein ausscheidet (vgl. auch Revisionsurteil. Rn. 33). Weiter ist zu beachten, dass der Verbraucher – anders als bei anderen Nachfüllprodukten wie Kaffeekapseln oder Druckertintenpatronen – die Nachfüllware im Streitfall nicht selbst austauscht oder austauschen lässt. sondern die Neubefüllung der Handtuchspender vielmehr außerhalb seines Erfahrungsbereiches stattfindet und er in den von ihm benutzten Waschräumen regelmäßig die bereits befüllten Handtuchspender vorfindet (vgl. Revisionsurteil. Rn. 34). Diesbezüglich ist eine Übertragung der Kennzeichnung nicht aufgrund genauer Kenntnis vom Inhalt und seiner abweichenden Herkunft automatisch ausgeschlossen.
Maßgeblich ist jedoch weiter zu berücksichtigen, dass nach den Praktiken des hier maßgeblichen Wirtschaftszweigs im sogenannten AFH-Bereich (Away-From-Home-Bereich) Marken eine geringere Rolle spielen als bei anderen Produkten und es eine Vielfalt vorhandener Handtuchspender und Systeme gibt. Dies zeigt beispielhaft das von der Europäischen Kommission in dem Fusionskontrollverfahren gemäß Anlage B 25 wiedergegebene eigene Verständnis der Klägerin und ihrer Fusionspartnerin, die selbst von einer geringen Bedeutung von Marken im AFH-Bereich und der daraus folgenden Unüblichkeit von Werbekampagnen in diesem Sektor ausgehen (Anlage B 25, Seite 5, Randziffer (40)). Eine Auswirkung dieses Umstandes auf das hier maßgebliche Verkehrsverständnis ergibt sich deshalb, weil bei der Benutzung von Papierhandtüchern in öffentlichen Waschräumen und Toiletten infolge dieser fehlenden Bedeutung und der Unüblichkeit von Werbekampagnen überhaupt nicht oder so gut wie nicht auf Marken geachtet wird, da die Produkte von den Verbrauchern nicht selbst erworben, sondern regelmäßig kostenlos in Anspruch genommen werden, und die Verkehrskreise an eine gewisse Spendervielfalt gewöhnt sind (vgl. Revisionsurteil. Rn. 37).
Der Durchschnittsverbraucher ist von öffentlichen Waschräumen an seinem Arbeitsplatz, in der Gastronomie, in öffentlichen Einrichtungen wie Museen, Schwimmbädern. Krankenhäusern oder Sportstätten sowie in privaten Veranstaltungsräumen daran gewöhnt, dass eine unübersehbare Vielzahl und Vielfalt von Handtuchspendern und -systemen existiert. Diese beginnen bei herkömmlichen kastenförmigen Behältnissen mit unterseitiger Öffnung, in die gefaltete Handtuchstapel eingelegt werden, erstrecken sich auf voluminöse Sammelbehälter, aus denen Endlosmaterial herausgezogen und abgerissen werden kann, und umfassen schließlich auch Spender für aufgerolltes Papier, das teilweise mittels handbetriebenem Drehrad vorgespult, teilweise durch Taster aus dem Spender vorwärtsgepumpt und schließlich auch in voreingestellter Menge durch einen elektrischen, lichtschrankengesteuerten Antrieb vollautomatisch ausgelassen werden kann. Dabei ist dem Verbraucher bewusst. dass mit der Spendervielfalt auch eine Vielfalt an Nachfüllmaterialien einhergeht, schon weil die verschiedenen Funktionsweisen verschiedene Materialgestaltungen, wie Faltungen, ein Aufrollen oder ein Vorperforieren erfordern. Dabei ist ihm auch geläufig, dass verschiedene Hersteller eine Vielzahl oder jedenfalls einen Teil der Gestaltungen von Spendern und Material verwenden und dass Nachfüllmaterialien auch mit verschiedenen Spendern kombiniert werden und aus Gründen der Wirtschaftlichkeit (Anlagen B 37 und B 38) auch kombiniert werden sollen, wobei Material- und Spenderhersteller nicht notwendigerweise identisch sind. Dem Verkehr ist dies schon deshalb bewusst. weil – anders als bei anderen Nachfüllmaterialien wie z.B. Druckertintenpatronen mit elektronischen Bestandteilen – die Ausgestaltung der Spender von teils eingeschränkter technischer Komplexität ist und der Markt z.B. auch – die bereits erwähnten – schlichten Kastenformen mit einfach gefalteten Tüchern und nur eingestopftes Endlosmaterial oder toilettenpapierrollenartige Gestaltungen umfasst. bei denen sich Kompatibilitätsfragen im Hinblick auf das Drehgelenk oder einen Antrieb nicht stellen.
Da der Verbraucher die Spender und Verbrauchsmaterialien regelmäßig bereits in den maßgeblichen Räumlichkeiten vorfindet und für diese jedenfalls kein direktes Entgelt entrichten muss. kommt es ihm im Hinblick auf die Handtücher nur auf ein Vorhandensein in ausreichender Menge sowie eine hinreichende Funktionsfähigkeit der Spendersysteme an. Welche Kennzeichnung und damit welche Herkunftshinweise den Spendern zu entnehmen sind, ist ihm vollständig oder nahezu vollkommen gleichgültig, weil er selbst nicht mit der Ersatzbeschaffung der Materialien oder Systeme und deren Betüllen befasst ist und er folglich auch weder auf die Verfügbarkeit noch auf den Preis oder die Kompatibilität zwischen Spender und Verbrauchsmaterial achten muss. Auch vor dem Hintergrund, dass er die entsprechenden Örtlichkeiten zwar möglicherweise wiederholt aufsucht, sich dort aber nur kurz aufzuhalten pflegt, oder z.B. gastronomische Einrichtungen und deren Sanitärräume in verschiedenen unterschiedlichen Kategorien nutzt, schenkt er der Kennzeichnung und Herkunft der Spender keine oder nahezu keine Beachtung, weil bei ausreichender Verfügbarkeit alle Materialien ihren Zweck – also das Abtrocken der Hände – in meist zufriedenstellender Art und Weise zu erfüllen pflegen und der Verbraucher eine Rückkehr an den Ort des Geschehens jedenfalls nicht von einem mehr oder weniger großen Erfolg des Abtrocknungsvorgangs abhängig macht. Dass im hier gegenständlichen AFH-Bereich Marken nur eine geringe Bedeutung zukommt, wird dadurch unterstrichen, dass der Verbraucher die Wertschätzung der Gesamteinrichtung wie des Gastronomiebetriebs, der Schule, seines Arbeitgebers oder einer Sportstätte ebenfalls nicht davon abhängig machen wird, dass und ob die Hygieneprodukte und Spender von besonderer Herkunft und Qualität sind, sofern sie nur beim Abtrocknen der Hände seinen Bedürfnissen mehr oder weniger genügt haben.
Diesbezüglich lässt sich nicht einwenden, dass durch das eingelegte Fremdmaterial zwar möglicherweise nicht die Qualitätsfunktion der Marke, jedoch in jedem Fall die Herkunftsfunktion der Marke beeinträchtigt sei. Da dem Durchschnittsverbraucher schon die Markierung der Spender oder Spendersysteme im Hinblick auf ihre Herkunft vollständig oder nahezu gleichgültig ist, wird er auch keine gedankliche Energie darauf verwenden, bei der Benutzung ungekennzeichnete Nachfüllprodukte – wie die hier streitgegenständlichen Rollen und die aufgewickelten Handtücher – hinsichtlich ihrer Kennzeichnung und Herkunft im Verhältnis zum Spender näher zu betrachten, sondern wird ihnen die gleiche teilweise oder vollständige Gleichgültigkeit entgegenbringen wie den markierten Spendern. Dementsprechend ist nach seinem Verständnis auch eine Übertragung der Kennzeichnung von den Spendern auf das Verbrauchsmaterial nicht nur fernliegend, er nimmt eine solche Übertragung mangels Interesses an Spendern und Verbrauchsmaterial sowie der überschaubaren Dauer und Bedeutung des Abtrocknungsvorgangs (vgl. auch Anlage B 25, Seite 8, Randnummer (41): „tissue products are usually low involvement goods“) schlicht nicht vor.
Die den Verbraucher theoretisch eher zu einer Übertragung veranlassende fehlende Zweitkennzeichnung der Papiere und das mangels eigenhändiger Befüllung fehlende Erfahrungswissen bezüglich des Inhalts und seiner Herkunft werden im Ergebnis relativiert durch die tatsächlichen sich auf die Verkehrsauffassung maßgeblich auswirkenden Umstände, nämlich die für den Verkehr offensichtliche Spendervielfalt samt Austauschbarkeit des Nachfüllmaterials, die kostenlose Verwendung des Inhalts und die aus der Alltäglichkeit und Banalität des Abtrocknungsvorgangs folgende Gleichgültigkeit des Verbrauchers gegenüber dem Inhalt und gerade auch seiner Herkunft im Verhältnis zum Spender, so dass nach der Verkehrsauffassung die Marke auf dem Behältnis nicht auch als Hinweis auf die betriebliche Herkunft des Inhalts verstanden wird (vgl. Revisionsurteil Rn. 30).
2. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
4. Die Revision ist nicht zuzulassen. Den Anforderungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 ZPO ist durch das bereits durchgeführte Revisionsverfahren genügt.


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