Europarecht

Niederlassungsfreiheit

Aktenzeichen  5 HK O 15088/15

Datum:
19.12.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
IPRax – 2021, 285
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
UmwG § 5 Abs. 1 Nr. 7, § 23
AktG § 216 Abs. 3, § 302
BGB § 305 c Abs. 2
AEUV Art. 49, 54
IPRG Art. 2 Abs. 4
HGB § 268 Abs. 1 S. 1
ZPO § 50

 

Leitsatz

Nach ständiger Rechtsprechung kann ein Mangel im erstinstanzlichen Verfahren, der in der Berufung zwar geltend gemacht, vom Berufungsgericht aber verneint wurde, in der Revision nicht mehr erfolgreich gerügt werden (RS0042963). D (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 20.029.007,48 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus € 4.130.000,– ab dem 3.7.2012 sowie Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus weiteren € 15.899.007,48 ab dem 3.7.2013 zu bezahlen.
II. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 95.725,86 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 30.9.2015 für die Kosten des vorgerichtlichen Tätigwerdens von Rechtsanwalt … zu bezahlen.
III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
IV. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 105% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
VI. Der Streitwert wird auf € 20.029.007,48 festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klage ist zulässig und begründet.
1. Die Klage ist zulässig.
a. Die Klage wurde ordnungsgemäß im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 1 ZPO erhoben, wonach die Klageschrift unter anderem die Bezeichnung der Parteien enthalten muss. Dabei wird – auch wenn es vom Wortlaut des Gesetzes nicht zwingend vorgeschrieben ist – regelmäßig auch die Anschrift angegeben werden müssen, sofern dies möglich ist und kein schützenswertes Interesse entgegensteht (vgl. BGHZ 102, 332, 334 ff. = NJW 1988, 2114 f. = ZZP 101 [1988], 457, 458; Greger in: Zöller, ZPO, 33. Aufl., § 253 Rdn. 8). Vorliegend muss davon ausgegangen werden, dass die Angabe der Anschrift ausreichend sein wird, weil in dem Gebäude „T… C…“ eine Zustellung an die Klägerin erfolgen kann; diesen Vortrag hat die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 21.6.2016 nicht hinreichend bestritten, weshalb er gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden gilt. Allein aus der Erwägung heraus, dass die registrierte Zustellungsbevollmächtigte T… T… C… (BVI) Ltd. derartige Briefkastengesellschaften gründet, lässt sich noch nicht die Schlussfolgerung ziehen, eine Zustellung sei dort nicht möglich. Abgesehen davon ist die Beklagte durch die erfolgte Stellung der Prozesskostensicherheit nach § 110 ZPO hinreichend geschützt (vgl. Greger in: Zöller, ZPO, a.a.O., § 253 Rdn. 8).
b. Die Parteifähigkeit der Klägerin im Sinne des § 50 Abs. 1 ZPO muss bejaht werden. Nach dieser Vorschrift ist parteifähig, wer rechtsfähig ist, also die Fähigkeit besitzt, Träger von Rechten und Pflichten zu sein. Dabei muss die Rechtsfähigkeit der Klägerin nach dem maßgeblichen Personalstatut bejaht werden.
(1) Diese ergibt sich allerdings nicht bereits daraus, dass sie nach dem Recht der British Virgin Islands als juristische Person rechtsfähig ist. Die Gründungstheorie kann vorliegend keine Anwendung finden.
(a) Zwar ist im Ausgangspunkt davon auszugehen, dass im Hinblick auf die Niederlassungsfreiheiten von Gesellschaften aus Art. 59, 54 AEUV für juristische Personen aus der Europäischen Union ihre Rechts- und Parteifähigkeit das Recht des Staates maßgebend sein muss, in dem sie gegründet wurde (vgl. EuGH NJW 1999, 2027, 2028 f. = NZG 1999, 298, 299 = AG 1999, 226, 227 f. = ZIP 1999, 438, 440 = GmbHR 1999, 474, 475 f. – Centros; NJW 2003, 3331, 3333 = NZG 2003, 1064, 1069 = ZIP 2003, 1885, 1891 = WM 2003, 2042, 2049 f. = DB 2003, 2219, 2221 = BB 2003, 2195, 2197 f. = AG 2003, 680, 682 f. = GmbHR 2003, 1260, 1268 – Inspire Act; BGHZ 178, 192, 196 = NJW 2009, 289, 290 = NZG 2009, 68, 69 f. = ZIP 2008, 2411, 2412 = WM 2009, 20, 21 = DB 2008, 2825, 2826 = BB 2009, 14, 15 = GmbHR 2009, 138, 139 – Trabrennbahn; Althammer in: Zöller, ZPO, a.a.O., § 50 Rdn. 31; Altmeppen in: Roth/Altmeppen, GmbHG, 9. Aufl., § 4 a Rdn. 14; Heinze in: Münchener Kommentar zum GmbHG, 3. Aufl., § 4 a Rdn. 22).
(b) Diese Grundsätze können allerdings vorliegend auf eine Gesellschaft wie die Klägerin keine Anwendung finden, die ihren satzungsmäßigen Sitz auf den British Virgin Islands und damit in einem der von Art. 198 ff. AEUV erfassten Überseeischen Länder und Hoheitsgebiete (ÜLG) hat, was sich aus folgenden Erwägungen heraus ergibt. Aufgrund von Art. 199 Nr. 5 AEUV gelten zwischen den Mitgliedsstaaten und den Ländern und Hoheitsgebieten für das Niederlassungsrecht ihrer Gesellschaften die Bestimmungen und Verfahrensregeln des Kapitels Niederlassungsfreiheit, und zwar unter Ausschluss jeder Diskriminierung, sofern nicht aufgrund von Art. 203 AEUV Sonderregelungen getroffen werden. Solche Sonderregelungen enthalten jedoch die Bestimmungen in Art. 50 lit. b des Übersee-Assoziationsbeschlusses vom 25.11.2013, wonach eine juristische Person, die lediglich ihren satzungsmäßigen Sitz oder ihre Hauptverwaltung in den ÜLG hat, nicht als eine juristische Person des ÜLG betrachtet wird, sofern sie nicht eine Tätigkeit ausübt, die tatsächlich und dauerhaft mit der Wirtschaft des Landes oder des Gebiets verbunden ist. Dann aber kann sich die Klägerin als Briefkastengesellschaft auch nicht auf die Niederlassungsfreiheit aus Art. 49, 54 AEUV berufen (Kraft in: Wachter, Praxis des Handels- und Gesellschaftsrechts, 3. Aufl., Teil 2 8. Kap. Rdn. 25; Thole DNotZ 2006, 143, 146 f. K… EuZW 2012, 888, 891 f.; König/Bormann EuZW 2012, 1241, 1243 f.).
Diese Überlegungen stehen auch in Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes, der die in den Entscheidungen „Centros“ und „Inspire Art“ ebenso wie in „Überseering“ getroffenen Grundsätze mittlerweile eingeschränkt hat. Die Niederlassungsfreiheit als eine der Grundfreiheiten des AEUV impliziert die tatsächliche Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mittels einer festen Einrichtung im Aufnahmestaat auf unbestimmte Zeit. Daher setzt dies eine tatsächliche Ansiedlung der betreffenden Gesellschaft und die Ausübung einer wirklichen wirtschaftlichen Tätigkeit in diesem Staat voraus (vgl. EuGH NJW 2012, 2715, 2717 = NZG 2012, 871, 873 = ZIP 2012, 1394 1396 = WM 2012, 2154, 2156 f. = DB 2012,1614, 1615 = DB 2012, 2069, 2070 = NZI 2012, 937, 939 – VALE). Die Klägerin hat jedenfalls bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht hinreichend substantiiert vorgetragen, sie würde ihre wirtschaftlichen Aktivitäten von ihrem Sitz in Tortola auf den British Virgin Islands und nicht von Monaco aus ausüben, wo ihre Gesellschafter und Geschäftsführer ihren Lebensmittelpunkt haben. Vielmehr handelt es sich bei der Klägerin um eine Briefkastenfirma, der der „genuine link“ zu ihrem Hoheitsgebiet fehlt und die sich folglich nicht auf die Niederlassungsfreiheit des Primärrechts der Europäischen Union berufen kann (vgl. Altmeppen in: Roth/Altmeppen, GmbHG, a.a.O., § 4 a Rdn. 43; Heinze in: Münchener Kommentar zum GmbHG, a.a.O., § 4 a Rdn. 24; König/Bormann NZG 2012, 1241, 1243; Böttcher/Kraft NJW 2012, 2701, 2703 f. Mörsdorf/Jopen ZIP 2012, 1398, 1399). Dem steht auch nicht das später ergangene Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 25.10.2017 – C-106/16 (EuGH NJW 2017, 3639 ff. = NZG 2017, 1308 ff. = AG 2017, 854 ff. = ZIP 2017, 2145 ff. = DB 2017, 2596 ff. = BB 2017, 2829 ff. = Der Konzern 2018, 21 ff. = GmbHR 2017, 1261 ff. = EuZW 2017, 906 ff. – Polbud) entgegen, weil die polnische Gesellschaft Polbud die Voraussetzungen für die Umwandlung in eine Gesellschaft Luxemburgischen Rechts erfüllte, indem sie das in Luxemburg erforderliche Kriterium für die Verbundenheit einer Gesellschaft mit der Luxemburgischen Rechtsordnung erfüllte.
Angesichts dessen vermag die Kammer der in der Rechtsprechung vertretenen Auffassung (vgl. BGH NJW 2004, 3706, 3707 = AG 2005, 39, 40 = ZIP 2095, 2096 = BB 2004, 2432, 2433) über die Rechts- und Parteifähigkeit einer auf den British Virgin Islands ansässigen Briefkastenfirma nicht zu folgen.
(2) Angesichts der fehlenden Anwendbarkeit der Gründungstheorie beurteilt sich das Gesellschaftsstatut der Klägerin nach den allgemeinen Regeln des deutschen Internationalen Privatrechts, denen zufolge für die Rechtsfähigkeit einer Gesellschaft das Recht des Staates maßgeblich ist, in dem die Gesellschaft ihren tatsächlichen Verwaltungssitz hat (vgl. BGHZ 178, 192, 197 ff. = NJW 2009, 289, 290 f. = NZG 2009, 68, 70 = AG 2009, 84, 85 = ZIP 2008, 2411, 2412 f. = WM 2009, 20, 22 = DB 2008, 2825, 2826 f. = BB 2009, 14, 16 = GmbHR 2009, 138, 139 = EuZW 2009, 59, 60 – Trabrennbahn; BGH NZG 2016, 1187, 1188 = ZIP 2016, 2060, 2061 = WM 2016, 1943 f. = DB 2016, 2536, 2537 = BB 2016, 2569, 2570 = MDR 2017, 299, 300 f.) – mithin also nach dem Recht des Fürstentums Monaco, bei dem zumindest beachtliche Gründe dafür sprechen, dass sich aus ihm unmittelbar die Rechtsfähigkeit der Klägerin ableiten lässt.
(a) In Übereinstimmung mit dem gerichtlich bestellten Sachverständigen Prof. Dr. K… ist davon auszugehen, dass das monegassische Recht keine spezifischen gesellschaftsrechtlichen Kollisionsnormen enthält, weshalb diese aus anderen (ungeschriebenen) Grundsätzen abzuleiten sind. Die Klägerin erfüllt nicht die Voraussetzungen für eine wirksame Gründung als Aktiengesellschaft im Fürstentum Monaco, weil nach Art. 38 Code de Commerce diese durch notarielle Urkunde errichtet werden muss; es ist indes kein Vortrag und auch sonst nicht ersichtlich, dass diese Voraussetzung erfüllt wäre. Ebenso fehlt die zur Entstehung einer Aktiengesellschaft notwendige Erteilung einer Fürstlichen Genehmigung gemäß Art. 44 Code de Commerce. Auch fehlt es nach der aufgrund von Gesetz Nr. 408/1895 erforderlichen Eintragung im Gesellschaftsregister und der Veröffentlichung der Satzung im Amtsblatt des Fürstentums. Da diese Förmlichkeiten nicht erfüllt sind, ist die Gesellschaft aus Sitz des monegassischen Rechts im Verhältnis zu Dritten nach Art. 5 Abs. 6 der Verordnung vom 5.3.1895 nichtig und damit inexistent. Eine Umqualifizierung der Klägerin in eine Personengesellschaft des monegassischen Rechts scheitert an der fehlenden Registereintragung, die aufgrund von Art. 49 Abs. 4 Code de Commerce bzw. der Nachfolgeregelung im Gesetz Nr. 1321 vom 8.1.2007 konstitutiv ist.
Zwar sprechen beachtliche Gründe dafür, dass in Übereinstimmung mit Herrn Prof. Dr. K… das monegassische Recht die Rechtsfähigkeit an den effektiven Verwaltungssitz und nicht das Gründungsstatut anknüpft. Aus der Gesetzesbegründung zu Art. 2 Abs. 4 IPRG kann mit sehr guten Gründen abgeleitet werden, dass mit dem „siège social“ der effektive Verwaltungssitz gemeint sein soll. In der Gesetzesbegründung heißt es auf Seite 11, dass Art. 2 Abs. 4 IPRG für die juristische Person den Gesellschaftssitz (siège social) als Entsprechung zum Wohnsitz (domicile) normiere, mithin den effektiven Verwaltungssitz (siège réel) der juristischen Person. So kann nämlich das Ziel erreicht werden auszuschließen, dass Gesellschaften von Gründern oder Geschäftsführern mit einem anderen Staat als dem, in dem sich ihre Leitungsorgane oder ihre hauptsächlichen Geschäftstätigkeiten befinden, verbunden werden. Die Verwendung des Begriffs „siège social“ – verstanden als effektiver Verwaltungssitz – steht auch in Einklang mit der Regelung in Art. 6 Nr. 5 IPRG. Dort heißt es, dass Gerichte des Fürstentums ferner zuständig sind, unabhängig vom Wohnsitz des Beklagten, in gesellschaftsrechtlichen Streitigkeiten bis zur endgültigen Abwicklung, wenn die Gesellschaft ihren Gesellschaftssitz im Fürstentum hat. Unter der Überschrift „Einführungsbestimmungen“ des Kapitels I ist die Nationalität nach dem Wohnsitz definiert, welches die Anknüpfungspunkte sind, die der vorliegende Text am häufigsten verwendet. Daher ist es nachvollziehbar, wenn der Begriff des Gesellschaftssitzes in ungeschriebenen Kollisionsnormen ebenso zu verstehen ist, wie in den geschriebenen Normen aus Art. 2 Nr. 4 und Art. 6 Nr. 5 IPRG. Diesem Ansatz in dem IPRG von 2007 entspricht die Begrifflichkeit unter dem früheren nicht kodifizierten Kollisionsrecht.
(b) Allerdings kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Klägerin entsprechenden Rechtsvortrag zur gehandhabten Praxis im Fürstentum Monaco geleistet hat, aus dem sich ergibt, dass auf den British Virgin Islands gegründete Gesellschaften von Gerichten des Fürstentums Monaco als rechts- und damit parteifähig anerkannt werden, wie sich aus dem als Anlage K 80 vorgelegten Privatgutachten von Herrn Prof. Dr. v… He… ableiten lässt. Der Cour de révision de Monaco hat danach in zwei Entscheidungen vom 20.10.2016, Nr. 2016/CR/0011 und Nr. 2016/CR/0021 die Rechts- und Parteifähigkeit einer auf den British Virgin Islands ansässigen Gesellschaft bejaht. Insbesondere auch das als Anlage K 55/K 55 a vorgelegte Urteil lässt diese Auslegung jedenfalls als nicht fernliegend erscheinen. Aus dem als Anlage K 55/K 55 a vorgelegten Urteil des Cour d’Appel ergibt sich insbesondere mit hinreichender Deutlichkeit, dass die im Fürstentum Monaco wohnhafte Frau M… F… und Frau M… G… dieselbe Person sind, so dass sie Geschäftsführerin der dortigen Beklagten zu 3) Y… Ltd. mit Sitz auf den British Virgin Islands ist. Dies zeigt der Gesamtkontext des Urteils. Es ist nicht erkennbar, dass eine andere Person als Frau M… G… bzw. Frau M… F… für die Beklagte in diesem Verfahren involviert gewesen wäre. Auf Seite 5 wird von einem Antrag der klagenden Bank berichtet, Frau M… G… als handlungsunfähig zu bezeichnen; ein solcher Antrag macht indes nur dann Sinn, wenn Frau G. dieselbe Person wie die im Rubrum bezeichnete „M… F…“ ist. In diesem Urteil vom 28.6.2005, das noch unter dem nicht kodifizierten Kollisionsrecht ergangen ist, führt das Gericht aus, die Y sei handlungszulässig. Zur Begründung verweist das Gericht des Fürstentums Monaco namentlich auf die ordnungsgemäße Gründung. Wenn Urteile des Obersten Gerichts des Fürstentums Monaco wie auch anderer Gerichte auf den British Virgin Island ansässige Gesellschaften als rechts- und parteifähig betrachten, ist zumindest nicht fernliegend, dass die Rechtspraxis im Fürstentum Monaco die Auslegung von Art. 2 Abs. 4 IPRG als Kollisionsnorm nicht teilt, sondern die Parteifähigkeit bejaht, oder zumindest inzident von der Gründungstheorie ausgeht.
Dann kann aber daraus die Schlussfolgerung gezogen werden, dass das Kollisionsrecht des Fürstentums Monaco auf die Gründungstheorie aufbaut und eine auf den British Virgin Islands gegründete Gesellschaft als rechts- und parteifähig einstuft – nach dieser Rechtsprechung wäre also auch die Klägerin als auf den British Virgin Islands rechtswirksam gegründete Gesellschaft nach dem Recht des Fürstentums Monaco rechts- und damit auch parteifähig im Sinne des § 50 Abs. 1 ZPO.
Für diese Auslegung des monegassischen Rechts kann auch die für Herrn S… für die Klägerin ausgestellte Bescheinigung sprechen, die die Zulässigkeit des Erwerbs von Immobilien im Fürstentum Monaco bestätigt; die Klägerin unterliegt im Fürstentum Monaco als Erwerberin einer Immobilie steuerrechtlichen Rechenschaftspflichten und muss einen Steuersatz von 7,5% bezogen auf den Verkehrswert der erworbenen Immobilie bezahlen.
Angesichts dessen kann nicht zwingend davon ausgegangen werden, die Klägerin sei nach dem Recht des Fürstentums Monaco rechts- und damit auch parteiunfähig, weil zumindest Zweifel bleiben, wie sich das jedenfalls insoweit nicht kodifizierte Kollisionsrecht des Fürstentums Monaco darstellt. Inwieweit eine Transposition dergestalt stattfindet, dass die Klägerin als société civile nach Art. 1670 Code civil mit substituierter Registrierung erfolgen kann, ist nicht gesichert. Der Allgemeine Teil des monegassischen Rechts regelt eine Reihe verschiedener Figuren, nicht aber die Anpassung oder Substitution. Zur Begründung dieser Auffassung hat der gerichtlich bestellte Sachverständige namentlich auf den Aufsatz von Lagarde, Rev. Crit. DIP 2018, S. 753, 758 verwiesen, wo die Qualifikation, ausländisches Recht, Rückverweisung, Mehrstaatensysteme, Annahmeklausel, ordre public und Polizeirecht geregelt sind. Andererseits handelt es sich dabei um ein dem Internationalen Privatrecht nicht unbekanntes Rechtsinstitut, weshalb es nicht ausgeschlossen erscheint, dass es auch von einem monegassischen Gericht angewandt werden könnte, was die Rechtsfähigkeit bereits nach dem Kollisionsrecht des Fürstentums Monaco zur Folge hätte, auch wenn der Sachverständige Prof. Dr. K… als mit der Gesetzesbegründung zum monegassischen IPR-Gesetz mit guten Gründen als nicht vereinbar ansah.
(3) Jedenfalls aber ist die Rechtsfähigkeit der Klägerin aus einer analogen Anwendung von § 50 Abs. 2 ZPO herzuleiten, selbst wenn man den Bezug dieses in Deutschland emittierten Genussscheines als nicht ausreichend ansehen wollte, um die vom BGH entwickelten Grundsätze heranzuziehen, wonach die Klägerin in Deutschland jedenfalls als Gesellschaft bürgerlichen Rechts rechtsfähig wäre, weil der Erwerb eines Genussscheins als nicht ausreichend angesehen werden könnte, um eine derartige Substitution zuzulassen ähnlich den Grundsätzen im Urteil vom 27. 10. 2008 – II ZR 158/06 (vgl. BGHZ 178, 192, 199 = NJW 2009, 289, 291 = NZG 2009, 68, 70 = AG 2009, 84, 86 = ZIP 2008, 2411, 2413 = WM 2009, 20, 22 = DB 2008, 2825, 2827 = DB 2009, 14, 16 = GmbHR 2009, 138, 140 – Trabrennbahn), bei dem die in der Schweiz gegründete Partei einen Verwaltungssitz in Deutschland hatte.
(a) Es muss aber bereits davon ausgegangen werden, es könne nicht hingenommen werden, dass eine Gesellschaft, die in Deutschland am Geschäftsverkehr teilnimmt, nicht die Möglichkeit haben soll, ihre begründeten Rechte klageweise geltend zu machen (vgl. BGHZ 178, 192, 199 = NJW 2009, 289, 291 = NZG 2009, 68, 70 = AG 2009, 84, 86 = ZIP 2008, 2411, 2413 = WM 2009, 20, 22 = DB 2008, 2825, 2827 = DB 2009, 14, 16 = GmbHR 2009, 138, 140 – Trabrennbahn). Diese Situation muss aber als hier gegeben angenommen werden, weil die Klägerin Genussscheine einer in Deutschland ansässigen Gesellschaft erworben hat.
(b) Selbst wenn man dieser Auffassung nicht folgen will, müsste die Parteifähigkeit über § 50 Abs. 2 ZPO bejaht werden. Nach dieser Vorschrift kann ein nicht rechtsfähiger Verein klagen und verklagt werden. Dieser Regelung ist aber ein allgemeiner Grundsatz zu entnehmen, dass in einem Fall wie hier, in dem eine Personifikation, die nach ihrem Personalstatut wie vorliegend die Klägerin so organisiert ist wie eine inländische Einrichtung, allgemein Parteifähigkeit zukommen muss (vgl. Lindacher in: Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Aufl., § 50 Rdn. 56; auch Althammer in: Zöller, ZPO, a.a.O., § 50 Rdn. 32; Geimer in: Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 8. Aufl., Rdn. 2203).
Dann aber muss unter Berücksichtigung aller hier gegebenen Umstände von der Rechts- und damit der Parteifähigkeit der Klägerin ausgegangen werden.
c. Die Klägerin ist auch prozessfähig im Sinne des § 51 Abs. 1 ZPO, weil sie im Prozess durch ihre beiden Geschäftsführer, die zugleich Gesellschafter sind, vertreten wird. Wenn sich dies nicht bereits aus dem Recht der British Virgin Islands ergibt, muss dies nach den Regeln der Gesellschaft bürgerlichen Rechts bejaht werden.
2. Die Klage ist in der Hauptsache – mit Ausnahme eines Teils des Zinsanspruches – begründet, denn der Klägerin steht ein Anspruch auf Zahlung von € 20.029.007,48 nebst Zinsen aus € 4.130.000,- in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 3.7.2012 sowie aus weiteren € 15.899.007,48 in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 3.7.2013 sowie in Höhe von € 95.725,86 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 30.9.2015 zu.
a. Die Klägerin ist aktivlegitimiert bezüglich der geltend gemachten Ansprüche.
(1) Die Kammer hat keinen Zweifel daran, dass sie die streitgegenständlichen Genussscheine wirksam erworben hat und folglich den Anspruch aus eigenem Recht geltend machen kann. Aus der vorgelegten Bescheinigung von M… S… vom 15.7.2013 (Anlage K 36) ergibt sich zur Überzeugung des Gerichts, dass die Klägerin Genussscheine mit einem Nominalwert von € 14.500.000,- am 2.7.2013 als dem maßgeblichen Fälligkeitstag im Depot von M… S… hielt. Ebenso zeigt Anlage K 35, dass M… S… der Klägerin einen Betrag von € 394.357,63 auf diesen Genussschein gutschrieb.
(2) Der Klägerin steht aufgrund des Abtretungsvertrages mit Herrn A. U… ein Anspruch aus abgetretenem Recht gemäß §§ 6 Abs. 1, 7 Abs. 2, 2 Abs. 2 der Genussscheinbedingungen in Verbindung mit § 398 BGB zu. Die Kammer hat keinen Zweifel an der Wirksamkeit dieses Vertrages.
b. Als Gesamtrechtsnachfolgerin der Beklagten gemäß § 2 UmwG gingen alle Rechte und Pflichten aus den Genussscheinen auf die Beklagte über, sodass an deren Passivlegitimation kein Zweifel bestehen kann. Hierfür spricht letztlich auch die Wertung aus § 23 UmwG.
c. Der Klägerin steht in der Hauptsache ein Zahlungsanspruch in Höhe von insgesamt € 20.029.007,48 aus den Genussscheinbedingungen zu.
(1) Die Klägerin hat einen Rückzahlungsanspruch zum Nennwert in Höhe von € 14.348.843,10, der sich aus §§ 6 Abs. 1, 7 Abs. 2 Satz 1 der Genussscheinbedingungen ergibt und auf Rückzahlung des Nennkapitals in voller Höhe gerichtet ist. Aus eigenem Recht hat die Klägerin dabei einen Anspruch in Höhe von € 14.105.642,37 und aus abgetretenem Recht in Höhe von € 243.200,73. Aufgrund der Regelung in § 7 Abs. 2 der Genussscheinbedingungen sind in Fällen, in denen nach einer Teilnahme der Genussrechtsinhaber am Verlust in den folgenden Geschäftsjahren Gewinne erzielt werden, aus den Gewinnen – nach der gesetzlich vorgeschriebenen Wiederauffüllung der gesetzlichen Rücklage – die Rückzahlungsansprüche bis zum Nennbetrag der Genussrechte zu erhöhen, bevor eine anderweitige Gewinnverwendung erfolgt. Die Voraussetzungen einer Wiederauffüllung sind vorliegend erfüllt.
(a) Dies ergibt sich aus einer Auslegung der Genussscheinbedingungen unter Berücksichtigung der Vorgabe des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen mit § 305 c Abs. 2 BGB. Eine eindeutige Auslegung dahingehend, dass mit „Gewinn“ im Sinne des § 7 Abs. 2 der Genussscheinbedingungen nur der Jahresüberschuss gemeint sein könnte ist ebenso wenig möglich wie die Auslegung, dass mit Gewinn nur der nach Berücksichtigung von Verlustvorträgen verbleibende Gewinn gemeint sein könne.
Für die Auslegung der Genussscheinbedingungen gelten nicht die Regeln der §§ 133, 157 BGB, sondern der Grundsatz der objektiven Auslegung. Sie sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders ohne Rücksicht auf besonders (un-)ausgeprägte Kenntnisse oder Erfahrungen im Einzelfall zugrunde gelegt werden müssen (vgl. BGHZ 102, 384, 389 f. = WM 1988, 334, 336; 119, 305, 312 = NJW 1993, 57, 58 = AG 1993, 125, 126 = ZIP 1992, 576, 577 – Klöckner; OLG München WM 2012, 603, 605 = ZIP 2012, 576, 577; NZG 2014, 146, 147 = AG 2014, 164, 165 = WM 2014, 1131, 1132; OLG Köln, Urteil vom 25.9.2012, Az. 15 U 101/10 – zitiert nach juris). Bei der Auslegung von Genussscheinbedingungen können individuelle Besonderheiten der Person des einzelnen Inhabers im Hinblick auf das Interesse der Verkehrsfähigkeit der Kapitalmärkte und der Funktionsfähigkeit des Wertpapierhandels erst Recht keine Berücksichtigung finden (vgl. Habersack in: Münchener Kommentar zum AktG, 3. Aufl., § 221 Rdn. 218; OLG München NZG 2014, 146, 147 = AG 2014, 164, 165 = WM 2014, 1131, 1132). Ausgangspunkt der gebotenen objektiven, nicht am Willen der konkreten Vertragsparteien zu orientierenden Auslegungen ist der Wortlaut dieser Klausel. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss (vgl. BGH WM 2009, 1500, 1501; OLG München NZG 2014, 146, 147 = AG 2014, 164, 165 = WM 2014, 1131, 1132).
(b) In Anwendung dieser Grundsätze ist entscheidend, wie der Begriff des „Gewinns“ in § 7 Abs. 2 der Genussscheinbedingungen der Rechtsvorgängerin der Beklagten auszulegen ist. Die Bedingungen selbst definieren den Begriff des „Gewinns“ nicht. Das Aktiengesetz und die Rechnungslegungsvorschriften des HGB verwenden diesen Begriff zumindest nicht einheitlich; vor allem ist dort aber vom „Bilanzgewinn“ bzw. vom „Jahresüberschuss“ die Rede. Damit kann bereits nicht davon ausgegangen werden, dass ein eindeutiger juristischer Begriff grundsätzlich entsprechend seiner Bedeutung auszulegen ist. Der Beklagten ist zuzugeben, dass eine Auslegung in dem von ihr angenommenen Sinn durchaus möglich erscheint, zumal der „Bilanzgewinn“ als eigenständige Silbe den Begriff des „Gewinns“ enthält. In § 7 Abs. 1 der Genussscheinbedingungen wird ausdrücklich an den Bilanzverlust angeknüpft, weshalb die Formulierung in Abs. 2 bezüglich des Gewinns auch als sprachliche Ungenauigkeit angesehen werden könnte, zumal auch § 1 der Genussscheinbedingungen auf § 10 Abs. 1 KWG und damit auch auf § 10 Abs. 5 Nr. 5 KWG hinweist.
Allerdings spricht gegen ein Abstellen auf den Bilanzgewinn als einzig denkbare Auslegungsmöglichkeit die Erwägung, dass in § 268 Abs. 1 Satz 1 HGB bereits die Ergebnisverwendung des Jahresüberschusses berücksichtigt wird und auch Entnahmen aus Genusskapital sowie die Wiederauffüllung des Genusskapitals berücksichtigt werden, wenn der Bilanzgewinn gem. § 158 Abs. 1 AktG und nach den Vorgaben der RechKredV ermittelt wird. Der allgemeine Sprachgebrauch spricht jedenfalls eher dafür, den Begriff des „Gewinns“ mit dem des Jahresüberschusses gleichzusetzen. Eine systematische Auslegung der Genussscheinbedingungen spricht jedenfalls nicht eindeutig für die Gleichsetzung der Begriffe „Gewinn“ und „Bilanzgewinn“. § 7 Abs. 2 Satz 1 der Genussscheinbedingungen spricht davon, dass die Rückzahlungsansprüche im Falle der Erzielung von Gewinnen zu erhöhen sind, bevor eine anderweitige Gewinnverwendung vorgenommen wird. Gerade diese Formulierung spricht dafür, die Wiederauffüllung als Verwendung des Gewinns anzusehen, weshalb dieser eher mit dem Jahresüberschuss gleichgesetzt werden kann als mit dem Bilanzgewinn, der einen Verlustvortrag berücksichtigt.
Demzufolge muss die Regelung zumindest als unklar angesehen werden, weil ihre Auslegung auch zu unterschiedlichen Ergebnissen führt – je nachdem, ob sich die Auslegung am Begriff näher des Jahresüberschusses oder näher an dem Bilanzgewinn orientiert. Dann aber greift die Vorgabe aus § 305 c Abs. 2 BGB ein, wonach Unklarheiten bei der Auslegung zu Lasten des Verwenders gehen.
(aa) Das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen und damit § 305 c Abs. 2 BGB findet auf Genussscheinbedingungen Anwendung. Sie werden von der Bestandsausnahme des § 310 Abs. 4 BGB nicht umfasst, weil sie gerade keine gesellschaftsrechtlich geprägten Mitgliedschaftsrechte gewähren, sondern sich in einem bestimmten geldwerten Anspruch erschöpfen und darin ihr Charakter als schuldrechtliches Gläubigerrecht zum Ausdruck kommt. Soweit sie aktienrechtlich ausgestaltet sind, kann sich die Inhaltskontrolle an aktienrechtlichen Grundsätzen und Vorschriften orientieren (vgl. nur BGHZ 119, 305, 312 = NJW 1993, 57, 58 = WM 1992, 1902, 1904 = ZIP 1992, 1542,1544 = AG 1993, 125, 126 = DB 1992, 2383, 2385 = BB 1993, 431, 452 = JZ 1993, 958, 959 – Klöckner; OLG München WM 2012, 603, 606 = ZIP 2012, 576, 578 f.; Hüffer, AktG, 13. Aufl., § 221 Rdn. 35; Lutter in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl., Rdn. 221 ff. zu § 221; Mülbert in: Festschrift Hüffer, 2011, S. 679, 680). Dem kann nicht entgegengehalten werden, im Rahmen einer Fremdemission, auf die sich die Beklagte beruft, würden die Wertpapierbedingungen zwischen der Emittentin und dem Emissionskonsortium ausgehandelt, weshalb es am Merkmal der einseitig gestellten Vertragsbedingungen fehle. Die streitgegenständlichen Genussscheinbedingungen enthalten seitens der Rechtsvorgängerin der Beklagten für eine Vielzahl von Fällen vorformulierte Regelungen, mit denen die Rechte und Pflichten der Beteiligten des Genussrechtsverhältnisses geregelt werden. Auch wenn die Bedingungen im Verhältnis zwischen der Emittentin und einem Emissionskonsortium ausgehandelt wurden, sind diese in das Verhältnis zwischen Emittentin und Ersterwerber einbezogen worden und prägen den Inhalt des Rechts. Nur auf diese Weise ist sichergestellt, dass die Genussrechtsbedingungen bei der in aller Regel anonymisierten Übertragung der fungiblen Genussrechte „weitergegeben“ werden bzw. ihre Gültigkeit für die Genussrechtsverhältnisse und die darin begründeten Ansprüche behalten (so ausdrücklich OLG Köln, Urteil vom 25.9.2012, Az. 15 U 101/10, Tz. 80 – zitiert nach Juris; OLG München NZG 2014, 146, 148 = AG 2014, 164, 166 = WM 2014, 1131, 1134; auch Habersack in: Münchener Kommentar zum AktG, 4. Aufl., § 221 Rdn. 256). Für diese Auslegung als Allgemeine Geschäftsbedingungen spricht insbesondere auch der Umstand, dass derjenige, der dann tatsächlich den Genussschein erwirbt, keinerlei Einfluss mehr auf die Genussscheinbedingungen hat und sie so, wie sie bestehen, akzeptieren muss. Angesichts dessen kommt es nicht entscheidungserheblich darauf an, ob es sich um eine Eigen- oder Fremdemission handelte; eine Beweisaufnahme zur Einschaltung eines Bankenkonsortiums, wie von der Beklagten vorgetragen, ist daher nicht erforderlich.
Soweit sich die Beklagte darauf beruft, Begriff und Inhalt des Genussrechts seien gesetzlich nicht geregelt, weshalb nach der Rechtsprechung Abreden über den unmittelbaren Gegenstand keiner Inhaltskontrolle unterliegen und folglich die konkrete Berechnung der Verlustbeteiligung einer Inhaltskontrolle entzogen sei, vermag die Kammer dem jedenfalls in dieser Allgemeinheit nicht zu folgen. Zwar kann noch davon ausgegangen werden, dass die aus dem Genussschein herrührenden Hauptleistungspflichten einer Inhaltskontrolle nicht unterliegen (vgl. nur Lutter in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl., Rdn. 221 ff. zu § 222). Doch geht es vorliegend nicht um die anhand der §§ 307 bis 309 BGB vorzunehmende Inhaltskontrolle einer Klausel und das Vorliegen einer unangemessenen Benachteiligung, sondern um eine mehrdeutige Klausel im Sinne des § 305 c Abs. 2 BGB, die auch auf Leistungspflichten Anwendung findet und folglich bei der Auslegung von Genussscheinbedingungen Beachtung finden muss (so ausdrücklich OLG München WM 2012, 603, 606 = ZIP 2012, 576, 578 f.; WM 2014, 1131, 1134; Habersack in: Münchener Kommentar zum AktG, a.a.O., § 221 Rdn. 258 a. E.; Palandt-Grüneberg, BGB, 78. Aufl., § 305 c Rdn. 15).
(bb) Die Regelung des § 305 c Abs. 2 BGB findet vorliegend zeitlich Anwendung, auch wenn die Genussscheine schon im August 2001 ausgegeben wurden. Dies ergibt sich aus Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB, weil es sich bei dem schuldrechtlichen Verhältnis zwischen Aktiengesellschaft und Genussscheininhaber um ein Dauerschuldverhältnis handelt (vgl. nur Habersack in: Münchener Kommentar zum AktG, 3. Aufl., Rdn. 87 zu § 221).
(cc) Demzufolge muss von der kundenfreundlichsten Auslegung ausgegangen werden, nachdem eine unangemessene Benachteiligung durch die Anknüpfung an die Einrechnung des Genussscheinkapitals nicht festgestellt werden kann (vgl. hierzu OLG München WM 2012, 603, 607 = ZIP 2012, 576, 579; NZG 2014, 146, 148 = AG 2014, 164, 166 = WM 2014, 1131, 1134).
(dd) Dieser Auslegung stehen zwingende Vorgaben des Aktienrechts nicht entgegen. Sie verstößt namentlich nicht gegen die Wertung aus § 150 Abs. 2 AktG. Nach dieser Vorschrift ist der zwanzigste Teil des um einen Verlustvortrag aus dem Vorjahr geminderten Jahresüberschusses in die gesetzliche Rücklage einzustellen, bis die gesetzliche Rücklage und die Kapitalrücklagen nach § 272 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 HGB zusammen den zehnten Teil des Grundkapitals erreichen. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die gesetzliche Rücklage mehr als 10% des satzungsmäßigen Grundkapitals der Beklagten betrug. Die Pflicht zur Einstellung von 5% des Jahresüberschusses endet, sobald die gesetzliche Rücklage zusammen mit den Kapitalrücklagen 10% des Grundkapitals erreicht hat (vgl. Hennrichs/Pöschke in: Münchener Kommentar zum AktG, 3. Aufl., § 150 Rdn. 16). Eine Auslegung dahingehend, dass der Jahresüberschuss stets vorrangig zur Deckung von Verlustvorträgen herangezogen werden müsse, lässt sich dieser Vorschrift nicht entnehmen. Sie befasst sich nur mit der Situation bis zum Erreichen der gesetzlichen Obergrenze, aber nicht mit der Frage des Ausgleichs von Verlustvorträgen nach Erreichen dieser Grenze. Etwas anderes gebietet auch nicht der Gläubigerschutz, der mit dieser Norm intendiert wird. Aus § 150 Abs. 1 und Abs. 2 AktG lässt sich nämlich gerade keine Pflicht ableiten, einen Jahresfehlbetrag oder einen Verlustvortrag auszugleichen, sobald die Einstellungspflicht entfällt (vgl. Hennrichs/Pöschke in: Münchener Kommentar zum AktG, 4. Aufl., § 150 Rdn. 28; Euler in: Spindler/Stilz, AktG, 4. Aufl., § 150 Rdn. 22). Hierfür spricht letztlich auch die Wertung aus § 150 Abs. 4 Satz 1 AktG, wonach der über die Mindestreserve hinausgehende Betrag zu bestimmten Zwecken verwendet werden darf, wozu zwar auch der Ausgleich eines Verlustvortrages aus dem Vorjahr gehört; das Wort „darf“ zeigt aber gerade, dass diese Verwendung nicht als zwingend angesehen werden kann.
Auch den Wertungen aus §§ 174, 58 AktG kann nicht entnommen werden, dass die Wiederauffüllung entsprechend der Auslegung nach der Unklarheitenregelung unzulässig sein könnte. Aufgrund von § 58 Abs. 4 AktG haben die Aktionäre Anspruch auf den Bilanzgewinn, soweit er nicht durch Gesetz oder Satzung, durch Hauptversammlungsbeschluss nach § 58 Abs. 3 AktG oder als zusätzlicher Aufwand aufgrund des Gewinnverwendungsbeschlusses von der Verteilung unter die Aktionäre ausgeschlossen ist. Bereits dies zeigt, dass vertragliche Ansprüche den an die Aktionäre zu verteilenden Bilanzgewinn sehr wohl mindern dürfen. Auf Inhaber von Genussrechten ist die Vorschrift des § 58 Abs. 4 AktG ebenso wenig wie die des § 174 AktG über die Hauptversammlungskompetenz zur Verwendung des Bilanzgewinns anwendbar. Es handelt sich bei Genussscheinen um einen schuldrechtlichen Vertrag, der – anders als die Aktie – keinerlei mitgliedschaftlichen Rechte verbrieft. Zudem sind die Aktionäre durch die Regelungen in § 221 Abs. 3 und Abs. 1 AktG hinreichend geschützt, weil Genussrechte nur aufgrund eines mit qualifizierter Mehrheit gefassten Beschlusses der Hauptversammlung ausgegeben werden können. Dann aber kann es keinen unzulässigen Eingriff in ihre Rechte darstellen, wenn die Wiederauffüllung ohne Berücksichtigung von Verlustvorträgen erfolgen kann.
Auch stehen Wertungen des KWG dieser Auslegung nicht entgegen. Bei der Entscheidung über die Auflösung etwaiger Rücklagen müssen zwar die Anforderungen an die Eigenkapitalausstattung entsprechend § 10 KWG beachtet werden. Wenn das Genussrechtskapital wie hier aus Jahresüberschüssen wieder aufgefüllt wird, müssen hierzu auch bei bestehenden Verlustvorträgen nicht zwingend Rücklagen aufgelöst werden.
Soweit in Rechtsprechung und Literatur hierzu eine andere Auffassung (vgl. LG Düsseldorf WM 2019, 498, 500 f.; Fest WM 2019, 1093 ff.) vertreten wird, vermag dem die Kammer aus den oben genannten Gründen nicht zu folgen.
(ee) Die Einzahlung des SoFFin in die Kapitalrücklage war dabei zu berücksichtigen. Eine analoge Anwendung von § 216 Abs. 3 AktG wie sie zum Teil in der Literatur befürwortet wird (vgl. Arnold/Gärtner AG 2013, 414 ff.), kommt nicht in Betracht. Nach dieser Vorschrift wird der wirtschaftliche Inhalt vertraglicher Beziehungen zu Dritten, die von der Gewinnausschüttung der Gesellschaft, dem Nennbetrag oder Wert ihrer Aktien oder ihres Grundkapitals oder sonst von den bisherigen Kapital- oder Gewinnverhältnissen abhängen, durch eine Kapitalerhöhung nicht berührt. Eine nominelle Erhöhung des Grundkapitals unter Ausgabe „junger“ Aktien lag hier ebenso wenig vor wie eine Erhöhung des Grundkapitals aus Gesellschaftsmitteln. Selbst wenn der Wortlaut einer Anwendung auf den vorliegenden Fall zugunsten der Beklagten nicht entgegenstehen sollte, ist ein dem Normzweck und unmittelbaren Anwendungsbereich der Vorschrift vergleichbares Schutzbedürfnis nicht erkennbar. § 216 Abs. 3 Satz 1 AktG soll die mittelbare Beeinträchtigung gewinnabhängiger Rechte Dritter bei Grundlagenentscheidungen verhindern; der wirtschaftliche Gehalt gewinnabhängiger Rechte Dritter soll nicht durch eine Besserstellung der Aktionäre geschmälert werden (vgl. BGHZ 119, 305, 322 f. – Juris Tz 35 = NJW 1993, 57, 61 = AG 1993, 125, 129 = ZIP 1992, 1542, 1548 = BB 1993, 451, 455 – Klöckner). Die Einzahlung des SoFFin als mittelbarer Alleinaktionär konnte nach § 3 Abs. 1 FMStV nur auf Antrag der Beklagten erfolgen. Die Änderung der Bezugsgröße „Eigenkapital“ ist daher der Sphäre der Beklagten zuzuordnen, die im Gegensatz zu den Genussrechtsinhabern Einfluss auf diese Änderung nehmen kann. Dies gilt unabhängig davon, ob eine Stützungs- oder sonstige Maßnahme aus wirtschaftlicher Sicht alternativlos war oder nicht, um die Beklagte zu erhalten. Ein auch von den Genussscheininhabern anzuerkennendes Bedürfnis, die Beklagte vor den nach den Genussscheinbedingungen vorgesehenen Folgen der Kapitalerhöhung zu schützen, ist vor diesem Hintergrund nicht erkennbar, zumal sich die Kapitalstärkung nicht einseitig zugunsten der Genussscheininhaber auswirkt. Diese haben zwar keinen Anspruch auf Stützungsmaßnahmen in Form der Erhöhung der Kapitalrücklage. Ist diese jedoch erfolgt, wirkt sie nach den Genussscheinbedingungen in gleicher Weise zugunsten der Genussscheininhaber wie auch der sonstigen Eigenkapitalgeber, da alle im selben Verhältnis am Verlust beteiligt werden. Wenn die Beklagte und der SoFFin eine Kapitalstärkung gewählt haben, die nach dem Wortlaut der Genussscheinbedingungen auch den Genussscheininhabern zugutekommen sollen, obwohl andere Gestaltungsmöglichkeiten in Bezug auf die Stützungsmaßnahme denkbar gewesen wären, ist die Situation der Beklagten und des SoFFin gerade nicht mit der von Dritten vergleichbar, die auf die Entscheidung über die Durchführung der Maßnahme zur Stärkung des Eigenkapitals keinen Einfluss haben. Daher muss eine analoge Anwendung ausscheiden, weil es am vergleichbaren Lebenssachverhalt fehlt (so ausdrücklich OLG München BeckRS 2013, 22261 = AG 2014, 164, 167 = WM 2014, 1131, 1135; a.A. i. Erg. LG Düsseldorf WM 2019, 498, 501 ff.).
(ff) Eine ergänzende Vertragsauslegung dergestalt, dass die Einzahlung des SoFFin in die Kapitalrücklage bei der Verlustminderung nicht eigenkapitalerhöhend zugunsten der Genussscheininhaber zu berücksichtigen sei, lässt sich nicht rechtfertigen, weil die Voraussetzungen einer ergänzenden Vertragsauslegung nicht vorliegen. Diese kommt nur dann in Betracht, wenn eine planmäßige Regelungslücke vorliegt, die nach dem mutmaßlichen Willen der Parteien durch eine am Vertragszweck orientierte interessengerechte Regelung zu schließen ist (vgl. Palandt-Ellenberger, BGB, 78. Aufl., § 157 Rdn. 3 und 7; Busche in: Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl., § 157 Rdn. 38 und 47). Dabei muss die Kammer nicht abschließend entscheiden, ob bereits eine planwidrige Regelungslücke fehlt, weil die Klausel in § 6 Satz 2 der Genussscheinbedingungen auch so ausgelegt werden kann, dass sonstige Änderungen im Eigenkapital den Genussscheininhabern zugutekommen sollen. Es fehlt nämlich in jedem Fall am übereinstimmenden hypothetischen Parteiwillen, der zu einer entsprechenden Ergänzung des Vertrages führen könnte. Es kann nicht unterstellt werden, dass bei angemessener Abwägung der jeweiligen Interessen nach Treu und Glauben vereinbart worden wäre, die Genussscheininhaber dürften nicht mittelbar von den Stützungsmaßnahmen des SoFFin profitieren. Eine entsprechende allgemeine Wertung lässt sich § 6 der Genussscheinbedingungen nicht entnehmen. Zwar haben die Genussscheininhaber weder einen Anspruch auf Zuführung weiteren Eigenkapitals noch war der Zweck der Stützungsmaßnahme die Stärkung der Rechtsstellung der Genussscheininhaber. Andererseits kann aber nicht übersehen werden, dass auch die Genussscheininhaber durch die Stärkung der Eigenkapitalbasis einen genuinen Beitrag zur Stabilität der Beklagten geleistet haben, weil ohne das Genussscheinkapital die staatlichen Stützungsmaßnahmen wesentlich höher hätten ausfallen müssen. Zudem lag die Entscheidung über das Ob und das Wie der Stützungsmaßnahme bei der Beklagten und dem SoFFin, so dass die Genussscheininhaber darauf keinen Einfluss nehmen konnten.
(2) Der Klägerin steht ein Anspruch auf Kupon-Nachzahlungen für die Jahre 2005 bis 2011 in Höhe von € 4.130.000,-, von € 1.032.000,- für das Jahr 2012 sowie für den Zeitraum vom 1.1. bis 2.7.2013 in Höhe von € 517.664,38 zu.
Der Anspruch resultiert aus § 2 Abs. 2 der Genussscheinbedingungen, wonach im Falle der Begrenzung der Ausschüttungen dergestalt, dass durch sie kein Bilanzverlust entsteht, in den folgenden Geschäftsjahren der fehlende Betrag nachzuzahlen ist. Die Voraussetzungen für einen derartigen Nachzahlungsanspruch sind vorliegend erfüllt, weil § 2 Abs. 2 Satz 1 der Genussscheinbedingungen dergestalt auszulegen ist, dass ein bereits im Vorjahr entstandener Verlustvortrag keine Berücksichtigung finden kann.
Dies ergibt sich jedenfalls aus einer Anwendung der Unklarheitenregelung in § 305 c Abs. 2 BGB, die auch hier zum Tragen kommen muss, weil eine eindeutige Auslegung nicht möglich ist. Die von der Beklagten ihrer Rechtsauffassung zugrunde gelegte Auslegung, ein derartiger Anspruch des Klägers auf eine Kupon-Zahlung müsse ausscheiden, wenn der Bilanzverlust durch die Kupon-Zahlungen vergrößert werde, ist keinesfalls unhaltbar. Der in § 2 Abs. 2 Satz 1 der Genussscheinbedingungen verwandte Begriff des „Bilanzverlusts“ ist ein feststehender juristischer Begriff, der im Aktiengesetz verwendet wird und dabei insbesondere auch vorhandene Verlustvorträge bei seiner Berechnung einbezieht. Dieses handelsbilanzrechtlich geprägte Verständnis spricht für die Auslegung im Sinne der Beklagten. Wenn durch die Ausschüttungen kein Bilanzverlust entstehen darf, kann dies ebenfalls dafür sprechen, dass ein Bilanzverlust vor Entnahmen aus dem Genusskapital gemeint sein sollte. Auch ein Umkehrschluss aus § 7 Abs. 1 Satz 4 der Genussscheinbedingungen spricht für die Berücksichtigung der Verlustvorträge bei der Auslegung von § 2 Abs. 2 Satz 1 der Genussscheinbedingungen, nachdem in § 2 Abs. 2 eine § 7 Abs. 1 Satz 4 der Genussscheinbedingungen entsprechende Regelung fehlt. Daraus könnte der Schluss gezogen werden, bei § 2 der Genussscheinbedingungen komme es zur Berücksichtigung der Verlustvorträge.
Andererseits aber zeigt gerade auch die im Präsens gehaltene Formulierung „das durch sie [scil.: die Ausschüttungen auf die Genussrechte] kein Bilanzverlust entstehen darf“, das ausschließlich auf die Situation im Geschäftsjahr Bezug genommen wird und ein im Vorjahr entstandener Verlustvortrag keine Rolle spielen kann. Die Regeln der deutschen Grammatik erhellen, dass es sich bei der Formulierung „entstehen darf“ um einen nicht abgeschlossenen Vorgang handelt.
Auch kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass das Wort „entstehen“ nur darauf abstellt, ob es zu einem erstmaligen Entstehen des Bilanzverlustes kommt. Dies liegt aber dann nicht vor, wenn in einem Geschäftsjahr ein Jahresüberschuss erzielt wurde und es nur infolge eines Verlustvortrages aus dem Vorjahr zu einem Bilanzverlust kommt. Zudem muss bei der Auslegung beachtet werden, dass die Kuponausschüttung nur dann ausgeschlossen ist, wenn „durch sie“ ein Bilanzverlust entsteht. Im Geschäftsjahr, in dem ein Jahresüberschuss erzielt wird, der zur Begleichung der Ausschüttungen genügt, es aber aufgrund von Verlustvorträgen zu einem Bilanzverlust kommt, entsteht der Bilanzverlust nicht durch die Ausschüttungen, sondern infolge des Verlustvortrages (vgl. OLG München AG 2015, 576, 579 = ZIP 2015, 1433, 1438 f. = WM 2015, 2192, 2197 f.; a.A. LG Düsseldorf WM 2019, 498, 507).
Eine Auslegung, wonach die Sperre nur dann eingreift, wenn die Ausschüttungen einen Bilanzverlust (erstmals) herbeiführen, ist somit keinesfalls fernliegend.
d. Die Entscheidung über die Zinsen beruht auf §§ 280 Abs. 1, 286 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 BGB.
(1) Die Beklagte befand sich seit dem 2 2.7.2013 in Verzug und beging damit eine Pflichtverletzung, weil der mit dem Hauptantrag geltend gemachte Rückzahlungsanspruch in Höhe von € 14.348.843,10 nach Wiederauffüllung am 2.7.2013 fällig wurde. Da die Fälligkeit dem Kalender nach auf den 2.7.2013 festgelegt wurde, bedurfte es keiner Mahnung. Auf den Beginn der Verzinsung ist § 187 BGB analog anzuwenden, sodass die Verzinsungspflicht am 3.7.2013 beginnt.
Der von der Deutschen Bundesbank festgesetzte Basiszinssatz ist als Ausgangsgröße für die Berechnung der geschuldeten Verzugszinsen auch dann anzusetzen, wenn er negativ ist. Auch wenn es keine negativen Zinsen geben sollte, bedeutet dies nicht, dass der Basiszinssatz als Rechnungsgröße stets mit mindestens 0 anzusetzen ist. Da es sich um eine reine Rechnungsgröße handelt, spricht nichts dagegen, ihn auch dann zugrunde zu legen, wenn er negativ ist. Jede andere Sichtweise widerspricht dem Wortlaut des § 288 Abs. 1 BGB, wo ohne Einschränkung an den Basiszinssatz angeknüpft wird (vgl. OLG München AG 2018, 331, 333 = ZIP 2018, 220, 222 = WM 2018, 900, 903; BSG, Urteil vom 25.10.2018, Az. B 7 AY 2/18 R – zit. nach Juris; Löwisch/Feldmann in: Staudinger Neubearb. 2019, § 288 Rdn. 15; Palandt-Grüneberg, BGB, a.a.O., § 247 Rdn. 1). Aus § 353 HGB lässt sich mangels Vortrags der Klägerin zur Kaufmannseigenschaft im Sinne des § 1 HGB nichts herleiten. Angesichts der obigen Ausführungen kann sie auch nicht zur Überzeugung des Gerichts als juristische Person angesehen werden, weshalb auch § 6 HGB nicht eingreift. Folglich muss es bei der Regelung in § 288 Abs. 1 Satz 3 BGB verbleiben. Angesichts dessen muss die Kammer nicht entscheiden, inwieweit der Gegenauffassung (vgl. OLG München ZIP 2014, 1067, 107 = Der Konzern 2014, 270, 280) zu folgen ist.
(2) Hinsichtlich der Kuponzahlungen gelten dieselben Erwägungen. Soweit es um die Jahre 2008 bis 2011 geht, trat Fälligkeit zum 2.7.2012 ein, weil insoweit die Vorschrift des § 2 Abs. 4 der Genussscheinbedingungen auch hier zur Anwendung gelangt. Demzufolge trat Fälligkeit am 2.7.2012 ein. Daher war für den Verzugseintritt keine Mahnung erforderlich. Für die weiteren Kuponzahlungen trat Fälligkeit am 2.7.2013 ein. Zum Beginn der Zinspflicht gem. § 187 BGB mit der Folge der Klageabweisung im Übrigen und zur Höhe des Zinssatzes gelten die obigen Ausführungen unter II. 2. d. (1) in gleicher Weise.
Dem steht § 289 Satz 1 BGB nicht entgegen, wonach von Zinsen keine Verzugszinsen zu entrichten sind. Zinsen im Rechtssinne sind die Vergütung für den Gebrauch eines überlassenen Kapitals und von dessen Laufzeit abhängig (vgl. BGH NJW 1979, 540, 541; NJW-RR 1992, 591; Grundmann in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl., § 246 Rdn. 4). Dies trifft auf die Verzinsung entsprechend § 2 Abs. 1 der Genussscheinbedingungen allerdings nicht zu, weil es sich dabei um Gewinnbeteiligungen, aber nicht um Zinsen im Rechtssinne handelt (vgl. OLG München ZIP 2015, 1433, 1439 = WM 2015, 2192, 2198; Habersack in: Münchener Kommentar zum AktG, 4. Aufl., § 221 Rdn. 94).
3. Die Klägerin kann von der Beklagten Schadensersatz wegen ihr entstandener Rechtsverfolgungskosten durch die Beauftragung von Rechtsanwalt Dr. H… in Höhe von € 95.725,86 aus §§ 280 Abs. 1 und Abs. 2, 286 Abs. 1 Nr. 1 BGB nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 30.9.2015 verlangen.
a. Aus den oben unter I. 2. c. und d. dargestellten Gründen befand sich die Beklagte mit der Erfüllung der bestehenden Nachforderungsansprüche in Verzug, weshalb der Verzögerungsschaden zu ersetzen ist.
(1) Zu einem solchen ersatzfähigen Verzögerungsschaden gehören auch die Rechtsanwaltskosten, die aus Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren (vgl. BGHZ 193, 159, 182 = NJW 2012, 2427, 2433 = NZG 2012, 950, 956 f. = ZIP 2012, 1335, 1342 = WM 2012, 1337, 1344 = VersR 2013, 628, 633 = JR 2013, 256, 265; NJW 2015, 3447, 3450 = NZG 2016, 74, 78 = ZIP 2015, 1684, 1688 = VersR 2016, 727, 730 f.). Vorliegend kann kein Zweifel daran bestehen, dass die Klägerin einen Rechtsanwalt einschalten durfte, nachdem sie nicht in der Bundesrepublik Deutschland ansässig ist und es sich bei der Auslegung dieser Genussscheinbedingungen um eine nicht ganz einfache Rechtsmaterie handelt.
(2) Der ersatzfähige Schaden beläuft sich dabei auf € 95.725,86, selbst wenn die Klägerin die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten noch nicht beglichen hat. Zwar stünde ihr dann nur ein Anspruch auf Freistellung zu, der sich jedoch wegen der endgültigen und ernsthaften Ablehnung jeglicher Schadensersatzleistung durch die Beklagte im Sinne des § 250 S. 2 BGB in einen Zahlungsanspruch gewandelt hat (vgl. BGH NJW-RR 1996, 700; NJW 1999, 1542, 1544 = ZIP 1999, 607, 609 = MDR 1999, 688, 689; Palandt-Grüneberg, BGB, a.a.O., § 250 Rdn. 2). Die Beklagte hat jegliche Zahlungsverpflichtung stets abgelehnt, so dass die Voraussetzungen von § 250 Satz 2 BGB erfüllt sind. Die Höhe des Anspruchs ergibt sich aus einer 1,3-Geschäftsgebühr aus dem Geschäftswert in Höhe von € 20.029.007,48, die sich auf € 80.421,90 zuzüglich € 20,- Auslagenpauschale sowie 19% Umsatzsteuer auf beide Positionen beläuft; daher beträgt der Verzögerungsschaden € 95.725,86.
b. Der Anspruch auf die Zinsen beruht auf §§ 280 Abs. 1, 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 Satz 2, 291 BGB. Auf den Beginn der Verzinsung findet § 187 BGB bei Rechtshängigkeitszinsen analoge Anwendung. Da Rechtshängigkeit durch die Zustellung an die Beklagte am 29.9.2015 eintrat, war die Verzinsung ab dem 30.9.2015 auszusprechen.
Angesichts dessen war der Klage – mit Ausnahme eines Teils des Zinsanspruchs – stattzugeben und im Übrigen wegen der Zinsen abzuweisen. Da die Klage im Hauptantrag Erfolg hatte, musste nicht mehr über die Hilfsanträge entschieden werden.
4. Die nicht nachgelassenen Schriftsätze der Parteien geben keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung, weil die Voraussetzungen des § 156 ZPO nicht erfüllt sind. Dies gilt namentlich auch für die Frage, inwieweit die Klägerin ihren Verwaltungssitz wirksam auf die British Virgin Islands verlegt hat.
III.
1. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1; das Unterliegen der Beklagten bezieht sich ausschließlich auf die Nebenforderungen und muss deshalb als geringfügig angesehen werden, weil damit insbesondere auch kein Gebührensprung vorhanden ist.
2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.
3. Der Streitwert entspricht der bezifferten Hauptforderung in Höhe von € 20.029.007,48 Die Nebenforderungen wirken aufgrund von §§ 48 Abs. 1 GKG, 4 Abs. 1 2. Hs. ZPO nicht streitwerterhöhend, weil sie vorliegend auch nur als Nebenforderungen geltend gemacht wurden. Daran vermag der Umstand nichts zu ändern, dass sie jedenfalls zum Teil ausgerechnet wurden (vgl. BGH NJW-RR 1995, 706, 707; NJW 1998, 2060, 2061 = MDR 1998, 857, 858 = BB 1998, 1607, 1608 = VersR 1998, 378). Dies gilt auch für den materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch, nachdem dieser von der Hauptforderung abhängig ist (vgl. OLG Rostock JurBüro 2013, 194, 195).


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