Europarecht

ohne mündliche Verhandlung, Verpflichtungsklage, bayerisches 10.000-Häuser-Programm, PV-Speicher-Programm, vorzeitiger Maßnahmebeginn, ständige Verwaltungspraxis

Aktenzeichen  W 8 K 21.188

Datum:
24.6.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 16811
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 101 Abs. 2
BayHO Art. 23
BayHO Art. 44
Förderrichtlinien zur Durchführung des bayerischen 10.000-Häuer-Programms

 

Leitsatz

1. I. Die Klage wird abgewiesen.
2. II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Die Klage kann mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, da die Parteien ihr Einverständnis hierzu erklärt haben.
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Statthafte Klageart ist die Verpflichtungsklage in Gestalt der Versagungsgegenklage gem. § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO. Der Antrag der Klägerin auf Zusage zur Gewährung der Förderung entsprechend des gestellten Förderantrags unter Aufhebung des ergangenen Bescheids vom 11. Januar 2021 wurde vom Gericht dahingehend bei verständiger Würdigung sachdienlich ausgelegt (vgl. § 88 VwGO).
Die Klage ist jedoch unbegründet.
Der streitgegenständliche Bescheid der Regierung von Unterfranken vom 11. Januar 2021 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung der beantragten Förderung (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO), weil sie die Voraussetzungen der einschlägigen Förderrichtlinien nicht erfüllt.
Die Gewährung der beantragten Förderung richtet sich nach den Förderrichtlinien zur Durchführung des bayerischen 10.000-Häuser-Programms und der allgemeinen haushaltsrechtlichen Bestimmungen (Art. 23 und 44 BayHO). Die hiernach zu prüfenden Voraussetzungen liegen nicht vor.
Bei Zuwendungen der vorliegenden Art handelt es sich um freiwillige Maßnahmen des Freistaates Bayern. Eine explizite Rechtsnorm, die konkret einen Anspruch der Klägerin auf Bewilligung der beantragten Zuwendung begründet, existiert nicht. Vielmehr erfolgt die Zuwendung auf der Grundlage der einschlägigen Förderrichtlinien im billigen Ermessen der Behörde und im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel (Art. 23, 44 BayHO). Die Verwaltungsgerichte haben sich auf die Prüfung zu beschränken, ob bei der Anwendung einer solchen Richtlinie im Einzelfall der Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 BV) verletzt worden ist oder ggfs. ein sonstiger Verstoß gegen materielle Rechtsnormen vorliegt. Dabei darf eine solche Richtlinie nicht, wie Gesetze oder Rechtsverordnungen, gerichtlich ausgelegt werden, sondern sie dient nur dazu, eine dem Gleichheitsgrundsatz entsprechende Ermessensausübung der Behörde zu gewährleisten (BVerwG, U.v. 16.6.2015 – 10 C 15.14 – juris Rn. 24; BayVGH, B.v. 17.11.2010 – 4 ZB 07.1132 – juris Rn.13). Ein Anspruch auf die Förderungen besteht im Einzelfall über den Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung und den Gleichheitssatz dann, wenn die in den Richtlinien dargelegten Fördervoraussetzungen vorliegen und vergleichbare Anträge in ständiger Förderpraxis des Beklagten auch positiv verbeschieden wurden (BayVGH, U.v. 11.10.2019 – 22 B 19.840 – juris Rn. 26). Entscheidend ist daher allein, wie die zuständige Behörde die Richtlinie im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger, zu einer Selbstbindung führenden Verwaltungspraxis gehandhabt hat und in welchem Umfang sie infolgedessen an den Gleichheitssatz gebunden ist.
Die rechtliche Prüfung im vorliegenden Fall hat demnach nicht daran anzusetzen, wie die maßgeblichen Förderrichtlinien auszulegen wären, sondern daran, welche Förderpraxis des Beklagten einem Zuwendungsbescheid normalerweise zugrunde gelegt wird. Nach der von der Regierung von Unterfranken schriftsätzlich dargelegten ständigen Verwaltungspraxis werden im Programmteil „PV-Speicher-Programm“ die Erst-/ oder Ergänzungsinstallation eines neuen Batteriespeichers jeweils in Verbindung mit einer neuen Photovoltaikanlage gefördert (Nr. 14 Satz 2 der RL). Nicht gefördert wird dagegen nur der alleinige Einbau eines Batteriespeichers oder einer Photovoltaikanlage (Nr. 14 Satz 4 der RL). Mit der Durchführung der zu fördernden Maßnahme darf nicht vor dem bestätigten Eingang des elektronischen Förderantrags begonnen werden. Als Maßnahmebeginn gilt die Erteilung eines der Ausführung zuzurechnenden Lieferungs- oder Leistungsauftrags (Nr. 6.1 Satz 4 der RL). Maßgeblicher Zeitpunkt ist grundsätzlich die bindende Willenserklärung des Antragstellers zum Vertragsschluss (Nr. 6.1 Satz 5 der RL).
Ein Anspruch auf die Förderung besteht deshalb nicht, weil die Klägerin entgegen Nr. 6.1 Satz 4 und 5 der Förderrichtlinien bereits vor der Bestätigung des Eingangs des elektronischen Förderantrags durch die Bewilligungsstelle, mit der die Zustimmung zum vorzeitigen Maßnahmebeginn verbunden ist, mit der beantragten Maßnahme begonnen hat. Das Stellen des Online-Antrags erfolgte vorliegend am 5. September 2020. Der Eingang des Antrags wurde der Klägerin noch am selben Tag per E-Mail bestätigt. Am 7. September 2020, und somit nach dem bestätigten Eingang des Förderantrags, erteilte die Klägerin den Auftrag für den Batteriespeicher an die Firma E** E* … H* … S* … Die Auftragserteilung für die PV-Anlage erfolgte allerdings bereits am 25. Juni 2020 und somit vor dem bestätigten Eingang des Förderantrags.
Für die Geltendmachung der beantragten Zuwendung kann sich die Klägerin auch nicht darauf berufen, dass sie zumindest den Auftrag für den Einbau des Batteriespeichers erst nach dem bestätigten Eingang des elektronischen Förderantrags erteilt hat. Genauso wenig kann sich die Klägerin darauf berufen, dass sie speziell nur die Förderung des Batteriespeichers beantragt hat, die PV-Anlage jedoch unabhängig von einer Förderung angeschafft habe. Nicht allein der Batteriespeicher stellt den förderfähigen Gegenstand des 10.000-Häuser-Programms, Programmteil „PV-Speicher-Programm“, dar. Nach der maßgeblichen ständigen Verwaltungspraxis der Regierung von Unterfranken werden die Förderrichtlinien dahingehend verstanden und angewendet, dass sich der Fördergegenstand im Rahmen des 10.000-Häuser-Programms, Programmteil „PV-Speicher-Programm“ sowohl bei der Erst- als auch bei der Ergänzungsinstallation aus einer neuen PV-Anlage und einem neuen Batteriespeicher zusammensetzt. Der alleinige Einbau eines Batteriespeichers, wie es die Klägerin gewünscht hat, wird dagegen nicht gefördert. Diese ständige Verwaltungspraxis wurde von der Regierung von Unterfranken plausibel dargelegt. Diese Verwaltungspraxis ist auch bereits auf Grund von weiteren ähnlich gelagerten Fällen gerichtsbekannt. Die Klägerin hat die Verwaltungspraxis dagegen nur mit Nichtwissen bestritten, aber nicht substantiiert dargelegt, weshalb sie die Verwaltungspraxis bestreitet, zum Beispiel durch das Nennen anderer entschiedener Vergleichsfälle. Diese maßgebliche ständige Verwaltungspraxis steht auch gerade im Einklang mit dem Wortlaut der Förderrichtlinie. Aus Nr. 14 Satz 2 der Förderrichtlinien ergibt sich, dass die Erst-/ oder Ergänzungsinstallation eines neuen Batteriespeichers jeweils in Verbindung mit einer neuen PV-Anlage gefördert wird, während nach Nr. 14 Satz 4 der Förderrichtlinien der alleinige Einbau eines Batteriespeichers oder einer PV-Anlage nicht gefördert wird. Daraus wird deutlich, dass die Fördermaßnahme im Programmteil „PV-Speicher-Programm“ stets die (Erst- oder Ergänzungs-) Installation eines PV-Speicher-Systems, bestehend aus einer neuen PV-Anlage und einem neuen Batteriespeicher, umfasst (VG München, U.v. 16.2.2021 – M 31 K 20.5502 – juris Rn. 27).
Die Klägerin kann sich dabei auch nicht auf eine falsche Auslegung der Richtlinien seitens der Regierung von Unterfranken berufen. Bei der rechtlichen Beurteilung staatlicher Fördermaßnahmen, die – wie hier – nicht auf Rechtsnormen, sondern lediglich auf Verwaltungsvorschriften beruhen, kommt es nicht auf eine objektive Auslegung der Richtlinien an, sondern nur darauf, wie die entsprechenden Vorgaben von der zuständigen Stelle tatsächlich verstanden und praktiziert worden sind. Der Beklagte bestimmt im Rahmen des ihm eingeräumten Vergabeermessens darüber, welche Positionen er in welcher Höhe dem Fördergegenstand als zuwendungsfähig zuordnet. Insoweit hat er auch die Interpretationshoheit über die maßgeblichen Verwaltungsvorschriften, sodass es allein darauf ankommt, wie die Förderrichtlinie als administrative Binnenvorschrift im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger behördlicher Praxis gehandhabt wurde (vgl. BayVGH, B.v. 18.5.2020 – 6 ZB 20.438 – juris Rn. 10, VG München, U.v. 16.2.2021 – M 31 K 20.5502 – juris Rn. 22).
Folglich ist von einer förderschädlichen vorzeitigen Auftragsvergabe der Klägerin auszugehen. Der damit verbundene vorzeitige Maßnahmebeginn führt insgesamt zum Verlust der Förderfähigkeit. Einem Zuwendungsempfänger, der ein Vorhaben begonnen hat, ehe die Zuwendung bewilligt ist oder ehe der Zuwendungsgeber wenigstens dem vorzeitigen Maßnahmebeginn zugestimmt hat, gleichwohl noch Zuwendungen zu gewähren, verstößt gegen Art. 23, 44 Abs. 1 Satz 1 BayHO i.V.m. den Förderrichtlinien.
Das Verbot des vorzeitigen Maßnahmebeginns entspricht der Vorgabe des Art. 23 BayHO und stellt einen allgemeinen förderrechtlichen Grundsatz dar, der auch in den Förderrichtlinien zum bayerischen 10.000-Häuser-Programm ausdrücklich Niederschlag gefunden hat. Sinn und Zweck des Verbots des vorzeitigen Maßnahmebeginns ist zum einen der Schutz der Antragstellerin vor finanziellen Nachteilen sowie zum anderen insbesondere die Sicherung einer ausreichenden Einwirkungsmöglichkeit der Bewilligungsstelle. Sie soll nicht vor vollendete Tatsachen gestellt werden. Eine Antragstellerin, die vor Erlass des Förderbescheides bzw. vor der Zustimmung der Bewilligungsstelle zum vorzeitigen Maßnahmebeginn mit der Realisierung der zur Förderung beantragten Maßnahme beginnt, gibt zu erkennen, dass sie das Projekt ungeachtet einer möglichen staatlichen Förderung realisieren will und kann (BayVGH, U.v. 11.10.2019 – 22 B 19.840 – juris Rn. 39; BayVGH U.v. 6.12.2016 – 22 ZB 16.2037 – juris Rn. 18).
Hieran ändert sich auch nichts durch die Unwissenheit und Ehrlichkeit der Klägerin, dass diese zum Zeitpunkt der Auftragserteilung der PV-Anlage von der Fördermöglichkeit noch keine Kenntnis hatte. Den Grund für die Ablehnung stellt der Verstoß gegen Art. 23, 44 BayHO dar, sowie die Nichterreichung des Zwecks der Richtlinie. Dieser liegt darin, innovative energiesparende Vorhaben derjenigen zu unterstützen, die sich diese Vorhaben ohne Förderung nicht leisten würden. Dieser Zweck ist, gleich, ob Kenntnis oder Nichtkenntnis der Förderungsmöglichkeit, nicht erreicht, wenn man sich vorher selbst die Anlage anschafft.
Des Weiteren ist der Ausschluss der Klägerin von der Förderung auch sonst nicht willkürlich, weil sachgerechte und vertretbare Gründe vom Beklagten vorgebracht wurden. Art. 3 Abs. 1 GG gebietet eine gleichmäßige Verwaltungspraxis. Dazu gehört das Verbot einer nicht durch sachliche Unterschiede gerechtfertigten Differenzierung zwischen verschiedenen Sachverhalten bei der Förderung (BayVGH, U.v. 11.10.2019 – 22 B 19.840 – juris Rn. 18). Geboten ist so eine bayernweit gleichmäßige und willkürfreie Mittelverteilung. Nicht erlaubt ist eine uneinheitliche und damit objektiv willkürliche Förderpraxis (BayVGH, U.v. 25.7.2013 – 4 B 13.727 – juris Rn. 41). Nach der Willkür-Formel des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG – U.v. 23.10.1951 – 2 BvG 1/51 – BVerfGE 1, 14-66 – juris Rn. 139) ist Willkür dann anzunehmen, wenn sich ein vernünftiger, aus der Natur der Sache ergebender oder sonstwie sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Ungleichbehandlung nicht finden lässt. Eine Verletzung des Willkürverbots liegt mithin nur dann vor, wenn die maßgeblichen Kriterien unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar wären und sich daher der Schluss aufdrängen würde, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruhten. Der Zuwendungsgeber hat dabei einen weiten Gestaltungsspielraum, soweit er bei der Förderung nicht nach unsachlichen Gesichtspunkten vorgeht. Sachbezogene Gesichtspunkte stehen der öffentlichen Hand in weitem Umfang zu Gebote.
Sinn und Zweck des Verbots des vorzeitigen Maßnahmebeginns ist – wie bereits ausgeführt -zum einen der Schutz des Antragstellers vor finanziellen Nachteilen sowie die Sicherung einer Einwirkungsmöglichkeit der Bewilligungsbehörde.
In der vorliegenden Konstellation ist weiter auch kein atypischer Ausnahmefall gegeben, der eine abweichende Entscheidung des Beklagten hätte gebieten müssen (OVG NRW, B.v. 29.5.2017 – 4 A 516/15 – juris Rn. 29, 30), weil der konkrete Sachverhalt keine außergewöhnlichen Umstände aufweist, die von den Richtlinien und der darauf basierenden Förderpraxis nicht erfasst werden und von solchem Gewicht sind, dass sie eine von der im Regelfall vorgesehenen Rechtsfolge abweichende Behandlung gebieten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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