Europarecht

Qualifikation eines Geschäftshauses als Sonderbau und Berücksichtigung von Geschossflächen zur Abstellung von Fahrzeugen

Aktenzeichen  AN 9 K 16.00450

Datum:
21.6.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO BayBO Art. 2 Abs. 4 Nr. 3 Hs. 2, Art. 68 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

1 Bei im Erdgeschoss zum Abstellen von Kraftfahrzeugen genutzten Flächen handelt es sich nicht um eine Garage im Sinne der Ausnahme des Art. 2 Abs. 4 Nr. 3 Hs. 2 BayBO, die bei der Flächenbetrachtung außer Ansatz zu bleiben hat. Zwar kann der Begriff „Garage“ als solcher nach dem allgemeinen Sprachgebrauch neben der Bezeichnung eines Garagengebäudes auch für die Bezeichnung einer bloßen Fläche zum Abstellen von Kraftfahrzeugen innerhalb eines Gebäudes verwendet werden. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
2 Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Ausnahme des zweiten Halbsatzes des Art. 2 Abs. 4 Nr. 3 BayBO nicht nur Garagen, sondern auch Wohngebäude erfasst. Hinsichtlich des Begriffs Wohngebäude ist es unzweifelhaft, dass Bezugspunkt der Ausnahme nur der im ersten Halbsatz genannte Gebäudebegriff sein kann. Auch für den Begriff der „Garage“ muss gelten, dass insoweit ebenfalls nur Gebäude gemeint sein können, mithin von der Ausnahme also nur Garagengebäude, nicht aber bloße Garagenflächen erfasst sind. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Soweit die Klage auf Aufhebung der Nebenbestimmungen Nr. 1 und Nr. 2 des Bescheids vom 18. Februar 2016 gerichtet ist, wird das Verfahren eingestellt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

Soweit die Klage im Rahmen der mündlichen Verhandlung übereinstimmend für erledigt erklärt wurde, ist das Verfahren (deklaratorisch) einzustellen. Soweit die Klage nach Umstellung in eine Feststellungsklage noch anhängig ist, hat sie keinen Erfolg. Sie ist zwar zulässig, im Ergebnis aber unbegründet.
1. Der Bevollmächtigte der Klägerin hat die am 18. März 2016 erhobene Anfechtungsklage gegen Nebenbestimmung der am 18. Februar 2016 erteilten Baugenehmigung in der mündlichen Verhandlung in eine Feststellungsklage geändert. Da es sich bei der allgemeinen Feststellungsklage gegenüber der Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 VwGO um ein Minus handelt (vgl. auch die Subsidiarität nach § 43 Abs. 2 VwGO) stellt die Umstellung des Klageantrags gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO keine Klageänderung im Sinn von § 91 VwGO dar, so dass weder eine Sachdienlichkeit noch eine Einwilligung der Beklagten notwendig war (BayVGH, U.v. 18.5.2017- 2 B 17.543 – juris Rn. 34).
Die Klage ist zulässig; insbesondere liegen die besonderen Voraussetzungen einer Feststellungsklage gem. § 43 VwGO vor. In ihrem Bescheid vom 18. Februar 2016 verlangte die Beklagte in Nr. 1 der beigefügten Auflagen, da sie das klägerische Gebäude als Sonderbau i.S.v. Art. 2 Abs. 4 Nr. 3 BayBO einstuft, dass die Klägerin den Nachweis der Standsicherheit und der Feuerwiderstandsfähigkeit der Bauaufsichtsbehörde der Beklagten zur Prüfung vorzulegen habe. Die Klägerin hingegen ist der Auffassung, dass ihr Gebäude kein Sonderbau im Sinne dieser Norm sei. Dies stellt ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis dar. Der Feststellungsklage steht auch nicht der Grundsatz der Subsidiarität (§ 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO) entgegen. Nach dieser Vorschrift kann die Feststellung nicht begehrt werden, soweit die Klägerin ihre Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Diesem Subsidiaritätsgrundsatz des § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO liegen zwei Gedanken zu Grunde: einerseits dient er der Prozessökonomie, denn der Rechtsschutz soll auf dasjenige Verfahren, das dem Begehren am wirkungsvollsten gerecht wird, konzentriert werden (vgl. BVerwG, U.v. 19.3.2014 – 6 C 8.13 – juris Rn. 13). Andererseits soll durch die Nachrangigkeit der Feststellungsklage verhindert werden, dass spezifische Voraussetzungen der anderen vorrangig einschlägigen Klagearten umgangen werden. Beides ist vorliegend allerdings nicht der Fall. Die von der Klägerin begehrte Feststellung ist vorliegend gerade mit einem weiter reichenden Schutz verbunden als es ihr eine Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage bieten könnte. Auf Grund der Überzeugung der Beklagten, dass das Vorhaben der Klägerin als Sonderbau zu behandeln sei, ist damit zu rechnen, dass sich die Rechtsfrage, ob das klägerische Vorhaben trotz Vorhandenseins eines Garagenanteils als Sonderbau i.S.d. Art. 2 Abs. 4 Nr. 3 BayBO einzustufen ist, bei jedem Bauantrag der Klägerin aufs Neue stellen wird. Auf Grund der von der Klägerin vorgetragenen Umstände ist auch davon auszugehen, dass es öfters zu derartigen Bauanträgen und den damit verbundenen Streitigkeiten kommen wird. Nach dem seitens der Beklagten nicht in Zweifel gezogenen Vortrag der Klägerin weist das streitgegenständliche Gebäude nämlich eine vom Wechsel geprägte Mieterstruktur auf, die aufgrund ihrer Spannbreite (von IT-Unternehmen bis hin zu Rechtsanwaltskanzleien) auch unterschiedliche Anforderungen an die bauliche Gestaltung ihrer Räumlichkeiten hat, so dass bei entsprechenden Mieterwechseln auch mit weiteren Umbaumaßnahmen und damit Bauanträgen zu rechnen sein wird. Mit der Feststellungsklage kann somit verhindert werden, dass die Klägerin ggf. einer Vielzahl von Anfechtungs- oder Verpflichtungsklagen gegenüber steht. Auch liegt vorliegend keine Umgehung spezifischer Voraussetzungen vor, da es der Klägerin nach Umstellung der Klage gerade darum geht, ein gegenwärtiges Rechtverhältnis zur Verhinderung künftiger Streitigkeiten zu klären. Hieraus erklärt sich auch zugleich das für die Feststellungsklage erforderliche Feststellungsinteresse.
2. Die Feststellungsklage ist jedoch unbegründet, da es sich entgegen der klägerischen Auffassung bei dem streitgegenständlichen Gebäude tatsächlich um einen Sonderbau i.S.d. Art. 2 Abs. 4 Nr. 3 BayBO handelt. Unter diese Vorschrift fallen „Gebäude mit mehr als 1.600 m2 Fläche des Geschosses mit der größten Ausdehnung, ausgenommen Wohngebäude und Garagen“. Diese Voraussetzungen sind beim Gebäude der Klägerin gegeben, da es sich hierbei weder um ein Wohnnoch um ein Garagengebäude handelt und die Fläche des Erdgeschosses mit über 1.700 m2 die Grenze von 1.600 m2 deutlich überschreitet. Der Klägerin kann nicht darin zugestimmt werden, dass es sich bei der im Erdgeschoss zum Abstellen von Kraftfahrzeugen genutzten Fläche von ca. 1.400 m2 um eine Garage im Sinne der Ausnahme des Art. 2 Abs. 4 Nr. 3 HS 2 BayBO handle, die bei der Flächenbetrachtung außer Ansatz zu bleiben habe. Dies folgt bereits aus dem Wortlaut der Ausnahme im Lichte ihres Bezugspunktes. Zwar kann der Begriff „Garage“ als solcher nach dem allgemeinen Sprachgebrauch neben der Bezeichnung eines Garagengebäudes auch für die Bezeichnung einer bloßen Fläche zum Abstellen von Kraftfahrzeugen innerhalb eines Gebäudes verwendet werden. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Ausnahme des zweiten Halbsatzes des Art. 2 Abs. 4 Nr. 3 BayBO nicht nur Garagen, sondern eben auch Wohngebäude erfasst. Hinsichtlich des Begriffs Wohngebäude ist es unzweifelhaft, dass Bezugspunkt der Ausnahme nur der im ersten Halbsatz genannte Gebäudebegriff sein kann. Da sich zudem ein Ausnahmetatbestand ohne entsprechend sichtbare Differenzierung im Wortlaut hinsichtlich seines Bezugspunkts nicht ambivalent verhalten kann, muss auch für den Begriff der „Garage“ gelten, dass insoweit ebenfalls nur Gebäude gemeint sein können, mithin von der Ausnahme also nur Garagengebäude, nicht aber bloße Garagenflächen erfasst sind. Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Verweis der Klägerin auf die Legaldefinition des Art. 2 Abs. 8 Satz 2 BayBO, wonach Garagen als Gebäude oder Gebäudeteile zum Abstellen von Kraftfahrzeugen umschrieben werden. Eine Legaldefinition führt nämlich keineswegs dazu, dass ein vom Gesetzgeber gebrauchter Begriff innerhalb des Gesetzes zwingend und ausnahmslos einheitlich verstanden werden muss. Vielmehr ergibt sich vorliegend gerade aus der Gesetzeshistorie, dass der in Art. 2 Abs. 4 Nr. 3 Hs. 2 BayBO verwendete Begriff der „Garage“ normspezifisch auszulegen ist. Dies ergibt sich in erster Linie aus einem Vergleich mit der vor Einführung des Garagenbegriffs bestehenden Fassung der Norm. Ursprünglich bezog sich der Sonderbautatbestand des Art. 2 Abs. 4 Nr. 3 BayBO nämlich noch in einer extensiveren Art und Weise auf „Anlagen und Räume“ mit entsprechender Grundfläche von mehr als 1.600 m2, während der Ausnahmetatbestand nur die Wohngebäude nannte (vgl. Art. 2 Abs. 4 Satz 2 Nr. 4 BayBO in der Fassung vom 27.12.1999, GVBl 1997, 433). Mit der Aufnahme der Garagen in den Ausnahmetatbestand wurde dann zugleich dieser ursprünglich deutlich extensivere Bezug dahingehend eingeschränkt, dass der Tatbestand von „Anlagen und Räume“ auf „Gebäude“ verengt wurde (vgl. Art. 2 Abs. 4 Nr. 3 BayBO in der Fassung vom 14.08.2007, GVBl 2007, 588). Die Koinzidenz dieser beiden Änderungen kann nur darauf schließen lassen, dass der Gesetzgeber bewusst vermeiden wollte, dass über den Bezug der Ausnahme auf Räume auch bloße Garagenflächen innerhalb eines Gebäudes ausgenommen sein sollen. Dem steht auch nicht das klägerische Argument entgegen, dass der Gesetzgeber durch die Erweiterung des Ausnahmetatbestandes die verfahrenssteuernde Wirkung von Garagen beseitigen wollte. Denn aus den Gesetzesmaterialen ergeben sich keinerlei Hinweise darauf, dass es dem Gesetzgeber dabei gerade um die verfahrenssteuernde Wirkung von Garagenflächen ging (vgl. Begründung zum Gesetzesentwurf zur Änderung der BayBO, LT-Drs. 15/7161 S. 39). Dies wäre aber Voraussetzung, wenn man gestützt hierauf herleiten möchte, dass der Gesetzgeber den Garagenbegriff extensiv auch im Sinne einer bloßen Garagenfläche verstanden wissen will. Auf Grundlage des zugleich veränderten Bezugspunktes (s.o.) ist vielmehr davon auszugehen, dass es dem Gesetzgeber bei Aufnahme der Garagen in den Ausnahmetatbestand des Art. 2 Abs. 4 Nr. 3 BayBO nur um die verfahrenssteuernde Wirkung ging, die gerade Garagengebäude im Rahmen von grundsätzlich nicht als Sonderbau qualifizierenden Gesamtvorhaben bewirken.
Die Klage ist mithin unbegründet und daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Als im Verfahren Unterlegene hat die Klägerin die Kosten des Verfahrens zu tragen.


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