Europarecht

Räumliche Beschränkung für Ausreisepflichtigen

Aktenzeichen  AN 11 K 18.00852

Datum:
29.5.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 24949
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1, § 61 Abs. 1c S. 2
StPO § 374, § 376

 

Leitsatz

1. Mitwirkungspflichten des Ausländers bestehen insbesondere bei der Beschaffung von Reisedokumenten. Ein vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer ist im Rahmen der ihm obliegenden Mitwirkungspflichten gefordert, bezüglich seiner Identität und Staatsangehörigkeit zutreffende Angaben zu machen, an allen zumutbaren Handlungen mitzuwirken, welche die Behörden von ihm verlangen, und darüber hinaus eigeninitiativ ihm mögliche und bekannte Schritte in die Wege zu leiten, die geeignet sind, seine Identität und Staatsangehörigkeit zu klären und die Passlosigkeit zu beseitigen. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Sollvorschrift des § 61 Abs. 1c Satz 2 AufenthG sieht für den Regelfall eine Bindung vor. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.
3. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid des Beklagten vom 10. April 2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
I.
Die Klage ist zulässig, insbesondere als Anfechtungsklage statthaft, da die streitgegenständliche Anordnung einen selbständig anfechtbaren Verwaltungsakt darstellt (vgl. Dollinger in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 61 Rn. 33; Funke-Kaiser in GK-AufenthG, Stand September 2019, § 61 Rn. 91).
II.
Die Klage ist jedoch unbegründet. Der streitgegenständliche Bescheid des Beklagten vom 10. April 2018 ist rechtmäßig.
1. Der Bescheid ist formell rechtmäßig. Insbesondere war die Zentrale Ausländerbehörde für den Erlass des Bescheids zuständig gemäß § 71 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) i.V.m. §§ 1 Nr. 2, 3 Abs. 1 Nr. 1 b Satz 1, 6 Abs. 1 Satz 2 Zuständigkeitsverordnung Ausländerrecht (ZustVAuslR).
2. Der Bescheid ist auch materiell rechtmäßig.
Rechtsgrundlage der streitgegenständlichen Anordnung ist § 61 Abs. 1c Satz 2 AufenthG. Danach soll eine räumliche Beschränkung auf den Bezirk der Ausländerbehörde angeordnet werden, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.
Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung der räumlichen Beschränkung als Anordnung, die eine Dauerverfügung beinhaltet, ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (vgl. Hailbronner, AuslR, Stand März 2020, § 61 AufenthG Rn. 81).
Zur Vermeidung von Wiederholungen wird Bezug genommen auf die zutreffende Begründung des angefochtenen Bescheids (§ 117 Abs. 5 VwGO) sowie auf den vorgenannten Prozesskostenhilfebeschluss und ergänzend ausgeführt:
a) Die Regelung des § 61 Abs. 1c Satz 2 AufenthG wurde durch Art. 1 Nr. 7 des Gesetzes zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht vom 20. Juli 2017 dem bisherigen § 61 Abs. 1c Satz 1 AufenthG angefügt (BGBl. I 2017, S. 2780). Damit sollen gerade Ausländer, die über ihre Identität täuschen oder die bei der Beschaffung von Heimreisedokumenten nicht ausreichend mitwirken, enger an den Bezirk der Ausländerbehörde gebunden werden, um ggf. sicherzustellen, dass sie für etwaige erforderliche Mitwirkungshandlungen leichter erreichbar sind und um ein mögliches Untertauchen zu erschweren (vgl. BT-Drs. 18/11546 S. 22). Die in § 61 Abs. 1c AufenthG begründete Befugnis der Ausländerbehörden, den Aufenthalt ausreisepflichtiger Ausländer räumlich einzuschränken, ist damit erweitert und verschärft worden; die Regelung soll die Ausreisepflicht durchsetzen (vgl. Hailbronner, AuslR, § 61 AufenthG Rn. 32b, 32c). Nach § 61 Abs. 1c Satz 2 AufenthG ist der Täuschung die Nichterfüllung zumutbarer Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen gleichgestellt; für die Beurteilung der Zumutbarkeit können die in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze für die Auslegung der Vorschriften zu den Mitwirkungspflichten nach §§ 48, 49 AufenthG herangezogen werden, die Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (Rückführungsrichtlinie) steht der Anordnung nicht entgegen (vgl. Hailbronner, a.a.O. § 61 AufenthG Rn. 32 ff.). Die Zumutbarkeit ist aufgrund der individuellen Umstände zu beurteilen.
Mitwirkungspflichten bestehen insbesondere bei der Beschaffung von Reisedokumenten. Ein vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer ist im Rahmen der ihm obliegenden Mitwirkungspflichten gefordert, bezüglich seiner Identität und Staatsangehörigkeit zutreffende Angaben zu machen, an allen zumutbaren Handlungen mitzuwirken, welche die Behörden von ihm verlangen, und darüber hinaus eigeninitiativ ihm mögliche und bekannte Schritte in die Wege zu leiten, die geeignet sind, seine Identität und Staatsangehörigkeit zu klären und die Passlosigkeit zu beseitigen (vgl. BayVGH, B.v. 2.5.2019 – 10 CE 19.273 – juris Rn. 5 zur unzureichenden Mitwirkung bei der Identitätsklärung und Passbeschaffung als Versagungsgrund nach § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 AufenthG). Wie sich aus § 48 Abs. 3 Satz 1 AufenthG ergibt, hat der Ausländer bei der Beschaffung von Identitätspapieren mitzuwirken. Die Mitwirkung muss sich neben dem Bemühen um einen Pass oder Passersatz auch auf die Beschaffung sonstiger Urkunden und Dokumente unabhängig vom Aussteller richten, sofern sie zu dem Zweck geeignet sind, die Ausländerbehörden bei der Umsetzung einer Rückführungsmöglichkeit zu unterstützen. Die Mitwirkungspflicht umfasst auch die Abgabe der von der Auslandsvertretung des mutmaßlichen oder tatsächlichen Heimatstaates geforderten Erklärungen (§ 49 Abs. 2 AufenthG). Die Ausländerbehörde ist dabei gehalten, in Erfüllung ihr selbst obliegender behördlicher Mitwirkungspflichten konkret zu bezeichnen, was genau in welchem Umfang vom Ausländer erwartet wird, wenn sich ein bestimmtes Verhalten nicht bereits aufdrängen muss.
Ausländer unterliegen der Passpflicht nach § 3 AufenthG; von dieser sind die ausweisrechtlichen Vorschriften nach § 48 AufenthG und nach §§ 56 und 57 Aufenthaltsverordnung (AufenthV) zu unterscheiden (vgl. Winkelmann/Wunderle in Bergmann/Dienelt, § 48 AufenthG Rn. 2).
Die Vorschrift des § 60b Abs. 3 Satz 1 AufenthG (i.d.F. ab 21.8.2019) enthält nunmehr regelmäßig als zumutbar erachtete Mitwirkungshandlungen für vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer mit ungeklärter Identität; der Gesetzgeber hat damit die bisher in § 56 Abs. 1 AufenthV festgeschriebenen ausweisrechtlichen Pflichten für die besondere Passbeschaffungspflicht (vgl. Dollinger in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, § 61b AufenthG Rn. 15) sowie Rechtsfolgen der Ausstellung der Duldung mit ungeklärter Identität in § 60b Abs. 5 AufenthG geregelt (vgl. BT-Drs. 19/10047 S. 37 f.). Mit den neuen Regelungen in den §§ 60 b bis d AufenthG wird auch im Bereich der Duldung einerseits der Übergang in den regulären Aufenthalt bei entsprechenden Integrationserfolgen erleichtert und andererseits das Sanktionsinstrumentarium in Fällen fehlender Mitwirkung bei der Identitätsklärung verschärft (vgl. Kluth, NVwZ 2019, 1305).
Die Sollvorschrift des § 61 Abs. 1c Satz 2 AufenthG sieht für den Regelfall eine Bindung vor (vgl. Hailbronner, AuslR, § 61 AufenthG Rn. 32b; Riese in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: Juli 2019, § 114 Rn. 25 m.w.N.; Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018 § 39 Rn. 66). Von der für den Normalfall vorgesehenen Rechtsfolge kann die Behörde (nur) aus wichtigem Grund oder in atypischen Fällen abweichen. Ein atypischer Fall liegt vor, wenn die Besonderheiten des Einzelfalls ein Abweichen nahelegen. Ob die Voraussetzungen dafür vorliegen, unterliegt voller gerichtlicher Überprüfung (vgl. Sachs in Stelkens/Bonk/ Sachs, a.a.O. § 40 VwVfG Rn. 26 f. m.w.N.).
b) Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 61 Abs. 1c Satz 2 AufenthG für die Beschränkung des Aufenthalts des Klägers auf das Gebiet des Landkreises … sind vorliegend gegeben. Der Kläger ist zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vollziehbar ausreisepflichtig, weil sein Asylverfahren seit 27. September 2016 rechtskräftig abgeschlossen ist (§§ 50 Abs. 1, 58 Abs. 2 Satz 2 AufenthG i.V.m. § 67 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 AsylG), und er erfüllt nach den gegebenen Einzelfallumständen zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht.
Die Abschiebung des seit über dreieinhalb Jahren ausreisepflichtigen Klägers scheitert daran, dass dem Beklagten weder ein Reisepass noch Passersatzpapiere zur Verfügung stehen (s.a. Schreiben des Beklagten vom 4.2.2020 an das Landesamt für Asyl und Rückführung, Bl. 1167 ff. der Behördenakte, sowie vom 7.2.2020 an die ZAB Bielefeld, Bl. 1202 ff der Behördenakte). Diese Gründe sind auf das Verhalten des Klägers zurückzuführen; dieser konnte anhand der von ihm gemachten Angaben zur Person und letzten Wohnanschrift in Äthiopien bislang nicht identifiziert werden (s.a. Bl. 337 der Behördenakte, Mitteilung der Regierung von Oberbayern, zentrale Passbeschaffung Bayern, vom 5.3.2018 wonach der Kläger von den äthiopischen Behörden – anders als für andere Fälle äthiopischer Staatsbürger, für die eine Identifizierung durch die Heimatbehörden mitgeteilt wurde -, nicht identifiziert werden konnte). Er hat auch nach wie vor nicht im Rahmen des ihm Zumutbaren bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen mitgewirkt; insbesondere führt allein die Vorlage der E-Mail der Flüchtlings- und Integrationsberatung vom 3. Dezember 2019 mit Anlagen in der mündlichen Verhandlung, wonach sich der Kläger unter seinen bisherigen Personalien um die Klärung der Identität bemühe und Dr. H. bevollmächtigte, eine Geburtsurkunde zu erhalten, unter Berücksichtigung der gegebenen Gesamtumstände insoweit zu keiner anderen Beurteilung.
aa) Das Aufenthaltsgesetz normiert in § 48 Abs. 3 AufenthG keine abstrakte Passbeschaffungspflicht, sondern eine konkrete Verpflichtung des Ausländers an der Passbeschaffung mitzuwirken. Die Mitwirkungspflicht erschöpft sich nicht mit der (u.U. erfolglosen) Beantragung der Ausstellung eines Passes oder Passersatzes bei der zuständigen Auslandsvertretung des Herkunftsstaats. Gegenstand dieser Mitwirkungspflicht sind alle Rechts- und Tatsachenhandlungen, die zur Beschaffung eines fehlenden Identitätsdokuments oder zur Verlängerung seiner Gültigkeit erforderlich sind und nur vom Betroffenen persönlich vorgenommen werden können (vgl. VG München, U.v. 14.5.2020 – M 24 K 19.6002; Hruschka in BeckOK Ausländerrecht, Kluth/Heusch, Stand: 1.3.2020, AufenthG § 48 Rn. 34 mit Verweis auf OVG NRW, B.v. 9.2.2004 – 18 B 811/03 – NVwZ-RR 2004, 689). Die Rechtsprechung spricht von den – dem vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer – obliegenden Mitwirkungspflichten nach § 48 Abs. 3 und § 82 Abs. 1 AufenthG, wonach der Ausländer gefordert ist, bezüglich seiner Identität und Staatsangehörigkeit zutreffende Angaben zu machen, an allen zumutbaren Handlungen mitzuwirken, die die Behörden von ihm verlangen, und betont wie dargelegt explizit – ohne konkret auf § 56 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 AufenthV Bezug zu nehmen -, dass der Ausländer gefordert ist, „darüber hinaus eigeninitiativ ihm mögliche und bekannte Schritte in die Wege zu leiten, die geeignet sind, seine Identität und Staatsangehörigkeit zu klären und die Passlosigkeit zu beseitigen“ (BayVGH, B.v. 22.1.2018 – 19 CE 18.51 – juris Rn. 25; B.v. 2.5.2019 – 10 CE 19.273 – juris). Die vorgenannte Regelung des § 60b Abs. 3 Satz 1 AufenthG enthält nunmehr die regelmäßig als zumutbar erachteten Mitwirkungshandlungen.
Die dem Ausländer obliegende gesetzliche Pflicht zur Mitwirkung bei der Passbeschaffung nach § 48 Abs. 3 AufenthG wird nicht dadurch erfüllt, dass er Aufklärungsversuche der Ausländerbehörde nicht behindert und gewissermaßen „über sich ergehen lässt“. Nichts anderes ergibt sich hinsichtlich der Verpflichtung des Ausländers aus § 56 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 AufenthV zur Pass- bzw. Passersatzpapierbeantragung. Aus § 48 Abs. 3 AufenthG i.V.m § 82 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ergibt sich, dass der Ausländer vielmehr für den Vollzug des Ausländerrechts notwendige Unterlagen „beizubringen“ hat. Bei der Mitwirkung an der Beschaffung eines Rückreisedokuments handelt es sich nicht um separierbare Einzelpflichten, sondern um ein durch §§ 82 Abs. 4, 48 Abs. 3 i.V.m. § 49 Abs. 2 AufenthG vorgegebenes Pflichtenbündel zur Erlangung von Rückreisedokumenten für einen ausreisepflichtigen Ausländer. Dabei kann der Ausländer sich nicht allein auf die Erfüllung derjenigen Pflichten, die ihm konkret von der Ausländerbehörde vorgegeben werden, beschränken, sondern ist vielmehr angehalten, eigenständig die Initiative zu ergreifen und die erforderlichen Schritte in die Wege zu leiten, um das bestehende Ausreisehindernis nach seinen Möglichkeiten zu beseitigen (vgl. Winkelmann/Wunderle in Bergmann/Dienelt, AufenthG § 48 Rn. 6).
Die bisherige Rechtsprechung verhält sich zu den Mitwirkungspflichten des Ausländers bei der Beschaffung von Reisedokumenten im Wesentlichen im Zusammenhang mit der Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen aus humanitären Gründen bzw. mit der Erteilung einer Ausbildungsduldung gemäß § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG a.F. (seit 1.3.2020 § 60c AufenthG) und dem Versagungsgrund des § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 AufenthG für die Ausübung einer Erwerbstätigkeit, hierunter auch der unzureichenden Mitwirkung bei der Passbeschaffung als vom Ausländer zu vertretender Verhinderung des Vollzugs aufenthaltsbeendender Maßnahmen (vgl. BayVGH, B.v. 22.1.2018 – 19 CE 18.51 – juris Rn. 25 ff.). Unter Heranziehung der Regelung des § 82 AufenthG und der Zielsetzung der gesetzlichen Regelungen, konkret dem Erhalt eines Aufenthaltstitels (ebenso bei der gesetzlichen Zielsetzung der Erteilung einer Ausbildungsduldung), erschien es dem seinerzeit erkennenden Senat des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs als „sinnvoll und angebracht davon auszugehen, dass die Beseitigung des Ausreisehindernisses im Interesse sowohl des Ausländers, wie auch der Ausländerbehörde liegen muss“. Für den Ausländer folge dies aus seiner Pflicht, das Bundesgebiet zu verlassen, wenn er sich hier unberechtigt aufhält (vgl. BayVGH, U.v. 11.12.2006 – 24 B 06.2158 – juris Rn. 49). Im Gegensatz dazu ist bei der Anwendung des seit 29. Juli 2017 in Kraft getretenen § 61 Abs. 1c Satz 2 AufenthG und hierauf gestützter Anordnungen der räumlichen Beschränkungen des Aufenthalts nicht von einer mit dem Interesse der Ausländerbehörde gleichgerichteten Interessenslage des Ausländers an der Beseitigung des Ausreisehindernisses der Passlosigkeit auszugehen (vgl. zum Ganzen VG München, U.v. 14.5.2020 – M 24 K 19.6002); demnach sind die Pflichten des betroffenen Ausländers (Mitwirkungs-, Inititativpflicht) und der zuständigen Ausländerbehörde (Hinweis-, Anstoßpflicht) im konkreten Einzelfall unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des konkreten Falles zu berücksichtigen.
bb) Nach den vorgenannten Maßgaben hat der Kläger nach den gegebenen Einzelfallumständen zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt; eine Klärung seiner Identität ist bislang nicht gelungen.
Ausweislich der Behördenakten wirkt der Beklagte vorliegend kontinuierlich und intensiv darauf hin, die Identität des Klägers zu klären. Auch wurden dem Kläger seitens der Ausländerbehörde erwartete Mitwirkungshandlungen mitgeteilt. Der Kläger wurde bereits seit Eintritt der Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht mehrfach auf seine ausländerrechtlichen Mitwirkungspflichten und die gesetzliche Pass- und Ausweispflicht hingewiesen. Zwar wurde er schließlich beim äthiopischen Generalkonsulat vorstellig, ein Pass konnte ihm jedoch nicht ausgestellt werden, weil er keine ausreichenden Nachweise für die vorgetragene äthiopische Nationalität vorlegte (s. Bescheinigung vom 10.3.2017, Bl. 251 der Behördenakte).
Trotz konkret aktualisierter Mitwirkungspflicht mittels Aufforderung mit Schreiben der Ausländerbehörde vom 6. März 2018 unter Übermittlung einer Liste von Vertrauensanwälten (Bl. 339 ff. Behördenakte), hatte der Kläger nach Aktenlage insbesondere weder glaubhaft gemacht noch einen Nachweis vorgelegt, dass er einen der ihm mitgeteilten Vertrauensanwälte (zumindest) kontaktiert hat. Die nunmehr in der mündlichen Verhandlung vorgelegte E-Mail vom 3. Dezember 2019 belegt nicht, dass der Kläger seiner Mitwirkungspflicht inzwischen hinreichend nachgekommen ist. Danach hat sich der Kläger zwar – nachdem er bereits über drei Jahre und zwei Monate vollziehbar ausreisepflichtig war – an einen der mit vorgenanntem Schreiben vom 6. März 2018 benannten Anwälte (konkret Dr. …*) gewandt, eine Geburtsurkunde bzw. andere Unterlagen zur Beseitigung des Ausreisehindernisses wurden aber nach wie nicht beigebracht. Zumal diese E-Mail im Übrigen die bisherigen Personalien des Klägers beinhaltet, und zwischenzeitlich neu zu prüfende Personalien festgestellt wurden.
Die mangelnde Mitwirkung des Klägers hat demnach vorliegend ein gewisses Gewicht erreicht, so dass es im Übrigen gerechtfertigt erscheint, sie aktivem Handeln gleichzustellen (vgl. für § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG BVerwG, U.v. 26.10.2010 – 1 C 18.09 – BayVBl 2011, 346, juris Rn. 17). Zumal – mit Blick auf eine Ausstellung von Passersatzpapieren (s. E-Mail bzw. Mitteilung der Regierung von Oberbayern vom 18.12.2017) – im Übrigen auch eine Erklärung des Klägers gegenüber den Behörden des mutmaßlichen Herkunftsstaates, aus dem Bundesgebiet freiwillig im Rahmen seiner rechtlichen Verpflichtung nach dem deutschen Recht auszureisen, nach Aktenlage nicht erfolgte. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 61 Abs. 1c Satz 2 AufenthG für die Beschränkung des Aufenthalts des Klägers sind demnach auch im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung gegeben. Der Kläger hat vorliegend zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.
c) Damit war der Beklagte gehalten, die Aufenthaltsbeschränkung anzuordnen, sofern kein atypischer Fall gegeben ist. Der Beklagte hat vorliegend zu Recht vom Regelermessen Gebrauch gemacht und eine räumliche Beschränkung angeordnet, die verhältnismäßig ist.
Zu Recht ist der Beklagte hier davon ausgegangen, dass kein atypischer Fall vorliegt, der es rechtfertigt, von der für den Normalfall vorgesehenen Anordnung einer Aufenthaltsbeschränkung abzuweichen. Besondere Umstände, die es nahelegen, vom Normalfall abzuweichen (vgl. auch VG Bayreuth, B.v. 7.5.2018 – B 6 S 18.14 – juris, B.v. 28.8.2018 – B 6 S 18.780, nachfolgend BayVGH, B.v. 28.8.2018 – 19 CS 18.2075, Rn. 11 a.E.), sind weder im Anhörungsverfahren bzw. gerichtlichen Verfahren vorgetragen noch sonst ersichtlich. Insbesondere ist die Anordnung der Aufenthaltsbeschränkung verhältnismäßig; hinreichende Gesichtspunkte für eine mögliche Unverhältnismäßigkeit sind nicht gegeben.
Die Verpflichtung, den Aufenthalt im Gebiet des Landkreises … zu nehmen, erscheint nicht von vornherein ungeeignet, die seit Jahren bestehende Ausreisepflicht durchzusetzen, weil sie dafür sorgt, dass der Kläger, will er nicht gegen geltende Rechtsvorschriften verstoßen, sich laufend im Gebiet des Landkreises … aufhält. Die Vertreterin des Beklagten hat insoweit in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, Zweck der Anordnung sei entsprechend der gesetzgeberischen Zielsetzung, dass der vollziehbar ausreisepflichtige Kläger leichter greifbar sei, um die Ausreisepflicht besser durchsetzen zu können. Die Maßnahme ist vorliegend auch erforderlich und angemessen; sie setzt hier nicht die konkrete Gefahr des Untertauchens voraus (vgl. BayVGH, B.v. 20.3.2019 – 19 CS 18.2075 – Rn. 11). Zwar greift das Verbot, das Gebiet des Landkreises ohne vorherige Erlaubnis zu verlassen, in die nach Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG grundrechtlich geschützte körperliche Bewegungsfreiheit des Klägers ein. Der auf § 61 Abs. 1 c Satz 2 AufenthG gestützte Eingriff in die Bewegungsfreiheit des seit Jahren ausreisepflichtigen Ausländers ist jedoch insbesondere auch deshalb gerechtfertigt, weil sich die Wohnung des Klägers ohnehin im Landkreis … befindet und dieser auf Antrag in begründeten Fällen mit Erlaubnis der Ausländerbehörde das Kreisgebiet für einen begrenzten Zeitraum verlassen darf; hierzu beinhaltet der Bescheid, dass dem Kläger Verlassenserlaubnisse erteilt werden können (vgl. BayVGH B.v. 27.5.2019 – 10 CS 19.678 – juris Rn. 8). Persönliche Gründe dahingehend, dass die gegenständliche Beschränkung im Fall des Klägers besonders schwerwiegend ist, sind nicht gegeben.
Der in der mündlichen Verhandlung erfolgte Verweis auf den Bescheid vom 12. November 2019, der eine Meldeauflage beinhaltet, führt insoweit zu keiner anderen Beurteilung. Unabhängig davon, dass dieser Bescheid nicht streitgegenständlich und dessen Vollzug nach den Darlegungen der Beklagtenseite derzeit ausgesetzt ist, ergeben sich aus einer für den Kläger angeordneten Meldeauflage bzw. der geltend gemachten derzeitigen Handhabung der Erteilung von Duldungen für den Kläger keine persönlichen Gründe, welche die angeordnete räumliche Beschränkung seines Aufenthalts auf das Gebiet des Landkreises … als besonders schwerwiegend bzw. unzumutbar erscheinen lassen.
Allein aus der geltend gemachten Tatsache, dass der Kläger zur Verlängerung seiner Duldung zur Ausländerbehörde (außerhalb des Kreisgebietes) fahren müsse, ergibt sich auch kein rein schikanöser Zweck der streitgegenständlichen Anordnung. Die Wohnung des Klägers befindet sich ohnehin im Landkreis …, sodass sich aus der streitgegenständlichen räumlichen Beschränkung seines Aufenthalts keine damit verbundenen Belastungen ergeben; vielmehr hat er insoweit die Möglichkeit, das Kreisgebiet zu verlassen.
Soweit in der Begründung des Bescheids einmal die Stadt … genannt wird, führt dies vorliegend zu keiner anderen Beurteilung. Aus dem Bescheid geht – auch hinsichtlich seiner Begründung – eindeutig hervor, dass sich die räumliche Beschränkung für den im Kreisgebiet wohnenden Kläger auf das Gebiet des Landkreises … bezieht, der auch mehrmals zutreffend genannt und im Übrigen durch den (dem Bescheid) beigefügten Lageplan konkretisiert wird.
3. Die Klage war demnach mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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