Europarecht

Rückforderung von Fördermitteln aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung

Aktenzeichen  RN 5 K 16.1879

Datum:
14.6.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 16421
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayVwVfG Art. 54 ff.
VwGO § 42
GG Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3
BGB § 134
AEUV Art. 107, Art. 263 Abs. 4
EUV Art. 4 Abs. 3

 

Leitsatz

1 Bei der Rückforderung von EU-Beihilfen wegen Auflagen- und Vergabeverstößen ist von einem gesteigerten öffentlichen Rücknahmeinteresse auszugehen, das Vertrauensgesichtspunkte, Rückforderungsfristen und das der Behörde grundsätzlich nach den Art. 48 ff. BayVwVfG eingeräumte Rücknahme- bzw. Widerrufsermessen zur Wahrung des europäischen Effektivitätsgrundsatzes praktisch vollständig zurücktreten lässt. (Rn. 42) (redaktioneller Leitsatz)
2 In einem mehrstufigen Förderungsverhältnis, in dem Fördermittel von einem federführenden unmittelbar Begünstigten an Zweitzuwendungsempfänger weitergereicht werden, hat die Einziehung der Fördermittel durch die Bescheinigungsbehörde bei dem federführenden Begünstigten unmittelbar auch Einfluss auf das Verhältnis zwischen diesem und den weiteren an dem Vorhaben beteiligten Zweitzuwendungsempfänger und vermittelt letzteren insoweit eine Klagebefugnis.  (Rn. 49) (redaktioneller Leitsatz)
3 Eines vorsätzlich oder grob fahrlässigen Handelns bedarf es für die Annahme eines schweren Vergabeverstoßes nicht; die Darlegung konkreter Ausnahmegründe, die einen Verzicht auf Wettbewerb rechtfertigen können, obliegt der nach den Vergaberichtlinien verpflichteten Stelle. (Rn. 62) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 24.794,88 € zzgl. Zinsen in Höhe von 6 v. H. p. a. aus dem Betrag von 21.042,33 € seit dem 01.06.2015 und aus dem Betrag von 3.753,55 € seit dem 07.03.2016 zu zahlen.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.
Der Verwaltungsrechtsweg gemäß § 40 VwGO ist gegeben. Die Klägerin macht gegenüber der Beklagten Rückzahlungsansprüche geltend, die auf einem öffentlich-rechtlichen Vertrag i.S.d. Art. 54 ff. BayVwVfG beruhen. Der öffentlich-rechtliche Charakter des zwischen den Parteien geschlossenen Produktionsvertrags ergibt sich insbesondere aus einer Gesamtbewertung der hier erfolgten Erst- und Zweitzuwendung, dem gegebenen öffentlich-rechtlichen Gepräge des vorliegenden Förderverfahrens und der inhaltlichen Gestaltung des streitgegenständlichen Produktionsvertrags, der sich insgesamt nach den öffentlich-rechtlichen Vorgaben aus dem Bewilligungsbescheid der Regierung von Niederbayern vom 15.06.2009 richtet.
II.
Die von der Klägerin erhobene Leistungsklage ist zulässig und begründet.
Der Klägerin steht ein Rückzahlungsanspruch gemäß § 3 Absätze 4 und 5 des zwischen den Parteien am 06./07.08.2009 geschlossenen Produktionsvertrags in Höhe von 24.794,88 € zzgl. Zinsen in Höhe von 6 v. H. p. a. aus dem Betrag von 21.042,33 € seit dem 01.06.2015 und aus dem Betrag von 3.753,55 € seit dem 07.03.2016 zu.
1. Die zwischen den Parteien in § 3 des Produktionsvertrags getroffene Rückzahlungsvereinbarung verstößt nach Ansicht der erkennenden Kammer gegen kein gesetzliches Verbot und ist nicht nichtig, Art. 59 Abs. 1, 62 BayVwVfG i.V.m. § 134 BGB.
Zwar können sich gesetzliche Verbote i.S.d. § 134 BGB grundsätzlich auch aus Verfassungsrecht, nämlich einzelnen verfassungsrechtlichen Bestimmungen oder allgemeinen verfassungsrechtlichen Grundsätzen ergeben (vgl. Stelkens/Bonk/Sachs, 9. Auflage 2018, VwVfG, § 59 Rn. 10). Entgegen der Ansicht der Beklagten verstößt § 3 des Produktionsvertrags jedoch weder gegen das Rechtsstaatsprinzip aus Art. 20 Abs. 3 GG noch gegen das Gebot effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG.
a) Die Rückzahlungsvereinbarung aus § 3 Abs. 4 und 5 des Produktionsvertrags verstößt nicht gegen das Rechtsstaatsprinzip aus Art. 20 Abs. 3 GG.
(1) Zwar mag § 3 des Produktionsvertrags von den Regelungen der Art. 48 ff. BayVwVfG abweichen. Diese Abweichung scheint aufgrund der Besonderheiten der vorliegenden Förderkonstellation aber nicht unangemessen. Vielmehr ist der Klägerin insofern Recht zu geben, als dass durch die Verpflichtung aus § 3 Abs. 4 und 5 des Produktionsvertrags lediglich ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den Beteiligten hergestellt wird. Dies entspricht zudem den Vorgaben der Verordnung (EG) Nr. 1080/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung.
Nach Art. 17 Abs. 2 Satz 1 VO (EG) Nr. 1080/2006 soll die Bescheinigungsbehörde (hier die Regierung von Niederbayern) sicherstellen, dass alle aufgrund von Unregelmäßigkeiten gezahlten Beträge bei dem sog. federführenden Begünstigten (hier der Klägerin) wieder eingezogen werden. Nach Satz 2 haben die Begünstigten (hier die Regional-Fernsehsender) dem federführenden Begünstigten, also der Klägerin, die ohne rechtlichen Grund gezahlten Beträge nach den Bestimmungen der zwischen ihnen geschlossenen Vereinbarung zu erstatten. Zudem berücksichtigt die Rückzahlungsklausel aus § 3 Abs. 4 und 5 des Produktionsvertrags, dass die Klägerin als Erstzuwendungsempfängerin auf die Leistung der Beklagten als Zweitzuwendungsempfängerin grundsätzliche keinen Einfluss nehmen kann, sich jedoch etwaige Auflagen- oder Vergabeverstöße der Beklagten im Verhältnis zur Regierung von Niederbayern zurechnen lassen muss, da die Klägerin als federführende Begünstigte gem. Art. 20 Abs. 1 lit. b) VO (EG) Nr. 1080/2006 für die Durchführung des gesamten Vorhabens verantwortlich ist.
(2) Des Weiteren ist vorliegend zu berücksichtigten, dass es sich bei aus EU-Fonds gewährten Finanzmitteln, worunter auch der Europäische Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) fällt, um Beihilfen im Sinne des Art. 107 Abs. 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) handelt.
Zwar sind die Fördermittel aus dem EFRE grundsätzlich Mittel der EU und damit keine „staatlichen“ im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV. Sofern diese Fördermittel jedoch wie hier im Anschluss an eine indikative Aufteilung unter den Mitgliedstaaten für Letztere verfügbar sind, fällt ihre Durchführung, Verwaltung sowie Kontrolle in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten. Auf dieser Basis sind die Mitgliedstaaten sodann befugt, die einzelnen zu finanzierenden Programme nach von ihnen festgelegten Kriterien auszuwählen. Auf der Grundlage dieses Regelwerks kann dann angenommen werden, dass die Strukturfondsmittel den Mitgliedstaaten sowohl zur Verfügung stehen als auch ihnen zurechenbar sind und somit staatliche Mittel im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV darstellen (vgl. Bartosch, EU-Beihilfenrecht, A. Einleitung Rn. 18, beck-online; vgl. in diesem Sinne auch Zuleger EWS 2008, 369, 373f.; Giolito S. 145, 165–167; Pache/Pieper in Birnstiel/Bungenberg/Heinrich 1. Teil AEUV Art. 107 Abs. 1 Rn. 71).
Wenn es sich jedoch wie hier um die Gewährung von EU-Beihilfen handelt, trifft die Mitgliedstaaten die Verpflichtung, an der effektiven Durchsetzung des EU-Rechts mitzuwirken und keine den Zielen der Verträge zuwider laufende Maßnahmen zu treffen. Aufgrund des Effizienzgebots aus Art. 4 Abs. 3 EU-Vertrag (EUV) ist im Fall von dem EU-Recht zuwider laufenden Auflagen- und Vergabeverstößen von einem gesteigerten öffentlichen Rücknahmeinteresse auszugehen, da ohne eine Rücknahme die Erreichung der Ziele der Art. 107 f. AEUV gefährdet wären (vgl. Müller/Richter/Ziekow, Handbuch Zuwendungsrecht, 1. Auflage 2017, C. Rn. 134 m.w.N.). Bei Nicht-Rücknahme der gewährten Zuwendungen würde der jeweilige Mitgliedstaat eine Vertragsverletzung begehen. Der Klägerin ist daher auch insoweit Recht zu geben, dass in diesem Zusammenhang entsprechende Vertrauensgesichtspunkte, Rückforderungsfristen und das der Behörde grundsätzlich nach den Art. 48 ff. BayVwVfG eingeräumte Rücknahme- bzw. Widerrufsermessen zur Wahrung des europäischen Effektivitätsgrundsatzes praktisch vollständig zurücktreten, sodass sich die Beklagte auch im Falle der Weitergabe der Zuwendungen durch Verwaltungsakt nicht darauf hätte berufen können.
b) Die Rückzahlungsklausel aus § 3 Abs. 4 und 5 des zwischen den Parteien am 06./07.08.2009 geschlossenen Produktionsvertrags verstößt zudem auch nicht gegen das Gebot effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG.
Nach Ansicht der erkennenden Kammer wäre der Beklagten nämlich durchaus ein eigenes Klagerecht und damit subjektivrechtlicher Schutz gegen den Rücknahmebescheid der Regierung von Niederbayern vom 04.05.2018 zugestanden, da sich das Behördenhandeln der Regierung von Niederbayern über die Sphäre der Klägerin auch und schlussendlich insbesondere für die Beklagte als Belastung darstellte.
Zwar mag man der Beklagtenseite insoweit Recht geben, als dass die konkret vorliegende Konstellation bisher augenscheinlich noch nicht entschieden wurde (in diese Richtung gehend aber BVerwG, Urteil vom 06. Mai 2015 – 6 C 11/14, das hier eine Klagebefugnis bejahte). Wie der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung aber richtigerweise vortrug, setzt eine Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO nicht notwendigerweise eine Adressatenstellung voraus. Insbesondere nachbarrechtliche und konkurrenzrechtliche Drittklagen sind seit langem anerkannt. Zwar unterscheidet sich die diesen Drittklagen zugrundeliegende Konstellation dadurch, dass bei den nachbar- und konkurrenzrechtlichen Drittklagen der Kläger (Dritte) gegen die Begünstigung eines anderen Privaten vorgeht, die ihn in seinen Interessen beeinträchtigt, während dem streitgegenständlichen Fall die Konstellation zugrunde liegt, dass der Dritte Interessen verfolgt, die denen des Erstbetroffenen parallel gelagert und er sich deshalb gegen eine Belastung des Erstbetroffenen wendet, da sich diese Belastung unmittelbar auch auf ihn auswirkt. Entscheidend in diesen Konstellationen ist, ob die Berücksichtigung der Interessen des Dritten durch das Normprogramm angeordnet ist (vgl. Schoch/Schneider/Bier/Wahl/Schütz, VwGO, § 42 Abs. 2, Rn.336, beck-online).
Dies bejaht die Kammer hinsichtlich der vorliegenden Förderkonstellation und der dieser Konstellation zugrunde liegenden Verordnung (EG) Nr. 1080/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (vgl. insbesondere Art. 14 ff. der VO (EG) Nr. 1080/2006).
(1) Gemäß Art. 14 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1080/2006 nimmt die Bescheinigungsbehörde die Zahlungen der Kommission entgegen und leistet grundsätzlich die Zahlungen an den federführenden Begünstigen. Dieser sog. federführende Begünstige reicht die ihm geleisteten Zahlungen sodann an die sog. „an dem Vorhaben beteiligte Begünstigte“ weiter und legt die Modalitäten für die Beziehungen zwischen ihm und den an dem Vorhaben beteiligten Begünstigten in einer Vereinbarung fest, die insbesondere Bestimmungen, die eine Verwendung der für das Vorhaben bereitgestellten Mittel nach den Grundsätzen der wirtschaftlichen Haushaltsführung gewährleisten, wie auch Modalitäten für die Wiedereinziehung von ohne rechtlichen Grund gezahlten Beträgen enthält (vgl. Art. 20 Abs. 1 lit. a) der Verordnung (EG) Nr. 1080/2006).
Die Rückzahlung von aufgrund von Unregelmäßigkeiten gezahlten Beträgen erfolgt ebenfalls in diesem mehrstufigen Verhältnis. Art. 17 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1080/2006 legt fest, dass die Bescheinigungsbehörde sicherstellt, dass alle aufgrund von Unregelmäßigkeiten gezahlten Beträge bei dem federführenden Begünstigten wieder eingezogen werden. Die Begünstigten erstatten dem federführenden Begünstigten dann die ohne rechtlichen Grund gezahlten Beträge nach den Bestimmungen der zwischen ihnen geschlossenen Vereinbarung.
Gerade aus dieser Norm wird deutlich, dass die Einziehung der Fördermittel durch die Bescheinigungsbehörde, hier also der Regierung von Niederbayern, beim sog. federführenden Begünstigten, hier also der Klägerin, unmittelbar auch Einfluss auf das Verhältnis zwischen federführendem Begünstigten und den weiteren an dem Vorhaben beteiligten Begünstigten, hier also der Beklagten hat. Letzt- und im Endeffekt auch Alleinbetroffene sind insofern jedoch nur die weiteren an dem Vorhaben beteiligten Begünstigten (oder ggf. der jeweilige Mitgliedstaat, s.u.), da die an dem Vorhaben beteiligten Begünstigten, also die Zweitzuwendungsempfänger, gem. Art. 20 Abs. 2 lit. a) der VO (EG) Nr. 1080/2006 die Verantwortung im Fall von Unregelmäßigkeiten der von ihnen gemeldeten Ausgaben tragen und sowohl die Bescheinigungsbehörde, als auch der federführende Begünstigte lediglich eine Art Vermittlungs-, Überwachungs- und Organisationsfunktion einnehmen. Denn selbst, wenn eine Einziehung der zu Unrecht gezahlten Förderbeträge beim Letztbegünstigten aus irgendwelchen Gründen nicht möglich sein sollte, erwächst weder der Bescheinigungsbehörde, noch dem sog. federführenden Begünstigten ein Nachteil, da dann der jeweilige Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet der betreffende Begünstigte seinen Sitz hat, der Bescheinigungsbehörde gegenüber erstattungspflichtig ist (vgl. Art. 17 Abs. 3 VO (EG) Nr. 1080/2006).
An diese eben dargestellten Regelungen der VO (EG) Nr. 1080/2006 angepasst, wurde die Weitergabe der EU-Fördermittel an die Regional-TV-Sender bereits im Bewilligungsbescheid der Regierung von Niederbayern vom 15.06.2009 geregelt (vgl. Nr. 5) und die Zweitzuwendungsempfänger insofern auch in diesen Bescheid miteinbezogen.
(2) Für die Annahme einer Klagebefugnis des Zweitzuwendungsempfängers spricht zudem auch ein Vergleich mit der Nichtigkeitsklage gem. Art. 263 AEUV.
Zur Nichtigkeitsklage gegen einen Beschluss der EU-Kommission ist nach der Rechtsprechung des EUGH auch der Beihilfenempfänger aufgrund unmittelbarer und individueller Betroffenheit befugt, obwohl der Beschluss der Kommission nicht an ihn, sondern den jeweiligen Mitgliedstaat gerichtet ist (vgl. EuGH – Philip Morris/Kommission, 730/89 – Slg 1980, 2671, 2687; EuGH – Cofaz/Kommission, 169/84 – Slg 1986, 391; EuGH – RSV/Kommission, 223/85 – Slg 1987, 4617).
Nach der zweiten Variante des Art. 263 Abs. 4 AEUV kann die Klagebefugnis nämlich auch in einer Fallkonstellation vorliegen, in der eine Handlung nicht an den Kläger, sondern an einen Dritten gerichtet ist. Voraussetzung für die Drittanfechtung ist, dass der Kläger durch die an eine andere Person gerichtete Handlung unmittelbar und individuell betroffen ist. Damit wird Privatpersonen die Möglichkeit eröffnet, gegen Beschlüsse vorzugehen, die zwar an Dritte adressiert sind und deren Rechte und Pflichten festlegen sollten, die jedoch darüber hinaus nachteilige Folgen in Form einer Drittwirkung für den Kläger haben können. Die an Mitgliedstaaten gerichtete Entscheidung kann insoweit eine Doppelnatur aufweisen: Gegenüber dem Adressaten handelt es sich um einen Beschluss. Für den potenziell durch die Vorschrift Betroffenen stellt sie eine Maßnahme mit allgemeiner Wirkung dar, die für objektiv bestimmte Situationen gilt und Rechtswirkungen gegenüber einer allgemein und abstrakt umschriebenen Personengruppe erzeugt (vgl. Groeben, von der /Schwarze/Charlotte Gaitanides AEUV Art. 263 Rn. 78, beck-online).
Eine „Unmittelbare Betroffenheit“ wird in diesen Fällen bejaht, da die Auswirkungen des Beschlusses den Beihilfenempfänger zwangsläufig treffen, da die nationalen Behörden – wie bereits ausgeführt – aufgrund des Effektivitätsgrundsatzes aus Art. 4 Abs. 3 EUV keinen Entscheidungsspielraum bezüglich der Rückforderung haben. Die nationalen Behörden des jeweiligen Mitgliedstaats sind also bei rechtmäßiger Ausführung der an den Mitgliedstaat ergangenen Entscheidung verpflichtet, eine dem Kläger nachteilige Maßnahme zu treffen (vgl. EuGH – Cofaz/Kommission, 169/84 – Slg 1986, 391, mit Anm. Nicolaysen, EuR 1986, 261; EuGH – Dreyfus/Kommission, C-386/96 – Slg 1998, I-2309, Rn 43). Die für die Klagebefugnis geforderte Individualisierung ergibt sich aus der konkreten Rückforderungsaufforderung der mitgliedstaatlichen Behörden.
Eine Abweichung zu vorliegender Konstellation ergibt sich nur dergestalt, dass hier – lässt man den fehlenden Beschluss der Kommission außer Betracht, da sich die Regierung von Niederbayern doch noch von selbst bereit erklärte, die Fördermittel einzuziehen – die Klägerin zwischengeschaltet wurde. Letztendlich unmittelbar betroffene Beihilfeempfängerin ist aber die Beklagte, wobei sich die geforderte Individualisierung aus dem Rückforderungsverlangen der Klägerin i.V. mit dem Rücknahmebescheid der Regierung von Niederbayern vom 04.05.2018 ergibt.
(3) Überdies hatte die Regierung von Niederbayern als Bewilligungsbehörde die Beklagte im gesamten Rücknahmeverfahren meist über die Klägerin, teilweise aber sogar direkt im Rahmen einer Anhörung nach Art. 28 BayVwVfG (vgl. Blatt 43-45 d. Behördenakte), beteiligt, so dass die Beklagte – wie sie auch selbst anerkennt – all ihre Argumente und Einwendungen vollumfänglich vorbringen konnte. Das Gericht erachtet es aber als sinnvoll, wenn die Bewilligungsbehörde in derartigen Konstellationen zukünftig den Zweit- oder Letztzuwendungsempfänger förmlich nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 (analog) oder nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 BayVwVfG beteiligt, auch wenn die Beteiligung an sich noch keine Klagebefugnis begründet (vgl. Kopp/Schenke, § 42 Rn. 72).
c) Aber selbst, wenn man kein eigenes Klagerecht des Beklagten bejahen möchte und nach einer der VO (EG) Nr. 1080/2006 entsprechenden Auslegung der Rückzahlungsklausel zum Ergebnis kommt, dass ein Rückzahlungsanspruch der Klägerin nach § 3 Abs. 4 und 5 ersichtlich nur dann gegeben sein kann, wenn (tatsächlich) Unregelmäßigkeiten vorliegen (vgl. Art. 17 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1080/2006), so ergibt sich nach inzidenter Prüfung nicht anderes. Der dem Rückzahlungsverlangen der Klägerin zugrundeliegende Rücknahmebescheid der Regierung von Niederbayern vom 04.05.2015 war nämlich rechtmäßig.
Die monetären Fehler hinsichtlich der zu viel abgerechneten Projektstunden für den Geschäftsführer und einen Mitarbeiter der Beklagten, sowie der monetäre Fehler für Fahrten mit dem Firmenwagen wurden von der Beklagten bereits im Verwaltungsverfahren anerkannt (vgl. Blatt 112 d. Behördenakte), sodass es streitgegenständlich nur noch um die Rechnungen für freies Personal geht.
Die der Beklagten von der EU-Prüfbehörde im Prüfbericht nach Art. 62 Abs. 1 lit. b) VO (EG) Nr. 1083/2006 i.V.m. Art. 16 VO (EG) Nr. 1828/2006 vorgeworfenen Vergabeverstöße, die darin bestanden, dass die Beklagte für die Rechnungen „freies Personal“ keine Vergleichsangebote eingeholt und keine zulässigen Begründungen für den Verzicht auf Wettbewerb gegeben hatte und aus denen sich insgesamt ein monetärer Fehler in Höhe von 21.042,33 € ergab, waren jedoch auch im gerichtlichen Verfahren nicht zu entkräften.
Die Beklagte war bei der Ausführung des staatlich geförderten Projekts gemäß § 3 des Produktionsvertrags i.V.m. dem Bewilligungsbescheid der Regierung von Niederbayern vom 15.06.2009 und dem Änderungsbescheid vom 11.02.2014 verpflichtet, die geltenden Vergabevorschriften einzuhalten und damit bei der Vergabe der freiberuflichen Leistungen jeweils drei Vergleichsangebote einzuholen bzw. die Wirtschaftlichkeit der Vergabe dazulegen.
Entgegen den Ausführungen der Beklagten im durch die Klägerin an die Regierung von Niederbayern übermittelten Schreiben vom 26.03.2015 und den zunächst vom Geschäftsführer der Beklagten in der mündlichen Verhandlung getroffenen Aussagen, dass für alle externen Dienstleistungen mehrere oder gar fünf Vergleichsangebote eingeholt wurden, fanden sich solche weder in den Akten der Klägerin, noch in den beigezogenen Akten der Regierung von Niederbayern. Das Schreiben der Beklagten vom 21.11.2013 an das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie suggerierte vielmehr, dass gerade keine Vergleichsangebote eingeholt wurden, da darin der Versuch unternommen wurde, einen zulässigen Verzicht auf Wettbewerb mit den Argumenten mangelnder Auswahl und enger gesellschaftlicher Verbundenheit zu begründen. Nach entsprechendem Hinweis in der mündlichen Verhandlung beantragte der Beklagtenvertreter zwar zunächst Schriftsatzfrist, um Vergleichsangebote vorlegen zu können. Im weiteren Verlauf gab der Geschäftsführer der Beklagten jedoch an, nicht schriftlich gefragt, sich aber wohl telefonisch erkundigt zu haben, ob diese Leistungen angeboten werden können (vgl. Protokoll der mündlichen Verhandlung).
Dieses Vorgehen genügt den Anforderungen an die Vergabevorschriften jedoch nicht. Diesbezügliche Erkenntnisse oder Erwägungen müssen nämlich im Einzelnen nachprüfbar dokumentiert und können nicht lediglich anlässlich einer nachträglichen Überprüfung pauschal behauptet werden (vgl. BayVGH, Beschluss vom 22.05.2017 – 4 ZB 16.577, Rn. 15). Außerdem obliegt die Darlegung konkreter Ausnahmegründe, die einen Verzicht auf Wettbewerb rechtfertigen können, der nach den Vergaberichtlinien verpflichteten Stelle, hier also der Beklagten. Kommt sie dieser Obliegenheit nicht nach, ist vom Regelfall der Verpflichtung zur Einholung und Vorlage von drei Vergleichsangebote auszugehen, ohne dass es im Verwaltungsverfahren oder in einem späteren gerichtlichen Verfahren einer weiteren Sachaufklärung oder gar Beweiserhebung bedarf (vgl. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, B. v. 22. Mai 2017 – 4 ZB 16.577 –, Rn. 15 und B.v. 22.10.2014 – 4 ZB 14.1260 – BeckRS 2014, 58940). Aus den von der Beklagten eingereichten Unterlagen ließen sich aber weder eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung mit plausiblen Kostenabschätzungen noch sonstige einzelfallbezogene und tragende Erwägungen entnehmen, die den Verzicht auf Wettbewerb gerechtfertigt hätte. Die pauschale Behauptung der mangelnden Auswahl in der Umgebung, der langjährigen Zusammenarbeit und engen gesellschaftlichen Verbundenheit, allgemeine Floskeln wie „die einzig praktikable und vor allem wirtschaftlich sinnvollste Lösung“ und Schreiben des von der Beklagten beauftragten freien Personals, die mitteilen, dass sie der Beklagten Sonderpreise gewährt hätten (vgl. Band 2 – Prüfung EU/Pd der beigezogenen Akten der Regierung von Niederbayern), reichen hierfür jedenfalls nicht aus. Zwar mag man der Beklagten hinsichtlich der Vergabeverstöße kein vorsätzliches Handeln vorwerfen können. Eines vorsätzlich oder grob fahrlässigen Handelns bedarf es für die Annahme eines schweren Vergabeverstoßes aber nicht (vgl. BayVGH, B.v. 18.2.2010 – 4 ZB 09.943 –Rn. 8; VG München, U.v. 13.3.2014 – M 15 K 12.6087 – Rn. 37); insoweit reicht allein die Tatsache einer ungerechtfertigten Einschränkung des Wettbewerbs aus.
Damit ist nicht zu beanstanden, dass sowohl die EU-Prüfbehörde als auch die Regierung von Niederbayern von einem schweren Verstoß gegen Vergaberecht durch die Beklagte ausgegangen ist (vgl. auch Richtlinien des Bayerischen Staatsministerium der Finanzen zur Rückforderung von Zuwendungen bei schweren Vergabeverstößen vom 23. November 2006 – Nr. 11 – H 1360 – 001 – 44571/06) und infolgedessen nach den Leitlinien der Europäischen Kommission vom 29.11.2007 für die Festsetzung der Finanzkorrekturen, die bei Verstößen gegen die Vorschriften für die öffentliche Auftragsvergabe auf durch die Strukturfonds und den Kohäsionsfonds kofinanzierte Ausgaben anzuwenden sind, ermessensgerecht einen Teilwiderruf der ausbezahlten Zuwendung in Höhe von 25% sowie eine entsprechende Verzinsung der Rückerstattung angeordnet hat (vgl. Ziffer 2. und 3. des Bescheids der Regierung von Niederbayern vom 04.05.2015).
2. Der von der Klägerin geltend gemachte Betrag von insgesamt 24.794,88 € ist auch der Höhe nach begründet.
Dieser setzt sich aus dem auf die Beklagte entfallenden von der Klägerin an die Regierung von Niederbayern zurück zu gewährenden Betrag in Höhe von 21.042,33 € (vgl. die an den Rücknahmebescheid vom 04.05.2015 angehängte Gesamtaufstellung, Blatt 128 d. Behördenakte) und aus dem auf die Beklagte entfallende Zinsanteil in Höhe von 3.752,55 € zusammen.
Gemäß § 3 Abs. 5 des Produktionsvertrags hat die Beklagte den anteiligen Rückzahlungsanspruch in Höhe von 6 v. H. p. a. zu verzinsen, wobei der Betrag in Höhe von 21.042,33 € aufgrund der erstmaligen Geltendmachung der Klägerin mit Schreiben vom 28.05.2015 seit dem 01.06.2018 zu verzinsen ist (vgl. Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BayVwZVG) und der Betrag in Höhe von 3.752, 55 € aufgrund der erstmaligen Geltendmachung der Klägerin mit Schreiben vom 03.03.2016 seit dem 07.03.2016 zu verzinsen ist (vgl. Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BayVwZVG).
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Regensburg zu stellen (Hausanschrift: Haidplatz 1, 93047 Regensburg; Postfachanschrift: Postfach 110165, 93014 Regensburg).
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist; die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof einzureichen (Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 340148, 80098 München).
Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn 1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, 2. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, 3. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, 4. das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 5. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Allen Schriftsätzen sollen jeweils 4 Abschriften beigefügt werden.
Hinweis auf Vertretungszwang: Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich alle Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt bereits für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird, die aber noch beim Verwaltungsgericht vorgenommen werden. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder die anderen in § 67 Absatz 2 Satz 1 und Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts können sich auch durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt vertreten lassen; Einzelheiten ergeben sich aus § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 24.794,88 Euro festgesetzt.
Gründe:
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,- EUR übersteigt, oder wenn die Beschwerde zugelassen wurde.
Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Regensburg einzulegen (Hausanschrift: Haidplatz 1, 93047 Regensburg; Postfachanschrift: Postfach 110165, 93014 Regensburg). Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Allen Schriftsätzen sollen jeweils 4 Abschriften beigefügt werden


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