Europarecht

Rückgabe behördlich weggenommener Tiere

Aktenzeichen  W 8 E 20.153

Datum:
21.2.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 4076
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5, § 123
BGB § 985

 

Leitsatz

Tenor

I. Frau A… F…, … … … … …, und Herr J… K… … … … … …, werden zum Verfahren beigeladen.
II. Der Antrag wird abgelehnt mit der Maßgabe, dass das Landratsamt Rhön-Grabfeld vor der endgültigen Veräußerung der Tiere, soweit diese im Eigentum des Antragstellers stehen, eine entsprechende Duldungsanordnung gegenüber dem Antragsteller erlässt.
III. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
IV. Der Streitwert wird wie folgt festgesetzt: vor der Abtrennung des Verfahrens W 8 S 20.311 auf 5.000,00 EUR, nach der Abtrennung für das gegenständliche Verfahren endgültig auf 2.500,00 EUR.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt vom Antragsgegner (vertreten durch das Landratsamt Rhön-Grabfeld) im Wege der einstweiligen Anordnung die Herausgabe von 47 Katzen und die Untersagung von deren Veräußerung.
1. Der Antragsgegner untersagte – unter anderem bezogen auf die streitgegenständlichen Katzen – der Ehefrau des Antragstellers als Halterin mit Bescheid vom 18. Dezember 2019 das Halten und Betreuen von Tieren und ordnete die sofortige Wegnahme und anderweitige pflegliche Unterbringung sowie die Vermittlung des Tierbestands nach Erlass einer Veräußerungsanordnung, die einem oder mehreren gesonderten Bescheiden vorbehalten bleibt, an. Am 19. Dezember 2019 wurden sämtliche Tiere weggenommen und anderweitig pfleglich untergebracht. Ein dagegen angestrengtes Sofortverfahren seitens der Ehefrau des Antragstellers blieb erfolglos (siehe VG Würzburg, B.v. 6.2.2020 – W 8 S 19.1689). Gegen diesen Beschluss legten sowohl die Ehefrau als auch der beigeladene Antragsteller beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof Beschwerde ein. Über die Klage im Verfahren W 8 K 19.1688 wurde noch nicht entschieden.
2. Mit Schriftsatz vom 17. Januar 2020, bei Gericht eingegangen am 23. Januar 2020, ließ der Antragsteller den Erlass einer Sicherungsanordnung beantragen und stellte – nach zwischenzeitiger hilfsweiser Antragstellung (s. Schriftsatz vom 18. Februar 2020) – mit Schriftsatz vom 20. Februar 2020 zuletzt folgenden Antrag:
1. „Der Antragsgegnerin“ (richtig: Dem Antragsgegner) wird aufgegeben, nachfolgende in Ziffer 2.) des Bescheids „der Antragsgegnerin“ vom 18. Dezember 2019 (Az. …) – Anlage A 6 – aufgeführten Tiere, konkretisiert und festgehalten in der E-Mailnachricht des Veterinäramtes „der Antragsgegnerin“ vom 2. Januar 2020 (vgl. Anlage A 9) an den Antragsteller herauszugeben:
a) 47 Katzen aus dem Tierbestand, gehalten im Neubau des Anwesens K. … in S. (weggenommen von „der Antragsgegnerin“ am 19. Dezember 2019).“
2. „Die Antragsgegnerin“ hat es zu unterlassen, die unter a) bis f) des Antrages 1.) gelisteten Tiere an Dritte zu veräußern.“
Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen: Der Antragsteller sei Eigentümer der im Antrag Ziffer 1.) a) bezeichneten Katzen. Mit Schriftsatz vom 29. September 2016 sei dem Antragsgegner die Übertragung der Katzen an den Antragsteller angezeigt worden. Er habe die Räumlichkeiten im Anwesen K. … in S. im Neubau Erdgeschoss und 1. Stock angemietet. Die regelmäßige Betreuung und Pflege der im Neubau befindlichen Katzen werde durch seine Ehefrau, Frau A.F., deren Partner, Herr J.K., und den Mieter Herrn A.S. und bei Bedarf durch weitere Hilfspersonen sichergestellt. Der Antragsteller habe die Tiere in der angemieteten Haltungseinheit regelmäßig besucht und sich einen Überblick über die ordnungsgemäße Versorgung und Haltung der Tiere verschafft. Gegenüber dem Antragsteller als Eigentümer und Halter der oben genannten Tiere sei im Verwaltungsrechtsweg keine wirksame Anordnung ergangen. Der Antragsgegner sei aufgefordert worden, die im Eigentum und Besitz des Antragstellers stehenden Tiere an diesen herauszugeben und zurückzuführen bis spätestens zum 31. Dezember 2019. Vorliegend sei das Vorgehen des Antragsgegners zivilrechtlich als Besitzstörung und verbotene Eigenmacht zu werten. Gegenüber dem Antragsteller liege kein wirksamer Wegnahmeakt vor. Tierschutzrechtliche Beschränkungen seien dem Antragsteller gegenüber nicht ausgesprochen worden. Der Antragsgegner habe in Ziffer 2.) des Bescheides bereits den kurzfristig nachfolgenden Erlass einer Veräußerungsanordnung angekündigt und auch in Ziffer 2.) Satz 2 des Bescheides im Rahmen des Sofort-Vollzuges ausgesprochen. Vor diesem Hintergrund sei eine unmittelbare und zeitnahe Veräußerung der im Besitz und Eigentum des Antragstellers stehenden Tiere zu befürchten und zu besorgen. Im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes könne der Antragsteller hier durch das Unterlassungsgebot schnellen und effektiven Rechtsschutz sicherstellen, da zu befürchten sei, dass Dritte unter Angaben falscher Tatsachen des Antragsgegners gutgläubig Eigentum an den Tieren erwerben, die im Eigentum des Antragstellers stehen. Im Juli 2019 sei aufgrund einer Beschwerde aus der Bevölkerung eine Kontrolle erfolgt. In Bezug auf die Katzenhaltung im Alt- und Neubau seien anlässlich der unangekündigten Kontrolle vom 2. Juli 2019 keine Beanstandungen erfolgt. Das Veterinäramt habe in Kenntnis der Anzahl der Katzen im Anwesen K. … (Alt- und Neubau) über lange Zeit hinweg keinerlei Handlungsbedarf gesehen, so dass das rechtliche Vorgehen im Rahmen des Bescheids vom 18. Dezember 2019 insbesondere in Bezug auf die Katzenhaltung im Rahmen der zwei Haltungseinrichtungen erkennbar konstruiert sei. Die alten und teilweise chronisch kranken Tiere würden dringend ihre gewohnte Umgebung benötigen. Effektiver Rechtsschutz könne nur durch Herausgabe der Tiere erreicht werden. Der Antragsteller habe inzwischen für die Adresse K. … in S. seinen Zweitwohnsitz angemeldet.
Auf die Schriftsätze vom 5. und 18. Februar 2020 wird Bezug genommen. In diesen wird u.a. ausgeführt, eine Duldungsverfügung gegenüber dem Antragsteller liege nicht vor. Es habe seit dem Jahr 2016 in Bezug auf die Tierhaltung im Anwesen K. … keine Beanstandung wegen der vorhandenen Tierhaltung bis zum 2. Juli 2019 gegeben. Erst auf der Grundlage eines Stimmungswechsels durch den öffentlichen Druck aus der Nachbarschaft und über die Behörden, die die zahlreichen Beschwerden entgegengenommen hätten, sei es zu einem durch den öffentlichen Druck motivierten Umschwenken des Antragsgegners gekommen. Das zwingend notwendige Sicherstellungsverzeichnis sei weder dem Antragsteller noch Frau A.F. ausgehändigt worden, so dass ihnen rein faktisch die Möglichkeit genommen werde, den aktenkundigen amtstierärztlichen Stellungnahmen unter Berücksichtigung des Anspruchs auf rechtliches Gehör entgegentreten zu können. Vor diesem Hintergrund seien die tierärztlichen Bestätigungen und amtstierärztlichen Stellungnahmen in Bezug auf einzelne Katzen nicht verwertbar, da gegen das rechtliche Gehör und gegen das Gebot der Waffengleichheit und damit auch gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens verstoßen werde. Am Tag der Wegnahme 19. Dezember 2019 seien die Informationen von Frau A.F., die in der Akte nur rudimentär erkennbar seien, nicht an die Tierheime weitergegeben worden. Die überwiegende Anzahl der Lichtbildaufnahmen habe keinen Informationsgehalt. Ziel des Vorgehens der Amtstierärzte sei es gewesen, auf dieser Grundlage eine Vernachlässigung der Tiere im Rahmen der folgenden Stellungnahmen zu zeichnen. Der pauschale Vorwurf wiederholter und grober bzw. gravierender Verstöße sei erkennbar konstruiert.
Der Antragsgegner beantragte mit Schriftsatz vom 29. Januar 2020, den Antrag auf einstweilige Anordnung nach § 123 VwGO abzulehnen.
Zur Begründung der Antragserwiderung ist im Wesentlichen ausgeführt: Die Nummer 1 des Antrags nach § 123 VwGO entspreche nicht dem Wesen und dem Zweck der einstweiligen Anordnung bzw. der Vorläufigkeit der Regelung und sei somit grundsätzlich ausgeschlossen, da hierdurch eine Regelung getroffen würde, die auf eine Vorwegnahme der Hauptsache hinauslaufe und daher mit dem Wesen einer einstweiligen Anordnung nicht vereinbar sei. Zum Zeitpunkt der tierschutzrechtlichen Kontrolle am 29. November 2019 sei Frau F. tatsächliche Halterin aller auf ihrem Anwesen befindlichen Tiere gewesen. Aufgrund der festgestellten erheblichen Verstöße gegen das Tierschutzgesetz sei ihr gegenüber im Bescheid des Landratsamtes Rhön-Grabfeld vom 18. Dezember 2019 die Wegnahme und anderweitige Unterbringung der Tiere anzuordnen gewesen. Der Antragsgegner sehe die Katzen- bzw. Tierhaltung auf dem Grundstück K. … in S. unabhängig von den dortigen Miet- und Tiereigentumsverhältnissen nach wie vor als Haltungseinheit an. Der Antragsteller als Eigentümer der in Rede stehenden Katzen sei zum Zeitpunkt der Wegnahme und anderweitigen Unterbringung kein Tierhalter i.S.d. Tierschutzgesetzes gewesen. Maßgebend für das notwendige Einschreiten des Landratsamtes seien die tierschutzwidrigen Zustände auf dem v.g. Anwesen von Frau F. gewesen. Die Hauptverantwortung für die über 200 dort gehaltenen Tiere habe bei ihr gelegen, auch wenn die im Neubau befindlichen Katzen im Eigentum des Antragstellers stehen mögen. Dass für die Tiere auf dem Anwesen und bezogen auf deren Wohl alles andere als eine tierschutzkonforme Haltung vorgelegen habe, belege die Stellungnahme des Veterinäramtes vom 23. Januar 2020. Eine Vielzahl der Tiere sei in der Pflege erheblich vernachlässigt gewesen und habe sich in einem schlechten gesundheitlichen Zustand befunden. Es werde im weiteren Verwaltungsverfahren zu prüfen sein, ob und unter welchen Umständen von den streitgegenständlichen Tieren überhaupt welche an den Antragsteller unter Berücksichtigung der tierschutzrechtlichen Bestimmungen herausgegeben werden könnten. Dass dem Antragsteller trotz regelmäßiger Besuche die tierschutzwidrigen Zustände hinsichtlich der ordnungsgemäßen Pflege und Versorgung seiner Tiere nicht aufgefallen seien, zeuge von einem nicht unerheblichen Defizit an notwendigen und erforderlichen Kenntnissen und Fähigkeiten, eine ordnungsgemäße Kontrolle i.S.d. Tierschutzgesetzes zur organisieren. Bezüglich der Nummer 2 des Antrags auf einstweilige Anordnung fehle dem Antragsteller das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Der Antragsgegner habe in der Nummer 2 des Bescheides vom 18. Dezember 2019 eindeutig festgelegt, dass die Tiere erst nach Erlass gesonderter Veräußerungsanordnungen an Dritte vermittelt würden. Es werde kein Tier endgültig an Dritte veräußert, bevor der Antragsteller als Eigentümer der in Rede stehenden Katzen angehört und dahingehend eine formelle Veräußerungsanordnung durch das Landratsamt Rhön-Grabfeld erlassen worden sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte (einschließlich der Akte des Hauptsacheverfahrens W 8 K 20.146) sowie die Akten betreffend die Ehefrau des Antragstellers W 8 K 19.1688 bzw. W 8 S 19.1689 sowie die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.
II.
1. Die Beiladungen unter Nr. I des Beschlusses beruhen auf § 65 VwGO.
2. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat keinen Erfolg.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern, oder aus anderen Gründen nötig erscheint (Regelungsanordnung).
Das Gericht entscheidet nach eigenem Ermessen, ob und mit welchem Inhalt es eine einstweilige Anordnung erlässt. Die von der Entscheidung betroffenen öffentlichen und privaten Interessen müssen gegeneinander abgewogen werden. In die Abwägung sind grundsätzlich einzustellen die Bedeutung und die Dringlichkeit des infrage stehenden Anspruchs der Antragstellerin sowie die Zumutbarkeit, eine Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten, das Maß einer eventuellen Gefährdung öffentlicher Interessen oder schutzwürdiger Interessen Dritter und die Frage, ob die durch die Anordnung möglicherweise entstehende Nachteile für die Allgemeinheit, den Antragsteller oder für Dritte von Auflagen abhängig gemacht werden können. Außerdem sind, soweit sie sich übersehen lassen, auch die Erfolgsaussichten in einem zu erwartenden Hauptsacheverfahren zu berücksichtigen.
Eine einstweilige Anordnung ist zu treffen, wenn aufgrund einer im Verfahren des Eilrechtsschutzes lediglich vorzunehmenden summarischen Prüfung ein Anordnungsgrund, also ein Grund für die erhöhte Eilbedürftigkeit der Entscheidung, besteht und eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für das Bestehen eines Anordnungsanspruchs glaubhaft gemacht wird (vgl. § 920 ZPO i.V.m. § 123 Abs. 3 VwGO).
Vorliegend besteht die Besonderheit, dass der Antragsteller mit der einstweiligen Anordnung vorläufig das Gleiche begehrt, wie er im Wesentlichen auch im Hauptsacheverfahren begehrt, und zwar die Herausgabe der streitgegenständlichen Tiere. Damit begehrt der Antragsteller eine Vorwegnahme der Hauptsache, was grundsätzlich dem Wesen und dem Zweck der einstweiligen Anordnung widerspricht. Im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung kann das Gericht grundsätzlich nur vorläufige Regelungen treffen und einem Antragsteller nicht schon in vollem Umfang, wenn auch nur unter Vorbehalt einer neuen Entscheidung der Hauptsache, das gewähren, was er nur in einem Hauptsacheprozess erreichen könnte. Im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG, welcher einen effektiven Rechtsschutz gewährleistet, ist eine Vorwegnahme der Hauptsache im Eilverfahren ausnahmsweise dann zulässig, wenn dies im Interesse des Rechtsschutzes erforderlich ist und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit auch für einen Erfolg im Hauptsachverfahren spricht (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl. 2018, § 123 Rn. 13 f.).
Gemessen an diesen strengen Voraussetzungen hat die Sache keinen Erfolg.
1. In Bezug auf den Antrag auf vorläufige Herausgabe der Katzen ist vorliegend mangels einer besonderen Dringlichkeit schon kein Anordnungsgrund gegeben.
Eine besondere Dringlichkeit hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht. Die geltend gemachte Gefahr des gutgläubigen Eigentumserwerbs Dritter an den Tieren besteht nicht. Der Antragsgegner hat im Schriftsatz vom 29. Januar 2020 insoweit ausdrücklich erklärt, dass kein Tier endgültig an Dritte veräußert wird, bevor der Antragsteller als Eigentümer angehört und dahingehend eine – selbständig angreifbare – formelle Veräußerungsanordnung durch das Landratsamt Rhön-Grabfeld erlassen worden ist. Entsprechend ist im Übrigen bereits in Nr. 2 des Bescheids des Landratsamts Rhön-Grabfeld vom 18. Dezember 2019 geregelt, dass die Tiere (erst) nach Erlass einer Veräußerungsanordnung, die einem oder mehreren gesonderten Bescheiden vorbehalten bleibt, vermittelt werden. Auch sonst ist nichts ersichtlich, das ein Abwarten bis zur Hauptsacheentscheidung unzumutbar erscheinen lässt. Alle Kosten für die pflegliche Unterbringung der Tiere einschließlich der tierärztlichen Behandlungskosten werden derzeit gegenüber dem Antragsgegner in Rechnung gestellt, die Kosten der anderweitigen pfleglichen Unterbringung wurden in den Nrn. 2 und 6 des Bescheids des Landratsamtes Rhön-Grabfeld vom 18. Dezember 2019 gegenüber Frau F. und nicht gegenüber dem Antragsteller festgesetzt. Ferner fällt der mögliche Umstand, dass sich die Tiere vom Antragsteller entwöhnen könnten, schon deshalb rechtlich nicht ins Gewicht, weil die Tiere, wie im Verfahren der Lebensgefährtin des Antragstellers festgestellt wurde (siehe VG Würzburg, B.v. 6.2.2020 – W 8 S 19.1689), über längere Zeit tierschutzwidrig gehalten wurden.
Des Weiteren ist es dem Antragsteller auch nicht gelungen, einen Anordnungsanspruch glaubhaft zu machen.
Materielle Grundlage für einen Anspruch des Antragstellers auf Rückgabe der weggenommenen Tiere könnte der allgemeine Folgenbeseitigungsanspruch sein. Notwendige Voraussetzungen für den aus den Grundrechten und dem Rechtstaatsprinzip herzuleitenden öffentlich-rechtlichen Folgenbeseitigungsanspruch sind, dass durch die Vollziehung ein fortdauernd rechtswidriger Zustand herbeigeführt worden ist und die Folgenbeseitigung rechtlich und tatsächlich möglich ist. Der Antragsteller verlangt die Herausgabe als Eigentümer der Tiere (vgl. § 985 BGB). Am Vorliegen der genannten Voraussetzungen bestehen erhebliche Zweifel.
Vorliegend beruhen die Wegnahme und anderweitige Unterbringung der Tiere auf dem gegen die Ehefrau des Antragstellers als Halterin der Tiere gerichteten Bescheid des Landratsamts Rhön-Grabfeld vom 18. Dezember 2019. Die Wegnahme von Tieren kann nur gegenüber dem Halter als Inhaber der tatsächlichen Gewalt über das Tier angeordnet werden, vgl. § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 TierSchG. Der Sache nach handelt es sich bei der Wegnahme und anderweitigen Unterbringung um eine besondere tierschutzrechtliche Maßnahme der Verwaltungsvollstreckung in der Form der Anwendung unmittelbaren Zwangs (VG Bayreuth, B.v. 11.12.2013 – B 1 E 13.384 – juris Rn. 17; BVerwG, U.v. 7.8.2008 – 7 C 7/08 – juris). Eine Duldungsanordnung wurde gegenüber dem Antragsteller nicht erlassen.
Es ist aber zu erwägen, dass einer Rückgabe der Tiere an den Antragsteller tierschutzrechtliche Einwände entgegenstehen könnten. Denn wie in den Verfahren gegen die Ehefrau (vgl. VG Würzburg, B.v. 6.2.2020 – W 8 S 19.1689) ausgeführt, waren die Tiere bei der Ehefrau des Antragstellers unter tierschutzwidrigen Umständen untergebracht und versorgt, worauf dieser auch die Haltung und Betreuung der Tiere einschließlich der Haltung von Tieren für diese durch eine andere Person untersagt wurde. Darüber hinaus hat der Antragsteller als Eigentümer der streitgegenständlichen Katzen trotz regelmäßiger Besuche der Haltungseinheit nichts Durchgreifendes unternommen, um die tierschutzwidrigen Zustände und die tierschutzwidrige Behandlung zu unterbinden. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die in den verschiedenen Verfahren geäußerte Meinung des Antragstellers und seiner Lebensgefährtin, dass sie die Tiere ordnungsgemäß gehalten hätten, nicht geeignet ist, die fachlich kompetente Beurteilung der Tierhaltung durch die Amtstierärzte in Frage zu stellen. Ebenso wenig ist das Vorbringen, die tierärztlichen Stellungnahmen seien wegen Verstoßes gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens teilweise nicht verwertbar und der pauschale Vorwurf wiederholter und grober bzw. gravierender Verstöße sei erkennbar konstruiert und durch den öffentlichen Druck aus der Nachbarschaft bedingt, geeignet, begründete Zweifel an der vorrangigen Beurteilungskompetenz der beamteten Tierärzte hervorzurufen. In diesem Zusammenhang wird auf die Ausführungen des Gerichts in seinem Beschluss vom 6. Februar 2020 im Verfahren der Ehefrau W 8 S 19.1689 Bezug genommen. Bei einer Rückgabe der Katzen an den Antragsteller müsste aber eine mangelfreie Tierhaltung gewährleistet sein, die den Anforderungen des § 2 TierSchG gerecht wird. Insoweit hat der Antragsteller keine belastbaren und konkreten Angaben über das etwaige Vorhandensein einer geeigneten Unterbringungsmöglichkeit gemacht und auch nicht erklärt, wie er in der Folgezeit eine artgerechte Unterbringung und Versorgung der Tiere – ohne Mitwirkung seiner Ehefrau – gewährleisten können will (vgl. BayVGH, B.v. 21.4.2016 – 9 CS 16.539 – KommunalPraxis BY 2016, 309 – juris; Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, 3. Aufl. 2016, § 16a Rn. 34, 38). Die zwischenzeitliche Anmeldung seines Zweitwohnsitzes für die Adresse K. … in S. genügt insoweit nicht. Dies gilt umso mehr, als die Einlassungen des Antragstellers seine Uneinsichtigkeit in Bezug auf die tierschutzrechtlichen Missstände deutlich zum Ausdruck bringen. Eine hinreichend verfestigte Stabilisierung tierschutzgerechter Haltungsbedingungen müsste gewährleistet sein (vgl. OVG NRW, B.v. 19.1.2009 – 20 B 1748/08 – juris; vgl. auch VG Karlsruhe, B.v. 5.5.2008 – 11 K 645/08 – juris). Bei Herausgabe wäre zu befürchten, dass die Tiere erneut unter tierschutzwidrigen Bedingungen gehalten würden wie vor der Wegnahme. Unter diesen Vorzeichen steht einer Rückgabe der Tiere der Grundsatz von Treu und Glauben entgegen (VG Bayreuth, B.v. 11.12.2013 – B 1 E 13.384 – juris; vgl. auch VG Aachen, B.v. 9.3.2009 – 6 L 14/09 – juris).
Im vorliegenden Eilverfahren ist weiter anzumerken, dass auch eine Abwägung der gegenseitigen Interessen vorliegend kein Überwiegen der privaten Interessen des Antragstellers an der sofortigen Rückgabe der Tiere an ihn über die öffentlichen Interessen, namentlich des Tierschutzes, ergibt. Das besondere öffentliche Interesse zeigt sich schon in den Gründen, die zur Anordnung der Wegnahme der Tiere geführt haben (vgl. dazu VG Würzburg, B.v. 6.2.2020 – W 8 S 19.1689). Die dagegenstehenden möglichen ideellen und wirtschaftlichen Interessen des Antragstellers müssen zurücktreten. Das öffentliche Interesse an einer art- und verhaltensgerechten Haltung, Pflege und Versorgung der Tiere überwiegt das private Interesse des Antragstellers an einer sofortigen Rückgabe und an einer uneingeschränkten Ausübung seines (eventuellen) Eigentums. Demgegenüber hat der Antragsteller kein triftiges Interesse vorgebracht, dass der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht abgewartet werden könnte. Der Antragsteller hat – wie schon ausgeführt – nicht glaubhaft gemacht, dass eine sofortige Versorgung der Tiere durch ihn zu erwarten ist. Selbst emotionale Bindungen rechtfertigen keinen Verstoß gegen tierschutzrechtliche Vorschriften. Nach dem Zweck des Tierschutzgesetzes liegt es im öffentlichen Interesse, Leben und Wohlbefinden der Tiere aus der Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf zu schützen (§ 1 Satz 1 TierSchG). Wer ein Tier hält, muss es seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen (§ 2 Nr. 1 TierSchG). Weiterhin dürfen ihm keine Schmerzen oder vermeidbaren Leiden oder Schäden zugefügt werden. Diese Schutzzwecke stehen angesichts des hohen Stellenwerts, den der Gesetzgeber dem Tierschutz beimisst, nicht zur Disposition. Vorliegend bestehen erhebliche Zweifel, dass bei einer sofortigen Rückgabe der Tiere eine den Anforderungen des § 2 TierSchG entsprechende Haltung durch den Antragsteller allein sichergestellt werden kann, zumal er auf dem bisherigen Anwesen der Katzenhaltung nur mit Zweiwohnsitz gemeldet ist und dort seine Ehefrau lebt, der die Haltung ebenso wie die Betreuung von Tieren auf ihrem Anwesen – auch durch eine andere Person – wegen tierschutzrechtlicher Unzuverlässigkeit untersagt wurde. Der Antragsteller hat bisher nicht dargetan, wie und wo er eine tierschutzgerechte Haltung der Tiere bewerkstelligen will. Ebenso hat er bisher nicht dargelegt, wie vermieden werden soll, dass die mit einem Halte- und Betreuungsverbot belegte Ehefrau Zugriff auf die Tiere hat. Hingegen werden die Tiere zurzeit tierschutzgerecht gehalten und betreut. Dabei kann und muss es bei Abwägung der wechselseitigen Interessen jedenfalls bis zu einer Entscheidung Hauptsache vorläufig bleiben (vgl. zum Ganzen Schleswig-Holsteinisches VG, B.v. 4.8.2017 – 1 B 104/17 – juris; B.v. 2.12.2013 – 1 B 99/13 – juris; BayVGH, B.v. 21.4.2016 – 9 CS 16.539 – KommunalPraxis BY 2016, 309 – juris; VG München, B.v. 21.10.2009 – M 18 SE 09.3664 – juris; U.v. 29.10.2008 – M 18 K 08.1681 – juris; OVG Lüneburg, B.v. 3.8.2009 – 11 ME 187/09 – NdsVBl. 2009, 349; VG Aachen, B.v. 9.3.2009 – 6 L 14/09 – juris; OVG NRW, B.v. 12.1.2009 – 20 B 1748/08 – juris).
Nach alledem konnte der Antrag im vorliegenden Eilverfahren keinen Erfolg haben.
2. Der Antrag auf vorläufige Unterlassung der Veräußerung der Tiere hat bei Beachtung der im Tenor niedergelegten Maßgabe ebenfalls keinen Erfolg.
Das vom Antragsteller geltend gemachte Eigentum an den streitgegenständlichen Tieren steht grundsätzlich einer Veräußerungsanordnung nicht entgegen. Denn wie oben bereits aufgezeigt hat der Antragsteller bislang nicht dargetan, dass er sowohl willens als auch in der Lage ist, eine den Anforderungen des § 2 entsprechende Ernährung, Pflege und Unterbringung der Tiere sicherzustellen (vgl. Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, 3. Aufl. 2016, § 16a Rn. 34 mit Hinweis auf VG Augsburg, U.v. 25.2.2011 – Au 2 K 9.988). Im Fall der Eigentümerstellung eines Dritten ist dann jedoch eine entsprechende Duldungsanordnung gegenüber dem Eigentümer erforderlich (Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, 3. Auflage 2016, § 16a Rn. 34).
Nach Nr. 2 des an die Ehefrau des Antragstellers gerichteten Bescheids des Landratsamts Rhön-Grabfeld vom 18. Dezember 2019 werden die Tiere nach Erlass einer Veräußerungsanordnung, die einem oder mehreren gesonderten Bescheiden vorbehalten bleibt, vermittelt. Der Antragsgegner hat in seinem Schriftsatz vom 29. Januar 2020 erklärt, es werde kein Tier endgültig an Dritte veräußert, bevor der Antragsteller als Eigentümer der in Rede stehenden Katzen angehört und dahingehend eine formelle – und auf dem Verwaltungsrechtsweg selbständig angreifbare – Veräußerungsanordnung durch das Landratsamt erlassen wurde. Das Gericht geht davon aus, dass diese Äußerung auch auf den Erlass einer Duldungsverfügung gegenüber den Antragsteller umfasst.
Aus Sicht des Gerichts ist deshalb die im Tenor niedergelegte Maßgabe im vorliegenden Fall notwendig, aber auch ausreichend, um den Interessen des Antragstellers Rechnung zu tragen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Ablehnung des Antrages mit der oben genannten Maßgabe stellt kein Obsiegen des Antragstellers dar, das zu einer Kostenteilung Anlass geben könnte (§ 155 Abs. 1 Satz 2 und 3 VwGO).
4. Die Streitwertfestsetzung richtet sich nach § 52 Abs. 1 und Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 63 Abs. 2 GKG. Abgesehen davon, dass dem Gericht Angaben zum gegenwärtigen Wert der streitgegenständlichen Tiere nicht vorliegen, geht es dem Antragsteller offensichtlich nicht allein um das wirtschaftliche Interesse, sondern auch um ein darüber hinausgehendes ideelles Interesse an den Tieren. Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte geht das Gericht daher für das streitgegenständliche Begehren vom Auffangwert von 5.000,00 EUR aus, der nach Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes üblicherweise zu halbieren ist, so dass nach der Abtrennung des Verfahrens W 8 S 20.311 im gegenständlichen Verfahren ein Streitwert von 2.500,00 EUR festzusetzen war. Das später hinzugekommene und dann abgetrennte Begehren des Verfahrens W 8 S 20.311 war entsprechend in gleicher Höhe zu bewerten, so dass vor der Abtrennung ein Wert von 2 x 5.000,00 EUR (10.000,00 EUR), halbiert im Sofortverfahren 5.000,00 EUR anzusetzen war.


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