Europarecht

Ruhen des Versorgungsanspruchs bei Kapitalbetragszahlungen durch über- oder zwischenstaatliche Stellen

Aktenzeichen  14 B 18.1276

Datum:
13.8.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 19782
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BeamtVG § 56 Abs. 1 S. 3, Abs. 3 S. 1
BeamtVG 2001 § 69c Abs. 5 S. 2
VwVfG § 48, § 49, § 51
AEUV Art. 157
DNeuG Art. 17 Art. 4
VwGO § 67 Abs. 4 S. 4, § 132 Abs. 2 Nr. 1, § 139
RDGEG § 3, § 5

 

Leitsatz

Im Anwendungsbereich der von § 69c Abs. 5 Satz 2 BeamtVG (in der bis 27.3.2008 geltenden Fassung) vorgeschriebenen Vergleichsrechnung ist § 56 BeamtVG (in der bis 31.12.1998 geltenden Fassung) auch nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Mai 2017 – 2 BvL 10/11, 2 BvL 28/14 – (BVerfGE 145, 249) so auszulegen, wie dies im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. März 2008 – 2 C 30.06 – (BVerwGE 131, 29) vorgenommen worden ist. (Rn. 41)

Verfahrensgang

W 1 K 16.978 2017-03-28 Urt VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 28. März 2017 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die erneute Verbescheidung des klägerischen Antrags vom 29. Dezember 2013 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs zu erfolgen hat.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet; sie ist mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Beklagte über den Antrag des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs neu zu entscheiden hat. Der streitgegenständliche Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids ist rechtswidrig und hat den Anspruch des Klägers auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über seinen Antrag auf Korrektur des bestandskräftigen Ruhensbescheids nicht erfüllt (§ 113 Abs. 5 Satz 2, § 114 VwGO).
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens aus § 51 Abs. 1 VwVfG, weil keiner der dort genannten Wiederaufgreifensgründe vorliegt. Insbesondere stellt die Änderung der Rechtsprechung, auf die der Kläger in seinem Antrag vom 29. Dezember 2013 Bezug genommen hatte, keine Änderung der Rechtslage dar, was bereits das Verwaltungsgericht insoweit zutreffend dargestellt hatte. Auf die diesbezüglichen Ausführungen (VG Würzburg, U.v. 28.3.2017 – W 1 K 16.978 – juris Rn. 19) wird Bezug genommen.
Auch § 49 VwVfG vermittelt dem Kläger vorliegend kein subjektives Recht. Zwar findet diese Vorschrift, die sogar die Korrektur rechtmäßiger Verwaltungsakte ermöglicht, auf die Korrektur rechtswidriger Verwaltungsakte erst recht Anwendung. Im Fall des Klägers liegt aber keiner der dort genannten Widerrufstatbestände vor.
2. Allerdings liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 VwVfG für eine Rücknahme vor. Der bestandskräftige Ruhensbescheid vom 3. Januar 2005 ist in mehrfacher Hinsicht im Sinne dieser Vorschrift rechtswidrig. Dies schlägt auch auf die vom streitgegenständlichen Ablehnungsbescheid ebenfalls nicht korrigierte Änderungsmitteilung vom 2. Juli 2013 durch, die – unabhängig von ihrer Rechtsnatur – auf dem Bescheid vom 3. Januar 2005 aufbaut.
2.1. Die Rechtswidrigkeit des bestandskräftigen Ruhensbescheids folgt schon aus nationalem Recht.
2.1.1. Nachdem der Kläger bereits vor dem 1. Januar 1999 Bundesbeamter war und Zeiten i.S.v. § 56 BeamtVG bereits vor dem 1. Januar 1999 zurückgelegt wurden, ergibt sich das anzuwendende Recht nicht aus § 69c Abs. 5 Satz 1 BeamtVG, sondern aus § 69c Abs. 5 Satz 2 BeamtVG, der seinerseits nach dem sog. Versorgungsfallprinzip in derjenigen Fassung anzuwenden ist, die im Zeitpunkt des Ruhestandseintritts des Klägers (1.10.2003) galt (BayVGH, U.v. 21.3.2019 – 14 B 17.1572 – juris Rn. 13 m.w.N.), somit in der vom 1. Januar 2001 bis zum 27. März 2008 geltenden Fassung.
Zwar ist § 85 Abs. 6 BeamtVG gemäß § 69c Abs. 5 Satz 3 Halbs. 1 BeamtVG lex specialis gegenüber § 69c Abs. 5 Satz 2 BeamtVG; dies gilt jedoch nur soweit der Ruhegehaltssatz auf § 85 Abs. 1 BeamtVG beruht (BVerwG, B.v. 6.11.2018 – 2 B 10.18 – juris Rn. 16). Vorliegend ist aber – wie von den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung auch übereinstimmend angenommen – § 85 Abs. 1 BeamtVG nicht anzuwenden, und zwar wegen § 85 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG. Nach § 85 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG in der im Zeitpunkt des Versorgungsfalls geltenden Fassung wird der Berechnung des Ruhegehalts der Ruhegehaltssatz des § 85 Abs. 1 BeamtVG dann zugrunde gelegt, wenn er „höher“ ist als der Ruhegehaltssatz, der sich für die gesamte ruhegehaltfähige Dienstzeit ergibt. Vorliegend hatte der Kläger aber auch ohne § 85 Abs. 1 BeamtVG den Höchstruhegehaltssatz von 75% erdient, wovon auch der Festsetzungsbescheid vom 22. September 2003 ausgegangen ist. Weil aber § 85 Abs. 4 Satz 1 BeamtVG dahin zu verstehen ist, dass § 85 Abs. 1 „nur dann“ anzuwenden ist, wenn der dort festgelegte Ruhegehaltssatz „höher“ ist, sich vorliegend daraus aber lediglich ein „gleich hoher“ Ruhegehaltssatz ergeben würde, ist § 85 Abs. 1 BeamtVG nicht anwendbar und konsequenter Weise sind auch die in § 85 Abs. 6 BeamtVG enthaltenen, damit korrespondierenden Übergangsregelungen zum Ruhen in Fällen des § 56 BeamtVG nicht einschlägig.
Es bleibt deshalb bei der Übergangsbestimmung des § 69c Abs. 5 Satz 2 BeamtVG, wonach im Ausgangspunkt § 56 BeamtVG in der bis zum 30. September 1994 geltenden Fassung anzuwenden ist, es sei denn, die Anwendung des § 56 in der bis zum 31. Dezember 1998 geltenden Fassung ist für den Versorgungsempfänger günstiger. Es ist also ein „Günstigkeitsvergleich“ vorzunehmen, den die Verwaltung im bestandskräftigen Ruhensbescheid auch vorgenommen hat.
2.1.2. Nicht zur Rechtswidrigkeit führt allerdings – entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts und der Klagepartei – der Umstand, dass der bestandskräftige Bescheid keine Begrenzung des Gesamtruhensbetrags vorgesehen, also das Ruhen in zeitlicher Hinsicht nicht durch Bestimmung eines Endzeitpunkts dergestalt begrenzt hat, dass von einem Ruhen ab dem vollständigen Aufzehren der Kapitalabfindung abgesehen wird.
2.1.2.1. Einfachgesetzlich ist derartiges in den vorliegend einschlägigen Fassungen des Beamtenversorgungsgesetzes nicht vorgegeben.
Zwar bestimmt § 56 Abs. 1 Satz 3 BeamtVG (insoweit identisch für die bis 30.9.1994 und die bis 31.12.1998 geltenden Fassung), dass der Ruhensbetrag die von der zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Einrichtung gewährte Versorgung nicht übersteigen darf.
Für die bis zum 30. September 1994 geltende Fassung des § 56 BeamtVG verweist dessen Absatz 2 jedoch für den Fall, dass Kapitalbeträge gewährt wurden, explizit nur auf Absatz 1 Satz 1, nicht aber auch auf Absatz 1 Satz 3 der Vorschrift, was schon vom Wortlaut der Norm her gegen die Annahme spricht, ab dem vollständigen Aufzehren der Kapitalabfindung sei von einem Ruhen vollständig abzusehen.
In der bis 31. Dezember 1998 geltenden Fassung nimmt demgegenüber § 56 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 BeamtVG auf „Absatz 1“ insgesamt Bezug, so dass es mit dem Wortlaut des § 56 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 BeamtVG nicht unvereinbar wäre, die Begriffe „gewährte Versorgung“ i.S.v. Absatz 1 Satz 3 auf den Gesamtbetrag des gezahlten Kapitalbetrags im Sinne eines Substituts einer laufenden Versorgung und damit als Versorgung anzusehen (vgl. BayVGH, U.v. 26.11.2018 – 14 B 15.910 – juris Rn. 80) und davon auszugehen, dass die Ruhensanordnung zeitlich so zu deckeln ist, dass sie nach vollständiger Kompensation des erhaltenen Kapitalbetrags entfällt und der Beamte sein deutsches Ruhegehalt wieder in ungekürzter Höhe erhält.
Allerdings spricht die Auslegung der Vorschrift nach ihrer Gesetzeshistorie unter Berücksichtigung von deren Sinn und Zweck sowie im systematischen Vergleich mit der Ruhensregelung des § 55 Abs. 1 Satz 3 und 4 BeamtVG dagegen, § 56 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 BeamtVG (i.d.F. bis 31.12.1998) dahin auszulegen, dass von einem Ruhen ab dem vollständigen Aufzehren der Kapitalabfindung abzusehen ist. Vom Wortlaut des § 56 Abs. 1 Satz 3 BeamtVG her ist Derartiges jedenfalls nicht ausdrücklich angeordnet. Vielmehr kann die in § 56 Abs. 1 Satz 3 BeamtVG vorgesehene Begrenzung im Kontext des § 56 Abs. 3 BeamtVG ebenso gut auch dahin verstanden werden, dass nur der monatliche verrentete Betrag, nicht aber der Kapitalbetrag selbst zum Gegenstand der Begrenzungsregelung des § 56 Abs. 1 Satz 3 BeamtVG zu machen ist, wovon auch der bestandskräftige Ruhensbescheid (dort Anlage 1 Nr. 2.6) ausgegangen ist. Für ein solches Verständnis spricht die historische Auslegung des Gesetzes zur Änderung des Beamtenversorgungsgesetzes, des Soldatenversorgungsgesetzes sowie sonstiger versorgungsrechtlicher Vorschriften (BeamtVGÄndG 1993) vom 20. September 1994 (BGBl I S. 2442 – Beamtenversorgungsänderungsgesetz-1993). Bei der dort vorgenommenen Systemumstellung des § 56 BeamtVG ging es dem Gesetzgeber ausweislich des seinerzeitigen Regierungsentwurfs (BT-Drs. 12/5919 S. 18) nicht darum, eine zeitliche Begrenzung der Ruhensanordnung festzuschreiben – ganz im Gegenteil wurde dort festgehalten, dass durch die Neuregelung keine Verbesserung im Verhältnis zum früheren Recht eintreten solle (vgl. zu § 55b SVG bereits BayVGH, U.v. 26.11.2018 – 14 B 15.910 – juris Rn. 83 m.w.N.).
In die gleiche Richtung weist der systematische Vergleich des § 56 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 BeamtVG mit der Regelung für deutsche Kapitalbeträge in § 55 Abs. 1 Satz 3 BeamtVG. Trotz der insoweit vergleichbaren Rechts- und Interessenlage ist in § 55 BeamtVG nicht vorgesehen, dass nach dem rechnerischen „Verbrauch“ eines erhaltenen Kapitalbetrags oder wegen Überschreitens der dem Kapitalbetrag zugrunde gelegten Lebenserwartung die erfolgte Ruhensanordnung entfallen muss. Vielmehr ist in solchen Fällen der errechnete Ruhensbetrag lebenslang auf die Beamtenversorgung anzurechnen (vgl. zu § 55a SVG bereits BayVGH, U.v. 26.11.2018 – 14 B 15.910 – juris Rn. 86). Ein sachlicher Grund dafür, bei deutschen Kapitalbeträgen eine lebenslange Ruhensregelung vorzunehmen, bei zwischen- oder überstaatlich gezahlten Kapitalbeträgen dagegen eine zeitliche Deckelung zu verlangen, ist nicht ersichtlich (vgl. BayVGH, U.v. 26.11.2018 a.a.O. Rn. 87 f.).
2.1.2.2. Auch nationales Verfassungsrecht verlangt eine derartige zeitliche Deckelung nicht und führt deshalb nicht zu einer abweichenden verfassungskonformen Auslegung.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gebietet die Verfassung gerade keine „Deckelung“ der Ruhensbestimmungen im Hinblick auf die Frage einer zeitlichen Begrenzung (BVerfG, B.v. 23.5.2017 – 2 BvL 10/11 u.a. – BVerfGE 145, 249 Rn. 85 ff.). Entscheidend für dieses Ergebnis sind dabei unter anderem die Vielzahl von Einsatzmöglichkeiten ausgezahlter Kapitalbeträge (BVerfG, B.v. 23.5.2017 a.a.O. Rn. 86) und das Wahlrecht der Beamten hinsichtlich einer Abführung an den Dienstherrn (BVerfG, B.v. 23.5.2017 a.a.O. Rn. 88). Diese von der Auslegung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U.v. 5.9.2013 – 2 C 47.11 – NVwZ-RR 2014, 394 Rn. 17 f.) abweichende verfassungsgerichtliche Vorgabe spricht dagegen, aus Verfassungsrecht ein Gebot einer einschränkenden Auslegung abzuleiten, wie sie vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Mai 2017 herrschend war. Die besagte frühere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahr 2013 ist dadurch überholt (vgl. BayVGH, U.v. 27.8.2018 – 14 B 18.478 – juris Rn. 18; U.v. 26.11.2018 – 14 B 15.910 – juris Rn. 89 ff.).
2.1.3. Nach nationalem Recht rechtswidrig ist allerdings entsprechend der – von der genannten bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidung insoweit nicht betroffenen – Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die im bestandskräftigen Ruhensbescheid vorgenommene Verrentungsrechnung, und zwar mangels hinreichender gesetzlicher Grundlage sowohl hinsichtlich der dort vorgenommenen Dynamisierung des tatsächlich gezahlten Kapitalbetrags in Anlehnung an spätere Besoldungserhöhungen als auch hinsichtlich des Rückgriffs auf die eine Verzinsung zugrunde legenden Zahlenwerke des Bewertungsgesetzes (Anlage 3 des Bescheids) als auch hinsichtlich des Rückgriffs auf die Verrentungsdivisoren für Männer (anstatt des arithmetischen Mittels der Lebenserwartungen für Männer und Frauen).
2.1.3.1. In der gemäß § 69c Abs. 5 Satz 2 BeamtVG (in der Fassung im Zeitpunkt des Ruhestandseintritts) maßgeblichen, bis zum 31. Dezember 1998 gültigen Fassung des § 56 BeamtVG ist weder eine Dynamisierung des ursprünglich nominal erhaltenen Kapitalbetrags im Hinblick auf allgemeine Versorgungsänderungen noch die konkrete Berechnung einer Verzinsung noch ein Rückgriff auf das Bewertungsgesetz explizit vorgegeben. Vielmehr wurde in § 56 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 BeamtVG (Fassung bis 31.12.1998) lediglich der abstrakte Terminus der „Verrentung des Kapitalbetrags“ verwendet, und zwar ohne die näheren Berechnungsschritte vorzugeben. Das Bundesverwaltungsgericht hat diese Formulierung der Verrentungsvorschrift als im Hinblick auf die strenge Gesetzesbindung im Bereich der Beamtenbesoldung und -versorgung nicht hinreichend bestimmt angesehen (BVerwG, U.v. 27.3.2008 – 2 C 30.06 – BVerwGE 131, 29). Dabei hat es in einem ebenfalls auf § 69c Abs. 5 Satz 2 BeamtVG beruhenden Fall (BVerwG, U.v. 27.3.2008 a.a.O. Rn. 14, 16) hinsichtlich der Dynamisierung in Anlehnung an die allgemeinen Besoldungserhöhungen insbesondere einen analogen Rückgriff auf entsprechende Kapitalisierungsbestimmungen (vgl. etwa § 57 Abs. 2, § 58 Abs. 2 BeamtVG) abgelehnt (BVerwG, U.v. 27.3.2008 a.a.O. Rn. 29) und hinsichtlich der Verrentung selbst mangels eines gesetzlich festgesetzten Zinssatzes allein eine „unverzinste Umrechnung“ in eine Rente für angezeigt gehalten, bei der die „Lebenserwartung des Klägers“ im Zeitpunkt seines Ruhestandseintritts zugrunde zu legen und dabei der vom Statistischen Bundesamt ermittelte Mittelwert zwischen den Lebenserwartungen von Frauen und Männern anzuwenden ist (BVerwG, U.v. 27.3.2008 a.a.O. Rn. 35).
2.1.3.2. Diese Rechtslage hat der Gesetzgeber für den vorliegend maßgeblichen Zeitpunkt des Ruhestandseintritts des Klägers und die für diesen Zeitpunkt einschlägigen Übergangsbestimmungen nicht geändert, und zwar auch nicht mit der späteren Einführung des § 56 Abs. 3 Satz 3 BeamtVG und der dort vorgesehenen Verweisung auf § 55 Abs. 1 Satz 8 und 9 BeamtVG – wobei Satz 9 seinerseits auf das Bewertungsgesetz verweist – durch Art. 4 Nr. 35 Buchst. c und Nr. 36 Buchst. c des Gesetzes zur Neuordnung und Modernisierung des Bundesdienstrechts (Dienstrechtsneuordnungsgesetz – DNeuG) vom 5. Februar 2009 (BGBl I S. 160).
Diese Neuregelung ist ausweislich Art. 17 Art. 4 DNeuG mit Rückwirkung nur ab 28. März 2008 (also dem Tag nach der bundesverwaltungsgerichtlichen Entscheidung vom 27.3.2008), nicht aber auf den Ruhestandseintritt des Klägers (1.10.2003) oder gar auf den 31. Dezember 1998 in Kraft getreten. Eine darüber hinaus weiter in die Vergangenheit zurückgehende Auslegung ist vom Wortlaut dieser Bestimmungen her nicht möglich (BVerwG, U.v. 5.9.2013 – 2 C 47.11 – NVwZ-RR 2014, 394 Rn. 11 f.).
Für die vorliegend maßgebliche Gesetzesfassung fehlt es also unverändert an einer expliziten gesetzlichen Regelung der konkreten Berechnungsschritte bei der in § 56 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 BeamtVG vorgeschriebenen Verrentung. Deshalb bleibt es aus Sicht des nationalen Rechts insoweit bei der vom Bundesverwaltungsgericht (U.v. 27.3.2008 – 2 C 30.06 – BVerwGE 131, 29) für diese Gesetzesfassung gefundenen Auslegung. Angesichts dieser vom Bundesverwaltungsgericht (BVerwG, U.v. 27.3.2008 a.a.O. Rn. 29, 35) im Kontext von § 69c Abs. 5 Satz 2 BeamtVG gefundenen strengen Auslegungsvorgaben verbietet es sich auch im vorliegenden Fall, die besagte Präzisierung des Dienstrechtsneuordnungsgesetzes über deren Rückwirkungszeitraum hinaus in den Begriff der „Verrentung des Kapitalbetrags“ i.S.v. § 56 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 BeamtVG (Fassung bis 31.12.1998) hineinzulesen.
Zwar ist zu sehen, dass gemäß § 69c Abs. 5 Satz 2 BeamtVG im Ausgangspunkt § 56 BeamtVG in der Fassung bis 30. September 1994 gelten soll, die keinerlei Verrentung vorsah, dass die bis Ende 1998 geltende Fassung, die erstmals eine Verrentung vorschrieb, ausschließlich im Rahmen eines Günstigkeitsvergleichs zur Anwendung kommt und dass bei einem solchen Günstigkeitsvergleich eine wirtschaftliche Betrachtung geboten ist, was an sich aber gerade auch die Berücksichtigung von Versorgungsdynamisierungen und Verzinsungen verlangen würde, wofür bereits der gesetzliche Begriff der „Verrentung des Kapitalbetrags“ i.S.v. § 56 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 BeamtVG (Fassung bis 31.12.1998) spricht. Auch ist zu sehen, dass bereits in der Gesetzesbegründung zum Beamtenversorgungsänderungsgesetz-1993, mit dem das System zur Ermittlung des Ruhensbetrags i.S.v. § 56 BeamtVG umgestaltet und an der Höhe des Kapitalbetrags orientiert wurde, deutlich zum Ausdruck kommt, dass durch diese Systemumstellung keine Verbesserung im Verhältnis zu dem bis 30. September 1994 geltenden Recht eintreten und nach der Vorstellung des Gesetzgebers die Verrentung „nach versicherungsmathematischen Grundsätzen“ erfolgen sollte (BT-Drs. 12/5919 S. 18, 20; vgl. BayVGH, U.v. 26.11.2018 – 14 B 15.910 – juris Rn. 83). Dieser historische Wille des Gesetzgebers spräche an sich vom wirtschaftlichen Ergebnis her für die vorliegend im bestandskräftigen Ruhensbescheid vorgenommene Verrentungsrechnung.
Jedoch hat das Bundesverwaltungsgericht sich mit all diesen – an sich sachgerechten – Erwägungen bereits befasst (BVerwG, U.v. 27.3.2008 – 2 C 30.06 – BVerwGE 131, 29 Rn. 28, 33) und sie letztlich nicht ausreichen lassen im Hinblick auf das Erfordernis einer hinreichend bestimmten gesetzlichen Regelung, und zwar auch nicht unter Berücksichtigung des Umstands, dass im Gesetzgebungsverfahren „versicherungsmathematische Methoden“ vorausgesetzt worden sind (BVerwG, U.v. 27.3.2008 a.a.O. Rn. 32).
Auch der Umstand, dass der Gesetzgeber bei der späteren Einführung des § 56 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 55 Abs. 1 Satz 8 und 9 BeamtVG letztlich eine zur Einschätzung des Bundesverwaltungsgerichts gegenteilige Auffassung vertreten hat, indem er insoweit von einer bloßen „Klarstellung“ ausging, ändert nach Auffassung des Senats nichts an dem vom Bundesverwaltungsgericht (BVerwG, U.v. 27.3.2008 – 2 C 30.06 – BVerwGE 131, 29) gefundenen Auslegungsergebnis. Die mit dem Dienstrechtsneuordnungsgesetz eingeführte Neuregelung von § 56 Abs. 3 Satz 3, § 55 Abs. 1 Satz 8 und 9 BeamtVG ist – wie oben ausgeführt – nur mit Rückwirkung ab dem 28. März 2008 in Kraft gesetzt worden. Die Gründe zu dieser Regelung, die im seinerzeitigen Regierungsentwurf vom 12. November 2007 (BT-Drs. 16/7076) nicht enthalten war, finden sich in der Beschlussempfehlung des seinerzeit federführenden Innenausschusses vom 12. November 2008 (BT-Drs. 16/10850 S. 119, 241, 197). Nach der Einschätzung des Innenausschusses sollte mit dieser Regelung gerade der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U.v. 27.3.2008 – 2 C 30.06 – BVerwGE 131, 29) Rechnung getragen werden (vgl. BT-Drs. 16/10850 S. 241). Dabei hat der Innenausschuss zur Übergangsregelung des Art. 17 Abs. 4 DNeuG in seiner Begründung (BT-Drs. 16/10850 S. 249) explizit festgehalten, dass es sich aus Sicht der Verwaltung um „klarstellende Änderungen zur Berechnung“ handele, die rückwirkend auf den Zeitpunkt der entsprechenden höchstrichterlichen Rechtsprechung in Kraft gesetzt würden. Aus Sicht des Gesetzgebers sollte also das gesamte – in Art. 17 Abs. 4 DNeuG – auch gleichzeitig (ab dem 28.3.2008) rückwirkend in Kraft gesetzte Normengefüge der § 56 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 55 Abs. 1 Satz 8 und 9 BeamtVG i.V.m. dem Bewertungsgesetz lediglich „klarstellende“ Funktion haben. Diese Einschätzung entspricht aber gerade nicht der Auslegung des Bundesverwaltungsgerichts, das – ganz im Gegenteil – das Erfordernis einer detaillierten Einzelfallregelung betonte und deren Fehlen im früheren, bis zum 27. März 2008 geltenden Recht kritisiert hatte (BVerwG, U.v. 27.3.2008 – 2 C 30.06 – BVerwGE 131, 29 Rn. 35).
Die Einschätzung in der genannten Gesetzesbegründung ist dabei auch nicht geeignet, einen (weitergehenden) formellen Rückwirkungsbefehl hinsichtlich § 56 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 55 Abs. 1 Satz 8 und 9 BeamtVG in der Fassung des Dienstrechtsneuordnungsgesetzes zu ersetzen. Vielmehr betrifft die besagte Einschätzung des Innenausschusses den Bereich der Auslegung des früheren Beamtenversorgungsrechts, die aber im Rahmen der Gewaltenteilung letztinstanzlich gerade dem Bundesverwaltungsgericht anvertraut ist.
Dabei versteht der Senat insbesondere auch die bundesverwaltungsgerichtlichen Vorgaben zur „unverzinslichen Verrentung“ (BVerwG, U.v. 27.3.2008 – 2 C 30.06 – BVerwGE 131, 29 Rn. 35) als Auslegung des § 56 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 BeamtVG, die der strikten Gesetzesbindung im Bereich der Beamtenversorgung (§ 3 BeamtVG, Art. 20 Abs. 3 GG) geschuldet ist. Zwar erfolgt in der Praxis eine „Verrentung“ regelmäßig mit „Verzinsung“, begrifflich unverzichtbar ist bei der „Verrentung“ eines Kapitalbetrags aber lediglich, dass auf formaler Ebene der Kapitalbetrag in zeitlich wiederkehrende Teilbeträge umgerechnet wird. Letzteres muss nicht auf ein bestimmtes wirtschaftliches Ergebnis hin, sondern kann auch rein kalkulatorisch verstanden werden. Innerhalb der Wortlautgrenze des Begriffs „Verrentung“ bewegt sich deshalb auch eine „Verrentung mit dem Zinssatz 0%“, so dass die besagte Vorgabe des Bundesverwaltungsgerichts letztlich eine Form der Auslegung und keine sog. normvertretende Übergangsvorschrift gemäß § 31 Abs. 2 und § 35 BVerfGG darstellt.
2.1.4. Gegen § 56 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 BeamtVG (Fassung bis 31.12.1998) in der – wie gezeigt unverändert verbindlichen – Auslegung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U.v. 27.3.2008 – 2 C 30.06 – BVerwGE 131, 29 Rn. 35) verstößt es zusätzlich, dass der bestandskräftige Ruhensbescheid beim Kläger auf die Verrentungsdivisoren für Männer zurückgegriffen hat, anstatt den Mittelwert der Lebenserwartungen für Männer und Frauen der Verrentungsrechnung zugrunde zu legen.
Weil es sich – wie gezeigt – bei der vom Bundesverwaltungsgericht (BVerwG, U.v. 27.3.2008 – 2 C 30.06 – BVerwGE 131, 29 Rn. 35) vertretenen Mittelwertlösung um eine „Auslegung“ des § 56 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 BeamtVG in der bis zum 31. Dezember 1998 geltenden Fassung handelt (siehe 2.1.3.1.), hätte das Gesetz objektiv betrachtet auch vor Ergehen der besagten Rechtsprechung richtiger Weise so ausgelegt werden müssen.
Nachdem also das bis Ende 1998 geltende Recht – wie gezeigt – dahin auszulegen war, dass jeweils auf den Mittelwert der statistischen Lebenserwartung von Männern und Frauen abzustellen war (BVerwG, U.v. 27.3.2008 – 2 C 30.06 – BVerwGE 131, 29 Rn. 35) und diese Regelungen nach den einschlägigen Überleitungsvorschriften unverändert heranzuziehen sind, nachdem der Gesetzgeber bislang keine über den 28. März 2008 hinausreichende Rückwirkung angeordnet hat (siehe 2.1.3.2.), bleibt dieses vom Bundesverwaltungsgericht gefundene Auslegungsergebnis für Fälle wie den vorliegenden unverändert der aktuelle Stand der nationalen Gesetzeslage.
2.2. Aus dem in Nummer 2.1.4. genannten Grund ist der bestandskräftige Ruhensbescheid außerdem unionsrechtswidrig im Hinblick auf Art. 157 AEUV i.V.m. Art. 4 der Richtlinie 2006/54/EG vom 5. Juli 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen (ABl L 204/23). Während nämlich die vom Bundesverwaltungsgericht gefundene Mittelwertauslegung einen Konflikt mit den unionsrechtlichen Gleichbehandlungsvorgaben vermeidet, werden Männer durch die vom streitgegenständlichen Bescheid vorgenommene Berechnung der „Verrentung“ unter Rückgriff auf unterschiedliche Divisoren für Männer und Frauen in doppelter Hinsicht benachteiligt. Denn sie lässt – erstens – unberücksichtigt, dass Männer wegen ihrer kürzeren Lebenserwartung Kapitalbeträge im Vergleich zu Frauen statistisch gesehen weniger lange nutzen können, wobei – zweitens – dieser Vorteil der längeren Nutzungsmöglichkeit durch Frauen noch dadurch verstärkt wird, dass die damit korrespondierenden höheren Verrentungsdivisoren zu im Ergebnis sogar niedrigeren Verrentungsbeträgen als bei Männern führen. Hätte der streitgegenständliche Bescheid dagegen die vom Bundesverwaltungsgericht (BVerwG, U.v. 27.3.2008 – 2 C 30.06 – BVerwGE 131, 29 Rn. 35) vorgegebene Mittelwertmethode der Verrentungsrechnung zugrunde gelegt, wäre Unionsrecht nicht verletzt worden.
2.3. Die beschriebenen Rechtswidrigkeitsgründe wirken sich im Fall des Klägers auf das rechnerische Ergebnis aus, insbesondere gehen sie nicht deshalb wirtschaftlich ins Leere, weil etwa die Günstigkeitsprüfung (§ 69c Abs. 5 Satz 2 BeamtVG) zur Einschlägigkeit des § 56 BeamtVG in der bis 30. September 1994 geltenden Fassung (siehe 2.3.1.) führen würde, bei der – anders als bei der bis 31. Dezember 1998 geltenden Fassung (siehe 2.3.2.) – von vornherein keine Verrentung vorzunehmen gewesen wäre und sich von vornherein keiner der genannten Fehler bei der Verrentungsrechnung hätte auswirken können.
2.3.1. Nach § 56 BeamtVG in der bis 30. September 1994 geltenden Fassung wären die vollen 16 Jahre der Zeiten i.S.v. § 56 BeamtVG mit dem gesetzlichen Minderungssatz von 1,875% zu multiplizieren, woraus sich ein Minderungssatz von 30% (1,875% x 16) und bei ruhegehaltfähigen Dienstbezügen im Zeitpunkt des Ruhestandseintritts von 3.994,57 € ein Ruhensbetrag von 1.198,37 € ergäbe (siehe Anlage 1 Seite 1 des Bescheids vom 3.1.2005).
2.3.2. Demgegenüber führt § 56 BeamtVG in der bis 31. Dezember 1998 geltenden Fassung zu einem Ruhensbetrag von nur 511,21 €.
2.3.2.1. Nach der erwähnten bundesverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung (BVerwG, U.v. 27.3.2008 – 2 C 30.06 – BVerwGE 131, 29 Rn. 35) kann angesichts des allein möglichen Zinssatzes von 0% nur auf die Sterbetafeln des Bundesamts für Statistik und die sich daraus ergebende Lebenserwartung zurückgegriffen werden, nicht aber auf Zahlenwerke, die eine Verzinsung berücksichtigen. Die zugehörigen statistischen Zahlen für das Jahr 2003 sind im gleichlautenden Erlass der obersten Finanzbehörden der Länder über die „Berechnung des Ablösungsbetrags nach § 25 Abs. 1 Satz 3 ErbStG“ vom 9. Juni 2008 (BStBl I 2008, 646) dokumentiert. Dort hat die Finanzverwaltung mehrere solcher Sterbetafeln, darunter auch die für die Jahre 2003 bis 2005, nachrichtlich zusammengefasst. Nach dieser Sterbetafel 2003/2005 (BStBl I 2008, 646/672) betrug die durchschnittliche weitere Lebenserwartung für 65-jährige Männer 16,47 Jahre, also umgerechnet (weitere) 197,64 Monate ([16 x 12 Monate] + [4,7 Monate x 12/10] = 192 Monate + 5,64 Monate) – wobei 0,47 mit 4,7/10 Jahren und 1 Monat mit einem 1/12 Jahr angesetzt wird – und für 65-jährige Frauen weitere 19,94 Jahre, also umgerechnet (weitere) 239,28 Monate ([19 x 12 Monate] + [9,4 x 12/10] = 228 Monate + 11,28 Monate) Monate. Der nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U.v. 27.3.2008 – 2 C 30.06 – BVerwGE 131, 29 Rn. 35) maßgebliche arithmetische Mittelwert zwischen diesen Werten beträgt 218,46 (= [239,28 + 197,64] / 2) Monate. Davon ausgehend wäre der dem Kläger tatsächlich gezahlte Gesamtkapitalbetrag (111.677,86 €) für Zwecke einer Monatsverrentung nach dem besagten Mittelwert (218,46 Monate) zu teilen.
2.3.2.2. Dies zugrunde gelegt ergibt sich nach § 56 BeamtVG in der bis 31. Dezember 1998 geltenden Fassung auf der Basis der weggefallenen Dynamisierung und einer Verrentung mit einem Zinssatz von 0% folgende Berechnung:
Günstigkeitsrechnung ohne Dynamisierung, bei Verrentungszinssatz 0% und Mittelwert der Lebenserwartungswerte für „Frauen“ und „Männer“ nach der Sterbetafel
€-Beträge
(1) Verrentungsrechnung (§ 56 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 BeamtVG)
(1a) Keine Dynamisierung entsprechend Vomhundertsätzen der Änderungen allgemeiner Versorgungsbezüge bis zum Zeitpunkt des Ruhestandseintritts (vgl. Anlage 2 zum Bescheid),
sondern stattdessen tatsächlich geleisteter Gesamtkapitalbetrag in €, also 111.677,86 €.
111.677,86
(1b) Keine verzinsliche Verrentung entsprechend Anlage 9 zum Bewertungsgesetz (Fassung ab 1.1.2002) für Männer, also nicht Verrentungsdivisor x 12,
sondern stattdessen zinslose Verrentung nach Mittelwert der Sterbetafel 2003/2005 für Frauen einerseits und Männer andererseits, also 218,46 (= [239,28 + 197,64] / 2) Monate.
(1c) Monatlicher verrenteter Betrag in €/Monat (= nicht-dynamisierter Gesamtkapitalbetrag in € / Sterbetafeldivisor) 111.677,86 € / 218,46 Monate
511,21
(2) Höchstbetragsrechnung (§ 56 Abs. 2 i.V.m. § 54 Abs. 2 BeamtVG) bei Gesamtdienstzeit von 46,60 Jahren und Ruhegehaltssatz von 75%.
(2a) Berechnung des fiktiven Ruhegehalts (Höchstgrenze)
fiktive ruhegehaltfähige Dienstbezüge (nächsthöhere Besoldungsgruppe A14 Endstufe – § 56 Abs. 2 Halbs. 2 BeamtVG) in €
4.260,90
allgemeine Stellenzulage in €
0,00
Familienzuschläge der Stufe 1 in €
103,20
(Zwischensumme in €)
4.364,10
Nach Verminderung durch Versorgungsänderungsgesetz in € (§ 69e Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BeamtVG i.V.m. Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes vom 10.9.2003, BGBl I S. 1798)
4.340,45
davon 75% in €
3.255,34
zuzüglich kinderbezogener Anteil im Familienzuschlag in €
0,00
abzüglich Versorgungsabschlag in €
0,00
fiktives Ruhegehalt (Höchstgrenze) in €
3.255,34
(2b) Berechnung des Ruhensbetrags
festgesetztes Ruhegehalt in €
2.995,93
zuzüglich kinderbezogener Anteil im Familienzuschlag in €
0,00
abzüglich Versorgungsabschlag in €
0,00
mit 0%verrenteter Kapitalbetrag in € (s.o.)
511,21
(Zwischensumme in €) 511,21 € + 2.995,93 €
3.506,55
abzüglich Höchstgrenze in € (s.o.)
– 3.255,34
Ruhensbetrag in €
251,80
(3) Mindestruhensbetragsrechnung (§ 56 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BeamtVG)
volle Jahre der Zeiten i.S.v. § 56 BeamtVG: 16 Jahre
Minderungsprozentsatz (volle Jahre x 1,875 Minderungssatz)
16 x 1,875 = 30%
Ruhensbetrag Dienstbezüge gemäß Festsetzung in €
(ruhegehaltfähige Dienstbezüge x Minderungsprozentsatz) 3.994,57 € x 30%
1.198,37
Ruhensbetrag Kinder in €
(kinderbezogener Familienzuschlag x Minderungsprozentsatz) 0 x 30%
0,00
Mindestruhensbetrag (Summe der Ruhensbeträge Dienstbezüge und Kinder) in €
1.198,37
Zwar:
Mindestruhensbetrag (1.198,37 €), wenn höher als Ruhensbetrag (251,80 €) (§ 56 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 BeamtVG).
1.198,37
Aber:
Mindestruhensbetrag (1.198,37 €) überschreitet den Wert des monatlich verrenteten Kapitalbetrags (511,21 €), so dass gemäß § 56 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 BeamtVG Ruhen nur i.H.v. 511,21 € erfolgt.
511,21
2.3.3. Nachdem also der Ruhensbetrag nach der bis zum 31. Dezember 1998 gültigen Fassung des § 56 BeamtVG mit 511,21 € gegenüber dem Ruhensbetrag nach der bis zum 30. September 1994 geltenden Fassung des § 56 BeamtVG (1.198,37 €) günstiger ist, hätten die Versorgungsbezüge des Klägers richtiger Weise gemäß § 69c Abs. 5 Satz 2 i.V.m. § 56 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2, Abs. 1 Satz 3 BeamtVG (Fassung bis 31.12.1998) nur i.H.v. 511,21 € zum Ruhen gebracht werden dürfen.
2.4. Im Ergebnis ist der bestandskräftige Ruhensbescheid daher in mehrfacher Hinsicht rechtswidrig i.S.v. § 48 VwVfG, und zwar einerseits wegen Verstoßes gegen nationales Recht (Dynamisierung, Verrentung mit Zinssatz 5,5% anstatt 0%, Werte für Männer anstatt arithmetisches Mittel der Werte für Männer und Frauen) sowie andererseits wegen Verstoßes gegen Unionsrecht (Werte für Männer anstatt arithmetisches Mittel der Werte für Männer und Frauen).
3. Allerdings hat sich auf der Rechtsfolgenseite der Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung trotz der mehrfachen Rechtswidrigkeitsgründe nicht im Wege der Ermessensreduzierung zu einem Anspruch auf Korrektur verdichtet.
3.1. Nach § 48 Abs. 1 VwVfG begründet die Rechtswidrigkeit bestandskräftiger Verwaltungsakte als solche regelmäßig noch keine Pflicht zur Korrektur, sondern stellt die Rücknahme – im Interesse der zum Aspekt der materiellen Gerechtigkeit prinzipiell gleichrangigen Rechtssicherheit – regelmäßig in das Ermessen der Verwaltung. Ein Anspruch auf Korrektur besteht – vorbehaltlich fachrechtlicher Vorgaben, die eine Korrektur intendieren – nur ausnahmsweise, wenn (a) das Aufrechterhalten des Verwaltungsakts „schlechthin unerträglich“ ist, was insbesondere bei einem Verstoß gegen die guten Sitten oder Treu und Glauben der Fall ist, oder (b) die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts „offensichtlich“ ist (vgl. BVerwG, B.v. 7.7.2004 – 6 C 24.03 – BVerwGE 121, 226/230 f. m.w.N.). Diese Regeln gelten grundsätzlich auch für Dauerverwaltungsakte (vgl. BVerwG, U.v. 9.5.2012 – 6 C 3.11 – BVerwGE 143, 87 Rn. 49, 50 ff.), wenn nicht ausnahmsweise bundesverfassungsgerichtliche Vorgaben im Hinblick auf § 79 Abs. 2 BVerfGG eine Korrektur gebieten (vgl. BVerwG, U.v. 26.9.2012 – 2 C 48.11 – NVwZ-RR 2013, 325).
3.2. Vor diesem Hintergrund ist das Rücknahmeermessen der Beklagten vorliegend nicht reduziert.
Das Beamtenversorgungsrecht sieht im Bereich des Ruhens von Versorgungsbezügen keine fachgesetzliche Einschränkung des grundsätzlichen Verwaltungsermessens vor, so dass es auch insoweit bei den beschriebenen allgemeinen Grundsätzen bleibt.
Dabei war die besagte Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Bescheids schon deshalb nicht „offensichtlich“, weil vor dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. März 2008 – 2 C 30.06 – (BVerwGE 131, 29) selbst Oberverwaltungsgerichte die Rechtslage ähnlich wie der streitgegenständliche Bescheid eingeschätzt hatten (vgl. BVerwG, U.v. 27.3.2008 a.a.O. Rn. 28).
Auch ist nicht von einer Unerträglichkeit dieser Rechtswidrigkeit auszugehen. Dass die Verwaltung im Fall des Klägers gegen Treu und Glauben oder gar die guten Sitten verstoßen hätte, ist nicht ersichtlich. Außerdem ist mit dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG, B.v. 23.5.2017 – 2 BvL 10/11 u.a. – BVerfGE 145, 249) zu sehen, dass der Kläger den ihm ausgezahlten Kapitalbetrag an den Dienstherrn hätte abführen können, diesen Kapitalbetrag mehrere Jahre wirtschaftlich nutzen konnte und dass die klägerseits geforderte zeitliche Deckelung – wie gezeigt – gerade nicht erforderlich ist (siehe 2.1.2.).
Schließlich ändert sich an diesem Ergebnis auch nichts dadurch, dass der Rückgriff auf die Verrentungsdivisoren für Männer (anstatt auf das arithmetische Mittel der Werte für Männer und Frauen) – wie gezeigt – nicht nur gegen nationales Recht (siehe 2.1.), sondern auch gegen Unionsrecht (siehe 2.2.) verstößt. Denn auch Unionsrecht misst dem Aspekt der Rechtssicherheit große Bedeutung bei und fordert deshalb auch bei Unionsrechtswidrigkeit (wie hier) keine Abweichung von diesen für das nationale Recht im Rahmen der mitgliedstaatlichen Verfahrensautonomie entwickelten Grundsätzen, solange die Maßstäbe bei unionsbezogenen Verstößen nicht ungünstiger sind als bei innerstaatlichen und die Ausübung der unionsbezogenen Rechte nicht praktisch unmöglich wird (EuGH, U.v. 13.1.2004 – C-453/00 – ECLI:ECLI:EU:C:2004:17 Rn. 24; U.v. 19.9.2006 – C-422/04 – ECLI:ECLI:EU:C:2006:586 Rn. 51, 57.; U.v. 12.2.2008 – C-2/06 – ECLI:ECLI:EU:C:2008:78 – Rn. 37 m.w.N.; ebenso BVerwG, U.v. 17.1.2007 – 6 C 32.06 – NVwZ 2007, 709 Rn. 16, 19), was vorliegend nicht ersichtlich ist.
Besondere Umstände, die eine Ermessensreduzierung unionsrechtlich gebieten könnten wie insbesondere eine Verletzung von Vorlagepflichten eines letztinstanzlichen nationalen Gerichts gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV im Zusammenhang mit der Entstehung der Bestandskraft des umstrittenen Bescheids (vgl. EuGH, U.v. 13.1.2004 – C-453/00 – ECLI:ECLI:EU:C:2004:17 Rn. 26 ff.), sind vorliegend aber nicht ersichtlich. Zwar gelten im Bereich des Subventions- und Unionsbeihilferechts deutlich strengere unionsrechtliche Vorgaben wegen des dort unmittelbaren Bezugs zum Binnenmarkt und die insoweit vorgeschriebenen Zuständigkeiten der EU-Kommission (vgl. Voßkuhle/Schemmel, JuS 2019, 347 m.w.N.). Um diesen speziellen Bereich geht es vorliegend aber nicht.
4. Jedoch hat die Beklagte das ihr verbliebene Rücknahmeermessen mit dem streitgegenständlichen Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids nicht fehlerfrei ausgeübt. Die Rücknahmeentscheidung weist Ermessensfehler i.S.v. § 114 VwGO auf. Dabei hat die Verwaltung zwar nicht die Rechtswidrigkeit als solche verkannt, wohl aber den Grund der Rechtswidrigkeit und den quantitativen Umfang der Günstigkeitsregelung, die im Bescheid vom 3. Januar 2005 nicht und in der Änderungsmitteilung vom 2. Juli 2013 nicht im gebotenen Maß zum Tragen gekommen war.
Denn wie gezeigt (siehe 2.) verstößt der bestandskräftige Ruhensbescheid nicht nur im Hinblick auf die Dynamisierung – wie von der Beklagten zugestanden -, sondern in mehrfacher weiterer Hinsicht (Verrentung mit Zinssatz 5,5% anstatt 0%, Verrentungsdivisoren für Männer anstatt des arithmetischen Mittels der Werte für Männer und Frauen) gegen nationales Recht und ist gleichzeitig – hinsichtlich des Rückgriffs auf die Verrentungsfaktoren für Männer – unionsrechtswidrig. Mit dieser Problematik, dem Ausmaß ihrer wirtschaftlichen Auswirkungen und der praktischen Handhabung, insbesondere auch im Vergleich zu weiblichen Versorgungsberechtigten, setzt sich aber der streitgegenständliche Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids nur teilweise (nämlich hinsichtlich der ungerechtfertigten Dynamisierung) auseinander. Schon wegen dieser unvollständigen Berücksichtigung zu korrigierender Fehler ist der streitgegenständliche Bescheid ermessensfehlerhaft.
Vor diesem Hintergrund vermag auch das im Widerspruchsbescheid verwendete Argument, zur Begrenzung des mit Korrekturverfahren verbundenen Verwaltungsaufwands, den die Rücknahmen der Ruhensbescheide in allen gleichgelagerten Fällen verursachen würden, werde im Fall des Klägers wie auch in allen anderen Fällen bestandskräftiger Ruhensbescheide von der Korrektur abgesehen, so nicht zu überzeugen. Vielmehr hängt das Gewicht, das diesem Zweckmäßigkeitsaspekt bei der Abwägung mit den Belangen der betroffenen Personen zukommen kann, ganz wesentlich davon ab, wie sich eine Rücknahme auf deren wirtschaftlichen Verhältnisse auswirken würde. Das macht der vorliegende Fall besonders deutlich. Während die Beklagte im Berufungsverfahren davon ausging, dass der bestandskräftige Ruhensbescheid lediglich um einen monatlichen Betrag von 166,49 € (1.198,37 € anstatt 1.031,88 €) vom richtigen Wert abgewichen sei, beträgt die Abweichung bei Anwendung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts letztlich 687,16 € (1.198,37 € anstatt 511,21 €), also mehr als das Vierfache der von der Beklagten angenommenen Differenz. Zwar mag auch ein solcher Betrag angesichts der großen Bedeutung der Rechtssicherheit noch nicht zu einer Reduzierung des Rücknahmeermessens auf Null führen. Jedenfalls muss sich die Verwaltung aber bei einer derartigen – auch unionsrechtlich implizierten – Diskrepanz eines bestandskräftigen Ruhensbescheids mit der wirtschaftlichen Bedeutung dieser Fehlerhaftigkeit für die betroffenen Versorgungsempfänger befassen.
Im Ergebnis konnte der streitgegenständliche Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids deshalb den Anspruch des Klägers auf ermessensfehlerfreie Entscheidung nicht erfüllen, weshalb der Verbescheidungsklage im Ergebnis auch nach der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs stattzugeben ist.
5. Nachdem klägerseits lediglich eine Verbescheidung beantragt wurde und der Senat wie bereits das Verwaltungsgericht eine Verbescheidung ausspricht, obsiegt die Klagepartei im Ergebnis vollumfänglich. An diesem bei einem Vergleich von Antrag und Tenorierung vollständigen Obsiegen der Klagepartei ändert sich auch dadurch nichts (vgl. BVerwG, U.v. 2.3.2017 – 2 C 21.16 – BVerwGE 157, 366 Rn. 12), dass der Senat die Rechtswidrigkeit des bestandskräftigen Ruhensbescheids und damit auch das wirtschaftliche Ausmaß derjenigen Fehler, über deren Korrektur von der Verwaltung nach Ermessen zu entscheiden ist, anders begründet als das Verwaltungsgericht und insbesondere die Auffassung des Verwaltungsgerichts zum Erfordernis einer zeitlichen Deckelung nicht teilt. Die Berufung ist deshalb vollständig zurückzuweisen (vgl. BVerwG, U.v. 2.3.2017 a.a.O., Tenorierung verfügbar bei BeckRS 2017, 113664).
6. Die Kostenentscheidung für das Berufungsverfahren richtet sich nach § 154 Abs. 2 VwGO. Die klägerseits allein beantragte Verbescheidung wird vom Senat ausgesprochen, worin bei einem Vergleich von Klageantrag und Tenorierung ein vollständiges klägerisches Obsiegen liegt (vgl. BVerwG, U.v. 2.3.2017 – 2 C 21.16 – BVerwGE 157, 366 Rn. 78). Aus dem gleichen Grund ist auch keine Korrektur der erstinstanzlichen Kostenentscheidung veranlasst.
7. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO, § 709 Satz 2 ZPO. Bei einem Streitwert von 25.453,98 Euro und einer zugehörigen Einheitsgebühr von 863,00 € (Anlage 2 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz – RVG) übersteigt schon die anwaltliche Verfahrensgebühr von 1,6 unter Hinzurechnung der Umsatzsteuer von 19% (Nr. 3200 und Nr. 7008 der Anlage 1 zum RVG) den in § 708 Nr. 11 Alt. 2 i.V.m. § 711 ZPO genannten Grenzwert von 1.500,00 €. Die erstinstanzliche Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit wurde dagegen im Ergebnis zutreffend auf § 708 Nr. 11 Alt. 2, § 711 ZPO gestützt, zumal der dort genannte Grenzwert auch unter Berücksichtigung der Umsatzsteuer nicht überschritten wurde, nachdem erstinstanzlich seitens des Klägerbevollmächtigten nur eine Gebühr von 1,3 anfiel (Nr. 3100 der Anlage 1 zum RVG) und auf mündliche Verhandlung verzichtet worden war.
8. Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).


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