Europarecht

Schadenersatz aus § 826 BGB wegen des Angebots eins Audi SQ5 Plus 3,0 TDI

Aktenzeichen  51 O 926/19

Datum:
28.2.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 9629
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Ingolstadt
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 31, § 249, § 826, § 849
ZPO § 287
VO (EG) Nr. 715/2007 Art. 5 Abs. 2 S. 1

 

Leitsatz

1. Wird im Rahmen einer “Aufheizstrategie” eine Einstellung gewählt, die dazu führt, dass diese nahezu ausschließlich unter den im neuen europäischen Fahrzyklus (NEFZ) festgelegten Bedingungen wirkt, stellt dies eine unzulässige Abschalteinrichtung nach Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der VO (EG) Nr. 715/2007 dar. (Rn. 19 – 23) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Herstellung und das Inverkehrbringen von Dieselmotoren unter Verwendung einer Motorsteuerungssoftware, durch welche Stickoxidwerte im Vergleich zwischen Prüfstand und realem Fahrbetrieb verschlechtert werden, ist sittenwidrig im Sinne von § 826 BGB. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine Haftung der Audi AG gegenüber dem Käufer eines mit einer Abschalteinrichtung ausgestatteten Fahrzeugs besteht, wenn die jeweiligen Repräsentanten der Audi AG zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens der betroffenen Fahrzeuge Kenntnis von der Abschalteinrichtung hatten. (Rn. 25 – 29) (redaktioneller Leitsatz)
4. Der Käufer muss sich gezogene Nutzungen im Rahmen der Berechnung der Höhe des Schadensersatzes abziehen lassen, wobei von einer Gesamtlaufleistung von 300.000 km des Fahrzeugs Audi S Q5 Plus 3,0 TDI ausgegangen werden kann.  (Rn. 37 – 41) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 53.821,06 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 23.05.2019 Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeuges der Marke Audi SQ5 Plus 3,0 TDI mit der Fahrzeugidentifizierungsnummer zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte seit dem 29.07.2019 mit der Rücknahme des Fahrzeuges der Marke Audi SQ5 Plus 3,0 TDI mit der Fahrzeugidentifizierungsnummer … in Annahmeverzug befindet.
3. Die Beklagte wird verurteilt, die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 1.954,46 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.05.2019 zu zahlen.
4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
5. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 19% und die Beklagte 81% zu tragen.
6. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 66.440,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klage ist zulässig. Das Landgericht Ingolstadt ist nach §§ 12, 17 Abs. 1 ZPO örtlich zuständig.
II.
Die Klage ist im tenorierten Umfang begründet. Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises als Schadenersatz abzüglich einer Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeuges, die Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten und jeweils Zinsen hieraus aufgrund Rechtshängigkeit der geltend gemachten Ansprüche gemäß §§ 826, 249, 291, 288 BGB zu. Der Antrag auf Feststellung des Annahmeverzuges ist ebenfalls begründet.
Die von der Beklagten getroffene unternehmerische Entscheidung, den mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestatteten Motor in unterschiedlichen Fahrzeugtypen und damit auch in dem streitgegenständlichen Fahrzeug einzubauen und dieses sodann in Verkehr zu bringen, war sittenwidrig (vergleiche hierzu OLG Karlsruhe, Urteil vom 18. Juli 2019,17 U 160/18). Durch diese Entscheidung ist der Klägerin kausalen Schaden entstanden, da sie in Unkenntnis der durchgeführten Manipulation an der Abschalteinrichtung einen Kaufvertrag über das streitgegenständliche Fahrzeug abgeschlossen hat, den sie bei entsprechender Kenntnis nicht eingegangen wäre. Der Beklagten ist zum Zeitpunkt der ihr zur Last zu legenden Handlung des Inverkehrbringens des Fahrzeuges die Kenntnis hinsichtlich hierdurch kausal verursachter Schäden beim Erwerb solcher Fahrzeuge, die bei den für sie handelnden Organen vorlag, zuzurechnen. Gleiches gilt für die Sittenwidrigkeit des Verhaltens ihrer Organe.
1. Das Inverkehrbringen des mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Fahrzeuges mit einer erschlichenen Typgenehmigung stellt eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung des jeweiligen Erwerbers dar.
a) Es kann dahinstehen, ob in dem Fahrzeug der Klägerin ein Motor des Typs EA897 evo oder ein Motor des Typs EA896 Gen2BiT verbaut ist. Unabhängig von der konkreten Motorenbezeichnung steht aufgrund des unstreitigen Sachvortrages fest, dass das Fahrzeug der Klägerin von der Anordnung des Rückrufes durch das Kraftfahrtbundesamt in Bezug auf dessen Emissionsverhalten betroffen ist.
Aufgrund des am 12.12.2018 unter der KBA-Referenznummer 8398 ergangenen Rückrufes für Fahrzeuge des Herstellers Audi mit der Verkaufsbezeichnungen A6, A7 und SQ5 mit der Beschreibung: „Entfernung unzulässiger Abschalteinrichtungen bzw. der unzulässigen Reduzierung der Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems“ in Verbindung mit dem Bescheid des Kraftfahrtbundesamtes über die Anordnung einer nachträglichen Nebenbestimmung zur EG-Typ Genehmigung der Fahrzeuge Audi SQ5 3,0 l Diesel Euro 6 steht zur Überzeugung des Gerichts die Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in dem streitgegenständlichen Fahrzeug fest.
Der Bescheid über die Anordnung nachträglicher Nebenbestimmungen beschreibt die von der Beklagten im Emissionskontrollsystem verwendete Strategie A der sogenannten „Aufheizstrategie“ so, dass zum Starten dieser Strategie eine Vielzahl von Initialisierungsparametern verwendet wird, die über eine UND-Verknüpfung miteinander verknüpft sind. Alle Bedingungen müssen gleichzeitig vorliegen, damit die Aufheizstrategie genutzt wird. Die zu den Parametern gehörenden Werte (Schaltbedingungen) sind so eng bedatet, dass die Aufheizstrategie nahezu ausschließlich im neuen europäischen Fahrzyklus (NEFZ) und den dort definierten Prüfbedingungen wirkt. Schon kleine Abweichungen im Fahrprofil und in den Umgebungsbedingungen führen zur Abschaltung der Aufheizstrategie. Das Kraftfahrtbundesamt führt weiter aus, dass sie sich bei der Strategie A um eine Abschalteinrichtung handelt. Wird die Aufheizstrategie abgeschaltet, verschlechtert sich das Stickoxidemissionsverhalten.
Diese Strategie ist damit als Abschalteinrichtung nach Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der VO (EG) Nr. 715/2007 unzulässig. Das Kraftfahrtbundesamt hat im Bescheid über die Anordnung von Nebenbestimmungen zur Typgenehmigung festgestellt, dass Ausnahmegründe des Artikels 5 Abs. 2 Satz 2, a) bis c) der VO (EG) Nr. 715/2007 nicht vorliegen. So lassen sich aus den Schaltkriterien keine stichhaltigen Gründe für einen Motorschutz ableiten. Gründe gemäß b) liegen funktionsbedingt nicht vor. Für das Vorliegen einer Ausnahme gemäß c) wäre der Vortrag der Beklagten nötig gewesen, dass die Emissionsgrenzwerte der Prüfung Typ 1 auch mit abgeschalteter Aufheizstrategie eingehalten werden. Hierzu ist anzumerken, dass die Einhaltung der Grenzwerte der limitierten Schadstoffe unter allen zulässigen Prüfbedingungen der genannten Verordnung und nicht nur unter idealisierten Bedingungen gegeben sein muss.
Damit steht für das Gericht fest, wie das Kraftfahrtbundesamt ebenfalls festgehalten hat, dass die Wirkung des Emissionskontrollsystems durch die Verwendung einer mit Prüfzykluserkennung einhergehenden Aufheizstrategie außerhalb der Prüfbedingungen der VO (EG) Nr. 715/2007 in Verbindung mit der VO (EU) 692/2008 im unzulässigen Umfang verringert wird.
b) Die Herstellung und das Inverkehrbringen von Dieselmotoren wie im streitgegenständlichen Fahrzeug unter Verwendung einer Motorsteuerungssoftware, durch welche Stickoxidwerte im Vergleich zwischen Prüfstand und realem Fahrbetrieb verschlechtert werden und damit das Emissionsverhalten des Motors auf dem Prüfstand im NEFZ anders gesteuert wird als im regulären Fahrbetrieb, erfüllt die Voraussetzungen einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung der jeweiligen Käufer derartiger Fahrzeuge gemäß § 826 BGB. Die Täuschung durch die Beklagte diente – andere Motive sind weder von der Beklagten dargelegt noch sonst ersichtlich – dem Zweck, zur Kostensenkung (und möglicherweise zur Umgehung technischer Probleme) rechtlich und technisch einwandfreie, aber teurere Lösungen der Abgasreinigung zu vermeiden und mithilfe der scheinbar umweltfreundlichen Prüfstandwerte Wettbewerbsvorteile zu erzielen. Schon dieses Gewinnstreben um den Preis der bewussten Täuschung und Benachteiligung von Kunden gibt dem Handeln der Beklagten das Gepräge der Sittenwidrigkeit.
c) Die schädigende Handlung ist der Beklagten zuzurechnen.
(a) Im Rahmen der Repräsentantenhaftung wird auch denjenigen Personen das deliktische Handeln der Mitarbeiter nach § 31 BGB zugerechnet, denen durch die allgemeine Betriebsregelung und Handhabung bedeutsame Funktionen zur selbständigen, eigenverantwortlichen Erfüllung zugewiesen sind, so dass sie die juristische Person im Rechtsverkehr repräsentieren, wobei es nicht notwendigerweise auf die satzungsgemäße Vertretung der juristischen Person ankommt.
(b) Es bedarf keiner konkreten Feststellung, welcher Repräsentant der Beklagten vorsätzlich handelte. Dies festzustellen ist der Klagepartei, die keine Einblicke in die betriebsinterne Aufgabenverteilung der Beklagten hat, nicht dezidiert möglich. Sie hat jedoch – im Rahmen ihrer Möglichkeiten – substantiiert vorgetragen, so dass es der Beklagten im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast oblegen hätte, den Vortrag zu entkräften oder die Repräsentanten zu benennen. Beides ist nicht erfolgt.
Insbesondere kommt es nicht darauf an, ob die jeweiligen Repräsentanten Kenntnis zur Zeit der Software-Entwicklung hatten. Abzustellen ist vielmehr auf den Zeitpunkt des Inverkehrbringens der betroffenen Fahrzeuge. Eine Kenntnis der entsprechenden Repräsentanten zu diesem Zeitpunkt liegt jedoch unzweifelhaft vor. Ein eigenmächtiges Handeln von Mitarbeitern, die nicht als Repräsentanten im obigen Sinne zu sehen sind, ist zur Überzeugung des Gerichts nicht vorstellbar.
Der Kläger hat substantiiert dazu vorgetragen, dass es sich bei den Modellen der Beklagten um Gemeinschaftsentwicklungen mit der V. AG handele, bei der die Technik der Fahrzeuge in konzernübergreifender Plattformbauweise neben der Konzernmutter auch den Töchtern zur Verfügung stünden und im Wesentlichen durch unterschiedliche Karosserien markenspezifisches Design erreicht werde. Damit widerspricht er der Darstellung der Beklagten, dass der streitgegenständliche Motor allein von der V. AG entwickelt worden sei und die Beklagte sich daher keine mangelhafte Organisation vorwerfen lassen müsse. Weiterhin hat der Kläger dargestellt, dass durch die Überkreuzregelungen der Vorstände der einzelnen mit der V. AG verbundenen Unternehmen die wesentlichen Entscheidungen von denselben Entscheidungsträgern getroffen worden seien und dementsprechend auch die Kenntnis von den Manipulationen konzernübergreifend vorhanden war, wobei er Namen und Funktionen beteiligter Funktionsträger benennt. Ein darüber hinaus gehender Vortrag des Klägers ist nicht erforderlich.
d) Die Beklagte hat der Klagepartei den Schaden vorsätzlich zugefügt. Die Programmierung der hier in Rede stehenden Software setzt eine aktive und ergebnisorientierte präzise Programmierung der Motorsteuersoftware voraus. Die Annahme einer fahrlässigen Herbeiführung dieses Zustandes ist daher ausgeschlossen, so dass es keiner weiteren Beweisaufnahme hierzu bedurfte. Dasselbe gilt für die Verwendung des Motors, in dem die Software implementiert war.
Mangels jeglicher entgegenstehender Anhaltspunkte muss ebenso davon ausgegangen werden, dass den Organen der Beklagten völlig klar war, dass die Beklagte Dieselmotoren in den von ihr hergestellten Fahrzeugen verkaufte, die hinsichtlich der Abgaswerte nicht den einschlägigen Vorschriften entsprachen, und dass somit die Kunden der Beklagten selbst und ihrer Tochterunternehmen sowie die Käufer von betroffenen Gebrauchtwagen wirtschaftlich nachteilige Kaufverträge abschlossen.
e) Der Klagepartei ist durch die Bindung an einen nicht erwartungsgerechten Vertrag ein Schaden entstanden, der einen Anspruch auf Schadensersatz in Gestalt der Rückabwicklung des Fahrzeugerwerbs auslöst gemäß §§ 249 ff. BGB.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist auch bei objektiver Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung eine Verpflichtung zum Schadensersatz in Form der Naturalrestitution gemäß § 249 Abs. 1 BGB gegeben, wenn ein getäuschter Vertragspartner den Vertrag ohne das haftungsauslösende Verhalten, also die Ausstellung der unrichtigen Bescheinigung, nicht eingegangen wäre (BGH NJW 1998, 302; BGH NJW-RR 2005, 611; BGH NJW 2005, 1579; BGH NJW 2010, 2506; VersR 2012, 1237). Voraussetzung ist lediglich, dass der Geschädigte die erfolgte Vertragsbindung nicht willkürlich als Schaden ansieht, sondern dass sie sich auch nach der Verkehrsanschauung bei Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls als unvernünftig erweist (BGH NJW 1998, 302; BGH NJW 2005, 1579). Hierfür genügt nach Ansicht des Bundesgerichtshofs, dass die Leistung des anderen Vertragspartners, obwohl objektiv werthaltig, für die Zwecke des geschädigten Kontrahenten nicht vollumfänglich brauchbar ist (BGH NJW-RR 2005, 611; BGH NJW 2005, 1579; VersR 2012, 1237; NJW-RR 2014, 277). Der Schaden besteht dann allein in dem durch das haftungsauslösende Verhalten bewirkten Eingriff in das Recht, über die Verwendung des eigenen Vermögens selbst zu bestimmen (BGH NJW 2010, 2506) und in der Entstehung einer ungewollten Verpflichtung aus diesem Vertragsverhältnis (BGH NJW-RR 2005, 611).
Wendet man diese Grundsätze auf den hier vorliegenden Fall an, führt dies zu dem Ergebnis, dass ein Fahrzeugerwerber wie die Klägerin infolge des dem Hersteller zur Last fallenden Fehlverhaltens eine zweckwidrige Vertragsbindung eingegangen ist, die zur Rückabwicklung des Kaufvertrags führt. Hätte der Hersteller keine unrichtige Übereinstimmungsbescheinigung erteilt und stattdessen offengelegt, dass die in Verkehr gebrachten Fahrzeuge gerade keinem genehmigten Typ entsprechen, hätten deren Erwerber davon abgesehen, diese Fahrzeuge zu kaufen.
Letztlich kommt es auf das konkrete Motiv der Klägerin für den Erwerb des Fahrzeuges nicht an. Aus Sicht des Gerichts ist jeder Erwerber interessiert daran, ein Fahrzeug zu erwerben, dessen Produktion und Inverkehrnahme keinen rechtlichen Bedenken unterliegt. Jedenfalls lässt sich keinem Erwerber unterstellen, ihm wäre gleichgültig, ob das Fahrzeug ordnungsgemäß produziert und in den Verkehr gebracht worden ist oder nicht. Die Investition in ein neues Fahrzeug, das diese Eigenschaft nicht aufweist, ist aus Sicht des jeweiligen Erwerbers dann zweckwidrig, selbst wenn man unterstellt, dass das haftungsträchtige Verhalten zu keinerlei in Geld zu bemessender Einbuße geführt hat.
Hierin liegt auch kein allgemeiner Vermögensschutz, der im Deliktsrecht ja gerade nicht gelten soll, sondern es wird konkret auf den Vertragsschluss als Schaden abgestellt.
f) Da es hier nicht um den Schutz des Vermögens geht, sondern der Vertrag als solcher den zu beseitigenden Schaden darstellt, hat die Klägerin zwar Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrags Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs, muss sich aber die erlangten Gebrauchsvorteile im Sinne des § 249 Abs. 1 BGB in Abzug bringen lassen.
Die Nutzungsentschädigung, die die Klagepartei an die Beklagte im Wege der Zugum-Zug-Rückabwicklung zu entrichten hat, ist im vorliegenden Fall auf 12.618,94 € festzusetzen. Die Berechnung nimmt das Gericht dabei nach folgender Formel vor (vgl. BGH, Entscheidung vom 09.12.2014, VIII ZR 196/14):
Bruttokaufpreis (€) x gefahrene Strecke (km)
Restleistung bei Vertragsschluss (km)
Da die Klagepartei das Fahrzeug als Neufahrzeug erworben hat, hat sie für die seit dem Kauf gefahrenen Kilometer Nutzungsentschädigung zu leisten. Dies ergibt sich nach gerichtlicher Schätzung gemäß § 287 ZPO.
Das Gericht geht im Rahmen der Berechnung weiter aufgrund einer Schätzung gemäß § 287 ZPO von einer Gesamtlaufleistung des streitgegenständlichen Fahrzeugs in Höhe von 300.000 km aus (so auch LG München I, Az. 23 O 23033/15).
Die Nutzungsentschädigung beläuft sich daher auf 66.440,00 € (Kaufpreis) x 56.979 (gefahrene km) : 300.000 (Gesamtlaufleistung abzüglich Kilometer beim Kauf) = 12.618,94 €.
Es verbleibt daher ein Rückzahlungsbetrag an die Klagepartei in Höhe von 53.821,06 €.
2. Der Anspruch auf Verzinsung des Anspruchs ab Rechtshängigkeit ergibt sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB. Verzugszinsen können nicht zugesprochen werden, da zu einer Inverzugsetzung durch außergerichtliches Aufforderungsschreiben mit Fristsetzung nicht substanziiert vorgetragen wurde.
3. Auch der Feststellungsantrag ist begründet.
Die Voraussetzungen des Annahmeverzugs nach §§ 293 ff. BGB liegen vor. Spätestens mit der Zurückweisung sämtlicher Ansprüche und damit auch des Angebotes der Zug-um-Zug-Leistung Übergabe und Übereignung des Fahrzeuges in der Verteidigungsanzeige und Klageerwiderung befindet sich die Beklagte in Annahmeverzug
4. Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten sind als Teil des deliktischen Schadens, § 249 BGB, (nur) in der tenorierten Höhe aus dem zusprechenden Klageantrag zu 1) samt Zinsen ab Rechtshängigkeit zu ersetzen.
Bei der Berechnung ist lediglich eine 1,3 Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 VV, § 13 RVG (eine Gebühr: 1.248,00 €) anzusetzen. Dass beide anwaltlichen Vertreter viel schreiben, macht aus dem Rechtsstreit keine Angelegenheit großen Umfangs, andernfalls hätten Rechtsanwälte es in der Hand, durch exzessiven Umgang mit der „copy and paste“-Technik hohe Gebühren zu generieren.
Weiter handelt es sich auch nicht um eine Angelegenheit hoher Schwierigkeit. Vielmehr ist das Verfahren ein Massenverfahren, bei dem die Schriftsätze zu mehr als 95% aus Textbausteinen bestehen, was allenfalls den Ansatz der Mittelgebühr rechtfertigt.
Hinzuzurechnen ist die Pauschale Nr. 7002 VV in Höhe von 20,00 €. Unter Berücksichtigung der Mehrwertsteuer ergibt sich der tenorierte Betrag von 1.954,46 €.
Die Verzinsung auch dieses Anspruchs ergibt sich ebenfalls aus §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.
5. Im Übrigen ist die Klage abzuweisen.
a) Dies gilt hinsichtlich der in Abzug gebrachten Gebrauchsvorteile. Da der Klägervertreter diese im Termin mit 7.566,81 € beziffert hat, wurde die Klage, die ursprünglich noch keine konkrete Bezifferung der abzuziehenden Nutzungsentschädigung beinhaltete, teilweise zurückgenommen. Mangels Zustimmung der Beklagten hierzu, ist diese jedoch unwirksam. Aufgrund der anzurechnenden Nutzungsentschädigung war der geltend gemachte Schadenersatzanspruch daher im übrigen zurückzuweisen.
b) Zinsen nach § 849 BGB ab Kaufvertragsschluss bzw. Bezahlung des Kaufpreises schuldet die Beklagte nicht.
§ 849 BGB ist bereits dem Wortlaut nach nicht anwendbar. Die Beklagte hat weder eine Sache der Klagepartei entzogen noch beschädigt. Der Kaufpreis ging vielmehr an den Verkäufer.
Außerdem ist § 849 BGB zwar über den bloßen Wortlaut hinaus auch auf die Entziehung von Geldmitteln anzuwenden (BGH, Versäumnisurteil vom 26. 11. 2007 – II ZR 167/06, NJW 2008, 1084), allerdings ist der Anwendungsbereich auf die Überlassung von Geldern ohne gleichzeitig nutzbare Gegenleistung zu beschränken. Der Zinsanspruch nach § 849 BGB soll nämlich mit einem pauschalierten Mindestbetrag den Verlust der Nutzbarkeit einer Sache ausgleichen, der durch den späteren Gebrauch derselben oder einer anderen Sache nicht nachgeholt werden kann. Dies ist aber dann nicht der Fall, wenn der Geschädigte eine nutzbare Gegenleistung erhalten hat, auch wenn diese später im Rahmen eines Schadensersatzanspruches an den Schädiger übereignet wird. Denn durch einen Fahrzeugkauf, den die Klagepartei in jedem Fall beabsichtigte und nach dem sie das Fahrzeug auch nutzte, hätte sie auch ohne die Täuschung der Beklagten den Kaufpreis nicht gewinnbringend anlegen können. Ein allgemeiner Rechtsgedanke dahingehend, dass Schadensersatzansprüche ab dem Zeitpunkt der Entstehung zu verzinsen seien, ist dem deutschen Recht fremd (Wagner, in: MüKo, § 849 Rn. 4).
c) Bezüglich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten war die Klage abzuweisen, soweit mehr als der tenorierte Betrag beantragt war.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 92 Abs. 1 ZPO. Dabei ist von einem Streitwert von 66.440 € auszugehen. Der Streitwert bemisst sich nach der ursprünglichen Höhe des Leistungsantrages zu 1., wie er in der Klageschrift zum Ausdruck kam. Mangels Angabe der damaligen Höhe eines abzuziehenden Nutzungsersatz verbleibt es bei der Höhe des angegebenen Schadenersatzbetrages.
Bei der Beurteilung des Obsiegens und Unterliegens ist darüber hinaus hinsichtlich der geltend gemachten Deliktszinsen kein fiktiver Streitwert zu bilden.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.


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