Europarecht

Schadensersatz bei Kauf eines vom sogenannten Diesel-Skandal betroffenen PKW nach Bekanntwerden der Manipulation

Aktenzeichen  5 U 4057/19

Datum:
30.9.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 43698
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 826
VO (EG) Nr. 715/2007 Art. 5 Abs. 2a

 

Leitsatz

1. Ein Schadensersatzanspruch aufgrund des Erwerbs eines von sogenannten Diesel-Skandal betroffenen PKW scheidet aus, wenn der Käufer den PKW in Kenntnis der Manipulation des Motors Typ EA 189 erworben hat. (Rn. 1) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Vorwurf, der Motor des PKWs nutze rechtswidrig ein Thermofenster, kann einen Anspruch aus § 826 BGB nicht begründen, weil nicht von einem Vorsatz des PKW-Herstellers ausgegangen werden kann. (Rn. 2) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

11 O 5273/18 2019-05-15 Endurteil LGMUENCHENII LG München II

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München II vom 15.05.2019, Az. 11 O 5273/18, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

Gründe

Nach Meinung des Senats passiert die Berufungsbegründung gerade noch die Schwelle der Zulässigkeit, weil jedenfalls auf S.5 unter Bezugnahme auf das erstinstanzliche Vorbringen Klageschrift S.2-4 davon die Rede ist, dass der Kläger zwar gewusst habe, dass das Fahrzeug von der Dieselaffäre betroffen sei, sich aber auf den Inhalt des Schreibens der Beklagten vom Februar 2016 verlassen habe. Das deckt weder Fehler noch Zweifel an der Beweiswürdigung LGU S.6 auf, da das Landgericht die Klage mit der Begründung abgewiesen hat, dass der Kläger das streitgegenständliche Auto trotz seiner Kenntnis von der Dieselproblematik erworben habe. Damit hat es die Kausalität etwaiger deliktischer Handlungen der Beklagten für den Kaufentschluss des Klägers auch den Senat überzeugend verneint. Denn der Kläger traf seinen Kaufentschluss wohlwissend, dass die Beklagte den Motor EA 189 manipuliert hatte, um auf dem Prüfstand bessere Werte zu erzielen. Damit war ihm bekannt, dass die Beklagte bewusst ein manipuliertes Fahrzeug auf den Markt gebracht hatte, dennoch erwarb er das Gebrauchtfahrzeug, so dass damit sowohl der Vorwurf der sittenwidrigen Schädigung durch Inverkehrbringen dieser Fahrzeuge ohne Information des interessierten Marktes hierüber vom Tisch ist, wie auch der einer wie auch immer gearteten konkludenten Täuschung. Ein selbständiger Haftungsgrund ist dem Schreiben vom Februar 2016 nicht zu entnehmen, da in diesem entgegen der Darstellung in der Klageschrift nicht davon die Rede ist, dass das Fahrzeug den gesetzlichen Vorgaben entspreche, die Manipulation der Prüfstandwerte wird bereits im ersten Satz eingeräumt.
Der Vorwurf im Hinblick auf das Thermofenster entbehrt insofern der Grundlage, als die einzig in Betracht kommende Haftung nach § 826 BGB daran scheitert, dass insoweit nicht von vorsätzlichem Handeln der Beklagten ausgegangen werden kann. Entsprechende Einrichtungen sind nach Art. 5 Abs. 2a EG-VO 715/2007 dann zulässig, wenn der Motor vor Beschädigung oder Unfall geschützt werden soll oder der sichere Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten ist. Deshalb ist auf der Internetseite KBA nachzulesen, dass das „Thermofenster“ kein fest definierter Begriff sei, der häufig dazu verwendet werde, um das Abgasverhalten von Fahrzeugen im Betrieb abhängig von der Außentemperatur zu beschreiben. Ein solches Thermofenster könne eine unzulässige Abschalteinrichtung darstellen. Insoweit hat eine vom damaligen Bundesverkehrsminister Dobrindt eingesetzte „Untersuchungskommission“ festgestellt, dass alle Hersteller Abschalteinrichtungen genutzt hätten. Die Automobilindustrie und ihr folgend der Bundesverkehrsminister gingen 2017 davon aus, dass ein „Thermofenster“ zulässig sei (Führ, NVwZ 2017, 265).
Kaufrechtliche Gewährleistung scheidet bei der hier gegebenen Konstellation aus.
5 U 4057/19 Verfügung
1.
2.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben