Europarecht

Schadensersatz, Erfolgsaussicht, Kaufvertrag, Rechtsanwaltskosten, Berufung, Fahrzeug, Annahmeverzug, Schadenersatz, Software, Kaufpreis, Rechtsmittel, Beweislast, Zinsen, Anspruch, Zug um Zug, hinreichende Erfolgsaussicht, keine hinreichende Erfolgsaussicht

Aktenzeichen  3 U 77/22

Datum:
14.6.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 18709
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

24 O 625/21 2022-03-15 Urt LGSCHWEINFURT LG Schweinfurt

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Schweinfurt vom 15.03.2022 im Beschlussverfahren nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen und den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 42.361,12 € festzusetzen.
Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis längstens 05.07.2022.

Gründe

Die Klagepartei nimmt die beklagte Fahrzeugherstellerin auf Schadensersatz wegen Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung für die Abgasreinigung in Anspruch.
1. Die Klagepartei erwarb am 03.11.2017 von einem Autohaus einen Neuwagen der Marke Audi, Typ Q5 zum Kaufpreis von – wie die Klagepartei vorträgt, obwohl sich aus der Anlage K 1 ein Kaufpreis in Höhe von 64.400,01 € ergibt – 50.455,00 € (Anlage K 1). Zum Zeitpunkt des Kaufs betrug der Kilometerstand des Fahrzeugs 2 km, zum 01.02.2022 betrug er 48.127 km. Das Fahrzeug ist mit einem von der Beklagten hergestellten Dieselmotor des Typs EA 288 (2,0 l 140 kW Euro 6 SCR) ausgestattet und nicht von einem Rückruf durch das Kraftfahrtbundesamt betroffen.
2. Die Klagepartei hat in erster Instanz vorgetragen, in dem von ihr erworbenen Fahrzeug kämen mit Wissen und Wollen des Vorstands der Beklagten unzulässige Abschalteinrichtungen zum Einsatz (Zykluserkennung, Thermofenster). Sie ist deshalb der Auffassung, die Beklagte habe sie im Wege des Schadensersatzes so zu stellen, als habe sie den Kaufvertrag für das Fahrzeug nicht abgeschlossen. Auf dieser Grundlage hat die Klagepartei – nach einer einseitig gebliebenen Teil-Erledigterklärung in Höhe von 1.038,71 € – in erster Instanz zuletzt beantragt,
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei Schadenersatz i.H.v. 42.361,12 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25.08.2021 zu zahlen, Zug um Zug gegen Übereignung und Übergabe des Fahrzeugs Audi Q5 mit der FIN …
2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeuges Audi Q5 mit der FIN seit dem 25.08.2021 im Annahmeverzug befindet.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei die durch die Beauftragung des Prozessbevollmächtigten entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 950,45 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25.08.2021 zu zahlen.
Die Beklagte ist dem Vortrag der Klagepartei in erster Instanz inhaltlich entgegengetreten und hat Klageabweisung beantragt.
Das Landgericht hat die Klage mit Endurteil vom 15.03.2022 abgewiesen.
Wegen des Sach- und Streitstands in erster Instanz im Übrigen wird Bezug genommen auf die Feststellungen im angegriffenen Ersturteil (§ 522 Abs. 2 Satz 4 ZPO).
5. Gegen das vorgenannte Endurteil wendet sich die zulässige Berufung der Klagepartei, die sie im Wesentlichen wie folgt begründet: Das Landgericht habe den Inhalt der Anlagen K 3, K 4 und K 5 verkannt, in denen die Beklagten eine Zykluserkennung „eingestehe“. Das „Thermofenster“ funktioniere nur zwischen 20 – 30 Grad. Dies indiziere seine Unzulässigkeit. Überdies sei die Auffassung von BMVI und KBA, „Thermofenster“ seien zulässig, von Beginn an „unvertretbar“ gewesen.
Die Klagepartei beantragt,
Das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Schweinfurt vom 15.03.2022 wird abge – ändert und wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei Schadenersatz i.H.v. 42.361,12 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basis – zinssatz seit dem 25.08.2021 zu zahlen, Zug um Zug gegen Übereignung und Übergabe des Fahrzeugs Audi Q5 mit der FIN .
2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeu – ges Audi Q5 mit der FIN seit dem 25.08.2021 im An – nahmeverzug befindet.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei die durch die Beauftragung des Prozessbevollmächtigten entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 950.45 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25.08.2021 zu zahlen.
Wegen des Vorbringens der Klagepartei im Berufungsverfahren im Übrigen wird Bezug genommen auf die Berufungsbegründung vom 08.06.2022.
Nach der einstimmigen Auffassung des Senats ist die Berufung offensichtlich unbegründet, so dass das Rechtsmittel keine hinreichende Erfolgsaussicht im Sinn des § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO bietet. Das Landgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
1. Ein Anspruch der Klagepartei gegen die Beklagte nach § 826 BGB oder § 831 BGB wegen des im Fahrzeug der Klagepartei unstreitig zum Einsatz kommenden „Thermofensters“ besteht nicht. Es fehlt sowohl an der objektiven Sittenwidrigkeit als auch am Schädigungsvorsatz.
(Spätestens) Seit der Entscheidungsserie vom 16.09.2021 (Urteile vom 16.09.2021, ZR 190/20, 286/20, 321/20 und 322/20) nimmt der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung an, dass es im Hinblick auf die – bis heute bestehende! – unsichere Rechtslage bei der Beurteilung der Zulässigkeit des Thermofensters unabhängig vom konkret verwendeten Typ des Dieselmotors und herstellerübergreifend (zu Daimler: u.a. Urteil vom 16.09.2021, ZR 190/20, NJW 2021, 3721; zu VW: Beschluss vom 09.03.2021, ZR 889/20, NJW 2021, 1814; zu Audi: Beschluss vom 01.09.2021, ZR 128/21, juris; Beschluss vom 13.10.2021, ZR 164/21, juris; zu BMW: Beschluss vom 15.09.2021, ZR 2/21, juris) sowohl an einem besonders verwerflichen Verhalten des Herstellers als auch an dem erforderlichen Schädigungsvorsatz fehlt.
Im Einzelnen:
a) Die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung (§ 826 BGB) sind nicht bereits deshalb gegeben, weil die Beklagte das in Rede stehende Fahrzeug aufgrund einer grundlegenden unternehmerischen Entscheidung mit einer temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems (Thermofenster) ausgestattet und in den Verkehr gebracht hat (BGH, Beschluss vom 19.01.2021, ZR 433/19, NJW 2021, 921 Rn. 13; Urteil vom 13.07.2021, ZR 128/20, VersR 2021, 1252 Rn. 10; Urteil vom 16.09.2021, ZR 190/20, NJW 2021, 3721 Rn. 12). Dabei kann zugunsten der Klagepartei in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unterstellt werden, dass eine derartige temperaturbeeinflusste Steuerung der Abgasrückführung als unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung 715/2007/EG zu qualifizieren ist (vgl. EuGH, Urteil vom 17. Dezember 2020 – C-693/18, NJW 2021, 1216), denn der darin liegende Gesetzesverstoß wäre auch unter Berücksichtigung einer damit einhergehenden Gewinnerzielungsabsicht der Beklagten für sich genommen nicht geeignet, den Einsatz dieser Steuerungssoftware durch die für die Beklagte handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen zu lassen (BGH, Beschluss vom 19.01.2021, ZR 433/19, NJW 2021, 921 Rn. 16; Beschluss vom 09.03.2021, ZR 889/20, NJW 2021, 1814 Rn. 26; Urteil vom 13.07.2021, ZR 128/20, VersR 2021, 1252 Rn. 13; Urteil vom 20.07.2021, ZR 1154/20, VersR 2021, 1575 Rn. 13; Urteil vom 16.09.2021, ZR 190/20, NJW 2021, 3721 Rn. 15).
aa) Der Einsatz einer temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems ist nicht mit der Fallkonstellation zu vergleichen, die dem Grundsatzurteil vom 25.05.2020 (VI ZR 252/19, NJW 2020, 1962) zugrunde liegt (BGH, Beschluss vom 19.01.2021, ZR 433/19, NJW 2021, 921 Rn. 17 Beschluss vom 09.03.2021, ZR 889/20, NJW 2021, 1814 Rn. 27). Dort hatte der Automobilhersteller entschieden, von der Einhaltung der gesetzlichen Stickoxidgrenzwerte im realen Fahrbetrieb vollständig abzusehen und dem KBA stattdessen zwecks Erlangung der Typgenehmigung mittels einer eigens zu diesem Zweck entwickelten Motorsteuerungssoftware wahrheitswidrig vorzuspiegeln, dass die von ihm hergestellten Dieselfahrzeuge die Grenzwerte einhalten. Die Software war bewusst und gewollt so programmiert, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte nur auf dem Prüfstand beachtet, im normalen Fahrbetrieb hingegen überschritten wurden (Umschaltlogik), und zielte damit unmittelbar auf die arglistige Täuschung der Typgenehmigungsbehörde ab. Die mit einer derartigen – evident unzulässigen – Abschalteinrichtung versehenen Fahrzeuge hatte der Hersteller sodann unter bewusster Ausnutzung der Arglosigkeit der Erwerber, die die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben und die ordnungsgemäße Durchführung des Typgenehmigungsverfahrens als selbstverständlich voraussetzten, in den Verkehr gebracht. Ein solches Verhalten steht einer unmittelbaren arglistigen Täuschung der Fahrzeugerwerber in der Bewertung gleich.
bb) Der Einsatz einer temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems ist weder „evident unzulässig“ (vgl. BGH, Beschluss vom 19.01.2021, ZR 433/19, NJW 2021, 921 Rn. 17) noch von vornherein durch Arglist geprägt (BGH, Beschluss vom 09.03.2021, ZR 889/20, NJW 2021, 1814 Rn. 27). Das Thermofenster unterscheidet nicht danach, ob sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand oder im normalen Fahrbetrieb befindet, sondern arbeitet in beiden Fahrsituationen im Grundsatz in gleicher Weise. Unter den für den Prüfzyklus maßgebenden Bedingungen entspricht die Rate der Abgasrückführung im normalen Fahrbetrieb derjenigen auf dem Prüfstand. Daher reicht allein der Vortrag der Klagepartei, der „unter dem Begriff „Thermofenster“ beschriebene Effekt trete bereits bei unter 10 Grad Celsius ein sowie bei über 30 Grad Celsius“ (Seite 11 der Klageschrift), nicht aus, um dem Verhalten der für die Beklagte handelnden Personen ein sittenwidriges Gepräge zu geben (vgl. BGH, Beschluss vom 21.03.2022, VIa ZR 334/21, juris Rn. 22).
b) Um das Verhalten der Beklagten als sittenwidrig zu bewerten, bedarf es daher – über die Verwendung des Thermofensters hinaus – weiterer Umstände (BGH, Beschluss vom 19.01.2021, ZR 433/19, NJW 2021, 921 Rn. 19; Beschluss vom 09.03.2021, ZR 889/20, NJW 2021, 1814 Rn. 28; Urteil vom 13.07.2021, ZR 128/20, VersR 2021, 1252 Rn. 13; Urteil vom 20.07.2021, ZR 1154/20, VersR 2021, 1575 Rn. 13; Urteil vom 16.09.2021, ZR 190/20, NJW 2021, 3721 Rn. 16), für die die Klagepartei die Darlegungs- und Beweislast trägt (BGH, Urteil vom 20.07.2021, ZR 1154/20, VersR 2021, 1575 Rn. 13). Keinesfalls ausreichend hierfür ist allein der Umstand, dass die Beklagte mit der Entwicklung und dem Einsatz des Thermofensters eine Kostensenkung und die Erzielung von Gewinn erstrebt hat (BGH, Beschluss vom 19.01.2021, ZR 433/19, NJW 2021, 921 Rn. 13).
aa) Über die Verwendung des Thermofensters hinaus setzt daher bereits der objektive Tatbestand der Sittenwidrigkeit voraus, dass die für die Beklagte handelnden Personen bei der Entwicklung und/oder Verwendung der temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen (BGH, Beschluss vom 19.01.2021, ZR 433/19, NJW 2021, 921 Rn. 19; Beschluss vom 09.03.2021, ZR 889/20, NJW 2021, 1814 Rn. 28 Urteil vom 13.07.2021, ZR 128/20, VersR 2021, 1252 Rn. 13; Urteil vom 20.07.2021, ZR 1154/20, VersR 2021, 1575 Rn. 13; Urteil vom 16.09.2021, ZR 190/20, NJW 2021, 3721 Rn. 16), also mit „Vorsatz“gehandelt haben (vgl. BGH, Urteil vom 20.07.2021, ZR 1154/20, VersR 2021, 1575 Rn. 14). Eine lediglich fahrlässige Verkennung der Rechtslage ist insoweit nicht ausreichend (vgl. BGH, Urteil vom 20.07.2021, ZR 1154/20, VersR 2021, 1575 Rn. 14). Für diese Tatbestandsvoraussetzung trägt die Klagepartei die Darlegungs- und Beweislast (BGH, Beschluss vom 19.01.2021, ZR 433/19, NJW 2021, 921 Rn. 19; Beschluss vom 09.03.2021, ZR 889/20, NJW 2021, 1814 Rn. 29; Urteil vom 13.07.2021, ZR 128/20, VersR 2021, 1252 Rn. 14; Urteil vom 16.09.2021, ZR 190/20, NJW 2021, 3721 Rn. 17).
bb) Für ein derartiges Vorstellungsbild sprechende Anhaltspunkte hat die Klagepartei nicht aufgezeigt.
(1) Der Vortrag der Klagepartei, ihr Fahrzeug sei – jedenfalls in Zukunft – Gegenstand einer freiwilligen Kundendienstmaßnahme der Beklagten (vgl. Seite 15 der Klageschrift, Seite 6 der Replik), mit der lediglich bezweckt werde, eine unzulässige Abschalteinrichtung in Wegfall zu bringen und einen verpflichtenden Rückruf zu vermeiden, ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Hieraus lassen sich keine Rückschlüsse auf das Vorstellungsbild der Beklagten zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses ziehen (BGH, Beschluss vom 19.01.2021, ZR 433/19, NJW 2021, 921 Rn. 21 vgl. auch Urteil vom 26.04.2022, ZR 435/20, juris Rn. 15).
(2) Die Klagepartei hat nicht dargelegt, dass es sich bei dem Thermofenster um eine prüfstandsbezogene Abschalteinrichtung handelt.
Das Thermofenster ist nicht mit einer Prüfstanderkennung verbunden, weshalb dessen Verwendung unter diesem Gesichtspunkt nicht einer unmittelbaren arglistigen Täuschung der Fahrzeugerwerber in der Bewertung gleichsteht. Bei Implementierung des Thermofensters erfolgt die Abgasreinigung im Grundsatz auf dem Prüfstand und im realen Betrieb in gleicher Weise. Es liegt damit – im „Thermofenster“ als solchem – noch kein System der Prüfstanderkennung vor (vgl. BGH, Urteil vom 16.09.2021, ZR 190/20, juris Rn. 19; Urteil vom 13.01.2022, ZR 205/20, juris Rn. 27 f.). Soweit die Klagepartei behauptet, der Temperaturbereich des Thermofensters sei auf die Bedingungen auf dem Prüfstand zugeschnitten (Seite 7 der Berufungsbegründung), hat sie die Ausgestaltung des Thermofensters schlüssig und in prozessual beachtlicher Weise vorzutragen (vgl. BGH, Urteil vom 16.09.2021, ZR 190/20, juris Rn. 20, 24; Urteil vom 24.03.2022, ZR 270/20, juris Rn. 21; Beschluss vom 15.09.2021, ZR 2/21, juris Rn. 14; Beschluss vom 15.09.2021, ZR 101/21, juris Rn. 17). Dies ist nicht geschehen. Der Vortrag der Klagepartei ist – wie dargestellt (vgl. Seite 11 der Klageschrift, Seite 7 der Berufungsbegründung) bereits widersprüchlich. Zudem fehlt jeglicher greifbare Anhaltspunkt dafür, dass die Behauptung der Klagepartei zutreffen könnte; aus den Anlagen K 3 bis K 5 ergibt sich insoweit nichts. Hinzu kommt schließlich, dass das KBA unstreitig weder im Genehmigungsverfahren noch bei einer späteren Untersuchung des Fahrzeugs die konkrete Ausgestaltung des Thermofensters beanstandet hat (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 22.02.2022, 8 U 143/21, juris Rn. 10).
(3) Eine Täuschung des Kraftfahrt-Bundesamtes ist auf Grundlage des klägerischen Vortrags nicht erkennbar, insbesondere nicht durch wissentlich unterbliebene oder unrichtige Angaben der Beklagten im Typgenehmigungsverfahren, die noch dazu auf ein heimliches und manipulatives Vorgehen oder eine Überlistung des Kraftfahrt-Bundesamtes hindeuteten. Nicht ausreichend ist insbesondere der Vortrag der Klagepartei, „eine Offenlegung des „Thermofensters“ gegenüber der zuständigen Typgenehmigungsbehörde sei unterblieben“ (Seite 9 der Berufungsbegründung). Eine (neuerliche) Täuschung des KBA hat die Klagepartei schlüssig vorzutragen und greifbare Anhaltspunkte hierfür dazulegen (vgl. BGH, Beschluss vom 13.10.2021, ZR 99/21, juris Rn. 16 Urteil vom 13.01.2022, ZR 205/20, juris Rn. 22). Im Streitfall verbleibt es indes bei der vagen und substanzlosen Behauptung, die daher unbeachtlich ist. Daher kommt eine Anordnung nach § 142 ZPO nicht in Betracht.
c) Dem Sachvortrag der Klagepartei lässt sich zudem nicht entnehmen, dass die Beklagte mit Schädigungsvorsatz gehandelt hätte. Dass das „Thermofenster“ auf die Bedingungen des Prüfstands zugeschnitten wäre, hat die Klagepartei nicht in beachtlicher Weise dargelegt (vgl. insoweit Seite 7 der Berufungsbegründung). Anders als die Klagepartei meint, war die Rechtsauffassung der Beklagten auch nicht „unvertretbar“ (Seite 7 der Berufungsbegründung).
Bei einer Abschalteinrichtung, die – wie hier – im Grundsatz auf dem Prüfstand in gleicher Weise arbeitet wie im realen Fahrbetrieb und bei der die Frage der Zulässigkeit nicht eindeutig und unzweifelhaft beantwortet werden kann, kann bei Fehlen sonstiger Anhaltspunkte nicht ohne Weiteres unterstellt werden, dass die für die Beklagte handelnden Personen in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen (BGH, Urteil vom 16.09.2021, ZR 190/20, juris Rn. 30). Die Rechtslage hinsichtlich der Zulässigkeit eines Thermofensters ist – bis heute – zweifelhaft. Eine möglicherweise nur fahrlässige Verkennung der Rechtslage genügt aber für eine Haftung der Beklagten nicht (BGH, Urteil vom 16.09.2021, ZR 190/20, juris Rn. 31 f.). Auch folgt allein aus der – unterstellten – objektiven Unzulässigkeit der Abschalteinrichtung in Form des Thermofensters kein Vorsatz hinsichtlich der Schädigung der Fahrzeugkäufer. Im Hinblick auf die unsichere Rechtslage ist nicht dargetan, dass sich den für die Beklagte tätigen Personen die Gefahr einer Schädigung des Klägers hätte aufdrängen müssen (BGH, Urteil vom 16.09.2021, ZR 190/20, juris Rn. 32).
Dass bestimmte Ausgestaltungen des Thermofensters nunmehr vom Generalanwalt beim EuGH als unzulässige Abschalteinrichtungen angesehen werden (vgl. die Schlussanträge des Generalanwalts beim EuGH vom 23.09.2021 – C-128/20, Celex-Nr. 62020CC0128, juris Rn. 104) und denkbar ist, dass diese Sicht in Zukunft auch vom KBA übernommen wird, ändert an der vorstehenden Beurteilung nichts. Denn für diese sind die damaligen, vor Erwerb des streitgegenständlichen Fahrzeuges liegenden, Vorstellungen und Erkenntnisse maßgeblich (OLG Stuttgart, Urteil vom 25.01.2022, 16a U 138/19, juris Rn. 38).
d) Durfte die Beklagte das Thermofenster zumindest vertretbar für eine zulässige Abschalteinrichtung halten, durfte sie auch das On-Board-Diagnosesystem so ausgestalten, dass es den Einsatz des Thermofensters nicht als Fehler anzeigt (BGH, Beschluss vom 15.09.2021, ZR 2/21, juris Rn. 18; Beschluss vom 12.01.2022, ZR 222/21, juris Rn. 34).
2. Ein Anspruch der Klagepartei gegen die Beklagte wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung in Form einer Zykluserkennung/Fahrkurve besteht ebenfalls nicht. Zu Recht hat das Landgericht den diesbezüglichen Vortrag der Klagepartei als prozessual unbeachtlich angesehen (zum Prüfungsmaßstab vgl. BGH, Urteil vom 13.07.2021, ZR 128/20, juris Rn. 21; Urteil vom 16.09.2021, ZR 190/20, juris Rn. 23; Urteil vom 26.04.2022, ZR 435/20, juris Rn. 12 f.).
a) Sämtlicher Vortrag der Klagepartei hierzu geht bereits deshalb an der Sache vorbei, weil die Beklagte in erster Instanz unwidersprochen vorgetragen hat, im Fahrzeug der Klagepartei sei eine Fahrkurve – wie sie sich aus den Anlagen K 3 bis K 5 ergebe – nie vorhanden gewesen sei (Seite 6 der Klageerwiderung).
b) Selbst wenn die Behauptung der Klagepartei als wahr unterstellt würde, ergäbe sich hieraus keine berechtigte Klageforderung:
aa) Die Beklagte hat eine amtliche Auskunft des Kraftfahrtbundesamts vom 14.12.2020 an das Oberlandesgericht Celle vorgelegt, die den hier in Rede stehenden Motor – EA 288 EU 6 2.0 TDI 140 kW SCR – zum Gegenstand hat (Anlagenkonvolut B 40) und in der – auszugsweise – mitgeteilt wird:
„Das … Fahrzeug weist keine unzulässige Abschalteinrichtung auf.“
In einer weiteren Auskunft vom 13.11.2020 an das Oberlandesgericht Stuttgart (Anlage B 18), die einen Motor mit dem Motorkennbuchstaben DETA (vgl. Anlage K 2) betrifft – heißt es auszugsweise:
„Die Funktion „Umschaltlogik in der Motorsteuerung der … EA 288 wird seitens des KBA nicht als unzulässige Abschalteinrichtung beurteilt Prüfun – gen im KBA zeigen, dass auch bei Deaktivierung der Funktion die Grenzwerte … nicht überschritten werden, sodass es sich nicht um eine unzulässige Ab – schalteinrichtung handelt.“
bb) Dem hat der Vortrag der Klagepartei in erster Instanz und im Berufungsverfahren, den der Senat zur Kenntnis genommen und erwogen hat, nichts Substantielles entgegenzusetzen. Im Einzelnen ist hierzu anzumerken:
(1) Der Umstand, dass die Beklagte im Motortyp EA 189 eine unzulässige Abschalteinrichtung nebst Fahrstanderkennung („Umschaltlogik“) verwendet hat, stellt noch keinen greifbaren Anhaltspunkt dafür dar, dass dies auch beim Motortyp EA 288 der Fall ist (OLG Dresden, Urteil vom 04.12.2020, 9a U 2074/19, juris Rn. 30). Aus dem Umstand, dass es sich bei dem Motorentyp EA 189 um den Vorgängermotor zum streitgegenständlichen Motorentyp EA 288 gehandelt hat, kann nicht geschlossen werden, dass auch in dem Nachfolgemodell eine unzulässige Abschalteinrichtung enthalten ist (OLG Stuttgart, Urteil vom 19.01.2021, 16a U 196/19, juris Rn. 54).
Dass Fahrzeuge der Beklagten mit unzulässigen Abschalteinrichtungen versehen sein mögen, begründet kein Indiz dafür, dass dies ebenfalls auf das hier streitgegenständliche Fahrzeug zutrifft (BGH, Beschluss vom 15.09.2021, ZR 165/21, juris Rn. 14).
(2) Eine etwaige Rückrufaktion der Beklagten das Fahrzeug der Klagepartei betreffend mit Aufforderung zu einer freiwilligen Kundendienstmaßnahme zur weiteren Senkung der Stickoxidemissionen (vgl. Seite 15 der Klageschrift, Seite 6 der Replik) ist kein hinreichender Anhaltspunkt für die behauptete Manipulationssoftware. Softwareaktualisierungen zur technischen Verbesserung des Fahrzeugs können viele Gründe haben und indizieren nicht, dass ohne die Aktualisierung ein Mangel oder gar eine unzulässige Manipulationssoftware vorläge (BGH, Beschluss vom 15.09.2021, ZR 165/21, juris Rn. 14; Urteil vom 26.04.2022, ZR 435/20, juris Rn. 15). Dies gilt erst recht, wenn das in Rede stehende Fahrzeug von dieser Maßnahme bislang überhaupt nicht betroffen war (BGH, Beschluss vom 29.09.2021, ZR 72/21, juris Rn. 14).
(3) In der Anlage K 4 heißt es auf Seite 28: „Umschaltung in der Software teilweise enthalten, jedoch ohne Einfluss auf das Emissionsverhalten. Hinweis: Die Fahrzyklenerkennung ist stark von der Motorvariante und dem Projekt abhängig und ist nicht immer einheitlich appliziert.“ (Hervorhebung nicht im Original).
Die Anlage K 5 wurde nach dem unbestritten gebliebenen Vortrag der Klagepartei (vgl. Auch Anlage B 7) mit dem KBA inhaltlich abgestimmt. Daher ergibt sich auch aus der Anlage K 6 nichts für den Streitfall Relevantes.
(4) Die Abweichung der Messwerte im Realbetrieb von den Messwerten nach NEFZ (vgl. Anlage K 7) ist als Indiz für eine Abschalteinrichtung, und noch dazu für eine Manipulationssoftware, die die Voraussetzungen des § 826 BGB erfüllen könnte, angesichts der unstreitigen gravierenden Unterschiede der Bedingungen, unter denen die Messung erfolgt, ungeeignet (BGH, Urteil vom 13.07.2021, ZR 128/20, juris Rn. 23; Beschluss vom 15.09.2021, ZR 2/21, juris Rn. 30; Urteil vom 26.04.2022, ZR 435/20, juris Rn. 15);
(5) Die Klagepartei kann sich nicht auf den Rückruf von Fahrzeugen des Typs T6 beziehen, denn dieser ist wegen einer Konformitätsabweichung, nicht wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung erfolgt. Ein Rückrufbescheid des Kraftfahrt-Bundesamtes wegen einer sogenannten Konformitätsabweichung begründet in der Regel keinen tatsächlichen Anhaltspunkt für das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung. Bemängelt wird damit nicht, dass die zur Erlangung der Typgenehmigung vorgestellten Fahrzeuge als Vertreter für die Serie über eine unzulässige Abschalteinrichtung verfügt haben sollen, sondern, dass es nachträglich – sei es im Rahmen der Produktion oder des Alterungsprozesses des Fahrzeuges – zu Abweichungen gekommen ist, aufgrund derer die Grenzwerte nicht mehr eingehalten werden (OLG Stuttgart, Urteil vom 19.01.2021, 16a U 196/19, juris Rn. 49).
cc) In der Auffassung, dass die Klagepartei ins Blaue hinein vorträgt, sieht sich der Senat – unbeschadet der Tatsache, dass sowohl das Datum des Kaufs als auf der Kaufpreis falsch vorgetragen wird – auch dadurch bestätigt, dass die Klagepartei im Schriftsatz vom 07.01.2022 jeweils „unstreitig stellt“, dass das Fahrzeug über einen NOx-Speicherkatalysator und über einen SCR-Katalysator verfügt, obwohl dies technisch – wenn möglicherweise nicht ausgeschlossen so doch – vollkommen unsinnig ist. Dies lässt den Vortrag der Klagepartei insgesamt als willkürlich erscheinen.
3. Ein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 Abs. 1 StGB besteht nach dem vorstehend Ausgeführten ebenfalls nicht.
4. Der Klageanspruch ergibt sich auch nicht aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 Satz 1 EG-FGV, weil es sich bei den Vorschriften der EG-FGV nicht um Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB handelt (BGH, Urteil vom 30.07.2020, ZR 5/20, NJW 2020, 2798 Rn. 10 ff.; Beschluss vom 18.05.2021, ZR 486/20, juris Rn. 21; Urteil vom 16.09.2021, ZR 190/20, juris Rn. 35; Urteil vom 23.09.2021, ZR 200/20, juris Rn. 14). Entsprechendes gilt für einen Anspruch nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 5 VO 715/2007/EG (BGH, Urteil vom 30.07.2020, ZR 5/20, NJW 2020, 2798 Rn. 15; Urteil vom 08.12.2020, ZR 244/20, ZIP 2021, 84 Rn. 20; Beschluss vom 09.03.2021, ZR 889/20, Rn. 10, juris; Urteil vom 23.03.2021, ZR 1180/20, juris Rn. 19; vgl. auch BGH, Urteil vom 23.09.2021, ZR 200/20, juris Rn. 14).
Der Senat sieht – auch mit Blick auf den Schriftsatz vom 10.06.2022 – keinen Anlass, das Verfahren nach § 148 ZPO auszusetzen. Soweit der Generalanwalt Rantos in seinen Schlussanträgen vom 02.06.2022 in der Rechtssache C-100/21 (ECLI:ECLI:EU:C:2022:420) eine von der vorgenannten Rechtsprechung abweichende Ansicht vertritt, ist diese zum jetzigen Zeitpunkt weder für die deutschen Gerichte noch für den Gerichtshof der Europäischen Union rechtsverbindlich. Vielmehr erteilt der EuGH von sich aus den Hinweis: „Die Schlussanträge sind für den Gerichts – hof nicht bindend. Aufgabe der Generalanwältin oder des Generalanwalts ist es, dem Gerichtshof in völliger Unabhängigkeit einen Entscheidungsvorschlag für die betreffende Rechtssache zu unterbreiten. Die Richterinnen und Richter des Gerichtshofs treten nunmehr in die Beratung ein. Das Urteil wird zu einem späteren Zeitpunkt verkündet“ (Pressemitteilung des Gerichtshofs Nr. 95/22 vom 02.06.2022). Zudem vertritt die Europäische Kommission in ihrer Stellungnahme zu der Rechtssache dezidiert eine andere Auffassung als der Generalanwalt.
Die Berufungsangriffe erfordern keine Erörterung in mündlicher Verhandlung.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor. Die Voraussetzungen einer Haftung nach § 826 BGB sind höchstrichterlich sein langem geklärt. Hinsichtlich der Entwicklung und des Einsatzes einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 VO (EG) Nr. 715/2007 hat der Bundesgerichtshof die Voraussetzungen durch zahlreiche Entscheidungen weiter konkretisiert (grundlegend BGH, Urteil vom 25.05.2020, ZR 252/19, BGHZ 225, 316). Ob die Voraussetzungen einer Haftung der Beklagten vorliegen, hängt vom Sachvortrag der Parteien und den darauf gründenden tatrichterlichen Feststellungen ab. Rechtsfragen – insbesondere solche, die Gegenstand einer grundsätzlichen Klärung durch den Bundesgerichtshof sein könnten – stellen sich in diesem Zusammenhang nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 29.09.2021, ZR 223/20, juris Rn. 8 Beschluss vom 29.09.2021, ZR 45/21, juris Rn. 8; Beschluss vom 13.10.2021, ZR 179/21, juris Rn. 9; Beschluss vom 13.10.2021, ZR 295/20, juris Rn. 9; Beschluss vom 21.03.2022, VIa ZR 334/21, juris Rn. 13).
Der Senat regt daher – unbeschadet der Möglichkeit zur Stellungnahme – die kostengünstigere Rücknahme der Berufung an, die zwei Gerichtsgebühren spart (vgl. Nr. 1220, 1222 Kostenverzeichnis GKG).


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