Europarecht

Schadensersatz, Marke, Schadensersatzanspruch, Fahrzeug, Darlehensvertrag, untersagung, Sittenwidrigkeit, Streitwert, Software, Annahmeverzug, Erstattung, Anrechnung, Feststellung, Nutzungsersatz, Zug um Zug, Kosten des Rechtsstreits, vorgerichtliche Anwaltskosten

Aktenzeichen  33 O 2694/20 Die

Datum:
20.10.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 32302
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Ingolstadt
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

1. Nutzungsentschädigung in Höhe von je 0,119 € für jeden gefahrenen Kilometer seit Anfangskilometerstand 26.199 km und zuzüglich Darlehenskosten in Höhe von 2354,65 €, Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeuges der Marke Audi Typ auf 5 Coupe 3.0 TDI Quattro mit der Fahrgestellnummer WAUZZZ8T6GA067316 zu zahlen.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 9% und die Beklagte 91% zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
4. Beschluss.
5. Der Streitwert wird auf 26.792,69 € festgesetzt.

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerpartei 30.365 € abzüglich einer Nutzungsentschädigung in Höhe von je 0,119 € für jeden gefahrenen Kilometer seit Anfangskilometerstand 26.199 km und zuzüglich Darlehenskosten in Höhe von 2354,65 €, Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeuges der Marke Audi Typ auf 5 Coupe 3.0 TDI Quattro mit der Fahrgestellnummer WAUZZZ8T6GA067316 zu zahlen.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 9% und die Beklagte 91% zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 26.792,69 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist teilweise begründet.
Der Kläger ist aktivlegitimiert. Er hat ausreichend nachgewiesen, von seinem Stiefvater, dem Käufer Erwin Otte, durch Abtretungsvertrag die Rechte aus dem Kaufvertrag erworben zu haben.
Bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug handelt es sich um ein solches mit 3,0 l TDI Motor. Hinsichtlich des Motors EA 189 mit 2,0 l Hubraum liegen mittlerweile höchstrichterliche Entscheidungen, allen voran diejenige des Bundesgerichtshofes vom 25.05.2020 vor (BGH VI ZR 252/19), die entsprechende Maßstäbe aufstellen für Fälle der Abgasmanipulation, Existenz eines Rückrufschreibens, Einschaltung des Kraftfahrtbundesamtes mit der Anordnung der Nachbesserung, ein freigegebenes Software-Update mit den damit für den Kläger verbundenen Risiken und Unwägbarkeiten, Anfall und Anrechnung von Nutzungsersatz, dem Fehlen eines verzugsbegründenden Rückgabeangebotes mit den entsprechenden Auswirkungen für Verzugszinsen, Erstattung vorgerichtliche Anwaltskosten und Forderung von Deliktzinsen.
Die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze können deshalb nach dem Dafürhalten des erkennenden Gerichts auf diese 3,0 l Motoren zumindest der streitgegenständlichen Bauart hier EA 897 übertragen werden.
Die Beklagte haftet dem Kläger aus vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gemäß §§ 826, 31 BGB. Das Verhalten der Beklagten ist als sittenwidrig im Sinne des § 826 BGB anzusehen. Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann (st. Rspr., vgl. nur BGH Senatsurteile vom 28. Juni 2016 VI ZR 536/15, WM 2016, 1975 Rn. 16 mwN; vom 7. Mai 2019 – VI ZR 512/17, NJW 2019, 2164 Rn. 8 mwN). Schon zur Feststellung der Sittenwidrigkeit kann es daher auf Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden ankommen, die die Bewertung seines Verhaltens als verwerflich rechtfertigen. Die Verwerflichkeit kann sich auch aus einer bewussten Täuschung ergeben (Senatsurteil vom 28. Juni 2016 – VI ZR 536/15, WM 2016, 1975 Rn. 16 mwN). Insbesondere bei mittelbaren Schädigungen kommt es ferner darauf an, dass den Schädiger das Unwerturteil, sittenwidrig gehandelt zu haben, gerade auch in Bezug auf die Schäden desjenigen trifft, der Ansprüche aus § 826 BGB geltend macht (Senatsurteil vom 7. Mai 2019 – VI ZR 512/17, NJW 2019, 2164 Rn. 8 mwN).
Die Beklagte hat auf Grundlage einer für den Konzern getroffenen grundlegenden strategischen Entscheidung beim Einbau der manipulierten Motoren im eigenen Kosten- und damit auch Gewinninteresse durch bewusste und gewollte Täuschung des KBA systematisch, langjährig und in Bezug auf den streitgegenständlichen 3.0 TDI-Dieselmotor Deutschland Fahrzeuge in Verkehr gebracht, deren Motorsteuerungssoftware bewusst und gewollt so programmiert war, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte mittels einer unzulässigen Abschalteinrichtung nur auf dem Prüfstand eingehalten wurden. Damit ging einerseits eine erhöhte Belastung der Umwelt mit Stickoxiden und andererseits die Gefahr einher, dass bei einer Aufdeckung dieses Sachverhalts eine Betriebsbeschränkung oder -untersagung hinsichtlich der betroffenen Fahrzeuge erfolgen könnte. Ein solches Verhalten ist im Verhältnis zu einer Person, die eines der bemakelten Fahrzeuge in Unkenntnis der illegalen Abschalteinrichtung erwirbt, besonders verwerflich und mit den grundlegenden Wertungen der Rechts- und Sittenordnung nicht zu vereinbaren. Das gilt auch, wenn es sich um den Erwerb eines Gebrauchtfahrzeugs handelt. Die Sittenwidrigkeit ergibt sich aus einer Gesamtschau des festgestellten Verhaltens der Beklagten unter Berücksichtigung des verfolgten Ziels, der eingesetzten Mittel, der zutage getretenen Gesinnung und der eingetretenen Folgen.
Bei dem Fahrzeug ist eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut, die bei erkanntem Prüfstandslauf eine verstärkte Abgasrückführung aktiviert (vgl. Hüning, NZV 2019, 27, 29), um eine unzulässige Abschalteinrichtung nach Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) VO 715/2007/EG. Durch den Einbau der Motoren, für die unberechtigt die jeweilige Typgenehmigung bei Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung erlangt wurde, hat die Beklagte vorgespiegelt, das Fahrzeug werde auf dem Prüfstand unter den Motorbedingungen betrieben, die auch im normalen Fahrbetrieb zum Einsatz kommen. Hierbei hat die Beklagte über die Einhaltung der gesetzlichen Abgaswerte getäuscht, um die Typengenehmigung auf kostengünstigem Wege zu erhalten. Die Abschalteinrichtung wurde auf der Grundlage einer strategischen unternehmerischen Entscheidung über Jahre hinweg durch aktive, im Hinblick auf dieses Ergebnis gewollte präzise Programmierung der Motorsteuerungssoftware zur Beeinflussung der Abgasrückführung in die Motorsteuerung eingebaut worden ist, wobei bei einer Entdeckung der verwendeten Software eine Betriebsbeschränkung oder -untersagung hätte erfolgen können (§ 5 Abs. 1 FahrzeugZulassungsverordnung in der Fassung vom 3. Februar 2011 [BGBl. I S. 139]; im Folgenden FZV).
Nach dem Bekanntwerden der unzulässigen Abschalteinrichtung wurde eine technische Lösung entwickelt, vom KBA freigegeben und auf verschiedene Fahrzeugvarianten angepasst.
Bis zu diesem Zeitpunkt bestand daher die Gefahr, dass die erforderliche Entwicklung nicht gelingen würde und die von dem KBA gemäß § 25 Abs. 2 EG-Fahrzeuggenehmigungsverordnung nachträglich angeordnete Nebenbestimmung zur Typgenehmigung nicht erfüllt werden könnte. Abgesehen von den tatsächlichen Unwägbarkeiten bestanden ferner auch erhebliche rechtliche Risiken. Die unzulässige Abschalteinrichtung konnte grundsätzlich dazu führen, dass die Zulassungsbehörde eine Betriebsbeschränkung oder -untersagung nach § 5 Abs. 1 FZV vornahm, weil das Fahrzeug wegen der gegen Art. 5 Abs. 2 VO 715/2007/EG verstoßenden Abschalteinrichtung nicht dem genehmigten Typ (§ 3 Abs. 1 Satz 2 FZV) entsprach (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Januar 2019 – VIII ZR 225/17, NJW 2019, 1133 Rn. 20). Dabei kann offenbleiben, ob dies nur bei zuvor erfolgter Rücknahme der Typgenehmigung möglich war (vgl. Röhl, NZV 2020, 183, 189 f.). Denn auch das kam hier gemäß § 25 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 EG-FGV in Verbindung mit § 48 VwVfG grundsätzlich in Betracht (vgl. auch VG Stuttgart, Beschluss vom 27. April 2018 – 8 K 1962/18, juris Rn. 17; VG Düsseldorf, Urteil vom 24. Januar 2018 – 6 K 12341/17, juris Rn. 271). Nach diesen Vorschriften kann das KBA eine rechtswidrige Typgenehmigung ganz oder teilweise zurücknehmen, insbesondere wenn festgestellt wird, dass Fahrzeuge mit einer Übereinstimmungsbescheinigung nicht mit dem genehmigten Typ übereinstimmen, oder von Fahrzeugen ein erhebliches Risiko für die Verkehrssicherheit, die öffentliche Gesundheit oder die Umwelt ausgeht. Vertrauensschutz bestand nicht, nachdem die Beklagte bekanntermaßen die Typgenehmigung durch arglistige Täuschung seitens ihres Mutterkonzerns erwirkt hatte (vgl. § 48 Abs. 2 Satz 3, Abs. 3 Satz 2 VwVfG). Welche – möglicherweise auch zeitlich oder örtlich beschränkten – Maßnahmen die Behörden bei einer Aufdeckung der Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung ergreifen würden, stand insbesondere im Hinblick auf die erfolgte arglistige Täuschung, die große Zahl der betroffenen Fahrzeuge, die in ihrer Gesamtheit einen deutlich erhöhten Stickoxidausstoß bewirkten, und die nicht vorhersehbaren immissionsschutzrechtlichen Rahmenbedingungen im Vorhinein nicht fest.
Das Ziel der Beklagten bestand darin, Fahrzeuge kostengünstiger als ihr sonst möglich zu produzieren und damit in einer Erhöhung ihres Gewinns. Das an sich erlaubte Ziel der Erhöhung des Gewinns wird auch im Verhältnis zu dem Käufer eines der betroffenen Fahrzeuge aber dann verwerflich, wenn es auf der Grundlage einer strategischen Unternehmensentscheidung durch arglistige Täuschung der zuständigen Typgenehmigungs- und Marktüberwachungsbehörde – des KBA (§ 2 Abs. 1 EG-FGV) – erreicht werden soll, und dies mit einer Gesinnung verbunden ist, die sich sowohl im Hinblick auf die für den einzelnen Käufer möglicherweise eintretenden Folgen und Schäden als auch im Hinblick auf die insoweit geltenden Rechtsvorschriften, insbesondere zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung und der Umwelt, gleichgültig zeigt. Ein solches Vorgehen verstößt derart gegen die Mindestanforderungen im Rechts- und Geschäftsverkehr auf dem hier betroffenen Markt für Kraftfahrzeuge, dass ein Ausgleich der bei den einzelnen Käufern verursachten Vermögensschäden geboten erscheint (vgl. auch BGH, Urteil vom 19. Juli 2004 – II ZR 402/02, BGHZ 160, 149, 157).
Im Termin zur mündlichen Verhandlung erklärte der Kläger: „Ich habe den Wagen 2017 gekauft und wollte ihn eigentlich eineinhalb Jahre später wieder abstoßen. Ich habe das Fahrzeug inseriert im Internet und auch bei Händlern angefragt, habe aber gemerkt, dass es nicht verkäuflich ist. Ich hatte einen Wartungsvertrag bei Audi zu dem Zeitpunkt, war auch regelmäßig zur Inspektion dort. Im November 2019 wurde mir dann von meiner Audiwerkstatt eine Aktion angeboten mit einer Softwareänderung. Es habe aber nichts mit der Abgasthematik zu tun, man würde das bei der Inspektion mitmachen. Ich habe das dann zunächst abgelehnt. Der Hersteller hat sich dann später mit einem Schreiben bei mir gemeldet und auf die Notwendigkeit der Aktion hingewiesen. In einem weiteren Schreiben war auch ein KBA-Schreiben dabei, wo drinstand, dass man das einfach auszuführen hat. Ansonsten müsste man das Fahrzeug stilllegen. Ich habe dann bei der nächsten Inspektion das Update tatsächlich durchführen lassen. Ich habe mich dann in rechtlicher Hinsicht informiert. Ich habe mir dann überlegt, rechtliche Schritte einzuleiten, weil der Wagen faktisch nicht verkäuflich ist für mich. Die Preise für den Wagen sind auch nach dem Update nicht besser geworden. Ich meine, dass der Wagen jetzt anders schaltet nach dem Update. Ich hatte vorher schon einen Audi Diesel gefahren und wollte ein neues Fahrzeug, das gut ist und auch sauber läuft. Der Wagen wurde mit Umweltprämie angeboten.
Der Halter ist mein Stiefvater. Er hat den Wagen für mich gekauft. Ich bezahle das auch. Der alte Audi war versicherungsmäßig auf ihn angemeldet. Er hatte günstigere Konditionen. Um die Umweltprämie zu erhalten, musste er also diesen Vertrag abschließen. Er war auch auf Herrn O. zugelassen. Den Darlehensvertrag habe ich im Dezember 2017 abgeschlossen.“ Klägervertreter teilt Kilometerstand des Fahrzeuges mit vom 07.07.2021 mit 113.131 Kilometern.
Gerade wenn die Käufer (und damit auch der Kläger) sich keine konkreten Vorstellungen über die Rechtsbeständigkeit der Typgenehmigung und die Erfüllung der gesetzlichen Abgasgrenzwerte machten, war das Inverkehrbringen der Fahrzeuge unter diesen Umständen sittenwidrig und stand wertungsmäßig einer unmittelbaren arglistigen Täuschung der Käufer gleich (vgl. auch Heese, JZ 2020, 178, 179 f.).
Der Käufer eines Fahrzeugs setzt – gleichgültig, ob er das Fahrzeug neu oder gebraucht erwirbt – die Einhaltung der entsprechenden Vorgaben arglos als selbstverständlich voraus. Das betrifft auch den Gebrauchtwagenkäufer, dessen Fahrzeug bereits über eine Erstzulassung (§ 6 Abs. 3 Satz 1 FZV) verfügt.
Die Beklagte machte sich im Rahmen der von ihrem Mutterkonzern bei der Motorenentwicklung getroffenen strategischen Entscheidung, die Typgenehmigungen durch arglistige Täuschung des KBA zu erschleichen und die derart bemakelten Fahrzeuge alsdann in Verkehr zu bringen, die Arglosigkeit und das Vertrauen der Fahrzeugkäufer gezielt zunutze. Dabei erfolgte das Inverkehrbringen der Fahrzeuge gerade mit dem Ziel, möglichst viele der bemakelten Fahrzeuge abzusetzen. Ein solcher Fall steht einer bewussten arglistigen Täuschung derjenigen, die ein solches Fahrzeug erwerben, gleich (vgl. auch Isfen, JA 2016, 1, 3). Die Beklagte trifft das Unwerturteil, sittenwidrig gehandelt zu haben, daher gerade auch im Hinblick auf die Schädigung aller unwissenden Käufer der bemakelten Fahrzeuge. Diese Schädigung stellt die zwangsläufige Folge des Inverkehrbringens der betroffenen Fahrzeuge dar und liegt unmittelbar in der Zielrichtung des sittenwidrigen Verhaltens (vgl. BGH Senatsurteile vom 20. Februar 1979 – VI ZR 189/78, NJW 1979, 1599, 1600; vom 7. Mai 2019 – VI ZR 512/17, NJW 2019, 2164 Rn. 8 mwN; BGH, Urteil vom 11. November 1985 – II ZR 109/84, BGHZ 96, 231, 237).
Es ist weiterhin anzunehmen, dass die grundlegende strategische Entscheidung in Bezug auf die Verwendung der unzulässigen Software von den im Hause der Beklagten für die Motorenentwicklung verantwortlichen Personen zumindest mit ihrer Kenntnis und Billigung getroffen bzw. jahrelang umgesetzt worden ist. Dieses Verhalten ist der Beklagten zuzurechnen (§ 31 BGB).
Nach allgemeinen Grundsätzen trägt zwar derjenige, der einen Anspruch aus § 826 BGB geltend macht, die volle Darlegungs- und Beweislast für die anspruchsbegründenden Tatsachen, d.h. sowohl für die Umstände, die die Schädigung und deren Sittenwidrigkeit in objektiver Hinsicht begründen, als auch für den zumindest bedingten Vorsatz des Schädigers hinsichtlich des Vorliegens dieser Umstände (BGH, Urteile vom 22. Februar 2019 – V ZR 244/17, NJW 2019, 3638 Rn. 37 mwN; vom 18. Januar 2018 – I ZR 150/15 NJW 2018, 2412 Rn. 26 mwN). Der Anspruchsteller hat daher auch darzulegen und zu beweisen, dass der Vorstand, ein Mitglied des Vorstands oder ein anderer verfassungsmäßiger Vertreter (§ 31 BGB) des in Anspruch genommenen Unternehmens die objektiven und subjektiven Tatbestand:svoraussetzungen des § 826 BGB verwirklicht hat (vgl. Senatsurteil vom 28. Juni 2016 – VI ZR 536/15, WM 2016, 1975 Rn. 27).
Eine sekundäre Darlegungslast trifft den Prozessgegner der primär darlegungsbelasteten Partei, wenn diese keine nähere Kenntnis der maßgeblichen Umstände und auch keine Möglichkeit zur weiteren Sachaufklärung hat, während der Bestreitende alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm unschwer möglich und zumutbar ist, nähere Angaben zu machen (st. Rspr., vgl. etwa Senatsurteil vom 10. Februar 2015 – VI ZR 343/13, WM 2015, 743 Rn.11 mwN; BGH, Urteile vom 18. Dezember 2019 – XII ZR 13/19, NJW 2020, 755 Rn. 35 mwN; vom 18. Januar 2018 – I ZR 150/15, NJW 2018, 2412 Rn. 30 mwN). Insoweit trifft die Beklagte eine sekundäre Darlegungslast, der sie nicht genügt hat.
Dem Kläger ist durch das sittenwidrige Verhalten der Beklagten ein Schaden entstanden, §§ 826, 249 Abs. 1 BGB, der in dem Abschluss des Kaufvertrags über das bemakelte Fahrzeug liegt.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Schaden nicht nur dann gegeben, wenn sich bei dem vorzunehmenden Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die ohne jenes Ereignis eingetreten wäre, ein rechnerisches Minus ergibt. Vielmehr ist auch dann, wenn die Differenzhypothese vordergründig nicht zu einem rechnerischen Schaden führt, die Bejahung eines Vermögensschadens auf einer anderen Beurteilungsgrundlage nicht von vornherein ausgeschlossen.
Im Fall einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung dient der Schadensersatzanspruch nicht nur dem Ausgleich jeder nachteiligen Einwirkung durch das sittenwidrige Verhalten auf die objektive Vermögenslage des Geschädigten. Vielmehr muss sich der Geschädigte auch von einer auf dem sittenwidrigen Verhalten beruhenden Belastung mit einer „ungewollten“ Verpflichtung wieder befreien können. Schon eine solche stellt unter den dargelegten Voraussetzungen einen gemäß § 826 BGB zu ersetzenden Schaden dar (Senatsurteile vom 28. Oktober 2014 – VI ZR 15/14, WM 2014, 2318 Rn. 19 mwN; vom 21. Dezember 2004 – VI ZR 306/03, BGHZ 161, 361, 366 ff., juris Rn. 16; vgl. auch BGH, Urteil vom 19. Juli 2004 – II ZR 402/02, BGHZ 160, 149, 153, juris Rn. 41; Oechsler in Staudinger, BGB, Neubearb. 2018, § 826 Rn. 149, 149a; Wagner in MünchKommBGB, 7. Aufl., § 826 Rn. 41 f.; Hönn in Soergel, BGB, 13. Aufl., § 826 Rn. 58; ders. WuB IV A. § 826 BGB 3.05; Mot. II S. 20 f., zitiert bei Mugdan, Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Bd. II S. 11). Insoweit bewirkt § 826 BGB einen Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit und speziell des wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts des Einzelnen (vgl. Senatsurteile vom 19. November 2013 – VI ZR 336/12, NJW 2014, 383 Rn. 28 f.; vom 21. Dezember 2004 – VI ZR 306/03, BGHZ 161, 361, 368, juris Rn. 17; Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, 1997, S. 385).
Im Streitfall ist der Kläger veranlasst durch das einer arglistigen Täuschung gleichstehende sittenwidrige Verhalten der Beklagten eine ungewollte Verpflichtung eingegangen. Dabei kann dahinstehen, ob er einen Vermögensschaden dadurch erlitten hat, dass im Zeitpunkt des Erwerbs des Fahrzeugs eine objektive Werthaltigkeit von Leistung und Gegenleistung nicht gegeben war (§ 249 Abs. 1 BGB), auch wenn dafür angesichts des zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses vorhandenen verdeckten Sachmangels, der zu einer Betriebsbeschränkung oder -untersagung hätte führen können (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Januar 2019 – VIII ZR 225/17, NJW 2019, 1133 Rn. 17 ff.), einiges spricht. Denn ein Schaden ist hier jedenfalls deshalb eingetreten, weil der Vertragsschluss nach den oben genannten Grundsätzen als unvernünftig anzusehen ist. Der Kläger hat durch den ungewollten Vertragsschluss eine Leistung erhalten, die für seine Zwecke nicht voll brauchbar war. Der Kläger hätte den Kaufvertrag in Kenntnis der illegalen Abschalteinrichtung nicht abgeschlossen, hiervon hat das Tatgericht aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung und der Art des zu beurteilenden Geschäfts bei gegebenem Risiko der Stilllegung des Fahrzeuges auszugehen, § 286 ZPO. Bei einem zur eigenen Nutzung erworbenen Kraftfahrzeug sind dessen Gebrauchsfähigkeit und ständige Verfügbarkeit für den Eigentümer von so großer Bedeutung, dass die vorübergehende Entziehung eines Kraftfahrzeugs auch bei der Anlegung des gebotenen strengen Maßstabs einen Vermögensschaden darstellt. Der Verlust der Nutzungsmöglichkeit eines Kraftfahrzeugs wirkt sich typischerweise als solcher auf die materielle Grundlage der Lebenshaltung signifikant aus; bei generalisierender Betrachtung erfolgen Anschaffung und Unterhaltung eines Kraftfahrzeugs in erster Linie um des wirtschaftlichen Vorteils willen, der in der Zeitersparnis liegt (st. Rspr., vgl. etwa Senatsurteil vom 23. Januar 2018 – VI ZR 57/17, BGHZ 217, 218 Rn. 5-7 mwN). Das rechtfertigt nach der allgemeinen Lebenserfahrung die Annahme, dass ein Käufer, der – wie hier der Kläger – ein Fahrzeug zur eigenen Nutzung erwirbt, bei der bestehenden Gefahr einer Betriebsbeschränkung oder -untersagung von dem Erwerb des Fahrzeugs abgesehen hätte (vgl. auch Heese, JZ 2020, 178, 182). Der gemäß § 249 Abs. 1 BGB nach den obigen Ausführungen mit dem Vertragsschluss entstandene Anspruch des Klägers auf (Rück-)Zahlung des für das bemakelte Fahrzeug gezahlten Kaufpreises erlischt nicht, wenn sich der (objektive) Wert oder Zustand des Fahrzeugs in der Folge aufgrund neuer Umstände wie etwa der Aufdeckung des verdeckten Sachmangels oder der Durchführung des Updates verändern (vgl. Senatsurteil vom 19. November 2013 VI ZR 336/12, NJW 2014, 383 Rn. 28 f.)
Der Kläger hatte sich im Wege des Vorteilsausgleichs die von ihm gezogenen Nutzungen anrechnen zu lassen (st. Rspr., vgl. etwa BGH, Urteile vom 6. August 2019 – X ZR 165/18, juris Rn. 9; vom 30. September 2014 – X ZR 126/13, NJW 2015, 553 Rn. 14 mwN; Senatsbeschluss vom 1. Juni 2010 – VI ZR 346/08, NJW-RR 2010, 1683 Rn. 17 mwN; Senatsurteil vom 10. Dezember 1985 – VI ZR 31/85, NJW 1986, 983, juris Rn. 14). Die erwartete Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs schätzt das Gericht auf 300.000 km. Der Gebrauchsvorteil errechnet sich, indem der von dem Kläger gezahlte Bruttokaufpreis in Höhe von 30.365,00 € zuzüglich Darlehenskosten mit den von ihm gefahrenen Kilometern multipliziert und der sich ergebende Wert durch die erwartete Restlaufleistung im Erwerbszeitpunkt geteilt wird. Somit ergibt sich eine von dem Schadensersatzanspruch abzuziehende Nutzungsentschädigung in Höhe von pro Kilometer 0,119 €, § 287 ZPO. Diesen Nutzungsersatz hat der Kläger sich für die gesamte Zeitdauer seiner Nutzung anrechnen zu lassen (Anfangskilometerstand 26.199 km), nicht lediglich bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in 1. Instanz oder Rechtskraft einer Entscheidung. Im Rahmen der Rückabwicklung oder Vollstreckung kann das zuständige Vollstreckungsorgan aufgrund der tenorierten Angaben den Nutzungsersatz deshalb unschwer berechnen, der Bestimmtheit des Leistungsantrages ist damit genügt.
Auch die vom Kläger dargelegten Finanzierungskosten stellen einen kausalen und ersatzfähigen Schaden dar.
Der Kläger hat die Beklagte nicht in Annahmeverzug gesetzt, dem Klageantrag 2 konnte deshalb nicht entsprochen werden. Er hat Zug um Zug Herausgabe des Fahrzeuges und Erstattung des gesamten Kaufpreises mit einer unzutreffend ermittelten Nutzungsentschädigung, bezogen auf eine Fahrleistung von bis zu 400.000 km, angeboten. Er hat damit die Zahlung eines deutlich höheren Betrags verlangt, als er hätte beanspruchen können. Ein zur Begründung von Annahmeverzug auf Seiten der Beklagten geeignetes Angebot ist unter diesen Umständen nicht gegeben (vgl. BGH, Urteil vom 20. Juli 2005 – VIII ZR 275/04, BGHZ 163, 381, 390, insoweit nicht vollständig mitabgedruckt, juris Rn. 30; vgl. auch Niemeyer/König, NJW 2013, 3213, 3214 unter II).
Gleiches gilt in Bezug auf die Begründung des Schuldnerverzugs hinsichtlich der Kaufpreiserstattung (§ 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB), weil der Schuldner nur in Verzug geraten kann, wenn der Gläubiger die ihm obliegende Gegenleistung ordnungsgemäß anbietet (vgl. BGH, Urteil vom 20. Juli 2005 VIII ZR 275/04, BGHZ 163, 381, 390, juris Rn. 30).
Verzugszinsen und Verzugsschaden in Form von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten konnten deshalb nicht zugesprochen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit stammt aus § 709 Satz 1, Satz 2 ZPO. Im Rahmen der Kostenentscheidung wurde eine Nutzung von 86.932 km zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung angenommen, es waren danach 10.388,00 € an Nutzungsersatz anzurechnen. Dies hat Auswirkungen für die Kostenquote, zumal der Kläger zu 91% obsiegt.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit stammt aus § 709 Satz 1, Satz 2 ZPO.


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