Europarecht

Schadensersatzanspruch, Berufung, Fahrzeug, untersagung, Kaufpreis, Sittenwidrigkeit, Unfall, Rechtsanwaltskosten, Software, Kenntnis, Feststellung, Haftung, Auskunft, Laufleistung, Zug um Zug, Art und Weise, Rechtsprechung des BGH

Aktenzeichen  14 U 4191/20

Datum:
12.8.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 42725
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

33 O 2310/19 2020-06-23 Endurteil LGKEMPTEN LG Kempten

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 23.06.2020, Az. 33 O 2310/19, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Kempten (Allgäu) ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

I.
Der Kläger macht gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche aufgrund des Kaufs eines neuen Audi Q 3 vom 13.3.2015 wegen einer behaupteten unzulässigen Abschalteinrichtung in dem von der Beklagten hergestellten Dieselmotor mit der Bezeichnung EA 288 mit SCR-Katalysator, Schadstoffklasse 6, geltend.
Der Senat nimmt Bezug auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil.
Das Landgericht hat die Klage aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 2.6.2020 mit Urteil vom 23.6.2020, zugestellt am 29.6.2020, ohne Beweisaufnahme abgewiesen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Klagepartei keine Schadensersatzansprüche zustehen würden.
Hinsichtlich eines Anspruchs aus § 823 Abs. 2 BGB i.V. mit § 263 StGB fehle es bereits an substantiiertem Vortrag der Klagepartei, durch welche Täuschungshandlung aus dem in Betracht kommenden Personenkreis des § 31 BGB beim Kläger ein Irrtum erregt worden sei, und dieser deswegen zur Vornahme einer Vermögensverfügung in Form des Abschlusses des Kaufvertrags veranlasst worden sei.
Auch eine Täuschung durch Unterlassen käme nicht in Betracht, da die hierfür erforderliche Garantenstellung allenfalls aus dem von der Klagepartei behaupteten Verstoß gegen die maßgeblichen europäischen Abgasregelungen in Betracht käme, die allerdings nicht dem Schutz der Vermögensinteressen des Klägers dienen würden. Aus demselben Grund scheide eine Haftung aus § 823 Abs. 2 BGB i.V. mit den Vorschriften der EG-FGV aus.
Der Kläger habe auch keine Ansprüche gegen die Beklagte aus § 826, 31 BGB, da er weder substantiiert vorgetragen noch nachgewiesen habe, dass ein verfassungsmäßig berufener Vertreter i.S. des § 31 BGB den objektiven und subjektiven Tatbestand des § 826 BGB in seiner Person verwirklicht habe.
Das Inverkehrbringen eines mit einer Manipulationssoftware ausgestatteten Motors könne – unabhängig von der Handlungsverantwortlichkeit einer konkreten Person – nicht als sittenwidrig angesehen werden, da ein Verstoß gegen Art. 3 Nr. 10, 5 Abs. 2 VI (EG) 715/2007 zwar rechtlich zu beanstanden sei, aber außerhalb des Schutzzwecks des § 826 BGB liege.
Es sei außerdem nicht zu einem vorsätzlichen sittenwidrigen Handeln und einem Schädigungsvorsatz eines bestimmten verantwortlichen Organmitglieds oder eines sonstigen Repräsentanten der Beklagten vorgetragen worden. Mangels ausreichenden klägerischen Vortrags treffe die Beklagte auch keine sekundäre Darlegungspflicht, da diese nicht verpflichtet sei, einen pauschalen Vorwurf des betrügerischen oder sittenwidrigen Verhaltens durch eine detaillierte Darlegung der innerbetrieblichen Abläufe zu entkräften.
Ein Schadensersatzanspruch des Klägers ergebe sich auch nicht aus § 831 BGB.
Unabhängig von der Frage nach einem möglichen Entlastungsbeweis und dessen tatsächlicher Reichweite sei hierfür erforderlich, dass ein Verrichtungsgehilfe den objektiven Tatbestand einer unerlaubten Handlung rechtswidrig erfüllt habe.
Hierzu habe die Klagepartei nicht ausreichend substantiiert vorgetragen.
Eine Beweiserleichterung oder Beweislastumkehr komme auch insoweit aus den bereits dargestellten Grundsätzen nicht in Betracht.
Mit seiner Berufung vom 22.9.2020 rügt der Kläger eine Rechtsverletzung und die Feststellung unrichtiger Tatsachen.
Wie erstinstanzlich schlüssig und substantiiert vorgetragen worden sei, habe die Beklagte bei dem von ihr hergestellten streitgegenständlichen Motor eine Abschalteinrichtung eingebaut, die dafür sorge, dass die Abgasreinigung nur im Modus 1 ihre Wirkung erfüllte, wenn die Software erkenne, dass das Prüfprogramm des NEFZ ausgeführt werde. Damit seien die der Einstufung des Motors in die Schadstoffklasse Euro 5 zugrunde liegenden Messwerte nur auf dem Rollenprüfstand erreicht, während sie bei realem Fahrbetrieb in Modus 0 deutlich überschritten würden.
Die Klagepartei habe hinreichend Tatsachen vorgetragen, die – entsprechend der höchstrichterlichen Rechtsprechung – in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich seien, das geltend gemachte Recht als in der Person der Partei entstanden erscheinen zu lassen. Es sei einer Partei grundsätzlich nicht verwehrt, eine tatsächliche Aufklärung auch hinsichtlich solcher Umstände zu verlangen, über die sie selbst kein zuverlässiges Wissen besitze und auch nicht erlangen könne, die sie aber nach Lage der Verhältnisse für wahrscheinlich oder möglich halte.
Der Kläger habe entsprechend dem Urteil des OLG Köln vom 12.3.2020, Az. 3 U 55/19, im Rahmen seiner Möglichkeiten durch öffentlich zugängliche Informationen fundierte Angaben zu der technischen Ausstattung der Motorsteuerung des streitgegenständlichen Fahrzeugs gemacht. Greifbare Anhaltspunkte für die Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung seien nicht erst dann gegeben, wenn das KBA auch bezüglich des konkreten Fahrzeugtyps eine Rückrufaktion angeordnet habe.
Rechtsfehlerhaft habe das Erstgericht auf S. 5 des Urteils angenommen, dass die Klagepartei hinsichtlich einer Täuschungshandlung und Irrtumserregung nicht substantiiert vorgetragen habe.
Erstinstanzlich sei dargelegt worden, dass das schadensstiftende Verhalten der Beklagten durch Inverkehrbringen des streitgegenständlichen Motors sowie der streitgegenständlichen Fahrzeug reihe als Teil einer einheitlichen Konzernstrategie zu sehen sei.
Sollte A. von den technischen Eigenschaften der Motorsteuerung keine Kenntnis gehabt haben, hätte die Beklagte den Kläger in mittelbarer Täterschaft getäuscht. Die Beklagte sei jedenfalls als Gehilfin zu täterschaftlichem Handeln der A. AG zu qualifizieren.
Sie habe als Konzernmutter Anweisung erteilt, den Motor mit der unzulässigen Software in das streitgegenständliche Fahrzeug einzubauen.
Die Abgabe der Übereinstimmungsbescheinigung durch die A. AG habe eine aktive Täuschung der Käufer dahingehend dargestellt, dass das konkrete Fahrzeug den Genehmigungsvoraussetzungen entspreche, obwohl es tatsächliche eine rechtswidrige und nicht genehmigungsfähige Motorsteuerung enthalten habe. Dies sei nur vorsätzlich denkbar, weil der A. AG als etablierter Fahrzeugherstellerin die Kenntnis der Typengenehmigungsvoraussetzungen für ihre eigenen Fahrzeuge unterstellt werden könne.
Falls die A. AG von der Nutzung der Abschalteinrichtung in den ihr verkauften Motoren nichts gewusst habe, ändere dies möglicherweise die Begehungsform i.S.d. § 13 BGB, nichts jedoch an ihrem Vorsatz.
Dass die hiesige Beklagte an dem Erwerb des Fahrzeuges durch den Kläger weder unmittelbar noch über einen Händler beteiligt gewesen sei, bleibe vollkommen unerheblich, da die Herstellerangaben auch bei Gebrauchtwagenkäufen die Grundlagen des Erwerbsgeschäfts bildeten. Die Täuschung wirke insoweit fort.
Die Klagepartei habe durch die Täuschung der Beklagten einen kausal verursachten Schaden erlitten, der – wie der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 25.5.2020, Az. VI ZR 252/19, ausgeführt habe – in dem Abschluss des Kaufvertrags über das streitgegenständliche, mit einer manipulierten Software ausgestattete Fahrzeugs zu sehen sei.
Der Nachteil des Erwerbers müsse sich keinesfalls in dessen Vermögen niederschlagen.
Auch ein nach dem Erwerb aufgespieltes Software-Update würde den Schaden nicht entfallen lassen.
Das Landgericht habe bei seiner Beweiswürdigung unberücksichtigt gelassen, dass sich aus der allgemeinen Lebenserfahrung und der Art des zu beurteilenden Geschäfts der Erfahrungssatz ergebe, dass ein Käufer kein Fahrzeug erwerbe, dem eine Betriebsbeschränkung oder – untersagung drohe. Dem stehe die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Kapitalanlagefällen gegen Beweiserleichterungen oder Vermutungen im Rahmen von § 826 BGB nicht entgegen.
Das Landgericht habe sich auch unzureichend damit auseinandergesetzt, dass das Fahrzeug für die Zwecke des Klägers nicht voll brauchbar gewesen sei.
Dass das Fahrzeug nicht neu und unmittelbar von der Beklagten gekauft worden sei, führe nicht zum Ausschluss des Kausalzusammenhangs.
Anders als das Landgericht auf S. 5 seines Urteils ausgeführt habe, hätten die Organe bzw. verfassungsmäßigen Vertreter der Beklagten in Kenntnis gehandelt bzw. bewusst getäuscht, was lebensnah sei und wofür schon eine tatsächliche Vermutung spreche. Im übrigen treffe die Beklagte nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen bei unternehmensinternen Entscheidungsprozessen eine sekundäre Darlegungslast, der die Beklagte nicht nachgekommen sei.
Die Klagepartei habe erstinstanzlich vorgetragen, dass der Vorstand der Beklagten Kenntnis von der Installation einer unzulässigen Abschalteinrichtung gehabt habe und dies in Kenntnis des daraus resultierenden Schadens für die Käufer der Fahrzeuge gebilligt habe.
Da alle Motoren der Serie EA 288 für ganze Fahrzeugreihen die Manipulationssoftware aufweisen würden, lasse dies den Rückschluss zu, dass die Motoren planvoll und absichtlich produziert worden seien, und setze eine gewollte Programmierung in Abstimmung mit dem Vorstand voraus. Es handele sich um eine Konzernstrategie der Beklagten. So führe die Staatsanwaltschaft Stuttgart auch Ermittlungen gegen mehrere Mitarbeiter der Beklagten wegen gemeinschaftlichen Betrugs.
Die Beklagte habe in ihrem Schriftsatz vom 20.5.2020 nicht bestritten, dass einzelne Vorstandsmitglieder die Entwicklung oder Verwendung der streitgegenständlichen Software in Auftrag gegeben hätten bzw. davon gewusst hätten und den Einsatz gebilligt hätten.
Es fehle konkreter Vortrag zu dem Ergebnis der internen Ermittlungen. Im Hinblick auf den mit dem Bestreiten stets verbundenen Hinweis, dass dieses auf den Erkenntnissen nach dem jeweiligen Ermittlungsstand beruhe, handele es sich der Sache nach um eine unzulässige Erklärung mit Nichtwissen.
Wie erstinstanzlich vorgetragen habe die Beklagte dem Kläger ferner in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich Schaden zugefügt.
Zwar genüge nicht jeder Gesetzesverstoß oder jede vermögensschädigende Pflichtverletzung zur Annahme der Sittenwidrigkeit. Das schädigende Verhalten der Beklagten sei jedoch, wie ebenfalls bereits erstinstanzlich vorgetragen worden sei, sowohl wegen seines Zwecks als auch wegen des angewandten Mittels sowie mit Rücksicht auf die dabei gezeigte Gesinnung als verwerflich anzusehen.
Entweder habe die Beklagte die Software verwendet, weil sie ohne ihren Einsatz technisch oder sonst tatsächlich nicht in der Lage gewesen sei, zu dem jeweiligen Zeitpunkt auf andere Weise Fahrzeuge zu entwickeln, die die jeweilige Euronorm auf dem Prüfstand und im Straßenverkehr einhalten, oder die Beklagte habe höhere Entwicklungs- und sonstige Kosten hierfür gescheut und sich aus Gründen der Gewinnmaximierung über die gesetzlichen Bestimmungen hinweggesetzt.
In beiden Konstellationen habe der Einsatz der Software und die Täuschung des KBAs dazu gedient, Fahrzeuge zu verkaufen, die ansonsten keine oder weniger Abnehmer gefunden hätten.
Sowohl das zahlenmäßige Ausmaß als auch die Art und Weise der Täuschung und der daraus resultierenden Folgen für die Käufer würden neben der Beeinträchtigung der Umwelt die Sittenwidrigkeit begründen.
Rechtsfehlerhaft sei das Erstgericht davon ausgegangen, dass der Schutzbereich des § 826 BGB hinsichtlich des Typengenehmigungsverfahrens nicht betroffen sei.
Die Beklagte habe dem Kläger daher den Kaufpreis für das Fahrzeug nebst Überführungskosten, und Aufwendungen für eine Anhängerkupplung und einen lackierten Heckspoiler zu ersetzen.
Der Kläger lasse sich vom Kaufpreis einen aus einer Gesamtlaufleistung von 300.000 km errechneten Vorteilsausgleich für die Fahrzeugnutzung von 51.479 km zum 2.6.2020 abziehen.
Mit einem nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist eingegangenen weiteren Schriftsatz vom 9.10.2020 (Bl. 238/247 d.A.) „konkretisierte“ die Klagepartei ihren Sachvortrag zu den Manipulationen des streitgegenständlichen Motors EA 288, der entgegen der Behauptungen der Beklagten über die dargelegten Abschalteinrichtungen verfüge, insbesondere über ein Thermofenster.
Das erstinstanzliche Gericht lasse völlig unberücksichtigt, dass greifbare Anhaltspunkte für die Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung nicht erst dann gegeben seien, wenn das KBA auch bezüglich des konkreten Fahrzeugtyps eine Rückrufaktion angeordnet habe.
Dass das KBA im Jahr 2016 bei Untersuchungen keine illegalen Abschalteinrichtungen bei dem Motor EA 288 gefunden habe, sei ebenfalls nicht relevant, da dieses die Motoren selbst nicht darauf untersucht habe, sondern dies der Beklagten überlassen habe und deren Angaben ungeprüft übernommen habe.
Die Beklagte habe jedoch das Kraftfahrtbundesamt systematisch über die verbauten unzulässigen Abschalteinrichtungen getäuscht und diese insbesondere im Rahmen des Genehmigungsverfahrens nicht offen gelegt. Damit sei die Prüfung durch das KBA bedeutungslos.
Zwischenzeitlich habe das OLG Celle am 14.7.2020 betreffend den Motor EA 288 eines VW Tiguan 2.0 l TDI einen Beweisbeschluss auf Einholung einer Auskunft des KBA erlassen.
Der hiesige Kläger beantrage den Erlass eines korrespondierenden Beweisbeschlusses.
Die Klagepartei sei mit ihrem Vorbringen im Schriftsatz vom 9.10.2020 nicht präkludiert, da sie bereits erstinstanzlich substantiiert vorgetragen und auch keinen rechtzeitigen gerichtlichen Hinweis erhalten habe.
Überdies sei zu berücksichtigen, dass unstreitige Tatsachen, die erstmals in zweiter Instanz vorgetragen würden, stets zu berücksichtigen seien.
Mit einem weiteren Schriftsatz vom 21.1.2021 behauptete die Klagepartei ohne nähere Erläuterungen ein Thermofenster bei dem streitgegenständlichen Motor für die vollständige Abgasreinigung von +15 bis +42 Grad Celsius Außentemperatur (Bl. 282/283 d.A.).
Zuletzt wurde klägerseits mit Schriftsatz vom 17.6.2021 wieder ein Thermofenster zwischen +17 und +30 Grad Celsius vorgetragen und außerdem aktuell vorgelegte Unterlagen, insbesondere die Applikationsrichtlinien und Freigabevorgaben EA 189 und EA 288 ausgewertet (Bl. 335 ff d.A.).
Die Laufleistung des streitgegenständlichen Fahrzeugs betrug am Tag vor dem letzten Verhandlungstermin vom 8.7.2021 unstreitig 53.876 km (Protokoll Bl. 421 d.A.).
Der Kläger beantragt zuletzt (Protokoll vom 8.7.2021, a.a.O), unter Abänderung des am 23.06.2020 verkündeten Urteils des Landgerichts Kempten, Az. 33 O 2310/19
1. die Beklagte zu verurteilen an die Klagepartei 39.392,05 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit abzüglich der weiter seit dem 03.06.2020 angefallenen, vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung zu beziffernden Nutzungsentschädigung, Zug um Zug gegen Übergabe des Fahrzeugs Audi Q 3 2.0 TDI mit der Fahrzeugidentifikationsnummer …570 zu zahlen
2. die Klage in Höhe eines Betrags von 2.369,14 Euro für erledigt zu erklären
3. die Beklagte zu verurteilen, die Klagepartei von den vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.822,96 € gegenüber der r. Rechtsanwaltsgesellschaft mbH freizustellen.
Die Beklagte beantragt Zurückweisung der ihrer Ansicht nach bereits unzulässigen Berufung und verteidigt das Ersturteil.
Sie weist insbesondere darauf hin, dass der streitgegenständliche Motor EA 288 zum einen in der Schadstoffklasse 6 eingestuft sei und zum anderen nicht mit dem Vorgängermodell EA 189 und dessen Problematik vergleichbar sei.
Die Klagepartei behaupte unzutreffend und ohne jede Tatsachengrundlage, also ins Blaue hinein, auch bei dem streitgegenständlichen Motor eine unzulässige Abschalteinrichtung in Form einer Umschaltlogik wie bei dem Motor EA 189 .
Entsprechende Klagen und Berufungen seien bereits von einer Vielzahl von Oberlandesgerichten, zuletzt vom OLG Frankfurt in einem Urteil vom 7.10.2020, Az. 4 U 171/18, zurückgewiesen worden.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze und übergebenen Anlagen Bezug genommen.
Im Verhandlungstermin vom 8.7.2021 wurde u.a. die Frage von konkreten Anhaltspunkten für die klägerischen Behauptungen zu unzulässigen Abschalteinrichtungen bei dem streitgegenständlichen Motor erörtert.
II.
Die klägerische Berufung ist nicht erfolgreich.
1. Die Berufung ist zulässig.
Die Berufungsbegründung enthält zwar an einigen Stellen Ausführungen, die auf den streitgegenständlichen Sachverhalt nicht zutreffen, und die darauf hinweisen, dass der Text für andere Verfahren verfasst wurde, so z.B. zu einem Fahrzeug der Schadstoffklasse 5, zur Kausalität bei Gebrauchtwagenkäufen oder dem Schaden trotz eines aufgespielten Software-Updates.
An anderen Stellen befasst sich die Berufungsbegründung in ausreichenden Umfang entsprechend § 520 Abs. 3 ZPO auch mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung.
2. Die Berufung ist jedoch weder unter dem Gesichtspunkt der Entwicklung und Herstellung des streitgegenständlichen Motors durch die Beklagte noch unter dem Gesichtspunkt einer Gehilfenstellung hinsichtlich des Inverkehrbringens des streitgegenständlichen Fahrzeugs durch die A. AG begründet.
Das Erstgericht hat die Klage im Ergebnis zutreffend abgewiesen.
2.1. Derjenige, der einen Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB oder § 826 BGB geltend macht, trägt grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast für die anspruchsbegründenden Tatsachen. Bei einer juristischen Person hat der Anspruchsteller dementsprechend auch darzulegen und zu beweisen, dass ein verfassungsmäßig berufener Vertreter (§ 31 BGB) die objektiven und subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen dieser Anspruchsgrundlagen verwirklicht hat, wobei es für die Frage der Sittenwidrigkeit im Allgemeinen nicht genügt, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit des Handelns hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann (vgl. BGH, Urteile vom 25.5.2020, Az. VI ZR 252/19 und vom 30.7.2020, Az. VI ZR 367/19, m.w.N.).
Nach der aktuellen höchstrichterliche Rechtsprechung zur Substantiierung von Klageansprüchen genügt es grundsätzlich, wenn die von der Klagepartei vorgetragenen Tatsachen den Klageantrag rechtfertigen, d.h. wenn die behaupteten Tatsachen in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, die geltend gemachten Rechte als in der Person des Klägers entstanden erscheinen zu lassen, wobei es unerheblich ist, wie wahrscheinlich die Darstellung ist, und ob sie auf eigenem Wissen oder einer Schlussfolgerung aus Indizien beruht (vgl. Seiler in Thomas/Putzo, ZPO, 40. Aufl., Rn. 38 zu Vorb § 253 m.w.N.).
Einer Partei ist es auch grundsätzlich nicht verwehrt, eine tatsächliche Aufklärung hinsichtlich solcher Umstände zu verlangen, über die sie selbst kein zuverlässiges Wissen besitzt und auch nicht erlangen kann, die sie aber nach Lage der Verhältnisse für wahrscheinlich oder möglich hält.
Eine Behauptung ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs allerdings dann unbeachtlich, wenn eine Partei, gestützt auf bloße Vermutungen, ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich Behauptungen aufstellt (vgl. BGH, Urteil vom 4. März 1991 – II ZR 90/90, WM 1991, 942, 946 f.; Urteil vom 29. Juli 2014 – II ZR 353/12, BGHZ 202, 180 Rn. 60; Urteil vom 9. Dezember 2015 – IV ZR 272/15, VersR 2016, 177 Rn. 24; Urteil vom 22. Dezember 2015 – VI ZR 101/14, juris Rn. 41; Urteil vom 22. Januar 2016 – V ZR 27/14, juris Rn. 48), wobei nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 28.1.2020, Az. VIII ZR 57/19, greifbare Anhaltspunkte für die Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung nicht erst dann gegeben sind, wenn das Kraftfahrtbundesamt bezüglich eines konkreten Fahrzeugtyps eine Rückrufaktion angeordnet hat.
Der Senat teilt die Auffassung, die bei vergleichbaren Fallkonstellationen bereits von mehreren Oberlandesgerichten dargelegt wurde, dass die Klagepartei ohne nachvollziehbare Anhaltspunkte ins Blaue hinein behauptet, dass die Steuerung des streitgegenständlichen Motors EA 288 – wie bei dem Vorgängermodell EA 189 – eine unzulässige Abschalteinrichtung durch eine – von der Beklagten beim Motor EA 189 so bezeichnete – „Umschaltlogik“ mit Prüfstanderkennung und Schadstoffreduzierung nur auf dem Prüfstand vorgesehen habe.
Es bestand daher weder Veranlassung für die Einholung einer amtlichen Auskunft des Kraftfahrtbundesamtes zu dem streitgegenständlichen Motor noch für die Einholung eines Sachverständigengutachtens.
2.2. Anders als bei Fahrzeugen mit den Motoren EA 189 ist es bei dem streitgegenständlichen Motor mit der Bezeichnung EA 288 von Seiten der Beklagten nicht zugestanden worden, dass eine Steuerungssoftware installiert ist, die bei erkanntem Prüfstandslauf eine verstärkte Abgasrückführung aktiviert.
Die Klagepartei hat erstinstanzlich in ihrer Klage vom 16.12.2019 teilweise Daten vorgetragen, die dem Senat aus den Klageverfahren betreffend Fahrzeuge des V.-Konzerns mit Motoren EA 189 bekannt sind. So wurde u.a. auf S. 5 der Klage behauptet, dass das klägerische Fahrzeug eines von weltweit 11 Millionen von der Softwaremanipulation betroffenen Fahrzeugen sei.
Es wurde auch bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung dahingehend behauptet, dass das Abgasrückführungssystem unter bestimmten Bedingungen ganz oder teilweise abgeschaltet und/oder die Zufuhr von Harnstofflösung verringert oder ganz ausgesetzt wird, so bei Über- oder Unterschreiten bestimmter Temperaturen und/oder bei Bewegungen des Lenkrades um mehr als 15 Grad, die im Rollenprüfstand nicht vorkommen würden.
Die temperaturabhängige Reduzierung der Abgasrückführung erfolge bereit bei Temperaturen unter 17 Grad Celsius, zumindest aber bei einstelligen Außentemperaturen, signifikant ab 5 Grad Celsius.
Die von der Beklagten entwickelte und verbaute Software steuere die Abgasrückführung in zwei verschiedenen Modi. Die Software könne erkennen, ob sich das Fahrzeug im Prüfstandbetrieb befinde und steuere dementsprechend den jeweiligen Modus an.
Diese Abschalteinrichtung sei nicht notwendig, um den Motor vor Beschädigung oder Unfall zu schützen und arbeite länger, als zum Anlassen des Motors erforderlich sei.
Die Beklagte hat bestritten, dass bei dem streitgegenständlichen Motorentyp die vom Motor EA 189 bekannte „Umschaltlogik“ programmiert sei, und auf Untersuchungen durch unabhängige Gutachter im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) verwiesen, die dies nach der Prüfung von 53 Fahrzeugmodellen mit dem Motor EA 288 bestätigt hätten. Die Nutzung von Fahrkurven habe beim EA 288-Motor keinen Einfluss auf die Einhaltung von Emissionsgrenzwerten.
Das BMVI habe demzufolge im Zuge der Medienberichterstattung zu EA-288-Fahrzeugen im September 2019 per Twitter klargestellt, dass die Fahrzeuge auch nach Prüfungen des KBA keine unzulässige Abschalteinrichtung, auch nicht in Gestalt einer unzulässigen Zykluserkennung enthielten (Anlage B 2).
Das im Fahrzeug zum Einsatz kommende Thermofenster im Bereich zwischen -24 Grad C und +70 Grad C sei zulässig. Innerhalb dieses Temperaturbereichs sei die Abgasrückführung bei diesem Motortyp durchgängig zu 100% aktiv. Außerhalb dieses weiten Temperaturbereichs, d.h. bei Extremtemperaturen, sei die Abschaltung der Abgasrückführung aus Gründen des Motorschutzes und des sicheren Betriebs des Fahrzeugs notwendig.
2.3. Während die Klagepartei erstinstanzlich auf S. 12 ihrer Klage noch behauptet hatte, dass das streitgegenständliche Fahrzeug von einem Rückruf des Kraftfahrtbundesamtes betroffen sei, wurde im Berufungsverfahren argumentiert, dass es für die zivilrechtliche Beurteilung vollkommen irrelevant sei, dass das KBA den betreffenden Motor noch nicht beanstandet habe (S. 5 unten der Berufungsbegründung = Bl. 207 d.A., S. 15 oben des Schriftsatzes vom 21.1.2021 = Bl. 295 d.A. und S. 30 des Schriftsatzes vom 17.6.2021 = Bl. 361 d.A.).
Die Klagepartei hat also ihre – bestrittene – Behauptung eines erfolgten Rückrufs durch das Kraftfahrtbundesamt nicht mehr aufrechterhalten.
Eine Beanstandung durch das Kraftfahrtbundesamt ist zwar nicht Voraussetzung dafür, dass ausreichenden Anhaltspunkte für die klägerische Behauptung einer unzulässigen Abschalteinrichtung bejaht werden können, jedoch hat die Klagepartei hierzu auch im Übrigen nicht nachvollziehbar bzw. ohne konkrete objektive Anhaltspunkte für die aufgestellten Behauptungen vorgetragen:
2.3.1. Soweit sich die Klagepartei auf eine Fahrkurvenerkennung berufen hat, hat die Beklagte bestritten, dass eine solche bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug überhaupt programmiert worden sei.
Entgegen der Rechtsansicht des Klägers würde allerdings der bloße Verbau einer Fahrkurvenerkennung nicht per se eine unzulässige Abschalteinrichtung gemäß Art. 3 Abs. 10 der Verordnung (EG) 715/2007 darstellen. Nur wenn die Fahrkurvenerkennung genutzt wird, um die Funktion eines Teils des Emissionskontrollsystems so zu verändern, dass die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems im normalen Fahrzeugbetrieb verringert wird, liegt eine unzulässige Abschalteinrichtung vor.
Dafür bestehen hier keine konkreten Anhaltspunkte.
Die bei zahlreichen Fahrzeugen mit Motoren EA 288 vom Kraftfahrtbundesamt untersuchte Fahrkurvenerkennung wurde sowohl bei Fahrzeugen der Schadstoffklasse 5 als auch bei Fahrzeugen der Schadstoffklasse 6 nicht als unzulässige Abschalteinrichtung bewertet (Anlagenkonvolut BE 3: amtliche Auskünfte des KBA vom 25.1.2021 betreffend einen Tiguan 2.0 TDI SCR 110, vom 8.3.2021 gegenüber dem LG Aschaffenburg und vom 23.2.2021 gegenüber dem OLG München jeweils betreffend Fahrzeuge Skoda Octavia 2.0 TDI, EU 5, vom 11.2.2021 gegenüber dem OLG Oldenburg bezüglich eines T 6 2.0 EU 6 und gegenüber dem OLG Stuttgart betreffend einen A 4 Avant 2.0 TDI EU 6). Das Kraftfahrtbundesamt hat insbesondere ausgeführt, dass auch bei einer Deaktivierung der Funktion Fahrkurvenerkennung die Grenzwerte in den Prüfverfahren nicht überschritten wurden.
2.3.2. Ein Schadensersatzanspruch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung oder betrügerischen Handelns ergibt sich auch nicht wegen des Einsatzes einer unzulässigen Abschalteinrichtung in Form eines Thermofensters.
Es kann hier dahinstehen, ob die Verwendung des von der Klagepartei oder des von der Beklagtenpartei dargestellten Thermofensters objektiv als unzulässige Abschalteinrichtung i.S. der Verordnung EG Nr. 715/2007 zu qualifizieren ist, da es jedenfalls an einem sittenwidrigen oder betrügerischen Vorgehen der Beklagten i.S. von § 826 BGB bzw. § 823 Abs. 1 BGB i.V. mit § 263 StGB zum Nachteil der Klägerin als Fahrzeugkäuferin fehlt.
2.3.2.1. Es ist bereits nicht nachvollziehbar, woher die unterschiedlichen klägerischen Behauptungen, das Thermofenster des streitgegenständlichen Motors EA 288 sei so konfiguriert, dass die Abgasreinigung nur in bestimmtem Temperaturbereichen arbeite, sie werde bei Außentemperaturen außerhalb eines Temperaturbereichs von +17 bis +30 Grad Celsius bzw. zwischen +15 und +42 Grad Celsius heruntergefahren bzw. im einstelligen Temperaturbereich völlig deaktiviert (so S. 2 und 3 des Schriftsatzes vom 21.1.2021 = Bl. 282/283 d.A.), stammen.
Zur ausdrücklich angefragten Quelle der Temperaturangaben konnte die Klagepartei sich weder im noch nach dem Termin vom 8.7.2021 äußern.
Wie oben dargestellt behauptet die Beklagte eine vollständige Aktivierung der Abgasreinigung bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug in einem sehr umfassenden Temperaturbereich zwischen -24 und +70 Grad Celsius.
2.3.2.2. Auch wenn nach den Ausführungen in der Entscheidung des EuGH vom 17.12.2020 im Verfahren C-693/18 die Installation von Thermofenstern als unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 3 Nr. 10 VO 715/2007 beurteilt werden könnte, soweit diese nicht zum Schutz des Motors vor plötzlichen und außergewöhnlichen Schäden erforderlich sind, kann der Beklagten – anders als bei der sog. „Umschaltlogik“ der ursprünglichen Motorsteuerung – bei einer Überschreitung dieses Rahmens nicht vorgeworfen werden, dass das Thermofenster offensichtlich auf eine „Überlistung“ der Prüfungssituation und der für die erforderlichen Genehmigungen zuständigen Behörden ausgelegt wäre.
Wie das OLG Schleswig bereits in seiner Entscheidung vom 18.9.2019, Az. 12 U 123/18, zu einem anderen Fahrzeughersteller überzeugend ausgeführt hat, drängt sich bei Thermofenstern angesichts der zulässigen Ausnahmeregelung in Art. 5 Abs. 2 Abs. 2 VO 715/2007/EG für den Motorenhersteller die Gesetzeswidrigkeit nicht auf. Auch liegt ein Stilllegungsrisiko eher fern.
Nach der Rechtsprechung des BGH ist das Verhalten der für einen Kraftfahrzeughersteller handelnden Personen nicht bereits deshalb als sittenwidrig zu qualifizieren, weil sie einen Fahrzeugtyp aufgrund einer grundlegenden unternehmerischen Entscheidung mit einer temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems (Thermofenster) ausgestattet und in den Verkehr gebracht haben. Der objektive Tatbestand der Sittenwidrigkeit ist nur dann gegeben, wenn weitere Umstände hinzutreten, die das Verhalten der handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen lassen. Dies setzt jedenfalls voraus, dass diese Personen bei der Entwicklung und/oder der Applikation der temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems in dem Bewusstsein handelten, eine (weitere) unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen. Fehlt es hieran, ist der objektive Tatbestand der Sittenwidrigkeit nicht erfüllt (BGH, Beschluss vom 19.03.2021 – VI ZR 889/20 – juris, Rn. 28).
Nach dem unbestrittenen Vortrag der Beklagten wurde dem KBA im Rahmen eines „Technik-Workshops“ am 22. Januar 2016 die konkrete Ausgestaltung der Abgasrückführung einschließlich ihrer Applikationsrichtlinien zum Bauteileschutz, insbesondere betreffend das Thermofenster auch bei Motoren EA 288, vorgestellt, ohne dass es seitens des KBA Beanstandungen wegen des Einsatzes einer unzulässigen Abschalteinrichtung gegeben hätte (Seite 6 des Schriftsatzes vom 05.5.2021 = Bl. 314 d. A.).
Die klägerseits zu den Akten gereichten Entscheidungsvorlagen: Applikationsrichtlinien und Freigabevorgaben stellen keinen Anhaltspunkt dafür dar, dass die Beklagte eine Zykluserkennung in den Motor EA 288 mit dem Ziel installiert hat, die Abgasreinigung auf dem Prüfstand zu optimieren, nicht aber im realen Betrieb. Es ist insbesondere darauf hinzuweisen, dass darin auch von einer inhaltlichen Vereinbarung mit den Zulassungsbehörden (KBA) die Rede ist.
Auch aus den zuletzt klägerseits vorgelegten Besprechungsprotokollen des KBA betreffend eine Rückführung der AGR-Raten bei niedrigen und hohen Temperaturen in Fahrzeugen der Marke Nissan bzw. Landrover kann kein Hinweis auf eine gewollte Verschleierung im Typgenehmigungsverfahren betreffend das streitgegenständliche Fahrzeugmodell der Beklagten entnommen werden.
Aus dem vorgelegten Privatgutachten des Dr. P. betreffend einen PKW VW Golf EU 5 ergibt sich zwar eine temperaturabhängige Veränderung der NOx-Werte zwischen +14 und +19 Grad Celsius. Der Gutachter bestätigte aber, dass die Abgasreinigung in dem betreffenden Temperaturfenster zu 100% aktiv war.
Der Kläger beruft sich daher ohne konkrete Anhaltspunkte darauf, dass die Beklagte das KBA im Genehmigungsverfahren betreffend den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp bewusst über die temperaturabhängige Steuerung der Abgasrückführung getäuscht und sich dadurch die Typgenehmigung für das Fahrzeug erschlichen habe.
Eine bewusste Täuschung ist klägerseits vielmehr ohne Anhaltspunkte ins Blaue hinein behauptet. Es ist daher vom Beklagtenvortrag auszugehen, wonach die Beklagte das vorhandene Thermofenster nicht als unzulässige Abschalteinrichtung bewerten musste und dieses auch gegenüber dem KBA offen legte.
Dem klägerischen Vortrag sind danach in Bezug auf das Thermofenster keine konkreten Anknüpfungstatsachen zu entnehmen, die das Verhalten der handelnden Personen auf Beklagtenseite als besonders verwerflich erscheinen lassen könnten.
2.4. Es gibt im vorliegenden Fall auch keine sonstigen konkreten Anhaltspunkte dafür, dass bei dem streitgegenständlichen Motor eine unzulässige Prüfstanderkennung mit Auswirkungen auf das Emissionsverhalten des Fahrzeugs vorliegen würde.
Die Klagepartei hat dies – wiederum in Anlehnung an die vom Kraftfahrtbundesamt beanstandete Motorsteuerungssoftware des Motors EA 189 – auch hinsichtlich des streitgegenständlichen Motors EA 288 vermutet.
2.4.1. Soweit die Klagepartei erstinstanzlich darauf hingewiesen hat, dass im Bericht zur Untersuchungskommission „V.“ des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Strukturen im Jahr 2016 (auch) zum Motor EA 288, der als Nachfolgemotor zum EA 189 seit 2012 in hunderttausenden Dieselfahrzeugen des Konzerns der Beklagten eingebaut worden sei, festgestellt worden sei, dass die Stickoxid-Messergebnisse auf der Straße deutlich höher gelegen hätten als auf dem Prüfstand, mag dies zutreffend sein.
Im Fazit des Untersuchungsberichts ist jedoch auch festgehalten, dass im Rahmen der KBA-Felduntersuchung zwar bei den Fahrzeugen des V. -Konzerns mit Euro-5-Konzepten (Motoren EA 189) die unzulässige Abschalteinrichtung in ihrer Wirkung durch Messungen habe nachvollzogen werden können, dass aber bei keinem weiteren Fahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung habe nachgewiesen werden können.
Aufgrund der unterschiedlichen Rahmenbedingungen auf dem Prüfstand einerseits und im realen Fahrbetrieb andererseits ist eine Erhöhung des Schadstoffausstoßes in der Realität zu erwarten und eine solche daher noch kein Indiz für eine Manipulation der Emissionskontrolle auf dem Prüfstand (vgl. auch OLG Frankfurt, Urteil vom 7.10.2020 im Verfahren 4 U 171/18).
Neue Fahrzeugtypen mussten bis zum Jahr 2017 die Grenzwerte maßgeblich nur im NEFZ-Zyklus einhalten (siehe hierzu Reinking/Eggert, Der Autokauf, 14. Aufl., Rn. 593 ff).
Auch wenn es wünschenswert gewesen wäre, dass die Einhaltung der Grenzwerte auch im Realbetrieb zumindest überwiegend möglich ist, war dies nicht Voraussetzung für die Erteilung der Typgenehmigung.
Es kann hier dahinstehen, ob und wann ggf. bei einer deutlichen Überschreitung der zulässigen Grenzwerte im Realbetrieb von einer Mangelhaftigkeit des Fahrzeugs i.S. von gewährleistungsrechtlichen Vorschriften ausgegangen werden könnte, da bei der streitgegenständlichen deliktischen Haftung nur maßgeblich ist, ob Hinweise für eine Manipulation zum Zwecke der Täuschung des Kraftfahrtbundesamtes vorliegen könnten, was hier nicht der Fall ist.
2.4.2. Soweit die Klagepartei in ihrem erstinstanzlichen Schriftsatz vom 20.5.2020 auch auf einen Bericht des SWR vom 13.9.2019 hingewiesen hat, wonach der ehemalige Abteilungsleiter im Umweltbundesamt A. F. dem Kraftfahrtbundesamt vertrauliche Unterlagen über den Dieselmotor EA 288 übergeben, nach deren Durchsicht er unter dem Gesichtspunkt einer unzulässigen Fahrkurvenerkennung zu dem Ergebnis gekommen sei, dass im EA 288 – jedenfalls bis Mitte 2016 – eine Zykluserkennung und eine Abschalteinrichtung vorhanden gewesen seien, hat sich dieser Verdacht nach den oben zitierten amtlichen Auskünften des KBA nicht bestätigt.
2.5. Auch unter dem – im klägerischen Schriftsatz vom 4.5.2020 angesprochenen Aspekt einer behaupteten Manipulation des On-Board Diagnosesystems (OBD) kann die Klage nicht begründet sein.
Da das OBD-System nur die abgasbeeinflussenden Systeme überwacht, aber auf diese nicht einwirkt, würde eine Manipulation dergestalt, dass ein Fehler in der Emissionskontrolle nicht angezeigt wird, keine unzulässige Abschalteinrichtung darstellen.
2.6. Schließlich hat die Klagepartei nach alledem auch nicht nachvollziehbar dargelegt, dass ihr aufgrund des Vertragsschlusses vom 13.3.2015 ein Schaden entstanden wäre.
Wie der 20. Senat des Oberlandesgerichts München in dem als Anlage BE 7 mit vorgelegten Hinweisbeschluss vom 15.3.2021 zutreffend ausgeführt hat, hat der Bundesgerichtshof in seinem grundlegenden Urteil vom 25.5.2020 dargelegt, dass ein Schaden im Abschluss eines Kaufvertrags liegen kann, bei dem das Risiko der Nichtbenutzbarkeit aufgrund des zu befürchtenden Widerrufs einer erschlichenen Typengenehmigung besteht.
Davon kann jedoch im vorliegenden Fall nicht ausgegangen werden, das Kraftfahrtbundesamt den streitgegenständlichen Motor EA 288 mehrfach untersucht hat und keinen Grund zur Beanstandung gefunden hat.
2.7. Soweit sich der Kläger auf das – zum Zwecke der Einholung eines Sachverständigengutachtens zurückverweisende – Urteil des OLG Köln vom 12.3.2020, Az. 3 U 55/19 bezogen hat, sind die Sachverhalte nicht vergleichbar.
Das dort streitgegenständliche Fahrzeug war ein VW Touareg mit einem von der Fa. A. hergestellten 3,0 l Sechszylinder-Dieselmotor Schadstoffklasse 5, bei dem das OLG Köln greifbare Anhaltspunkte für die Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung bejaht hat, nachdem klägerseits zu einer Bekanntgabe des Bundesverkehrsministeriums betreffend eine illegale Abschalteinrichtung in V 6 Motoren Euro 5 des Audi 8 sowie zu amtlichen Rückrufen betreffend mehrere mit 3,0 l Dieselmotoren der Euro-Norm 6 ausgestatteten Fahrzeugen des V.-Konzerns vorgetragen worden war.
Derartige konkrete Anhaltspunkte für eine unzulässige Abschalteinrichtung hat der hiesige Kläger in Bezug auf den streitgegenständlichen Motor nicht vortragen können.
3. Ein Schadensersatzanspruch der Klagepartei kann sich auch nicht aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 6, 27 EG-FGV ergeben, da diese Vorschriften keine drittschützende Wirkung zugunsten von Fahrzeugkäufern haben (vgl. BGH, Urteile vom 25.5.2020, Az. VI ZR 252/19 und vom 30.7.2020, Az. VI ZR 5/20).
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen von § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.


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