Europarecht

Schadensersatzanspruch, Kaufvertrag, Fahrzeug, Berufung, Darlehensvertrag, Bescheid, Sittenwidrigkeit, Kaufpreis, Abtretung, untersagung, Software, Kommission, Wirksamkeit, Feststellung, Die Fortbildung des Rechts, bei Betrieb, Fortbildung des Rechts

Aktenzeichen  5 U 4694/19

Datum:
31.5.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 29936
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

10 O 1771/19 2019-11-11 Urt LGNUERNBERGFUERTH LG Nürnberg-Fürth

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 11.11.2019, Az. 10 O 1771/19, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil sowie das vorbezeichnete Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 35.811,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger wendet sich mit seiner Berufung gegen ein klageabweisendes Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 11. November 2019 und macht weiterhin Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit einem Fahrzeugkauf geltend.
Der Kläger erwarb von der Beklagten mit Kaufvertrag vom 17. Januar 2017 unter dem Namen seiner Einzelfirma einen Mercedes Benz V Klasse 250 d EAV zum Kaufpreis von 43800.-, finanziert über die Mercedes Benz Bank. Es handelte sich um ein Gebrauchtfahrzeug mit Erstzulassung am 1. April 2016, Euro 6 Norm, ausgestattet mit dem von der Beklagten entwickelten Motor OM 651 DE 22 LA, 3800 U/min, und einer Motorleistung von 140 kW. Unstreitig wird das Fahrzeug von der Rückrufanordnung des Kraftfahrtbundesamts (KBA) vom 3. August 2018 erfasst (GA S. 3, 34), wobei auch die Beklagte zugestanden hat, dass der Rückruf im Zusammenhang mit der Abgasbehandlung erfolgt ist. Das KBA wertete die Steuerung als unzulässige Abschalteinrichtung und gab der Beklagten durch nachträgliche Nebenbestimmungen zur Typgenehmigung auf, die Vorschriftsmäßigkeit der bereits im Verkehr befindlichen Fahrzeuge zu gewährleisten. Im Rahmen der Rückrufaktion wurde am 6. November 2018 ein softwareupdate aufgespielt. Das Fahrzeug ist mit der sogenannten SCR – Technologie ausgestattet.
Der Kläger hat in der ersten Instanz behauptet, das Fahrzeug sei vom Abgasskandal betroffen. Die Beklagte habe ein sogenanntes defeat device in Form eines „Thermofensters“ verwendet. Die Abgasrückführung werde bei kühleren Temperaturen zurückgefahren. Die Beklagte habe auf der Grundlage der mittels Thermofenster manipulierten Messergebnisse die Typgenehmigung für das Fahrzeug beantragt und erhalten. Diese sei aufgrund der Manipulation des Emissionssystems und der Abgaswerte im Fahrbetrieb erloschen. Die Beklagte habe im Genehmigungsverfahren die unzulässige Abschalteinrichtung in doloser Absicht verschwiegen. Der geltend gemachte Schadensersatz stehe ihm aus § 826 und aus § 823 Abs. 2 BGB zu.
Die Beklagte hat die temperaturgesteuerte Abgasrückführung im Sinne eines Thermofensters zugestanden, sich jedoch damit verteidigt, dass der Motor den Grenzwert der EURO 6 Norm bei der Umgebungstemperatur von 20-30 Grad einhalte. Es sei nicht zu beanstanden, dass das Emissionsverhalten unter Prüfstandbedingungen vom Fahrbetrieb unter anderen Bedingungen abweiche. Alle erforderlichen Angaben seien im Genehmigungsverfahren gemacht worden. Die Steuerung des Abgasverhaltens sei dem Motorschutz geschuldet. Die Bescheide des KBA seien von ihr angefochten worden und nicht bestandskräftig.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Ein Rücktrittsrecht aus Kaufvertrag, das der Kläger auch nicht geltend gemacht habe, scheitere an der fehlenden Darlegung eines Mangels nach dem softwareupdate. Ein Schädigungsvorsatz nach § 826 BGB sei nicht feststellbar. Die Verwendung einer temperaturabhängigen Abgasregelung begründe mit Blick auf die unklare Rechtslage zur VO 715/2007/EG keine Schädigungsabsicht. Zu einem darüber hinausgehenden defeat device fehle substantiierter Vortrag des Klägers. Die Vorschrift von § 823 Abs. 2 BGB scheide als Anspruchsgrundlage mangels Schutzgesetzes aus. Wegen der Einzelheiten wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
Mit der Berufung verfolgt der Kläger seine Ansprüche weiter. Er hat seinen Vortrag, bei dem unstreitig verbauten „Thermofenster“ handele es sich um eine unzulässige Abschalteinrichtung unter Bezugnahme auf das von ihm bereits in der ersten Instanz umfangreich zitierte Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 17.01.2019, – 23 O 172/18 -, wiederholt und vertieft. Fehlerhaft habe das Landgericht auch verneint, dass das Vorgehen der Beklagten sittenwidrig im Sinne des § 826 BGB gewesen sei. Schließlich sei es falsch, wenn das Landgericht annehme, der Kläger habe zum Vorsatz der Verantwortlichen der Beklagten nicht hinreichend vorgetragen. Rechtlich fehlerhaft sei das Landgericht schließlich davon ausgegangen, dass es sich bei den Vorschriften der EG-FGV nicht um Schutzgesetze handele.
Der Kläger hat beantragt,
das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 11.11.2019, Az. 10 O 1771/19 aufzuheben und wie folgt zu erkennen:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerseite 35.811,82 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB binnen sieben Tagen nach Übereignung und Übergabe des Fahrzeugs Mercedes Benz V 250 d EAV, Fahrzeug-Ident.-Nr. zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, Zinsen in Höhe von 4% p.a. ab dem 17.01.2017 bis Rechtshängigkeit auf einen Betrag von 43.800 Euro zu zahlen.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerseite einen Betrag in Höhe von 3.601,14 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerseite einen Betrag in Höhe von 2.193,65 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB ab Rechtshängigkeit für die außergerichtliche anwaltliche Rechtsverfolgung zu zahlen.
5. Es wird festgestellt, dass die Beklagte sich mit der Entgegennahme des Fahrzeugs aus dem Klageantrag zu 1. in Annahmeverzug befindet.
Die Beklagte hat beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das Urteil als richtig. Die Beklagte habe im Typgenehmigungsverfahren die in der Praxis des KBA erwarteten Angaben zu den Emissionskontrollsystemen gemacht. Weitergehende Anforderungen hätten nicht bestanden.
Nachdem der Senat mit Verfügung des Vorsitzenden vom 08.05.2020 der Beklagten aufgegeben hatte, zu den Umständen unter denen das KBA den Rückruf auch des streitigen Fahrzeugs angeordnet hat, vorzutragen, hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 31.07.2020 teilgeschwärzte Bescheide vom 03.08.2018 und 23.05.2018 vorgelegt, und dazu vorgetragen, dass auch das streitgegenständliche Fahrzeug bei Betrieb des SCR-Katalysators für die AdBlue-Dosierung zwei Betriebsarten aufweise. Einen Speicherbetrieb („Fill Level“) und einen Onlinebetrieb („Feed Forward“). Die Verwendung mehrere Betriebsarten sei nicht beanstandet worden, jedoch die Bedingungen, unter denen von einer auf die andere Betriebsart umgeschaltet werde. Das KBA rüge weder eine Prüfstandserkennung noch eine „zyklusnahe Bedatung“. Der Bescheid sei nicht bestandskräftig. In diesem Rahmen habe das KBA ein Software-Update durch die Beklagte freigegeben. Dieses Update sei bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug aufgespielt worden.
Innerhalb offener Stellungnahmefrist hat sich der Kläger hierzu nicht geäußert. Erst mit Schriftsatz vom 24.03.2021 hat er gerügt, dass die Bescheide an entscheidenden Stellen geschwärzt seien. Es sei ihm daher nicht möglich, abschließend Stellung zu nehmen. Er bestreite indes, dass die unterschiedliche Betriebsarten der Adblue-Dosierung keine Auswirkung auf das Emissionsverhalten hätten. Es handele sich um eine unzulässige Abschalteinrichtung. Diese Auffassung werde durch den Rückruf des KBA gestützt.
Mit Schriftsatz vom 09.04.2021 hat die Beklagte dagegen eingewandt, dass der Vortrag des Klägers zu dem SCR-System als neues Angriffsmittel nicht zuzulassen sei. Der Kläger habe erstinstanzlich nicht vorgetragen, dass insoweit eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut sei. Schließlich hat sie ihren Vortrag dazu, dass es sich insoweit nicht um eine unzulässige Abschalteinrichtung handele, vertieft.
Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens in der Berufungsinstanz wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien und auf die Sitzungsniederschrift vom 19. April 2019 Bezug genommen.
II.
Die Berufung ist statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere gemäß §§ 517 ff. ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. In der Sache hat sie keinen Erfolg. Da im vorliegenden Fall der Klageanspruch nicht auf kaufrechtliche Gewährleistungsansprüche gestützt wird, ist das Vorliegen eines Mangels im kaufrechtlichen Sinne nicht entscheidungserheblich. Die tatsächlichen Voraussetzungen einer deliktischen Haftung der Beklagten sind, wie schon vom Erstgericht zutreffend angenommen, von der Klagepartei nicht hinreichend substantiiert dargelegt, daher steht dem Kläger gegen die Beklagte kein Schadensersatzanspruch zu, ohne dass es auf die Frage einer möglichen Abtretung der Ansprüche ankäme. Der Gewährung der vom Kläger beantragten Schriftsatzfrist zu der Einbeziehung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen in den Darlehensvertrag bedurfte es daher nicht. 
1. Ein Anspruch auf Schadensersatz folgt nicht aus §§ 826, 31 BGB.
a) Nach § 826 BGB ist, wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet. Nach gefestigter Rechtsprechung ist ein Verhalten dann als sittenwidrig zu qualifizieren, wenn die schädigende Handlung nach ihrem Inhalt oder ihrem Gesamtcharakter im Widerspruch zum Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden steht und daher mit den grundsätzlichen Wertungen der Rechts- und Sittenordnung unvereinbar ist (BGH NJW 2017, 250 Rdn. 16). Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann (st. Rspr., vgl. BGH WM 2016, 1975; BGH NJW 2019, 2164 m.w.N.). Zur Feststellung der Sittenwidrigkeit kann es auf Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden ankommen, die die Bewertung seines Verhaltens als verwerflich rechtfertigen. Die Verwerflichkeit kann sich auch aus einer bewussten Täuschung ergeben (BGH WM 2016, 1975). Inbesondere bei mittelbaren Schädigungen kommt es ferner darauf an, dass den Schädiger das Unwerturteil, sittenwidrig gehandelt zu haben, gerade auch in Bezug auf die Schäden desjenigen trifft, der Ansprüche aus § 826 BGB geltend macht (BGH NJW 2019, 2164 m.w.N.). Eine unternehmerische Entscheidung eines Fahrzeugherstellers kann sich auch gegenüber einem Käufer des Fahrzeugs als objektiv sittenwidrig darstellen. Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat dies angenommen, wenn Verantwortliche des Unternehmens auf der Grundlage einer für ihren Konzern getroffenen grundlegenden strategischen Entscheidung bei der Motorenentwicklung im eigenen Kosten- und damit auch Gewinninteresse durch bewusste und gewollte Täuschung des Kraftfahrtbundesamts (KBA) systematisch, langjährig und in Bezug auf einen Dieselmotor einer bestimmten Baureihe in hohen Stückzahlen in Deutschland Fahrzeuge in Verkehr brachten, deren Motorsteuerungssoftware bewusst und gewollt so programmiert war, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte mittels einer unzulässigen Abschalteinrichtung nur auf dem Prüfstand eingehalten wurden. Denn damit ging einerseits eine erhöhte Belastung der Umwelt mit Stickoxiden und andererseits die Gefahr einher, dass bei einer Aufdeckung dieses Sachverhalts eine Betriebsbeschränkung oder -untersagung hinsichtlich der betroffenen Fahrzeuge erfolgen könnte. Ein solches Verhalten wurde von der Rechtsprechung im Verhältnis zu einer Person, die eines der bemakelten Fahrzeuge in Unkenntnis der illegalen Abschalteinrichtung erwirbt, als besonders verwerflich und mit den grundlegenden Wertungen der Rechts- und Sittenordnung unvereinbar gewertet, und zwar auch dann, wenn es sich um den Erwerb eines Gebrauchtfahrzeugs handelte. Die Sittenwidrigkeit ergab sich in einem solchen Fall aus der Gesamtschau des festgestellten Verhaltens der Entscheidungsträger unter Berücksichtigung des verfolgten Ziels, der eingesetzten Mittel, der zutage getretenen Gesinnung und der eingetretenen Folgen (vgl. dazu BGHZ 225, 316 ff., Rdn. 16) .
b) Nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH BB 2021, 525 ff.) zum Motor der Beklagten OM 651 ist das Verhalten der für einen Kraftfahrzeughersteller handelnden Personen nicht bereits deshalb als sittenwidrig zu qualifizieren, weil sie einen Fahrzeugtyp aufgrund einer grundlegenden unternehmerischen Entscheidung mit einer temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems (Thermofenster) ausgestattet und in den Verkehr gebracht haben. Dies gilt auch dann, wenn mit der Entwicklung und dem Einsatz dieser Steuerung eine Kostensenkung und die Erzielung von Gewinn erstrebt wurde. Die Anwendung einer temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems ist nämlich nicht mit der Verwendung der Prüfstandserkennungssoftware zu vergleichen, die zeitweise vom VW-Konzern zum Einsatz kam. Während letztere unmittelbar auf die arglistige Täuschung der Typgenehmigungsbehörde abzielte und einer unmittelbaren arglistigen Täuschung der Fahrzeugerwerber in der Bewertung gleichsteht, ist der Einsatz einer temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems nicht von vornherein durch Arglist geprägt (vgl. BGH BB 2021, 525 ff.). Sie führt nicht dazu, dass bei erkanntem Prüfstandsbetrieb eine verstärkte Abgasrückführung aktiviert und der Stickoxidausstoß gegenüber dem normalen Fahrbetrieb reduziert wird, sondern arbeitet in beiden Fahrsituationen im Grundsatz in gleicher Weise (BGH a.a.O.). Unter den für den Prüfzyklus maßgebenden Bedingungen (Umgebungstemperatur, Luftfeuchtigkeit, Geschwindigkeit, Widerstand etc., vgl. Art. 5 Abs. 3 a) der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 i.V.m. Art. 3 Nr. 1 und 6, Anhang III der Verordnung (EG) Nr. 692/2008 der Kommission vom 18. Juli 2008 zur Durchführung und Änderung der Verordnung 715/2007/EG (ABl. L 199 vom 28. Juli 2008, S. 1 ff.) in Verbindung mit Abs. 5.3.1 und Anhang 4 Abs. 5.3.1, Abs. 6.1.1 der UN/ECE-Regelung Nr. 83 (ABl. L 375 vom 27. Dezember 2006, S. 246 ff.) entspricht die Rate der Abgasrückführung im normalen Fahrbetrieb derjenigen auf dem Prüfstand (BGH a.a.O.). Der objektive Tatbestand der Sittenwidrigkeit ist in einem solchen Fall nur gegeben, wenn weitere Umstände hinzutreten, die das Verhalten der handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen lassen. Dies könnte nach höchstrichterlicher Rechtsprechung etwa der Fall sein, wenn der Hersteller im Typgenehmigungsverfahren unzutreffende, verschleiernde Angaben über die Arbeitsweise der verbauten Abgasbehandlungssysteme gemacht hätte (BGH BB 2021, 525 ff.).
c) Gemessen daran genügt das Vorbringen des Klägers nicht, um eine Haftung der Beklagten nach § 826 BGB begründen zu können. Denn auch wenn zulasten der Beklagten unterstellt würde, dass in dem Fahrzeug eine oder mehrere kombinierte unzulässige Abschalteinrichtungen im Sinne der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom 17.Dezember 2020 (NJW 2021, 1216-1221) verbaut sind, führt dies nicht zur Anerkennung eines Anspruchs aus § 826 BGB, weil unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu den Abschalteinrichtungen und insbesondere zum sogenannten Thermofenster und mit Blick auf die Rechtslage zum Zeitpunkt der Typengenehmigung auf der Grundlage der allgemeinbekannten und der gerichtsbekannten Tatsachen ein verwerfliches Handeln der verantwortlichen Entscheidungsträger der Beklagten nicht dargetan ist. Die exakte Abstimmung der elektronischen Motorsteuerung, die Programmierung der Emissionskontrolle und die Bestimmung der Schadstoffwerte des Fahrzeugs im Fahrbetrieb bedürfen hier demnach keiner näheren Feststellung im Wege des Sachverständigenbeweises. Es kann insbesondere dahinstehen, inwieweit die elektronische Motorsteuerung nebst der Programmierung und Konstruktion des Emissionssystems als eine unzulässige Abschalteinrichtung zu werten ist (unten aa). Es kann auch dahinstehen, ob, wie der Kläger behauptet, die geltenden Grenzwerte unter bestimmten Bedingungen im Fahrbetrieb nicht eingehalten werden (unten bb). Denn bei der Beurteilung des Verhaltens der Beklagten im Typgenehmigungsverfahren ist die damalige Rechtslage miteinzustellen (unten cc). Im einzelnen:
aa) Die Kontrolle der Stickoxidemissionen erfolgt in dem verfahrensgegenständlichen Fahrzeug unstreitig zum einen über die sogenannte Abgasrückführung. Dabei wird ein Teil der Abgase zurück in das Ansaugsystem des Motors geführt und nimmt erneut an der Verbrennung teil. Eine software im Motorsteuergerät regelt diese Rückführung – auch – temperaturabhängig. Es ist allgemein bekannt, dass die Abgasrückführung bei kühleren Temperaturen zurückgefahren werden muss. Denn mit abnehmenden Temperaturen steigt das Risiko einer erhöhten Ablagerungsbildung im AGR-System bis hin zu der Gefahr der Ausfälle von Komponenten; deshalb gibt es das sogenannte Thermofenster (vgl. DERC-Studie über das Potenzial einer Realisierung einer hardware-Nachrüstung für Dieselfahrzeuge EU 5 (EU 4) zur NOx-Reduzierung vom 8. Januar 2018, S. 3, veröffentlicht auf der homepage des BMVI unter https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Anlage/K/hardware-nachruestung-generalisierende-studie.pdf). Die sogenannte AGR-Rate wird zudem begrenzt durch den „NOx-Ruß-Zielkonflikt“. Bei steigender Motorlast nimmt die Emission von Rußpartikeln zu, so dass dann angezeigt ist, die Rückführrate zu verringern. Bezüglich der Einzelheiten der entsprechenden Technologie und der Abhängigkeit der AGR-Rate von den Kraftstoffeinspritzmengen, den Motordrehzahlen und bestimmten Temperaturbereichen (Kühlmittel- und Umgebungslufttemperatur) nimmt der Senat Bezug auf den Bericht des KBA zur Wirksamkeit von software – updates mit Stand vom 10. Januar 2020 (Bericht zur Wirksamkeit von Software-Updates zur Reduzierung von Stickoxiden bei Dieselmotoren, S. 10 ff., https://www.kba.de/DE/Marktueberwachung/Abgasthematik/bericht_Wirksamtkeit_SW_Updates. pdf?_). Das streitgegenständliche Fahrzeug verfügt ferner über ein sogenanntes SCR-System. Bei der SCR-Technologie (Selective Catalytic Reduction oder Selektive katalytische Reduktion) werden die Stickoxidemissionen (NOx), die während des Verbrennungsprozesses im Dieselmotor entstehen, anschließend in einem Katalysator in elementaren Stickstoff (N₂) und Wasser (H₂O) umgewandelt. Notwendig dafür ist das Reduktionsmittel namens AdBlue, das in einem separaten Tank im Fahrzeug mitgeführt wird und – in Abhängigkeit des Lastzustands – individuell in den Abgastrakt eingespritzt wird. Für den sicheren Ablauf der Reaktion muss im Katalysator ein genügend hohes Temperaturniveau (ab ca 200 Grad Celsius) vorhanden sein. Hinsichtlich der Einzelheiten der Technologie wird verwiesen auf die oben benannte Studie über das Potenzial einer Realisierung einer Hardware-Nachrüstung für Dieselfahrzeuge EU 5 (EU 4) zur NOx-Reduzierung im Auftrag des BMVI vom 8. Januar 2018 (vgl. dort S. 4) und auf den oben bezeichneten Bericht des KBA vom 10. Januar 2020 (vgl. dort S. 10 f.). Danach ist allgemein bekannt, dass bei zu hohen Temperaturen die Gefahr des Austretens des giftigen Ammoniaks in die Umgebungsluft (sog. NH3- Schlupf) besteht, bei niedrigen Temperaturen die Gefahr von unerwünschten Ablagerungen (vgl. Bericht des KBA zur Wirksamkeit von software – updates mit Stand vom 10. Januar 2020 a.a.O., S. 11). Auch die Verwendung mehrerer Betriebsstrategien als solches (Speicherund Onlinebetrieb) ist laut Bescheid des KBA vom 23. Mai 2018 technisch nachvollziehbar und wird für sich genommen gegenüber der Beklagten nicht beanstandet (Anlage BB 19). Dass die Beklagte eine software eingesetzt hätte, die den Prüfstand erkennen und das Abgasverhalten danach ausrichten würde oder dass das Emissionskontrollsystem außerhalb des Temperaturbereiches des NEFZ vollständig inaktiv wäre, wird vom Kläger nicht mehr behauptet. Nach dem Vortrag des Klägers arbeitet das Emissionssystem sowohl bei der Regelung der Abgasrückführung als auch bei der Dosierung von AdBlue im streitgegenständlichen Fahrzeug in beiden Fahrsituationen, also auf dem Prüfstand wie auch im Fahrbetrieb unter vergleichbaren Bedingungen in gleicher Weise (vgl. zu diesem Aspekt beim Thermofenster BGH BB 2021, 525 ff.; vgl. auch OLG München Beschluss vom 29. September 2020 – 8 U 201/20 -, Rdn. 28, juris; OLG Dresden ZfSch 2019, 673 f.; OLG Frankfurt/Main NJW-RR 2020, 476 ff. ; OLG Stuttgart Urteil vom 11. Dezember 2020 – 3 U 101/18 -Rdn. 49 ff., zu entsprechenden Untersuchungen an einem Motor OM 651 Rdn. 36, juris). Selbst wenn unterstellt wird, dass die temperaturabhängige Gestaltung der Abgasrückführung und der Betrieb der AdBlue-Dosierung in zwei Betriebsarten jeweils eine nicht zulässige Abschalteinrichtung darstellt, folgt daraus nach dem oben unter Ziffer II.1.b) Gesagten noch nicht, dass die Beklagte mit der Verwendung dieser Einrichtungen in dem streitgegenständlichen Fahrzeug objektiv sittenwidrig gehandelt hat. Denn entscheidend ist, dass die Funktionen nicht zu einem unterschiedlichen Verhalten des Emissionskontrollsystems führt je nachdem, ob das Fahrzeug im Straßenverkehr bewegt wird oder ob es sich zur Emissionsmessung auf einem Rollenprüfstand befindet. Da somit der Genehmigungsbehörde ein vorschriftsmäßiges Emissionsverhalten nicht nur vorgetäuscht wird, das im wirklichen Betrieb unter vergleichbaren Bedingungen nicht stattfindet, begründet allein der (unterstellte) Verstoß gegen die Verordnung (EG) Nr. 715/2007 den Vorwurf der Sittenwidrigkeit nicht (vgl. BGH a.a.O. und bereits OLG Nürnberg Urteil vom 19. Juli 2019 – 5 U 1670/18-; OLG Stuttgart Urteil vom 11. Dezember 2020 – 3 U 101/18 -Rdn. 51 m.w.N., juris; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 03. Februar 2021 – 11 U 109/20 –Rdn. 37, juris; OLG Koblenz DAR 2021, 204 Rdn. 51 m.w.N., juris). 
bb) Der Umstand, dass ein Fahrzeug außerhalb der Bedingungen des NEFZ ein abweichendes Emissionsverhalten zeigt zu dem innerhalb, ist technisch bedingt und kann nicht als Beleg für ein verwerfliches Verhalten herangezogen werden. Die Tatsache, dass ein Fahrzeug im normalen Fahrbetrieb höhere Emissionen aufweist als im – für die Überprüfung der Einhaltung der Werte der Euro 6-Norm zum Zeitpunkt der Herstellung maßgeblichen – NEFZ (zu den Bedingungen des NEFZ vgl. OLG Stuttgart Urteil vom 11. Dezember 2020 – 3 U 101/18- Rdn. 23, juris), vermag einen Anspruch aus § 826 BGB ebenfalls nicht zu stützen (so auch OLG Stuttgart Urteil vom 11. Dezember 2020 – 3 U 101/18- Rdn. 39, juris; OLG Celle Urteil vom 13. November 2019 – 7 U 367/18-, juris). Der Umstand, dass die unter den Bedingungen des NEFZ auf dem Rollenprüfstand mit vorgegebenen Parametern gemessenen Werte nicht den tatsächlich im Straßenverkehr anfallenden Emissionswerten entsprechen, war nämlich ein Anlass dafür, dass der Europäische Gesetzgeber im Jahr 2017 mit Art. 3 VO (EU) 2017/1151 vom 01. Juni 2017 den früher geltenden gesetzlichen Prüfzyklus NEFZ durch den WLTC (Worldwide Harmonized Light Vehicles Test Procedure) mit Ergänzung durch den RDE Test (Real Driving Emissions) ersetzt hat und mit den Verordnungen (EU) 2016/646 vom 20. April 2016 und 2017/1151 und 1154 vom 1./7. Juni 2017 das EU-Typgenehmigungsrecht umfassend reformiert hat (vgl. Erwägungsgrund 2 zur VO (EU) 2017/1151). Die technischen Schwierigkeiten einer Umsetzung der neuen Vorgaben waren damals durchaus bekannt. Dies belegt etwa der Erwägungsgrund 10 der VO (EU) 2016/646, in dem die Kommission ausgeführt hat: „Damit sich die Hersteller allmählich an die RDE-Vorschriften anpassen können, sollten die endgültigen quantitativen RDE-Anforderungen in zwei aufeinanderfolgenden Schritten eingeführt werden. In einem ersten Schritt, der ab vier Jahren nach den verbindlichen Daten für die verbindliche Anwendung von Euro 6 gelten sollte, sollte ein Übereinstimmungsfaktor von 2,1 gelten. Der zweite Schritt sollte ein Jahr und vier Monate nach dem ersten Schritt folgen; dann sollte die vollständige Einhaltung des Emissionsgrenzwertes für NOx von 80 mg/km gemäß der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 zuzüglich einer Marge zur Berücksichtigung der zusätzlichen Messunsicherheiten beim Einsatz von portablen Emissionsmesssystemen (PEMS) gelten“. Der Kommission war demnach zum Zeitpunkt des Erlasses der VO (EU) 2016/646 bewusst, dass Abweichungen „in der Natur der Sache“ lägen (Erwägungsgrund 12). Den Herstellern sollte mit einer schrittweisen Erhöhung der Anforderungen innerhalb der kommenden Jahre (!) an Emissionen im praktischen Fahrbetrieb ermöglicht werden, ihre Technik auf die neuen Vorschriften umzustellen. 
cc) Für die Frage, ob nach dem Vorbringen der Klage ein Verschleiern der Beklagten im Typgenehmigungsverfahren in Betracht kommt, spielt ebenfalls die Rechtslage zum Zeitpunkt des Genehmigungsverfahrens eine maßgebliche Rolle. Es kommt nicht nur darauf an, ob und inwieweit die Verantwortlichen der Beklagten zur Offenlegung der in der Klage monierten Programmierungen und Steuerungen verpflichtet waren, sondern, ob sie dem Klagevorbringen nach die Behörden in einer Art und Weise in die Irre führten, die sich als verwerflich darstellen würde. 
aaa) Während bei Lastkraftwagen bereits seit dem Jahr 2009 nach Art. 5 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 3 Nr. 8 VO (EG) Nr. 2009/595 vom 18. Juni 2009 für schwere Nutzfahrzeuge jegliche Art von „Umgehungsstrategien“ ausnahmslos für unzulässig erklärt worden war („Die Verwendung von Umgehungsstrategien, die die Wirksamkeit von emissionsmindernden Einrichtungen herabsetzen, ist unzulässig“), war die entsprechende für PKWs geltende Vorschrift offen formuliert. Nach Art. 5 Abs. 2 Satz 2 lit a) VO (EG) 715/2007 vom 20. Juni 2007 war die Verwendung von Abschalteinrichtungen in PKWs ausnahmsweise dann zulässig, „wenn … die Einrichtung notwendig ist, um den Motor vor Beschädigung oder Unfall zu schützen und um den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten“. Für die Erlangung der Typgenehmigung hatte der Hersteller gemäß Art. 3 Abs. 9 VO (EG) 692/2008 vom 18. Juli 2008 der Genehmigungsbehörde zunächst lediglich Angaben zur Arbeitsweise des Abgasrückführungssystems (AGF) einschließlich ihres Funktionierens bei niedrigen Temperaturen zu machen. Erst im Jahr 2017 wurden die Hersteller von Personenkraftwagen unter der Zusage der Geheimhaltung verpflichtet, den Behörden im Typgenehmigungsverfahren eine „erweiterte“ Dokumentation über ihre Standard-Emissionsstrategien (BES) und über den Betrieb aller zusätzlichen Emissionsstrategien (AES) nebst Parametern und Grenzen vorzulegen (Art. 5 Abs. 11, 12 und Anhang I Anlage III a VO (EU) 2017/1151 vom 1. Juni 2017). Erhellend lässt sich dem Erwägungsgrund 2 zu der VO (EU) 2017/1151 vom 1.6.2017 entnehmen, dass der europäische Gesetzgeber die Informationen über den Kraftstoffverbrauch und die CO2 -Emissionen, die durch Prüfungen von Fahrzeugen gemäß dem NEFZ gewonnen werden, nicht mehr als ausreichend erachten würde. Mit Art. 25 Abs. 4 VO (EU) 2018/858 vom 30. Mai 2018 wurde der Genehmigungsbehörde und den technischen Diensten Zugang eingeräumt zur Software und zu den Algorithmen des Fahrzeugs, die sie für die Durchführung ihrer Tätigkeiten für erforderlich erachten.
bbb) Aus zahlreichen Parallelverfahren ist dem Senat bekannt, dass die Beklagte, wie sie auch hier vorgetragen hat, im Typgenehmigungsverfahren einen Beschreibungsbogen für das Abgasrückführungssystem (AGR) vorgelegt hat, aus dem sich ergibt, dass als einer der die Abgasrückführungsrate (AGR-Rate) steuernden Parameter die „Lufttemperatur nach Ladeluftkühler“ bezeichnet wurde. Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 15. März 2021 – 5 U 88/20 – ausgeführt hat, kann ein Vorsatz der Beklagten hinsichtlich der etwaigen Unzulässigkeit der Steuerung der AGR nicht angenommen werden, wenn zumindest die Temperaturabhängigkeit der AGR im Genehmigungsverfahren offen gelegt worden und daraufhin die Typgenehmigung erteilt worden ist (ebenso OLG Koblenz, Urteil vom 22. März 2021, – 12 U 1263/20 -, juris). Auch wenn die Einzelheiten der Steuerung der AGR hinsichtlich des Maßes der Absenkung der AGR-Rate in Abhängigkeit von der jeweiligen Temperatur und die Auswirkungen dieser Absenkung auf die Emissionen nicht im Detail im Genehmigungsverfahren offen gelegt worden sind, kann doch für das KBA nicht zweifelhaft gewesen sein, dass eine Variation der AGR-Rate auf Grund ihrer Temperaturabhängigkeit nicht ohne Auswirkung auf die Stickoxidemissionen bleiben konnte, dient doch die Einrichtung gerade der Verringerung dieser Emissionen. Hat sich das KBA gleichwohl nicht zu einer Nachfrage veranlasst gesehen, kann dies nur bedeuten, dass sich die Behörde durch die – nicht weiter detaillierte – Mitteilung der Temperaturabhängigkeit der AGR-Rate hinreichend unterrichtet gefühlt hat, so dass von einer Verschleierung oder gar Verheimlichung der Funktion des sogenannten Thermofensters nicht gesprochen werden kann (siehe dazu auch BGH BB 2021, 525 ff.). Im Übrigen ist erneut – wie schon im oben genannten Urteil des Senats vom 15. März 2021 ausgeführt – daraufhin hinzuweisen, dass jedenfalls zum Zeitpunkt der Typgenehmigungserteilung für das streitgegenständliche Fahrzeugmodell die temperaturabhängige AGR von zahlreichen Fahrzeugherstellern eingesetzt wurde und dem Grundsatz nach von den Genehmigungsbehörden auch für zulässig gehalten wurde, zum anderen das KBA eine solche Einrichtung auch heute noch nicht für grundsätzlich unzulässig hält, sondern sogenannte Software-Updates, die eine AGR-Ratenabsenkung bei kälteren Umgebungstemperaturen beinhalten, genehmigt, wenn dabei die gesetzlichen Vorschriften erfüllt werden, also in den Typprüfungen der maßgebliche Grenzwert eingehalten wird (so ausdrücklich KBA, Wirksamkeit von Software-Updates zur Reduzierung von Stickoxiden bei Dieselmotoren, Stand 10.1.2020, Seite 14, abrufbar unter www.kba.de). Ob das KBA die aktuelle Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs 17.12.2020 – C-693/18 -zum Anlass nehmen wird, seine Genehmigungspraxis zu ändern, ist offen, für den Streitfall aber nicht von Bedeutung, da ein mehrere Jahre zurückliegendes Verhalten der Beklagten als Fahrzeugherstellerin zu beurteilen ist. Damit ist davon auszugehen, dass die Genehmigungsbehörde von diesem Umstand bei Dieselmotoren der Beklagten Kenntnis hatte, so dass es für den hier maßgeblichen Vorwurf einer behaupteten vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung auf die Angaben der Beklagten im konkreten Fall nicht ankommt. Selbst wenn die Beklagte nämlich in einem einzelnen Typgenehmigungsverfahren oder für eine spezielle Motorisierung eine Angabe dazu unterlassen hätte, könnte dieser Umstand nicht für den Vorwurf herangezogen werden, die Beklagte habe die Genehmigungsbehörde systematisch getäuscht und gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstoßen, was im übrigen auch von Seiten des KBA in den offiziellen Verlautbarungen bislang nicht behauptet worden ist. Vielmehr konnte die Beklagte durchaus annehmen, dass die von ihr gewählte Steuerung der Abgasrückführung jedenfalls dem Grunde nach – damals – nicht zu beanstanden sei, weil sie ansonsten vom KBA eben beanstandet worden wäre. Eine Rechtspflicht zur Anzeige sämtlicher die Steuerung der Abgasrückführung bestimmenden Parameter bestand nach der damaligen Rechtslage nicht (so ebenfalls OLG Celle Urteil vom 14. April 2021 – 7 U 1955/19- Rdn. 31 m.w.N. auch unter Berufung auf eine Auskunft des KBA, juris). 
ccc) Mit seinem Vortrag zur AdBlue Dosierung und zur SCR-Technologie vermag der Kläger ebenfalls kein verwerfliches Verhalten der Beklagten aufzuzeigen. Nach dem Vortrag der Klage kommen die Aktivierungsbedingungen der betreffenden Strategie auch im Realbetrieb vor. Die Notwendigkeit einer Regelung der AdBlue Dosierung ist allgemein anerkannt, die Technik wird von zahlreichen Herstellern eingesetzt. Bezüglich der AdBlue Dosierung und der beiden Betriebsmodi wurde eine ausführliche Beschreibung der Funktionen des Emissionskontrollsystems im Zeitpunkt der Erteilung der Typengenehmigung für das streitgegenständliche Fahrzeug nach den inhaltlich standardisierten Vorgaben in Anhang I Anlage 3 VO (EG) 692/2008 nicht präzise abgefragt (vgl. zu diesem Aspekt auch OLG Celle Urteil vom 14. April 2021 – 7 U 1955/19 – Rdn. 38, juris; ebenfalls OLG Hamm Urteil vom 28. Januar 2021 – 18 U 21/20- Rdn. 84, juris). Zu diesem Ergebnis ist im Übrigen auch bereits der 5. Untersuchungsausschuss der 18. Wahlperiode des Bundestags in seinem Bericht vom 22. Juni 2017 nach der Anhörung von Verantwortlichen des KBA gelangt (BT-Drs. 18/12900 S. 513; ähnlich auch OLG Hamm Urteil vom 28. Januar 2021 – 18 U 21/20-Rdn. 85, juris). Erweisen sich jedoch die gesetzlichen Bestimmungen zur Anzeigepflicht als unscharf (dazu ausführlich OLG Koblenz DAR 2021, 204 ff. Rdn. 54 ff. m.w.N. aus der obergerichtlichen Rspr., juris) und verlangte auch das KBA als zuständige Typgenehmigungsbehörde keine Offenlegung der Steuerungssoftware und der Emissionsminderungsstrategie bezüglich des SCR-Systems (vgl. auch Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 24. März 2021 – 11 U 109/20 –Rdn. 18 unter Hinweis auf entsprechende Auskünfte des KBA, juris), obgleich die technische Notwendigkeit einer Steuerung bekannt war, so ist für den Vorwurf eines sittenwidrigen Verhaltens insbesondere mit Blick auf die damals geltende offen formulierte Ausnahmevorschrift zum Motorschutz und deren Interpretationsweite kein Raum. Wenn die Angaben der Beklagten aus der Sicht der Genehmigungsbehörde im Einzelfall unvollständig gewesen sein sollten oder Fragen aufwarfen, wäre es die Aufgabe des KBA gewesen, die fehlenden Angaben im Typgenehmigungsverfahren einzufordern. Dass es sich bei der Emissionstechnik der Beklagten um ein komplementäres System handelte, dessen Parameter zwingend aufeinander, aber auch auf die Temperatur der Außenluft und die Motorlast abgestimmt werden mussten, war für die Genehmigungsbehörde ohne weiteres erkennbar. 
ddd) Entgegen der in der Klage vertretenen Ansicht lässt sich auch aus einem verpflichtenden Rückruf des Fahrzeugs für die Behauptung bewusst unwahrer Angaben im Genehmigungsverfahren nichts herleiten. Auch wenn das KBA die Beklagte mit einem Bescheid verpflichtet hat, die Systemeinstellungen im Nachhinein zu ändern, die von der Beklagten daraufhin entwickelte technische Lösung in Form des Software-Updates genehmigt und die Beklagte aufgefordert hat, das Update aufzuspielen, lässt sich aus dem Rückruf mit Blick auf die zeitlichen Abläufe und die technische Fortentwicklung aus der Vorgehensweise nicht ableiten, dass die Beklagte im Typgenehmigungsverfahren über die Arbeitsweise des für den verfahrensgegenständlichen Motor entwickelten Emissionskontrollsystems bewusst in die Irre geführt hätte (vgl. zu diesem Aspekt OLG Celle Urteil vom 14. April 2021 – 7 U 1955/19 – Rdn. 31, juris), zumal das KBA auch nach dem Vortrag des Klägers bis heute keinen Anlass gesehen hat, die Typgenehmigung zu widerrufen.
eee) Das Vorbringen der Klage führt daher nicht dazu, dass die Beklagte entgegen ihrer gesetzlich anerkannten Geheimhaltungsinteressen (vgl. Art. 5 Abs. 12 VO (EU) 2017/1151 vom 1. Juni 2017) und mit der Gefahr der Ausforschung einer technischen Entwicklung nunmehr ihre Emissionsstrategie im Detail dem Käufer offen legen und dezidiert darlegen müsste, welche konkreten Abschaltungen ein bestimmter Motor enthält und warum diese gegebenenfalls für notwendig gehalten werden, um den Motor vor Beschädigungen oder Unfällen zu schützen und um den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten (eine derartige Aufklärungspflicht ebenfalls ablehnend Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Urteil vom 16. Februar 2021 – 7 U 68/20 -Rdn. 57, juris). Die Behauptung, die Beklagte habe im Typgenehmigungsverfahren unwahre oder ungenügende Angaben zum Emissionssystem gemacht, genügt aus den aufgezeigten Gründen dem Darlegungserfordernis eines Klägers für die Herleitung eines Anspruchs aus sittenwidriger Schädigung nicht. Hierbei ist wiederum zu berücksichtigen, dass die dem Hersteller abverlangten Angaben nach den europäischen Vorgaben zum Zeitpunkt der Genehmigung des Fahrzeugstyps im Typgenehmigungsverfahren standardisiert waren. 
fff) Etwaige nachteilige Auswirkungen eines software-updates sind zur Anspruchsbegründung schon gar nicht geeignet (vgl. BGH WM 2021, 652 ff., Rdn. 30, juris; OLG München MDR 2020, 1506). 
ggg) Auch mit dem Vortrag, dass technische Alternativen in Betracht kämen, zeigt der Kläger keine Anhaltspunkte für eine sittenwidrige Schädigung auf. Auch nach dem Vortrag des Klägers hat das KBA nicht den Einbau eines neuen Emissionssystems auf der Grundlage der vom Kläger als vorzugswürdig erachteten Technik, sondern lediglich das Aufspielen einer neuentwickelten software, also eine neue Bedatung des ansonsten unbeanstandet gebliebenen Systems, verlangt. 
2. Eine deliktische Haftung der Beklagten aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 EG-FGV, Art. 18 der Richtlinie 2007/46/EG, Art. 5 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 oder aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 Abs. 1 StGB scheidet nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung aus. Die Vorgaben an den Hersteller stellen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes keine Schutzgesetze im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB dar, die eine Schadensersatzpflicht des Verkäufers oder Herstellers auf eine Erstattung des Kaufpreises in Bezug auf ein bereits zugelassenes Fahrzeug auslösen könnten, selbst wenn sich die Übereinstimmungserklärung als nicht gültig darstellen würde (BGHZ 225, 316 ff., Rdn. 72 ff., 76; BGH ZIP 2020, 1715 Rdn. 10 ff., 17 ff.; BGH ZIP 2021, 84 Rdn. 20). Ein Betrug zum Nachteil des Klägers kommt nach dem oben Gesagten nicht in Betracht. 
3. Bleibt die Klage in der Hauptsache ohne Erfolg, gilt dies auch für die weiteren, vom Erfolg der Hauptsache abhängigen Anträge. 
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit findet ihre Rechtsgrundlage in den § 708 Nr. 10, §§ 709, 711 ZPO. 
Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst, da die Sache weder grundsätzliche Bedeutung aufweist noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern, § 543 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 ZPO. Die entscheidungserheblichen Rechtsfragen sind bereits höchstrichterlich geklärt. Der Senat weicht, soweit ersichtlich, weder von der Rechtsprechung anderer Obergerichte noch solcher des Bundesgerichtshofs ab.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47, 48 GKG i. V. m. § 3 ZPO.


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