Europarecht

Schiedsklage über Meldung zur Fussball-Spielzeiten

Aktenzeichen  1/2020

Datum:
27.10.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 29053
Gerichtsart:
Schiedsgericht des Bayerischen Fußball-Verbandes
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Schiedsgerichtsbarkeit
Normen:
RLO § 19 Nr. 1.2

 

Leitsatz

Tenor

I. Es wird festgestellt, dass die Meldung des 1. FC Sch. 05 Fußball GmbH für die 1. Hauptrunde des DFB-Pokals 2020 vom 6. September 2020 an den Deutschen Fußballbund e.V., gesetzlich vertreten durch den Präsidenten Fr. Ke., H.-N.-Haus, O.-F.-S. 6, 6… F./Main, durch den Schiedskläger rechtmäßig ist und der Schiedskläger nicht verpflichtet ist, diese Meldung zu widerrufen.
II. Die Widerklage wird abgewiesen.
III. Die Schiedsbeklagten tragen die Kosten des Schiedsgerichtsverfahrens in Höhe von 16.161,90 Euro.
Zur Begründung dieses Schiedsspruchs ist folgendes auszuführen:

Gründe

Der mit der Schiedsklage geltend gemachte Feststellungsantrag ist begründet. Die Widerklage ist unbegründet.
1. Das Schiedsgericht ist für die Entscheidung zuständig.
In seinem Beschluss vom 22. Oktober 2020 hat das Bayer. Oberste Landesgericht überzeugend zunächst darauf hingewiesen, dass das entscheidende Schiedsgericht als unabhängige und unparteiliche Instanz i.S.d. §§ 1025 ff. ZPO organisiert sei. Die Schiedsgerichtsordnung, die Teil des Schiedsgerichtsvertrages sei, gewährleiste ein faires Verfahren. Die Schiedsgerichtsordnung sei die Verfahrensordnung für alle Fälle denkbarer Schiedsangelegenheiten. Es liege eine Streitigkeit i.S.d. § 9 des Zulassungsvertrages vor.
Auch nach Auffassung des Schiedsgerichts ist dessen Zuständigkeit anzunehmen, weil die Schiedsbeklagten Ansprüche aus ihrer Mitgliedschaft beim Schiedskläger herleiten. Vor diesem Hintergrund spielt es keine Rolle, ob die Feststellung des Schiedsklägers, auf Ausschluss der Schiedsbeklagten zu 2) vom Spielbetrieb der Regionalliga als „rechtskräftig“ i.S.d. Ziffer 4 der Schiedsgerichtsvereinbarung anzusehen ist. Entscheidend kommt es auf die inhaltliche Qualität der Auseinandersetzung an.
Die Einwendungen der Schiedsbeklagten gegen die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung greifen nicht. Art. 6 Abs. 1 EMRK verbietet nicht die Einrichtung von Schiedsgerichten zur Beilegung von Streitigkeiten, die Mitgliedschaftsrechte betreffen. Im vorliegenden Fall handelt es sich auch nicht um ein – unzulässiges – Zwangsschiedsgerichtsverfahren, da hiervon nur dann auszugehen wäre, wenn das angerufene Schiedsgericht keine Gewähr für die Einhaltung eines fairen Verfahrens, so wie es in Art. 6 EMRK definiert ist, bieten würde. Zu Recht führt das Bayer. Oberste Landesgericht in der zitierten Entscheidung aus, dass Schiedsgerichte in der Lage sind, Streitigkeiten zeitnah auch in der Hauptsache einer endgültigen Entscheidung zuzuführen, um so für den schnelllebigen Fußballsport Rechtssicherheit und Klarheit zu leisten. Schiedsgerichtsvereinbarungen bieten Gewähr für eine interessengerechte Organisation des Fußballsports, sie vermeiden insbesondere langandauernde Verfahren vor staatlichen Gerichten (Blatt 32 des zitierten Beschlusses).
2. Den Schiedsbeklagten wurde nach Zustellung der Schiedsklage ausreichend rechtliches Gehör gewährt. Schon die ursprünglich gesetzte Frist von acht Tagen ist in Schiedsgerichtsverfahren, die während eines laufenden Sportwettbewerbs kurzfristige Entscheidungen erfordern, nicht unangemessen. Darüber hinaus wurde die Klageerwiderungsfrist um weitere drei Tage verlängert, sodass die Schiedsbeklagten, die immerhin bereits am 9. Oktober 2020 den zitierten Antrag zum Bayer. Obersten Landesgericht gestellt hatten, elf Tage Zeit hatten, um sich zur Schiedsklage zu äußern. Zu berücksichtigen ist zur Frage der Beurteilung der Angemessenheit schließlich auch die nicht bestrittene Tatsache, dass beide Parteien des Verfahrens den streitgegenständlichen Sachverhalt bereits in einem Verbandsklageverfahren sowie in einem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vor dem Landgericht ausgewertet hatten. Sachverhalte und rechtliche Argumente waren deshalb für die Parteivertreter nicht neu, sodass auch durch diesen Umstand die Angemessenheit der zur Verfügung stehenden Bearbeitungszeit begründet ist.
In der Sache haben die Schiedsbeklagten auch umfänglich Stellung genommen. Der weitere Antrag im Schriftsatz vom 23. Oktober 2020, nochmals eine Schriftsatzfrist von zehn Tagen einzuräumen, wird deshalb abgewiesen. Zur Erörterung von Rechtsfragen bestand innerhalb der vom Schiedsgericht gesetzten und verlängerten Frist ausreichend Gelegenheit. Darüber hinaus wurde in der mündlichen Verhandlung beiden Parteivertretern Gelegenheit für eine Erörterung von Rechtsfragen gegeben.
3. Der Schiedskläger hat die 1. FC Sch. 1905 Fußball GmbH zu Recht zur 1. DFB-Pokal-Hauptrunde 2020/2021 gemeldet.
3.1 Rechtsgrundlage für die Meldung war zunächst § 68 Nr. 7 SLO in der Fassung vom 5. Mai 2020.
Nach § 24 Abs. 2 der Satzung des Schiedsklägers ist deren Vorstand berechtigt, bei zwingender Notwendigkeit zwischen zwei Verbandstagen eine Änderung der maßgeblichen Satzung vorzunehmen.
Von einer solchen zwingenden Notwendigkeit war im vorliegenden Fall unzweifelhaft auszugehen, nachdem die Unterbrechung des Spielbetriebs aus öffentlich-rechtlichen Gründen erforderlich war.
Nach Auffassung des Schiedsgerichts kann die zitierte Vorschrift nicht isoliert betrachtet werden. Sie muss vielmehr im Zusammenhang mit § 19 Nr. 1.2 RegO gesehen werden, wonach ausdrücklich für das Spieljahr 2019/2020 eine Sonderregelung hinsichtlich des Aufstiegs in die 3. Liga statuiert worden ist. Die Gesamtschau der geänderten Regelungen für den Aufstieg und für die Benennung des Amateurvereins für den DFB-Pokal tragen die vom Schiedskläger vollzogene Auslegung des § 68 Nr. 7 SLO.
3.2 Den Schiedsbeklagten ist zuzugeben, dass bei losgelöster Betrachtung der Passage „sollte zum Zeitpunkt des Ablaufs des Datums der offiziellen Meldefrist der Spielbetrieb in der Regionalliga Bayern ohne den nach § 20 der Regionalligaordnung zum Aufstieg in die 3. Liga gemeldeten Verein wieder fortgesetzt sein, so qualifiziert sich der zu diesem Zeitpunkt bestplatzierte sich noch im Wettbewerb befindliche Amateurverein“ auch die Auslegung im Sinne der Auffassung der Schiedsbeklagten tragen könnte. Eine Verweisung auf die Änderungen in §§ 19, 20 der RegO enthält § 68 Nr. 7 SLO nämlich nicht.
Indes entspräche eine solche Auslegung nicht den erkennbaren Interessen des Satzungsgebers. Aus der Gesamtschau der zitierten Regelungen muss geschlossen werden, dass bei der Nomierungsentscheidung §§ 19, 20 RegO nicht unberücksichtigt bleiben können. Dem Vorbringen der Parteien im Rahmen des vor dem Landgericht München I geführten Rechtsstreits – Az. 37 O 11770/20 – ist schließlich zu entnehmen, dass auch der Vorstandsvorsitzende des Schiedsbeklagten zu 2) – Mehrheitsgesellschafter des Schiedsbeklagten zu 2) – gegenüber dem Präsidenten des Schiedsklägers in einem Gespräch vom 31. Juli 2020 zum Ausdruck gebracht hatte, er werde nicht gegen eine etwaige Meldung des 1. FC Sch. 05 zum DFB-Pokal klagen (Blatt 14 des Urteils vom 30. September 2020), wenn dieser Verein seinerseits nicht gegen den Aufstieg des Schiedsbeklagten zu 2) opponieren werde. Es muss in diesem Zusammenhang nicht entschieden werden, ob diese Erklärungen mit Rechtsbindungswillen abgegeben worden sind oder nicht. Sie enthalten jedenfalls erkennbar die Bewertung, dass das „Satzungsänderungspaket“ vom 5. Mai 2020 seitens des Hauptgesellschafters der Schiedsbeklagten zu 2) als solches erkannt und akzeptiert worden ist.
3.3 Letztlich muss allerdings nicht entschieden werden, ob die Fassung der Satzung vom 5. Mai 2020 mehrdeutig ist oder nicht. Der Schiedskläger hat nach Auffassung des Schiedsgerichts durch die erneute Satzungsänderung vom 1. September 2020 derartige Auslegungsdifferenzen ausgeräumt. Nach dem Wortlaut dieser Satzungsänderung konnte hierauf die Nominierung der 1. FC Sch. 05 GmbH gestützt werden.
Das Landgericht München I hält allerdings diese Satzungsänderung für nichtig, weil sie einer kartellrechtlichen Missbrauchskontrolle gemäß §§ 19, 20 GWB nicht standhalte.
Diese Auffassung teilt das Schiedsgericht nicht:
Der Schiedskläger war – bis zur Willkürgrenze – berechtigt, im Rahmen seiner nach Art. 9 GG eingeräumten Satzungsautonomie die Satzung zu ändern. Grundsätzlich kann die geänderte Satzung auch kartellrechtlich im Rahmen der §§ 19, 20 GWB geprüft werden. Nach Auffassung des Schiedsgerichts ist im vorliegenden Fall aber bei der Änderung einer Rechtsnorm kein Ermessen auszuüben, wenn es – wie vorliegend – lediglich um die Motivation des rechtssetzenden Organs geht. Ob diese Motivation darin besteht, eine nichtige Rechtsnorm durch eine wirksame zu ersetzen, oder eine mehrdeutige klarzuzustellen, ist bedeutungslos. Das verbotene Verhalten von Unternehmen oder Organisationen mit Monopolstellung ist im Rahmen der §§ 19, 20 GWB inhaltlich und nicht auf die Motivation des Satzungsgebers hin zu prüfen. Wenn objektiv zulässiges Verhalten i.S.d. §§ 19, 20 GWB vorliegt, so kann von einem kartellrechtlich relevanten Verstoß nicht ausgegangen werden.
Sowohl der Regelung des § 68 Nr. 7 SLO in seiner Fassung vom 5. Mai 2020 als auch vom 1. September 2020 begegnen insoweit keinerlei Bedenken. Die vom Schiedskläger verfolgten Interessen der Herbeiführung einer gerechten Lösung bei Beendigung des Regionalliga-Spielbetriebs vor Ablauf bestehender Meldefristen ist inhaltlich interessengerecht.
Nach Auffassung des Schiedsgerichts ist die Fassung der Satzung vom 1. September 2020 im Übrigen zur Klarstellung geschaffen worden.
Vor diesem Hintergrund war die Meldung des Verfügungsklägers vom 5. September 2020 rechtmäßig.
3.4 Ein Widerruf dieser Meldung kommt nach Auffassung des Schiedsgerichts nicht in Betracht:
Die vom Schiedskläger veranlasste Meldung ist ein Rechtsgeschäft, das nach § 145 BGB grundsätzlich nicht widerruflich ist. Die Meldung wurde seitens des DFB akzeptiert, sodass insoweit eine rechtsgeschäftliche Bindung entstanden ist, die nicht durch einen Widerruf, sondern allenfalls durch Anfechtung zu Fall gebracht hätte werden können.
Legt man die Auffassung des Landgerichts München I (Nichtigkeit der in Betracht kommenden Satzungsänderung) zugrunde, so bedürfte es eines solchen Widerrufs nicht.
Da nach Auffassung des Schiedsgerichts die Meldung jedoch rechtmäßig ist, kann auch aus diesem Grund eine Verpflichtung des Schiedsklägers zum Widerruf der Meldung nicht angenommen werden.
4. Da das Schiedsgericht die Meldung der 1. FC Sch. 05 GmbH für rechtmäßig hält, kann von den Schiedsbeklagten die im Wege der Widerklage geltend gemachte Meldung der Schiedsbeklagten zu 2) nicht beansprucht werden. Die rechtswirksame Meldung schließt die Meldung eines anderen Teilnehmers aus.
5. Die Beklagten haben mit Schriftsatz vom 27. Oktober 2020, der vor Absetzung des Schiedsspruches per E-Mail beim Schiedsgericht eingegangen ist, einen Ablehnungsantrag nach § 1037 Abs. 2 ZPO gestellt.
Gemäß § 4 Ziff. 5 der Schiedsgerichtsordnung ist der Antrag auf Ablehnung schriftlich unter Glaubhaftmachung des Ablehnungsgrundes beim Schiedsgericht einzureichen. Die Beisitzer, Direktor des Amtsgericht Bartsch und Leitender Oberstaatsanwalt a.D. Wenny haben mit Beschluss vom 27. Oktober 2020 den Antrag der Schiedsbeklagten auf Ablehnung zurückgewiesen.
Eine Abschrift dieses Beschlusses ist in Anlage beigefügt. Auf die Begründung des Beschlusses wird Bezug genommen.
Gemäß § 1037 Abs. 3 ZPO kann das Schiedsgericht einschließlich des abgelehnten Schiedsrichters das schiedsrichterliche Verfahren fortsetzen und einen Schiedsspruch erlassen.
6. Die Kosten des Verfahrens sind gemäß § 6 Ziff. 5 der Schiedsgerichtsordnung den Beklagten aufzuerlegen. Kosten und Auslagen von Bevollmächtigten werden nicht erstattet.
Die zu erstattenden Kosten berechnen sich wie folgt:
„a) Kosten der Schiedsrichter
Gegenstandswert: 175.000,00 €
Bezeichnung
Gebühr
1,3 Verfahrensgebühr Nr. 3100 VV
2.506,40 €
1,2 Terminsgebühr Nr. 3104 VV
2.313,60 €
Pauschale für Post- und Telekom.dienste Nr. 7002 VV
20,00 €
Summe netto
4.840,00 €
× 2 (Beisitzer sind nicht umsatzsteuerpflichtig) angefallene Kosten
9.680,00 €
Bezeichnung
Gebühr
1,3 Verfahrensgebühr Nr. 3100 VV
2.506,40 €
1,2 Terminsgebühr Nr. 3104 VV
2.313,60 €
Pauschale für Post- und Telekom dienste Nr. 7002 VV
20,00 €
Summe netto
4.840,00 €
Mehrwertsteuer 16,00 % Nr. 7008 VV
774,40 €
angefallene Kosten
5.614,40 €
b) Kosten für Anmietung des Sitzungsraums
867,50 €
Summe Kosten
16.161,90 €
Die Kosten sind durch die Einzahlung des Kostenvorschusses gedeckt, sodass die Schiedsbeklagten verpflichtet sind, die vom Schiedskläger verauslagten Kosten diesem zu erstatten.“
7. Das Protokoll aus der mündlichen Verhandlung vom 26. Oktober 2020, die Erklärung des Vorsitzenden gem. § 1036 Abs. 1 und der Zurückweisungsbeschluss der Beisitzer vom 27. Oktober 2020 sind als Anlagen beigefügt.


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