Europarecht

Selbstständige Anknüpfung der Wirksamkeit der Scheidung als Vorfrage einer Namensführung

Aktenzeichen  UR III 12/21

Datum:
29.9.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 39868
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
PStG § 16 Abs. 1 Nr. 5
EGBGB Art. 4 Abs. 1 S. 2, Art. 10

 

Leitsatz

Ist die Wirksamkeit einer Scheidung Vorfrage für die Namensführung nach der Scheidung, so ist für die Vorfrage selbstständig zu beurteilen, welches das berufene Recht ist. (Rn. 17 – 18) (red. LS Axel Burghart)

Tenor

Das Standesamt der Stadt Regensburg wird auf die Zweifelsvorlage vom 30.08.21 gemäß § 49 Abs. 2 PStG angewiesen, im Eheregister E 643/2009 gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 5 PStG eine Folgebeurkundung dahingehend vorzunehmen ist, dass die Ehefrau mit Rechtskraft der Scheidung wieder Ihren Geburtsnamen … führt.

Gründe

I)
Herr … und Frau … schlossen am 07.09.2009 in Regensburg die Ehe. Die Eheschließung wurde im Eheregister das Standesamt der Stadt Regensburg unter der Registernummer E643/2009 eingetragen. Beide Ehegatten sind türkische Staatsangehörige. Seit der Eheschließung führt die Ehefrau den Namen …, geb. …. Eine Rechtswahlerklärung zur Namensführung nach Art. 10 Abs. 2 EGBGB wurde nicht abgegeben. Die Ehe wurde durch Endbeschluss des Amtsgerichts Straubing vom 22.10.2020 rechtskräftig geschieden. Frau … erklärte mit Schreiben vom 26.11.2020 gegenüber dem Standesamt, dass sie auch nach der Scheidung weiter den Familiennamen … führen möchte.
Eine Anerkennung der deutschen Scheidung in der Türkei ist bisher nicht erfolgt.
Das Standesamt legte dem Amtsgericht Regensburg mit Schreiben vom 30.08.2021 gemäß § 49 Abs. 2 PStG die Frage vor, ob im Eheregister E 643/2009 gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 5 PStG eine Folgebeurkundung dahingehend vorzunehmen sei, dass die Ehefrau mit Rechtskraft der Scheidung wieder Ihren Geburtsnamen … führt.
Die Betroffene wurde angehört. Eine Stellungnahme wurde nicht abgegeben.
II)
Auf die zulässige Zweifelsvorlage des Standesamtes der Stadt Regensburg vom 30.08.2021 war dieses anzuweisen, im Eheregister E 643/2009 gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 5 PStG eine Folgebeurkundung dahingehend vorzunehmen ist, dass die Ehefrau mit Rechtskraft der Scheidung wieder Ihren Geburtsnamen … führt.
§ 16 Abs. 1 Nr. 5 PStG bestimmt, dass im Eheregister durch Folgebeurkundung jede Änderung des Namens der Ehegatten aufzunehmen ist.
Im vorliegenden Fall hat die vom Amtsgericht Straubing am 22.10.2020 erfolgte Scheidung der Ehegatten Auswirkung auf die Namensführung der geschiedenen Ehefrau, weshalb eine Folgebeurkundung vorzunehmen ist.
Die Namensführung der Betroffenen bestimmt sich grundsätzlich nach Art. 10 EGBGB. Danach unterliegt der Name einer Person dem Recht des Staates, dem die Person angehört, also hier dem türkischen Recht. Eine vorrangig zu beachten der Rechtswahl nach Maßgabe von Art. 10 Abs. 2 EGBGB zugunsten eines anderen Rechts, was über die Scheidung hinaus fortgewirkt hätte, haben die Eheleute nicht getroffen.
Dem Namensstatut unterliegt sowohl die Namensbildung als auch der Erwerb, der Verlust und die Führung des Namens, insbesondere nach Auflösung der Ehe.
Das türkische Recht bestimmt in Art. 173 Abs. 1 S. 1 Hs 2 türkisches ZGB, dass die geschiedene Frau wieder ihren Geburtsnamen bekommt.
Grundsätzlich sind zwar Rück- und Weiterverweisungen im ausländischen Recht gemäß Art. 4 Abs. 1 S. 2 EGBGB zu beachten, auch wenn, wie im vorliegenden Fall, das türkische Recht die Namensführung nach der Scheidung nicht dem Namensrecht unterstellt, sondern dem Familienrecht. Allerdings bestimmt das türkische internationale Privatrecht für das Scheidungsstatut in Art. 14, dass sich die Wirkungen einer Scheidung nach türkischem Sachrecht richten, wenn beide Ehegatten türkische Staatsangehörige sind. Das türkische Recht nimmt die Verweisung somit an.
Damit ist festzustellen, dass sich das Namensrecht der Ehefrau nach der Scheidung in jedem Fall nach türkischem Recht richtet.
Die Frage, ob die Ehescheidung der Betroffenen wirksam ist, ist grundsätzlich eine Vorfrage, die vor der Klärung des Rechts der Namensführung zu beantworten ist.
Im Namensrecht geht die überwiegende Ansicht davon aus, dass Vorfragen unselbstständig anzuknüpfen sind, d.h., das für die eigentliche Hauptfrage zur Entscheidung berufen Recht entscheidet auch über die Beantwortung der Vorfrage. Demnach wäre die Frage, ob die Scheidung wirksam ist, nach türkischem Recht zu beurteilen.
Nach türkischem Recht bedarf eine ausländische Scheidung der Anerkennung durch das zuständige türkische Gericht (Art. 50, 51, 58 des türkischen IPR) oder der personenstandsrechtlichen Registrierung (Brandhuber/Zeyringer/Heussler, Standesamt und Ausländer, 54. Lieferung, Länder Teil Türkei, IV Anerkennung ausländischer Entscheidungen). Im vorliegenden Fall hat die Betroffene die in Deutschland durchgeführte Scheidung in der Türkei noch nicht anerkennen oder registrieren lassen. Nach türkischem Recht wäre somit die Scheidung in der Türkei nicht als wirksam anzusehen, weshalb die Betroffene nach türkischem Recht berechtigt wäre, weiter den Familiennamen … zu führen.
Der Vorteil dieser Betrachtung ist, dass somit ein Gleichlauf mit dem öffentlich-rechtlichen Namensrecht hergestellt wird und so die Namenskontinuität in grenzüberschreitenden Fällen gesichert werden kann (vgl. MüKoBGB/Lipp, 8. Aufl. 2020, EGBGB Art. 10 Rn. 37, so auch Bay ObLG, Beschluss vom 12.09.2002, 1 Z BR 10/02).
Allerdings ist zu sehen, dass für den Fall, dass die Vorfrage Gegenstand einer gerichtlichen oder behördlichen Entscheidung war, was zum Beispiel bei einer Scheidung der Fall ist, sich die überwiegende Meinung dafür ausspricht, eine selbstständige Anknüpfung vorzunehmen (vgl. MüKoBGB/Lipp, 8. Aufl. 2020, EGBGB Art. 10 Rn. 37, Palandt 80. Auflage 2021, Art. 10 EGBGB RN 2, je m.w.N.).
Das Gericht schließt sich dieser Ansicht an. Die Frage, ob eine im Inland ausgesprochene Scheidung wirksam ist, ist für deutsche Gerichte und Behörden zunächst einmal eine Frage des inländischen Verfahrensrechts, da dieses die Wirksamkeit von Gerichtsentscheidungen regelt. Es ist allgemein anerkannt, dass sich das Verfahrensrecht immer nach der lex fori richtet, also dem Recht am Ort des angerufenen Gerichts (vgl. Palandt, 80 Auflage 2021, Einl. 33 vor Art. 3 EGBGB). Nach dem deutschen Verfahrensrecht ist eine Ehescheidung mit Rechtskraft wirksam, vgl. § 116 Abs. 2 FamFG.
Das Gericht schließt sich der Argumentation an, dass bei der Statusfragen, die von einem inländischen Gericht oder einer inländischen Behörde mit Wirksamkeit für das Inland getroffen worden sind, der interne Entscheidungseinklang unerträglich gestört wäre, wenn inländische Gerichten Gerichte oder Behörden diese Entscheidung je nachdem, welches ausländisches Recht zur Anwendung kommt, nicht als wirksam behandeln dürften.
Eine unselbstständige Anknüpfung der Vorfrage der Wirksamkeit der Scheidung würde darüber hinaus dem deutschen internationalen Privatrecht in sich widersprechen. So ist in Art. 13 Abs. 2 Nr. 3 EGBGB geregelt, dass eine frühere Ehe eines Verlobten einer erneuten Eheschließung nicht entgegensteht, wenn ihr Bestand durch eine hier (zu ergänzen: in Deutschland) erlassene oder anerkannte Entscheidung beseitigt wurde. Nach Auffassung des Gerichts gibt der Gesetzgeber mit dieser Vorschrift zu erkennen, dass er die für die Voraussetzung einer neuen Eheschließung zu beantwortende Vorfrage, ob diese eine frühere Eheschließung eines Verlobten entgegensteht, nicht auf das Scheidungsstatut abstellt, sondern es ausreichen lässt, dass eine in Deutschland erlassene oder anerkannte Entscheidung die Wirkungen der Ehe beseitigt hat. Nichts anderes kann dann aber für die Frage gelten, ob für die Frage der Namensführung für den Fall, dass eine im Inland getroffene Ehescheidung vorliegt, von deren Wirksamkeit ausgegangen werden kann. Abzustellen ist auf die nach der lex fori zu beantwortende Frage, ob eine wirksame Inlandsscheidung vorliegt.
Demgemäß ist auch bei der Anwendung des türkischen Rechts, hier Art. 173 Abs. 1 S. 1 HS 2 türkisches ZGB, von einer geschiedenen Ehe auszugehen, sodass die Betroffene nunmehr wieder den Namen … führt.
Die Zweifelsvorlage des Standesamtes der Stadt Regensburg war wie aus dem Tenor ersichtlich zu beantworten.
Eine Kostenentscheidung ist nicht erforderlich, weil Behörden von den Gerichtskosten befreit sind, § 51 Abs. 1 Satz 2 PStG, und außergerichtliche Kosten der Betroffenen nicht angefallen sind (OLG Düsseldorf Beschl. v. 7.3.2018 – 3 Wx 83/17, BeckRS 2018, 6158 Rn. 18, beck-online).


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