Europarecht

Spielhallenerlaubnisse/Befristung und Befreiung

Aktenzeichen  RN 5 K 18.1075

Datum:
25.7.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 53778
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AEUV Art. 49, Art. 56 ff.
BayVwVfG Art. 36
VwGO § 113 Abs. 1 S. 1, § 114 S. 1
GlüStV § 24 Abs. 2 S. 2

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist in Ziffer II. vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Das Gericht entscheidet nunmehr nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung durch Urteil.
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Die Klage ist nicht nur auf Anfechtung der Befristungen gerichtet, sondern es wird eine längere Befristung begehrt.
1. Die unter Ziffer II. und III. des streitgegenständlichen Bescheids der Beklagten als Befristung ausgestaltete Nebenbestimmung ist isoliert anfechtbar.
Eine isolierte Anfechtung ist hinsichtlich aller objektiv abgrenz- und bezeichenbaren Teile eines Verwaltungsaktes möglich, insbesondere hinsichtlich aller Nebenbestimmungen i.S.d. Art. 36 BayVwVfG. Gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht rechtswidrige Verwaltungsakte teilweise aufheben. Damit muss im Umkehrschluss der Kläger eine teilweise Anfechtung möglich sein, um eine kostenpflichtige Teilabweisung seiner Klage a priori zu vermeiden. Dies gilt insbesondere auch für Bedingungen und Befristungen. Weder Wortlaut noch Systematik des Art. 36 BayVwVfG lassen eine Differenzierung hinsichtlich der verschiedenen Arten von Nebenbestimmungen erkennen. (vgl. W.-R. Schenke/R. P. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 21. Auflage, § 42 Rn. 21 f.).
2. Die Klage hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Die angegriffenen Befristungen sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO.
a) Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine großzügiger bemessene Befristung der glückspielrechtlichen Erlaubnis zum Betrieb der Spielhalle.
Die Erlaubnis zum Betrieb einer Spielhalle ist gemäß § 24 Abs. 2 Satz 2 GlüStV zu befristen. Sinn und Zweck der gesetzlichen Pflicht zur Befristung ist es, die staatlichen Kontroll- und Überwachungsmöglichkeiten bei der Genehmigung von Glücksspielangeboten sicherzustellen. Die Befristung der Erlaubnis verschafft der Genehmigungsbehörde bei Anträgen auf Verlängerung der Betriebserlaubnis eine umfassende Kontrollmöglichkeit, unter Berücksichtigung der Entwicklung des betroffenen Betriebs und seines Umfelds sowie die Berücksichtigung neuer Erkenntnisse zur Spielsuchtprävention, die seit der Ersterlaubnis erlangt wurden.
Die gesetzlich zwingende Befristung ist geeignet den Gesetzeszweck zu fördern. Die Regelung ist im Hinblick auf das bestehende Risiko des Betreibers, nach Ablauf der Genehmigung unter Umständen keine Folgegenehmigung mehr zu erhalten, auch angemessen, jedenfalls dann, wenn die die Behörde von der Befristungsbefugnis angemessen Gebrauch macht und die Fristdauer entsprechend wählt (vgl. BayVGH, B. v. 26.3.2014 – 22 ZB 14.221 – juris, Rn. 20).
Die Beklagte hat im angefochtenen Bescheid eine Ermessensentscheidung getroffen, die frei von Rechtsfehlern ist (Art. 40 BayVwVfG, § 114 Satz 1 VwGO).
Bei der Entscheidung über die Fristdauer orientierte sich die Behörde an der durchschnittlichen Geltungsdauer glückspielrechtlicher Erlaubnisse für Annahmestellen und gewerbliche Spielvermittler. Dabei handelt es sich um einen sachgerechten Gesichtspunkt.
Auch unter dem Gesichtspunkt, dass der Glückspielstaatsvertrag unter Umständen gemäß § 35 Abs. 2 Satz 1 GlüStV am 30.6.2021 außer Kraft tritt, ist eine Fristdauer von vier Jahren nicht zu beanstanden. Die gewählte Fristdauer fügt sich in das im GlüStV angelegte Fristensystem kohärent ein (vgl. VG München, U. v. 17.3.2013 – M 16 K 13.1477). Hinzu kommt noch, dass dem Kläger bekannt war, dass für seine „Bestandshallen“ die Fristen der Übergangsregelungen in § 29 GlüStV abgelaufen waren und er nicht damit rechnen konnte, dass er eine glücksspielrechtliche Erlaubnis für die Spielhallen erhält.
Die von der Klägerseite begehrte Ermessensentscheidung, die Erlaubnis nicht zu befristen oder länger zu befristen, würde hingegen eine Ermessensüberschreitung darstellen. Damit könnte die Behörde den oben bereits dargelegten angestrebten Gesetzeszweck – das Vorliegen der Erlaubnisvoraussetzungen regelmäßig kontrollieren zu können – nicht mehr in ausreichendem Maße umsetzen. Zudem stellt die obligatorische Befristung sicher, dass auch etwaige Nachfolgeregelungen zum Glückspielstaatsvertrag in gleicher Weise wie momentan präventiv überprüft werden können. Dies würde durch eine solche zu lange Fristdauer verhindert werden. (vgl. VG München, U. v. 13.10.2015 – M 16 K 14.4009 – juris, Rn. 16).Es ist dem Bescheiden insgesamt zu entnehmen, dass sich die Beklagte in ausreichendem Maß mit den wirtschaftlichen Interessen des Klägers auseinandergesetzt hat. Im Übrigen ist im vorliegendem Fall nicht ersichtlich, dass die wirtschaftlichen Interessen des Klägers derart überwiegend sein sollen, dass nur eine Befristung über den 30.6.2021 hinaus ermessensfehlerfrei wäre. Insoweit ist schließlich auch zu sehen, dass verfassungsrechtlich kein Recht des Klägers auf vollständige Amortisation seiner Investitionen (so auch BVerwG vom 16.12.2016 Az. 8 C 6/15, Rn. 73 u. BVerfG vom 7.3.2017 Az. 1 BvR1314/12, Rn. 215) bestünde. Auch das Lebensalter des Inhabers der Spielhallen ist nicht entscheidend, weil die glücksspielrechtliche Erlaubnis nicht personenbezogen erteilt wird.
b) Der Kläger hat ebenfalls keinen Anspruch auf eine großzügiger bemessene Befristung der Befreiung vom Verbot des Betriebes mehrerer Spielhallen im baulichen Verbund.
Grundsätzlich kann die Behörde gem. § 29 Abs. 4 Satz 4 GlüStV i.V.m. Art. 12 AGGlüStV eine Befreiung von den Anforderungen des § 25 GlüStV erteilen, wenn dies zur Vermeidung unbilliger Härten erforderlich ist. Der Dauer der Befreiung ist laut Art. 12 Satz 3 AGGlüStV explizit eine eindeutige zeitliche Grenze gesetzt. Sie kann nicht über die Geltungsdauer des Glückspielstaatsvertrages hinaus erteilt werden. Aus Wortlaut, Systematik und Ratio des GlüStV und des AGGlüStV ergibt sich, dass mit „Geltungsdauer des Glückspielstaatsvertrages“ i.S.d. Art. 12 Satz 3 AGGlüStV die Mindestlaufzeit des Glückspielstaatsvertrages bis zum 30.6.2021 gemäß § 35 Abs. 2 Satz 1 Hs. 1 GlüStV gemeint ist.
Der Wortlaut des Art. 12 Satz 3 AGGlüStV spricht von „Geltungsdauer des Glücksspielstaatsvertrages“. Laut § 35 Abs. 2 Satz 1 Hs. 1 GlüStV tritt dieser am 30.6.2021 außer Kraft. Jedoch besteht gemäß § 35 Abs. 2 Satz 1 Hs. 2 GlüStV die Möglichkeit, dass die Ministerpräsidentenkonferenz mit mindestens 13 Stimmen dessen Fortgeltung beschließt. In diesem hypothetischen Fall gilt der Staatsvertrag mit der dann festgelegten Dauer in den zustimmenden Ländern weiter. Der 30.6.2021 ist also der Endtermin der Mindestlaufzeit des GlüStV. Nur diesen Zeitraum bis zum Endtermin der Mindestlaufzeit kann der Gesetzestext des AGGlüStV in Art. 12 Satz 3 mit dem Begriff „Geltungsdauer“ meinen. Die hypothetische Geltungsdauer des möglicherweise fortgesetzten Staatsvertrages steht noch gar nicht fest. Bezöge sich das Gesetz auf diesen hypothetischen Zeitpunkt, wäre die gesetzliche Zeitangabe ohne konkreten Bezugspunkt. Damit wäre die Länge der Geltungsdauer nicht konkret bestimmbar.
Die gesetzliche Regelung führt auch nicht wie von der Klägerseite vorgetragen zu systematischen Brüchen hinsichtlich der zwingenden Befristung der Erlaubnis zum Betrieb von Spielhallen gem. § 24 Abs. 2 Satz 2 GlüStV. Spielhallen im baulichen Verbund sind aufgrund der Regelung des § 25 Abs. 2 GlüStV nicht mehr genehmigungsfähig. Daraus möglicherweise resultierende unbillige Härten für den Betreiber können im Einzelfall über die Ausnahmevorschrift des § 29 Abs. 4 Satz GlüStV i.V.m. Art. 12 AGGlüStV abgemildert werden.
Auch die Ratio des Verbotes der Erteilung einer Erlaubnis für Spielhallen im baulichen Verbund (§ 25 Abs. 2 GlüStV) stützt diese Auslegung. Primärer Gesetzeszweck der Norm ist es, eine deutliche Absenkung der Gesamtzahl der stark suchtgefährdenden Geldspielgeräte zu erreichen (vgl. LT-Drs. 16/12192, 17.04.2012). Vor diesem Hintergrund stellt die Möglichkeit einer behördlichen Befreiung vom Verbot des § 25 Abs. 2 GlüStV aufgrund eines Härtefalls eine restriktiv auszulegende Ausnahmevorschrift dar. Diese muss sich notwendigerweise, um dem Gesetzeszweck Genüge zu tun, auf einen bestimmbaren und möglichst begrenzten Maximalzeitraum, mithin auf die Mindestgeltungsdauer des GlüStV bis zum 30.6.2021, beziehen.
Somit verstieße die von der Klägerseite begehrte Erteilung einer unbefristet laufenden Befreiung vom Verbot des Betriebs mehrerer Spielhallen im baulichen Verbund gegen die Vorschrift des Art. 12 Satz 3 AGGlüStV und wäre aufgrund einer Ermessenüberschreitung durch die Behörde ermessensfehlerhaft.
c) Der Kläger kann sich nicht auf einen Unionsrechtsverstoß berufen, weil der Anwendungsbereich der Niederlassungs- und der Dienstleistungsfreiheit nicht eröffnet ist.
aa) Der Kläger kann sich in dem hier vorliegenden Fall schon nicht auf eine Verletzung der Dienstleistungs- bzw. der Niederlassungsfreiheit berufen. Der Anwendungsbereich der Grundfreiheiten ist in der vorliegenden Fallgestaltung für ihn als inländische natürliche Person mit Sitz im Inland nicht eröffnet.
Der Gewährleistungsgehalt der unionsrechtlichen Grundfreiheiten ist grundsätzlich nur dann eröffnet, wenn ein grenzüberschreitender Sachverhalt vorliegt, nicht jedoch bei reinen Inlandssachverhalten (Tiedje, in: von der Groeben/ Schwarze/Hatje, Europäisches Unionsrecht, 7. Aufl., Art. 56 AEUV Rn. 18 ff., Art. 49 AEUV Rn. 122; OVG Lüneburg, U. v. 12.7.2018 – 11 LC 400/17 – Rn. 49). Es reicht nicht aus, dass der Spielhallenbetreiber hypothetisch von einer Grundfreiheit des AEUV Gebrauch machen könnte (BVerwG, U. v. 16.12.2016 – 8 C 6/15 – juris Rn. 83; OVG Lüneburg, U. v. 12.7.2018 – 11 LC 400/17 – Rn. 49). In den Fällen, in denen der EuGH bisher nationale Regelungen an den Grundfreiheiten gemessen hat, war nach den Vorabentscheidungsersuchen der jeweiligen nationalen Gerichte ein grenzüberschreitender Sachverhalt gegeben (EuGH, U. v. 14.6.2017 – C-685/15; U. v. 30.4.2014 – C-390/12; U. v. 21.9.1999 – C 124/97; OVG Lüneburg, U. v. 12.7.2018 – 11 LC 400/17 – Rn. 49). Hier ist der Kläger ein Gewerbetreibender mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland. Zudem geht es um eine in Deutschland betriebene Spielhalle. Dabei handelt es sich nicht um einen grenzüberschreitenden Vorgang. Anders als in dem der Entscheidung des EuGH, Urt. vom 11.6.2015 – C98/14 – juris, Rn. 24/25 zugrundeliegenden Falls wird nicht vorgetragen, dass die Spielhalle überwiegend von EU-Ausländern besucht wird. Die hypothetische Möglichkeit, dass Kunden der Kläger von einer Grundfreiheit Gebrauch machen könnten, reicht hierfür nicht aus (VG München, B. v. 14.09.2017 – M 16 S 17.3330 – juris, Rn. 19 ff.).
bb) Ungeachtet des soeben Ausgeführten, liegt jedenfalls kein Verstoß der §§ 24 Abs. 2 Satz 2 Hs. 2, 25 Abs. 1, 2, 29 Abs. 4 Satz 4 GlüStV sowie des Art. 12 AGGGlüStV gegen die Dienstleistungsfreiheit sowie gegen die Niederlassungsfreiheit vor. Denn die Beschränkung der Dienstleistungs- und der Niederlassungsfreiheit durch das in den genannten Normen des GlüStV und des AGGlüStV enthaltenen Befristungserfordernis für die glücksspielrechtliche Erlaubnis sowie das Abstandsgebot und das Verbundverbot ist aus zwingenden Gründen des Allgemeinwohls gerechtfertigt und mit dem Kohärenzgebot vereinbar.
Eine Beschränkung der Niederlassungs- und der Dienstleistungsfreiheit ist nur dann gerechtfertigt, wenn die restriktive Maßnahme einem zwingenden Grund des Allgemeinwohls wie dem Schutz der Verbraucher und der Sozialordnung (einschließlich der Bekämpfung der Spielsucht), der Betrugsvorbeugung oder der Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu übermäßigen Ausgaben für das Spielen sowie dem Jugendschutz entspricht und geeignet ist, die Verwirklichung dieser Ziele dadurch zu gewährleisten, dass sie dazu beiträgt, die Gelegenheit zum Spiel zu verringern. Sie darf nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung des Ziels erforderlich ist. Dem Gesetzgeber kommt dabei ein weiter Einschätzungsspielraum zu. Zudem muss die beschränkende Regelung zur Erreichung der mit ihr verfolgten Allgemeinwohlziele in kohärenter und systematischer Weise beitragen. Dieses Kohärenzgebot beinhaltet zwei Komponenten: Zunächst muss der Gesetzgeber die Allgemeinwohlziele tatsächlich mit der Maßnahme verfolgen. Zudem darf er keine gegenläufigen, diesen Zielen widersprechenden Maßnahmen ergreifen. (Müller-Graff, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 56 AEUV Rn. 106 f.; BVerfG, B. v. 7.3.2017 – 1 BvR 1314/12 – Rn. 124; EuGH, U. v. 21.10.1999 – C67/98 – Rn. 37 f.; U. v. 6.11.2003 – C-243/01 – Rn. 67; U. v. 6.3.2007 – C-338/04 – Rn. 52 f.; U. v. 8.9.2010 – C-46/08 – Rn. 55, 64 f.; U. v. 8.9.2010 – C-316/07 – Rn. 88; OVG Lüneburg, U. v. 12.7.2018 – 11 LC 400/17 – Rn. 50 ff.).
Die angegriffenen Bestimmungen dienen alle der Verwirklichung der in § 1 GlüStV genannten und vom EuGH anerkannten Allgemeinwohlziele und gehen in ihren Mitteln auch nicht über das hinaus, was zur Erreichung dieser Ziele notwendig ist. Auch dem daneben zu erfüllenden Kohärenzgebot ist in allen Belangen genüge getan.
Darüber hinaus ist es auch einhellige Auffassung der bisher mit entsprechenden Fallgestaltungen betrauten deutschen Gerichte, dass die entsprechenden Normen des GlüStV sowie die der jeweiligen landesrechtlichen Ausführungsgesetze unionsrechtsgemäß sind. So haben weder das Bundesverfassungsgericht noch der bayerische Verfassungsgerichtshof einen Verstoß der Vorschriften des GlüStV oder des AGGlüStV gegen die Niederlassungsfreiheit und die Dienstleistungsfreiheit bejaht (vgl. BVerfG, B. v. 7.3.2017 – 1 BvR 1314/12 – juris, Rn. 124 und BayVerfGH, E. v. 28.6.2013, VerfGE 66, 10177 und vom 26.6.2018 – Vf. 4- VII-13- juris, Rn. 78). Ebenso hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof schon im Jahr 2014 entschieden, dass Art. 12 Satz 1 AGGlüStV nicht gegen das unionsrechtliche Kohärenzgebot verstößt (BayVGH, B. v. 9.5.2014 – 22 CS 14.568 – juris Rn. 25 f.). Zudem hat das OVG Lüneburg die Vereinbarkeit des GlüStV mit Art. 49 ff. AEUV und Art. 56 ff. AEUV bejaht (vgl. OVG Lüneburg, U. v. 12.7.2018 – 11 LC 400/17, juris, Rn. 40 ff.). Es ist auch nicht ersichtlich, dass die mit der Regulierung der Spielhallen bezweckte Regelung durch die Werbepraxis vor allem für staatliche Lotterien konterkariert werden könnte (OVG Lüneburg, B. v. 5.9.2017-11 ME 169/17 Rn. 23; OVG NRW, B. v. 8.6.2017-4 B307/17, Rn. 40). In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass das gewerbliche Automatenspiel in Spielhallen aufgrund der hohen Ereignisfrequenz gerade im Vergleich zu den staatlichen Lotterieangeboten ein deutlich höheres Suchtrisiko in sich birgt. Dies würde auch eine unterschiedliche Werbepraxis rechtfertigen.
Auch das Transparenzgebot ist bei der Erteilung glücksspielrechtlicher Erlaubnisse für Spielhallen nicht verletzt worden. Unbestritten ist der Grundsatz der Transparenz im Vergaberecht anerkannt. Die Erteilung von glücksspielrechtlichen Erlaubnissen für Spielhallen stellt entgegen der Ansicht der Klägerseite keine Konzessionsvergabe im Sinne des förmlichen Vergaberechts nach § 105 Abs. 1 Nr. 2 GWB, Art. 5 Nr. 1b der RL 2014/23/EU des Europäischen Parlaments dar. Danach sind Dienstleistungskonzessionen entgeltliche Verträge, mit denen ein oder mehrere Konzessionsgeber ein oder mehrere Unternehmen mit der Erbringung und der Verwaltung von Dienstleistungen betrauen. Bei glücksspielrechtlichen Erlaubnissen für Spielhallen handelt es sich nicht um entgeltliche wechselseitig bindende Verpflichtungen, mit denen die Betreiber mit der Erbringung von Dienstleistungen im staatlichen Auftrag betraut werden. Vielmehr gestattet die glücksspielrechtliche Erlaubnis gemäß § 24 Abs. 1 GlüStV, Art. 9 AGGlüSTV lediglich einseitig die Errichtung und den Betrieb der Spielhalle und schränkt diese Tätigkeit durch ordnungsrechtliche Anordnungen im Sinne der Prävention näher ein. Der Spielhallenbetreiber kann sich aus dieser Tätigkeit jederzeit von sich aus zurückziehen (OVG Münster, B. v. 8.6.2017- 4 B 307/17, Rn. 77 m.w.N.). Die Staatsvertragsparteien des Glücksspielstaatsvertrages verfolgen mit den Vorschriften zur Spielhallenregulierung zwar ordnungspolitische Ziele, haben den gesamten Markt der Spielhallen jedoch in den Händen der Privatwirtschaft belassen und begreifen ihn nicht als öffentliche Aufgabe. Überdies sind die Standorte für Spielhallen weder durch den GlüStV noch durch das AGGlüStV im Vorhinein festgelegt. Die Einhaltung eines Mindestabstandes zwischen Spielhallen und das Verbot des baulichen Verbundes führen lediglich zu einer Verknappung der möglichen Spielhallenstandorte. Sie führen aber nicht zu einer Kontingentierung der Spielhallen.
Auch hat die Verwaltung keine Darlegungs- und Beweislast, inwieweit eine Beschränkung der Grundfreiheiten ausnahmsweise durch zwingende Erfordernisse des Gemeinwohls gerechtfertigt sei. Die Verwaltungsbehörden sind an das nationale Recht grundsätzlich gebunden. Sie haben zwar auch wie die nationalen Gerichte den Anwendungsvorrang des EU-Rechts zu beachten, wenn eindeutige hinreichend bestimmte EU-Normen bestehen, die dem nationalem Recht widerstehen (vgl. EuGH v. 11.8.1995, Rs. C-431/92, juris, Rn. 39, Wärmekraftwerk Großkotzenberg, Slg. 1995, I-2189). Dies führt aber nicht soweit, dass die Verwaltungsbehörden zu ermitteln hätten, ob bestimmte nationale Bestimmungen oder der Vollzug mit dem Kohärenzgebot vereinbar sind. Dies kann man auch nicht aus der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache online Games (EuGH, U. v. 14.06.2017 – C-685/15) herauslesen. Nach dieser Entscheidung wird die Frage, ob eine Beschränkung tatsächlich mit den Grundfreiheiten in Einklang zu bringen ist, nicht den Verwaltungsbehörden auferlegt. Zwar obliegt es danach den Verwaltungsbehörden, die Beweise dem Gericht vorzulegen, die erforderlich sind, dass das Gericht prüfen kann, ob die Beschränkungen gerechtfertigt sind, die Prüfung der Kohärenz ist aber von den Gerichten vorzunehmen. Hierzu hat der Gerichtshof entschieden, dass den zuständigen Stellen des Mitgliedstaates, der sich auf ein Ziel berufen möchte, mit dem sich eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs rechtfertigen lässt, obliegt, dem nationalen Gericht, das über die Frage zu entscheiden hat, alle Umstände darzulegen, anhand deren dieses Gericht sich vergewissern kann, dass die Maßnahme tatsächlich den vom Gerichtshof aufgestellten Anforderungen genügt, damit sie als gerechtfertigt angesehen werden kann (so EuGH vom 14.6.2017, Rn. 50 mit Bezugnahme auf Urteil vom 30. April 2014, Pfleger u.a., C-390/12, Eu:ECLI:C:2014:281; Rn. 47 bis 49 und die dort angeführte Rechtsprechung). Das nationale Gericht hat dann zu prüfen, welche Ziele mit der betreffenden nationalen Regelung tatsächlich verfolgt werden und ob die durch die Regelung auferlegten Beschränkungen den sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergebenden Anforderungen an ihre Verhältnismäßigkeit genügen. Diesen Anforderungen wird die Verwaltungspraxis des Beklagten gerecht. Wie oben bereits ausgeführt sind die hier streitigen gegenständlichen Befristungen und Regelungen mit dem EU-Recht vereinbar. Eine Vorlage an den EuGH ist nicht geboten.
cc) Für die angegriffenen Bestimmungen des Bescheides der Beklagten gilt nichts anderes. Auch sie sind aus den genannten zwingenden Gründen des Allgemeinwohls gerechtfertigt, verstoßen damit nicht gegen die Niederlassungs- und die Dienstleistungsfreiheit und sind somit mit dem Unionsrecht vereinbar. Insbesondere sind die Befristungen in Ziff.
II. und III. des Bescheides sowie die jeweilige Fristlänge geeignet und erforderlich die damit verfolgten zwingenden Ziele des Allgemeinwohls zu erreichen. Sie entsprechen auch dem Kohärenzgebot.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO, §§ 708 ff. ZPO.


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