Europarecht

Sport-Wetten, Haftung, Streitwert, Erstattung, Klage, Niederlassungsfreiheit, Zustellung, Ausgangsverfahren, Verbot, Kenntnis, Zahlung, Internetdomain, Erlaubnis, Schutzgesetz, gesetzliches Verbot, Vermittlung von Sportwetten, ohne Rechtsgrund

Aktenzeichen  75 O 1849/20

Datum:
8.10.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 30708
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Landshut
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, an den Kläger 46.309,30 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 30.01.2021 zu zahlen.
2. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Gerichtskosten tragen der Kläger zu 52% und die Beklagte zu 2) zu 48%. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) hat der Kläger zu tragen. Von den außergerichtlichen Kosten des Klägers hat die Beklagte zu 2) 48% zu tragen. Im übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
4. Das Urteil ist für den Kläger und die Beklagte zu 1) jeweils gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
5. Der Streitwert wird auf 49.908,30 € bis zur Teilklagerücknahme und auf 46.309,30 € seither festgesetzt.

Gründe

Die Klage ist zulässig und, soweit sie sich gegen die Beklagte zu 2) richtet, auch begründet.
I. Das Landgericht Landshut ist zuständig.
1. Die internationale Zuständigkeit folgt aus Art. 17 Abs. 1 lit c, 18 Abs. 1 Alt. 2 EuGVVO. Die Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 findet nach der Übergangsvorschrift in Art. 3 Abs. 1 lit. b), 67 Abs. 1 lit. a) des Abkommens über den Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft vom 12.11.2019 vorliegend mit Blick auf den Rechtsstreit gegen die Beklagte zu 2) mit Sitz in x weiterhin Anwendung, da die Klage gegen die Beklagte zu 2) am 16.10.2020 und damit vor dem Ablauf der Übergangszeit eingeleitet wurde, ungeachtet dessen, dass die Zustellung erst am 29.01.2021 erfolgt ist.
Art. 17 Abs. 1 lit. c) EuGVVO ist im Verhältnis zur Beklagten zu 2) anzuwenden, da diese mit der unstreitig deutschsprachigen Internetdomain ihre gewerbliche Tätigkeit auf die Bundesrepublik Deutschland ausgerichtet hat und die abgeschlossenen Wettspielverträge in den Bereich dieser Tätigkeit fallen. Nach Anhörung des Klägers besteht für das Gericht kein begründeter Zweifel, dass der Kläger die Wettspielverträge mit der Beklagten zu 2) freizeitmäßig und damit als Verbraucher im Sinne des Art. 17 Abs. 1 EuGVVO außerhalb jeglicher beruflicher oder gewerblicher Tätigkeit eingegangen ist. Der Verbraucherbegriff nach Art. 17 Abs. 1 EuGVVO ist autonom und nach ständiger Rechtsprechung des EuGH „eng auszulegen und anhand der Stellung dieser Person innerhalb des konkreten Vertrags in Verbindung mit dessen Natur und Zielsetzung und nicht anhand ihrer subjektiven Stellung zu bestimmen, so dass ein und dieselbe Person im Rahmen bestimmter Geschäfte als Verbraucher und im Rahmen anderer als Unternehmer angesehen werden kann.“ (EuGH Urt. v. 2.4.2020 – C-500/18, BeckRS 2020, 4829). Maßgeblich für die Annahme der Verbrauchereigenschaft des Klägers ist vorliegend, dass die Wettspielverträge ausschließlich dessen Privatbereich zuzuordnen sind und der besondere Schutz des Verbrauchers als schwächerer Vertragspartner vorliegend angezeigt ist, wobei das nicht unerhebliche Ausmaß der Wetteinsätze und die Häufigkeit der Wettspielverträge dieser Einordnung nicht entgegensteht (in diesem Sinne auch: EuGH, a.a.O. Rn. 48 ff.). Im Falle des Vertragsschlusses erfasst Art. 17 Abs. 1 EuGVVO auch (konkurrierende) deliktische und bereicherungsrechtliche Ansprüche, die so eng mit den vertraglichen Ansprüchen beziehungsweise dem Vertragsschluss verknüpft sind, dass diese nicht voneinander getrennt werden können (vgl. Zöller/Geimer ZPO-EuGVVO, 33. Auflage 2020, Art. 17 Rn. 17 m.w.N.). Dies ist vorliegend der Fall.
Nichts anderes gilt mit Blick auf die Beklagte zu 1), welche nach der klägerischen Darstellung als Rechtsnachfolger der Beklagten zu 2) haften solle. Der Anspruchsgrund ist damit identisch. Die Frage, ob die Beklagte zu 1) tatsächlich für etwaige Verbindlichkeiten der Beklagten zu 2) haftet, ist demgegenüber eine materiell-rechtliche.
2. Ungeachtet der nationalen Zuständigkeitsvorschriften begründet Art. 18 Abs. 1 Alt. 2 EuGVVO auch einen örtlichen Gerichtsstand (BGH, Beschluss vom 06.05.2013 – X ARZ 65/13; Zöller/Geimer, a.a.O, Art. 18 Rn. 3).
Die sachliche Zuständigkeit folgt aus §§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG.
II. Die gegen die Beklagte zu 1) gerichtete Klage ist begründet. Dies ist nicht passivlegitimiert.
Unstreitig wurden die streitgegenständlichen Wettspielverträge zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 2) geschlossen. Selbst wenn die Beklagte zu 1), wie klägerseits vorgetragen, nach dem streitgegenständlichen Zeitraum die zuvor von der Beklagten zu 1) betriebene deutschsprachige Internetdomain www.bet365.com übernommen haben sollte, so wäre eine Haftung der Beklagten zu 1) nicht schlüssig dargetan. Auch die Klagepartei legt ihrem Sachvortrag zugrunde, dass weiterhin beide Gesellschaften existent sind. Eine Haftung aufgrund Firmenfortführung könnte sich allenfalls nach dem in x gültigen Recht ergeben, nicht jedoch aus § 25 Abs. 1 S. 1 HGB, da die Haftung des Erwerbers bei Firmenfortführung dem Recht am Sitz des Unternehmens unterliegt (vgl. Baumbach/Hopt/Merkt, 40. Aufl. 2021 Rn. 27, HGB § 25 Rn. 27). Dazu ist klägerseits nichts vorgetragen.
Der klägerische Vortrag einer Vertragsübernahme durch die Beklagte zu 1) als Vertrag sui generis entbehrt jeglicher Tatsachengrundlage.
Daneben scheidet auch eine Rechtsscheinhaftung der Beklagten zu 1) aus, da die klägerseits geltend gemachten Erstattungsansprüche ihre Grundlage in unwirksame Wettspielverträgen haben sollen, die abgeschlossen waren, bevor überhaupt die Beklagte zu 1) gegründet wurde und ein Rechtsscheintatbestand denklogisch geschaffen worden sein könnte. Eine kausale Vertrauensdisposition des Klägers ist nicht ersichtlich, respektive kann eine Haftung der Beklagten zu 1) für die streitgegenständlichen Ansprüche nicht schlüssig damit begründet werden, dass der Kläger es unterlassen haben will, sich zur Geltendmachung seiner behaupteten Ansprüche an die – nach Klageerweiterung ebenfalls am Rechtsstreit beteiligte – Beklagte zu 2) zu wenden.
III. Demgegenüber ist die gegen die Beklagte zu 2) gerichtete Klage begründet.
1. Dem Kläger steht nach erfolgter Teilklagerücknahme ein Wertersatzanspruch nach §§ 812 Abs. 1 S. 1, 818 Abs. 1, 2 BGB in Höhe der unstreitig nach Abzug zwischenzeitlicher Gewinne erlittenen Wettspielverluste zu. Die geleisteten Zahlungen erfolgten ohne Rechtsgrund, da die jeweils zugrunde liegenden Wettspielverträge wegen Verstoßes gegen § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 nach § 134 BGB nichtig waren und die Kondiktion auch nicht nach § 817 S. 2 BGB ausgeschlossen ist.
a) Die zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 2) geschlossenen Wettspielverträge waren nach § 134 BGB nichtig. Nach dem am 01.07.2012 auch in Bayern in Kraft getretenen Glücksspielstaatsvertrag aus dem Jahre 2012 war das Veranstalten und das Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet gemäß § 4 Abs. 4 verboten. In Anbetracht der beiderseitigen Strafbewehrung nach §§ 284, 285 StGB handelt es sich um ein beidseitiges Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB. Dass unter das grundsätzliche Verbot nach § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 nicht nur Online-Casionspiele, sondern auch Online-Sportwetten fallen, folgt aus § 4 Abs. 5 GlüStV 2012, welcher unter den dort genannten Voraussetzungen eine Öffnungsklausel für die Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten im Internet vorsah. Hierfür sah der GlüStV in §§ 10a, 4a ff. GlüStV 2012 ein Konzessionsverfahren für private Anbieter vor. Über eine solche Konzession verfügt die Beklagte zu 2) im streitgegenständlichen Zeitraum unstreitig nicht.
b) Der Annahme eines gesetzlichen Verbots und der daraus folgenden Nichtigkeit der Wettspielverträge stehen auch europarechtlichen Vorschriften, insbesondere die Niederlassungsfreiheit nach Art. 56 AEUV nicht entgegen.
aa) In seinem Urteil vom 04.02.2016 – C 336/14 (Ince) hat der Europäische Gerichtshof die Rechtsprechung zum alten Glücksspielstaatsvertrag fortgeführt: „Insoweit ist eingangs darauf hinzuweisen, dass gemäß dem Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts die Bestimmungen der Verträge und die unmittelbar geltenden Rechtsakte der Organe in ihrem Verhältnis zum innerstaatlichen Recht der Mitgliedstaaten bewirken, dass allein durch ihr Inkrafttreten jede entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts ohne Weiteres unanwendbar wird (vgl. Urteile Simmenthal,C 106/77, ECLI:ECLI:EU:C:1978:49, Rn. 17, Factortame u. a., C-213/89, ECLI:ECLI:EU:C:1990:257, Rn. 18, und Winner Wetten, C-409/06, ECLI:ECLI:EU:C:2010:503, Rn. 53). Der Gerichtshof hat klargestellt, dass aufgrund des Vorrangs des unmittelbar geltenden Unionsrechts eine nationale Regelung über ein staatliches Sportwettenmonopol, die nach den Feststellungen eines nationalen Gerichts Beschränkungen mit sich bringt, die mit dem freien Dienstleistungsverkehr unvereinbar sind, weil sie nicht dazu beitragen, die Wetttätigkeiten in kohärenter und systematischer Weise zu begrenzen, nicht für eine Übergangszeit weiter angewandt werden darf (vgl. Urteile Winner Wetten, C-409/06, ECLI:ECLI:EU:C:2010:503, Rn. 69, sowie Stanleybet International u. a., C-186/11 und C-209/11, ECLI:ECLI:EU:C:2013:33, Rn. 38)“. (EuGH Urt. v. 4.2.2016 – C-336/14, BeckRS 2016, 80225 Rn. 52, 53).
Unter Zugrundelegung der Annahme des damals vorlegenden Gerichts, wonach das staatliche Monopol auf die Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten faktisch auch unter Geltung des neuen Glücksspielstaatsvertrags von 2012 fortbestanden habe, hat der EuGH entschieden:
„Art. 56 AEUV ist dahin auszulegen, dass er einen Mitgliedstaat daran hindert, die ohne Erlaubnis erfolgte Vermittlung von Sportwetten in seinem Hoheitsgebiet an einen Wirtschaftsteilnehmer, der in einem anderen Mitgliedstaat eine Lizenz für die Veranstaltung von Sportwetten innehat, zu ahnden,
– wenn die Erteilung einer Erlaubnis für die Veranstaltung von Sportwetten daran geknüpft ist, dass der genannte Wirtschaftsteilnehmer eine Konzession nach einem Konzessionserteilungsverfahren wie dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden erhält und das vorlegende Gericht feststellt, dass dieses Verfahren den Gleichbehandlungsgrundsatz, das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit und das daraus folgende Transparenzgebot nicht beachtet, und
– soweit trotz des Inkrafttretens einer nationalen Bestimmung, nach der privaten Wirtschaftsteilnehmern eine Konzession erteilt werden kann, die von den nationalen Gerichten für unionsrechtswidrig befundenen Bestimmungen, mit denen ein staatliches Monopol auf die Veranstaltung und die Vermittlung von Sportwetten eingeführt wurde, faktisch weiter angewandt werden.“ (EuGH Urt. v. 4.2.2016 – C-336/14, BeckRS 2016, 80225, amtlicher Leitsatz).
bb) Entgegen der Ansicht der Beklagten kann hieraus für den vorliegenden Fall aber nicht gefolgert werden, dass in Anbetracht der fehlenden Erlaubnis zur Vermittlung von Online-Sportwetten das dann nach nationalem Recht geltende Verbot gemäß § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 nicht anzuwenden wäre, mit der Folge, dass dieses gesetzliche Verbot nach § 134 BGB auch auf zivilrechtliche Verträge unter Privaten keine Anwendung finden würde.
Das Bundesverwaltungsgericht hat sich mit Urteil vom 26.10.2017 – 8 C 18/16 in Kenntnis der vorgenannten Entscheidung des EuGH mit dem Internetverbot für Sportwetten und dem dafür vorgesehenen Konzessionsverfahren auseinandergesetzt und eine behördliche Untersagungsverfügung, die auch nach dem Inkrafttreten des Glücksspielstaatsvertrags 2012 fortwirkte, für mit EU-Recht vereinbar und rechtmäßig erachtet, jedenfalls wenn der betroffene Anbieter nicht an dem Sportwettenkonzessionsverfahren teilgenommen hat, obwohl ihm eine Antragsstellung rechtlich und faktische möglich gewesen wäre (BVerwG, a.a.O. Rn. 44 ff.).
Dass die Beklagte zu 2) im Jahr 2013 einen entsprechenden Antrag gestellt hat, was klägerseits zulässig mit Nichtwissen bestritten wurde, ergibt sich nicht aus der beklagtenseits vorgelegten Anlage B22. In dieser E-Mail des hessischen Innenministeriums wird zwar bestätigt, dass ein Antrag fristgerecht eingereicht sei. In der Betreffzeile wird jedoch ein anderer Rechtsträger als die Beklagte zu 2) genannt, namentlich die Firma B.
Insoweit kann dahinstehen, ob die Beklagte zu 2) für den Fall, dass sie selbst einen Antrag gestellt hätte, auch die materiell-rechtlichen Voraussetzungen nach § 4 Abs. 5 GlüStV 2012 hätte einhalten müssen, was – jedenfalls angesichts der fortwährenden Überschreitung des monatlichen Höchsteinsatzes von 1.000,00 €, wie aus Anlage K4 ersichtlich ist – nicht der Fall war.
cc) Ein anderes Ergebnis lässt sich auch nicht auf den Grundsatz der Einheitlichkeit der Rechtsordnung oder darauf stützen, dass die nationalen Behörden und Gerichte nach dem Grundsatz des effet utile die praktische Wirksamkeit des vorrangigen EU-Rechts sicherzustellen haben. Die Beklagten verweisen darauf, dass ein seitens der Verwaltungsbehörden geduldeter Verstoß gegen ein europarechtswidriges Verbot, welcher in der Folge auch strafrechtlich nicht sanktioniert werde, nicht über den Zivilrechtsweg dazu führen könne, dass der Anbieter von Online-Sportwetten wegen dieses Verstoßes zur Erstattung der Wettspieleinsätze verpflichtet werde. Hierbei geht die beklagte Partei indes von der falschen Annahme aus, dass die vorliegende Situation mit derjenigen vergleichbar ist, welcher dem Strafverfahren zugrunde gelegen hatte, im Rahmen dessen die Vorlage in Sachen „Ince“ an den EuGH erfolgt ist. Ausweislich der zitierten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts lag aber jedenfalls keine durchgehende Duldung von Online-Sportwetten ohne die hierfür nach dem Glücksspielstaatsvertrag erforderliche Erlaubnis vor, jedenfalls nicht, soweit der betreffende Anbieter noch nicht einmal einen Antrag nach dem Konzessionsverfahren gestellt hatte. Ob in dieser Konstellation eine strafrechtliche Ahndung insbesondere nach § 284 StGB zulässig wäre, ist vorliegend nicht entscheidungserheblich. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 27.02.2020 – 3 StR 327/19 greift insoweit lediglich die allgemeinen Grundsätze auf, hatte über die vorliegende Konstellation allerdings nicht zu entscheiden. Wenn man jedoch im Anschluss an die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts die normative Ausgestaltung des Konzessionserteilungsverfahrens in den §§ 4a bis 4e GlüStV 2012 als ausreichende und mit Europarecht vereinbare Grundlage für die Durchführung des Erlaubnisverfahrens ansieht, so müsste dies konsequenterweise auch für den verwaltungsakzessorisch normierten Straftatbestand in § 284 StGB gelten.
c) Dem klägerischen Anspruch stehen auch §§ 814, 817 S. 2, 242 BGB nicht entgegen.
Nach dem persönlichen Eindruck aufgrund der Anhörung des Klägers hat das Gericht keinen Grund zu der Annahme, dass dem Kläger im Zeitpunkt der jeweiligen Wettspielverträge im Sinne der §§ 814, 817 S. 2 BGB bewusst gewesen wäre, dass die von der Beklagten zu 2) veranstalteten Sport-Wetten mangels behördlicher Erlaubnis zur Durchführung verboten sein könnten. Der Kläger hat glaubhaft und in sich schlüssig dargelegt, dass er sich aufgrund der damals offensiven Bewerbung, vor allem im Internet, nicht ansatzweise darüber Gedanken gemacht hatte, dass diese Form der Online Sport-Wetten nicht erlaubt sein könnten. Insoweit ist es unbehelflich, wenn die Beklagten darauf abstellen, dass diese Thematik seinerzeit Gegenstand umfassender medialer Berichterstattung gewesen sei und sich Spieler auch in Foren ausgetauscht hätten. Mag sein, dass dem allgemein so war. Dass dies auch auf den Kläger zutrifft, dieser sich der Gesetzeswidrigkeit auch nur leichtfertig verschlossen hätte, hat die insoweit darlegungs- und beweisbelastete beklagte Partei aber nicht zur Überzeugung des Gerichts nachweisen können. Unabhängig davon, ob die Allgemeinen Nutzungsbedingungen (Anlage B2) jeweils wirksam in die Verträge einbezogen wurden, was klägerseits bestritten wurde, ist der unter Abschnitt C. Ziffer 3.4 allgemein gehaltene Hinweis nicht geeignet, per se den Vorwurf eines sich der Gesetzeswidrigkeit leichtfertigen Verschließens zu begründen.
Der Kläger verhält sich im übrigen auch nicht treuwidrig, wenn er zunächst die Chance auf einen Gewinn erhalten hat und sich im Anschluss an einen Verlust bei der Beklagten schadlos halten will. Es ist schon kein schutzwürdiges Vertrauen der Beklagten zu 2) ersichtlich, wonach diese berechtigterweise hätte davon ausgehen dürfen, die Wettspieleinsätze endgültig zu behalten. Die Beklagte zu 2) hätte im Eigeninteresse vor Abschluss des jeweiligen Wettspielvertrags den Kläger darauf hinweisen können, dass nach dem Glücksspielstaatsvertrag an sich eine Erlaubnis zur Veranstaltung von Online-Sportwetten erforderlich wäre, über welche die Beklagte zu 2) aber nicht verfügte. Dadurch hätte die Beklagte zu 2) zumindest die Voraussetzungen für die Anwendung des Kondiktionssausschlusses nach § 817 S. 2 BGB herbeiführen können.
2. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291 S. 1, 288 Abs. 1, 187 Abs. 1 (analog) BGB ab dem auf die Zustellung folgenden Tag.
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf einer Anwendung der §§ 91, 92 ZPO nach der Baumbach’schen Formel, wonach für die Kostenquote ein fiktiver Gesamtstreitwert in Höhe von 96.217,60 € betreffend die beiden Beklagten zu bilden und hieraus die Obsiegens- und Unterliegensquote entsprechend zu ermitteln ist.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1, 2 ZPO.
Der Streitwert bemisst sich gemäß §§ 48 Abs. 1 GKG, 3 ZPO nach der bezifferten Klageforderung, ab der Teilklagerücknahme in entsprechend reduzierter Höhe.


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