Europarecht

statthafte Beschwerde gegen die Ablehnung eines Prozesskostenhilfeantrags trotz, Nichtvorlage des Prozesskostenhilfeformulars, Abmeldung eines Kraftfahrzeugs von Amts wegen

Aktenzeichen  11 C 21.1855

Datum:
19.7.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 20851
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 166
ZPO § 114
KraftStG § 14

 

Leitsatz

Verfahrensgang

W 6 K 21.138 2021-06-10 Bes VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I.
Gegenstand der Beschwerde ist die Ablehnung eines Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine Klage gegen die Außerbetriebsetzung des Kraftfahrzeugs des Klägers, der Halter eines Fahrzeugs der V-Klasse des Herstellers Mercedes-Benz mit der Identifikationsnummer … ist.
Nachdem sich der Kläger geweigert hatte, an einer Rückrufaktion für ein Diesel-Software-Update wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung teilzunehmen, verpflichtete ihn das Landratsamt Aschaffenburg mit Bescheid vom 1. Dezember 2020 unter Androhung eines Zwangsgelds und der Anordnung der sofortigen Vollziehung, unverzüglich, spätestens bis zum 21. Dezember 2020, entweder als Nachweis über die Mängelbeseitigung eine Bescheinigung oder zum Zwecke der Außerbetriebsetzung die Zulassungsbescheinigung Teil I (Fahrzeugschein) und die Kennzeichenschilder des Fahrzeugs vorzulegen. Diesem Bescheid „widersprach“ der Kläger, erhob jedoch zunächst keine Klage.
Mit Bescheid vom 22. Dezember 2020 beschränkte das Landratsamt unter Anordnung der sofortigen Vollziehung den Betrieb des Fahrzeugs auf Fahrten zur Fahrzeugvorführung bis zur Erledigung der Anordnung unter Nummer 2 des Bescheids und verpflichtete den Kläger – unter Androhung der Ersatzvornahme – andernfalls, der Zulassungsbehörde bis zum 29. Januar 2021 die Kennzeichenschilder des Fahrzeugs zur Entstempelung und gleichzeitig die Zulassungsbescheinigung Teil I (Fahrzeugschein) zur Eintragung der zwangsweisen Außerbetriebsetzung vorzulegen. Die Betriebsuntersagung gelte als aufgehoben, wenn innerhalb vorgenannter Frist ein qualifizierter Nachweis über die Vorschriftsmäßigkeit des Kraftfahrzeugs durch eine technische Prüfstelle bzw. Überwachungsorganisation oder Fachwerkstatt vorgelegt werde.
Am 29. Januar 2021 erhob der Kläger Klage gegen beide Bescheide und beantragte vorläufigen Rechtsschutz.
Mit Beschluss vom 22. Februar 2021 (W 6 S 21.139) lehnte das Verwaltungsgericht Würzburg den Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO ab. Dieser sei unzulässig, soweit er gegen den bestandskräftigen Bescheid vom 1. Dezember 2020 gerichtet sei. Denn auch die hiergegen gerichtete Klage sei wegen Ablaufs der einmonatigen Klagefrist am 2. Januar 2021 offensichtlich unzulässig. Soweit der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gegen den Bescheid vom 22. Dezember 2020 gerichtet sei, sei er unbegründet. Die behördliche Begründung der Vollzugsanordnung genüge den formell-rechtlichen Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO. Die Erwägungen seien im gerichtlichen Verfahren in zulässiger Weise noch ergänzt worden. Weiter lägen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 FZV als Rechtsgrundlage für die getroffenen Maßnahmen vor. Das Fahrzeug des Klägers sei bei Erlass der angefochtenen Bescheide nicht vorschriftsmäßig im Sinne dieser Vorschrift gewesen. Hieran habe sich seither nichts geändert. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 und 2 FZV dürften Fahrzeuge auf öffentlichen Straßen nur in Betrieb gesetzt werden, wenn sie zum Verkehr zugelassen seien. Die Zulassung werde auf Antrag erteilt, wenn das Fahrzeug einem genehmigten Typ entspreche oder eine Einzelgenehmigung erteilt sei und eine dem Pflichtversicherungsgesetz entsprechende Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung bestehe. Die Zulassung des Fahrzeugs erfolge auf Antrag bei der zuständigen Zulassungsbehörde (§ 6 Abs. 1 Satz 1 FZV). Bei erstmaliger Zulassung sei der Nachweis, dass das Fahrzeug einem Typ entspreche, für den eine EG-Typgenehmigung vorliege, durch Vorlage der Übereinstimmungsbescheinigung zu führen. Der Nachweis gelte als geführt, wenn die Zulassungsbehörde deren Daten zu dem betreffenden Fahrzeug unter Angabe der Fahrzeug-Identifizierungsnummer aus der Zentralen Datenbank des Kraftfahrtbundesamts abrufen könne (§ 6 Abs. 3 Satz 1 und 2 Nr. 1 FZV, § 20 StVZO). Gemeinsame technische Vorschriften für die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen und Ersatzteilen wie emissionsmindernde Einrichtungen über den Austausch hinsichtlich ihrer Schadstoffemissionen seien in der VO (EG) Nr. 715/2007 festgelegt. Nach Art. 3 Nr. 10 VO (EG) Nr. 715/2007 handle es sich bei einer Abschalteinrichtung um ein Konstruktionsteil, das die Temperatur, die Fahrzeuggeschwindigkeit, die Motordrehzahl, den eingelegten Getriebegang, den Unterdruck im Einlasskrümmer oder sonstige Parameter ermittle, um die Funktion eines beliebigen Teils des Emissionskontrollsystems zu aktivieren, zu verändern, zu verzögern oder zu deaktivieren, wodurch die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter Bedingungen, die bei normalem Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise zu erwarten seien, verringert werde. Genehmigungsbehörde für Typgenehmigungen und Genehmigungen von Teilen oder Ausrüstungen, von denen ein erhebliches Risiko das für einwandfreie Funktionieren von Systemen ausgehen könne, die für die Sicherheit des Fahrzeugs oder für seine Umweltwerte von wesentlicher Bedeutung seien, sei das Kraftfahrt-Bundesamt (§ 2 EG-FGV). Die Genehmigung werde dem Hersteller auf Antrag erteilt (§ 3 Abs. 5 EG-FGV). Für jedes dem genehmigten Typ entsprechende Fahrzeug habe der Inhaber der EG-Typgenehmigung eine Übereinstimmungsbescheinigung auszustellen und dem Fahrzeug beizufügen (§ 6 Abs. 1 EG-FGV). Stelle das Kraftfahrt-Bundesamt fest, dass Fahrzeuge, Systeme, Bauteile und selbstständige technische Einheiten nicht mit dem genehmigten Typ übereinstimmten, könne es die erforderlichen Maßnahmen nach den für den jeweiligen Typ anwendbaren EG-Richtlinien anordnen, um die Übereinstimmung der Produktion mit dem genehmigten Typ sicherzustellen. Das Kraftfahrt-Bundesamt könne zur Beseitigung aufgetretener Mängel und zur Gewährleistung der Vorschriftsmäßigkeit auch bereits im Verkehr befindlicher Fahrzeuge, selbstständiger technischer Einheiten oder Bauteile nachträglich Nebenbestimmungen anordnen. Es könne die Typgenehmigung ganz oder teilweise widerrufen oder zurücknehmen, insbesondere wenn festgestellt werde, dass von Fahrzeugen, selbstständig technischen Einheiten oder Bauteilen ein erhebliches Risiko für die Verkehrssicherheit, die öffentliche Gesundheit oder die Umwelt ausgehe (§ 25 Abs. 1, 2, 3 Nr. 2 EG-FGV). Das Fahrzeug des Klägers sei bei der Zulassung mit einer Software zur Motorsteuerung ausgerüstet gewesen, die bei Abgastests auf dem Prüfstand vom standardmäßigen Betriebsmodus auf einen Modus mit niedrigerem Stickoxidausstoß umschalte. Dies sei auch heute noch der Fall. Das Kraftfahrt-Bundesamt habe diese Programmierung als unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 3 Nr. 10 VO (EG) Nr. 715/2007 eingestuft. Hierauf habe es auch in der E-Mail vom 21. Dezember 2000 an den Kläger hingewiesen und dort zutreffend ausgeführt, dass die Verwendung von Abschalteinrichtungen, die die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringern, unzulässig sei, ausgenommen in den dort aufgeführten Fällen (a bis c), die hier jedoch nicht einschlägig seien. Dies ergebe sich aus Art. 5 Abs. 2 Satz 1 und 2 VO (EG) Nr. 715/2007. Das Kraftfahrt-Bundesamt sei die fachlich zuständige Behörde, um die Unzulässigkeit einer Abschalteinrichtung festzustellen und die Fahrzeughersteller gestützt auf § 25 Abs. 2 EG-FGV zu verpflichten, die entsprechende Software aus allen Fahrzeugen zu entfernen und geeignete Maßnahmen zur Wiederherstellung der Vorschriftsmäßigkeit der Fahrzeuge zu ergreifen. Als geeignet und damit zur Wiederherstellung der Vorschriftsmäßigkeit der Fahrzeuge ausreichend sehe das Kraftfahrt-Bundesamt für den Dieselmotor des klägerischen Fahrzeugs die im Rahmen einer Rückrufaktion vorzunehmende Anpassung der Software an. Es habe die Zulassungsbehörde mit Schreiben vom 30. Oktober 2020 über die grundsätzliche Vorgehensweise gegenüber dem Fahrzeughersteller und über die Nichtteilnahme des Klägers an der Rückrufaktion informiert. Mit den gegenüber den Herstellern erlassenen Bescheiden habe das Kraftfahrt-Bundesamt die ursprünglich erteilten EG-Typgenehmigungen modifiziert. Die Anordnung, die das Rechtsverhältnis zwischen dem Kraftfahrt-Bundesamt und dem Hersteller betreffe, könne von den Zulassungsstellen für Maßnahmen gegenüber den Fahrzeughaltern zugrunde gelegt werden. Die von den Bescheiden des Kraftfahrt-Bundesamts betroffenen Fahrzeuge, darunter das Fahrzeug des Klägers, entsprächen ohne Teilnahme an der Rückrufaktion nicht mehr der modifizierten EG-Typgenehmigung und seien daher nach der obergerichtlichen Rechtsprechung als nicht vorschriftsmäßig im Sinne des § 5 Abs. 1 FZV anzusehen. Das Kraftfahrt-Bundesamt gehe davon aus, dass die betroffenen Fahrzeuge nach Teilnahme an der Rückrufaktion der modifizierten EG-Typgenehmigung entsprächen und damit wieder vorschriftsmäßig seien. Dem könnten sich die Zulassungsbehörden anschließen, ohne die technischen Einzelheiten des Software-Updates einer eigenen Überprüfung unterziehen zu müssen. Zu einer solchen Überprüfung seien sie weder verpflichtet noch in der Lage. Vielmehr obliege die Typgenehmigung und die Typprüfung von Fahrzeugen und Fahrzeugteilen allein dem Kraftfahrt-Bundesamt (§ 2 Abs. 1 Nr. 1a KBAG, § 2 Abs. 1, § 25 EG-FGV). Inwieweit ein Streitverfahren („Widerspruch“) zwischen dem Fahrzeughersteller und dem Kraftfahrt-Bundesamt vorliege und eventuell noch unentschieden sei, könne deshalb für das vorliegende Verfahren dahinstehen. Es gebe keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Weisung des Kraftfahrt-Bundesamts zur Durchführung der Rückrufaktion an den Fahrzeughersteller zu Unrecht ergangen wäre. Dies trage auch der Kläger nicht vor. Er sei vielmehr der Ansicht, ihm sei zunächst ein dies ausschließender „Gerichtsbescheid“ vorzulegen; vor einer endgültigen Entscheidung sei er nicht zur Teilnahme an der Rückrufaktion verpflichtet. Dieser Einwand gehe jedoch fehl. Es komme ihm auch nicht zugute, dass nicht er, sondern der Fahrzeughersteller die unzulässige Abschalteinrichtung zu verantworten habe. Zum einen könne er gegen den Hersteller Gewährleistungs- und Schadensersatzansprüche geltend machen. Zum anderen sei er für den fortdauernden Zustand der Vorschriftswidrigkeit seines Fahrzeugs zumindest seit der vom Hersteller eingeräumten Teilnahmemöglichkeit an der Rückrufaktion mitverantwortlich. Auch das dem Landratsamt eingeräumte Entschließungs- und Auswahlermessen sei im Bescheid vom 22. Dezember 2020 noch hinreichend ausgeübt worden und die Ausübung letztlich nicht zu beanstanden. Die eingeschränkte Betriebsuntersagung sei auch verhältnismäßig. Ferner sei die ausgesprochene Verpflichtung, der Zulassungsbehörde die Kennzeichenschilder des Fahrzeugs zur Entstempelung und die Zulassungsbescheinigung Teil I zur Eintragung der zwangsweisen Außerbetriebsetzung vorzulegen, nach § 5 Abs. 1 i.V.m. § 14 Abs. 1 FZV rechtmäßig. Dies gelte auch für die Androhung der Ersatzvornahme gemäß Art. 29 bis 32 und 36 VwZVG.
Gegen diesen Beschluss ergriff der Kläger keinen Rechtsbehelf, sondern nahm mit Schreiben vom 15. März 2021 dazu Stellung.
Mit Schreiben vom gleichen Tag beantragte er Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren. Mit Schreiben vom 16. März 2021 übersandte ihm das Verwaltungsgericht daraufhin das amtliche Formular für die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse mit der Bitte, dieses auszufüllen und zurückzuschicken. Dem kam der Kläger vor Erlass des angefochtenen Beschlusses nicht nach.
Mit Beschluss vom 10. Juni 2021 lehnte das Verwaltungsgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit der Begründung ab, der Kläger habe die Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auf den gemäß § 117 Abs. 3 und 4 ZPO eingeführten Formularen nicht vorgelegt. Im Übrigen habe die erhobene Klage auch keine hinreichende Erfolgsaussicht. Es werde auf den Beschluss vom 22. Februar 2021 im vorangegangenen Eilverfahren verwiesen.
Zur Begründung seiner Beschwerde trägt der Kläger vor, der Ablehnungsbeschluss sei sowohl ohne mündliche Verhandlung als auch ohne Hinweis auf eine Frist zur Einreichung der Unterlagen erfolgt. Die Gründe suggerierten ein Scheitern der Klage im Hauptverfahren, bevor dieses stattgefunden habe. Die Einschätzung einer hinreichenden Erfolgsaussicht sei subjektiv. Zur Einschätzung und Durchführung des Verfahrens fehle es an einer Grundlage. Er verweise auf seine Stellungnahme vom 15. März 2021 zum Eilbeschluss. Das Landratsamt habe die Klage durch die Nichtbeantwortung von Einwänden zur Rückrufaktion und die stillschweigende Ausstellung der Vollzugsbescheide sowie ungeklärte Zuständigkeiten zwischen dem Kraftfahrt-Bundesamt und den Landratsämtern erzwungen. Der Staat nötige ihn nicht nur durch die vom Verkehrsministerium im laufenden Jahr öffentlich eingeräumte Unrechtmäßigkeit der Rückrufaktion, sondern auch durch deren Durchführung, sein schwer erwirtschaftetes Hab und Gut zum eigenen Nachteil zu verändern oder zu entwerten, alternativ eine aussichtslose Zivilklage gegen den Hersteller einzureichen. Die wenigsten Betroffenen könnten die Kosten der dadurch erzwungenen Gerichtsverfahren tragen.
Am 9. Juli 2021 ging beim Verwaltungsgerichtshof eine weitere Stellungnahme des Klägers und ein ausgefülltes Prozesskostenhilfeformular ein.
Mit Schreiben vom 1. Juli 2021 teilte das Landratsamt mit, die Polizei habe die Kennzeichen entwerten, jedoch nicht den Fahrzeugschein Teil I einziehen können. Der Kläger habe diesen bis heute nicht vorgelegt, so dass das Kraftfahrzeug noch nicht außer Betrieb gesetzt sei und die Steuer- bzw. Versicherungspflicht nicht geendet habe.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, jedoch unbegründet.
Sie ist nicht gemäß § 146 Abs. 2 VwGO unstatthaft. Nach dieser Vorschrift können Beschlüsse über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe nicht mit der Beschwerde angefochten werden, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint. Dies gilt auch dann, wenn das Verwaltungsgericht die Prozesskostenhilfe ausschließlich deshalb abgelehnt hat, weil der Antragsteller die zur Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen die erforderlichen Unterlagen und Nachweise nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 117 Abs. 2, § 118 Abs. 2 ZPO nicht (fristgerecht) vorgelegt hat (vgl. BayVGH, B.v. 27.4.2021 – 5 C 20.2891 – juris Rn. 3; B.v. 6.6.2019 – 10 C 19.701 – juris Rn. 8; VGH BW, B.v. 17.4.2020 – 2 S 768/20 – ESVGH 70, 256 = juris Rn. 2; SächsOVG, B.v. 7.1.2020 – 6 D 70/19 – juris Rn. 4; OVG LSA, B.v. 14.11.2018 – 2 O 129/18 – FA 2019, 95 = juris Rn. 2; NdsOVG, B.v. 5.9.2017 – 13 PA 235/17 – DÖV 2017, 968 = juris Rn. 2; OVG NW, B.v. 22.3.2017 – 12 E 249/17 – juris Rn. 2 ff.; OVG Bremen, B.v. 23.9.2016 – 1 PA 248/16 – NVwZ-RR 2017, 262 = juris Rn. 9; OVG Berlin-Bbg, B.v. 21.6.2016 – 3 M 55.16 – juris Rn. 2; Happ in Eyermann, VwGO 15. Aufl. 2019, § 146 Rn. 11; Rudisile in Schoch/Schneider, VwGO, Stand Februar 2021, § 146 Rn. 11 jeweils m.w.N.). Hier hat das Verwaltungsgericht indessen die Bewilligung von Prozesskostenhilfe auch unter Hinweis auf die mangelnden Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs abgelehnt.
In der Sache hat die Beschwerde jedoch keinen Erfolg.
Zwar macht der Kläger zu Recht geltend, dass das Gericht grundsätzlich einen Hinweis geben bzw. eine Frist zur Vorlage der Prozesskostenhilfeformulare setzen muss, bevor es den Antrag eines – jedenfalls eines nicht anwaltlich vertretenen – Antragstellers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wegen der mangelnden Mitwirkung bei der Glaubhaftmachung seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ablehnt (vgl. § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO; BGH, B.v. 27.8.2019 – VI ZB 32/18 – NJW 2019, 3727 = juris Rn. 16 f. m.w.N.; OVG Hamburg, B.v. 22.1.2020 – 1 Bf 3/20.Z – DÖV 2020, 496 = juris Rn. 23 f.; SächsOVG, B.v. 20.1.2015 – 3 D 116/14 – juris Rn. 2; Fischer in Musielak/Voit, ZPO, 18. Aufl. 2021, § 117 Rn. 19; Wache, MK zur ZPO, 6. Aufl. 2020, § 117 Rn. 24; Reichling in BeckOK ZPO, Stand 1.3.2021, § 117 Rn. 37; Riese in Schoch/Schneider, VwGO, § 166 Rn. 46; Neumann/ Schaks in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 166 Rn. 199). Dies kann jedoch vorliegend dahinstehen, weil das Verwaltungsgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zutreffend auch wegen fehlender Erfolgsaussichten der Klage abgelehnt hat (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1, § 121 Abs. 2 ZPO) und es aus diesem Grund auf die wirtschaftliche Bedürftigkeit des Klägers nicht ankommt.
Die Frage, ob die wirtschaftliche Bedürftigkeit mit den nachgereichten Unterlagen dargetan oder ob nicht dem Kläger der Einsatz seiner Einkünfte oder die Verwertung von vorhandenen Vermögensgegenständen zuzumuten ist (§ 115 Abs. 1, 3 ZPO i.V.m. § 90 SGB XII), kann daher ebenfalls dahinstehen. Als verwertbares Vermögen können nicht selbst bewohnte Immobilien, ggf. durch Beleihung, und Fahrzeuge ab der gehobenen Mittelklasse angesehen werden, wenn deren Zeitwert die Anschaffung eines angemessenen Fahrzeugs abdeckt und ein Überschuss zur Deckung des Prozesskostenvorschusses verbleibt (vgl. BayVGH, B.v. 4.4.2008 – 7 C 08.10120 – BeckRS 2008, 41512 Rn. 5; Wache in MK zur ZPO, § 115 ZPO Rn. 89).
Verfassungsrechtlich ist es unbedenklich, die Bewilligung von Prozesskostenhilfe davon abhängig zu machen, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint, solange die Anforderungen an die hinreichende Erfolgsaussicht nicht in einer den Unbemittelten benachteiligenden Weise überspannt werden (stRspr, vgl. BVerfG, B.v. 29.9.2015 – 1 BvR 1125/14 – FamRZ 2016, 30 = juris Rn. 13; B.v. 13.3.1990 – 2 BvR 94/88 u.a. – BVerfGE 81, 347 = juris Rn. 25 ff.).
Nicht zu beanstanden ist ferner, dass das Verwaltungsgericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entschieden hat. Diese Verfahrensweise ist im Prozesskostenhilfeverfahren gesetzlich vorgesehen (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 127 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe genügt es regelmäßig, dass die Erfolgsaussichten offen sind oder es entscheidungserheblich auf schwierige Rechtsfragen ankommt, die höchstrichterlich noch nicht geklärt sind (BVerfG, B.v. 13.3.1990 a.a.O. 2. Ls., Rn. 28 f.). Hinreichende Erfolgsaussichten liegen allerdings dann nicht vor, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen ist, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist oder konkrete und nachvollziehbare Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine Beweisaufnahme mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Antragstellers ausgehen wird (vgl. BVerfG, B.v. 20.2.2002 – 1 BvR 1450/00 – NJW-RR 2002, 1069 = juris Rn. 12; B.v. 29.9.2004 – 1 BvR 1281/04 – NJW-RR 2005, 140 = juris Rn. 14).
Hieran gemessen sind die Erfolgsaussichten nicht offen. Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Klage gegen den Bescheid vom 1. Dezember 2020 unzulässig ist, weil der in der Rechtsbehelfsbelehrung:genannte Rechtsbehelf (Klage) nicht fristgerecht eingelegt worden und der Bescheid damit formell bestandskräftig, d.h. unanfechtbar geworden ist; ferner davon, dass die Klage gegen den Bescheid vom 22. Dezember 2020 unbegründet ist, weil dieser rechtmäßig ist.
Es kann offenbleiben, ob der Kläger mit seinen Einwänden gegen die verfügte Außerbetriebsetzung schon deshalb ausgeschlossen ist, weil der Bescheid vom 1. Dezember 2020 materiell bestandskräftig ist und die Beteiligten an die im Tenor dieses Verwaltungsakts getroffenen Regelungen gebunden sind (vgl. Schwarz in Fehling/Kastner/Störmer, VwVfG, 5. Aufl. 2021, § 43 Rn. 24; zur Abgrenzung Zweitbescheid und wiederholende Verfügung vgl. BVerwG, U.v. 28.3.1996 – 7 C 36.95 – Buchholz 428.1 § 4 InVorG Nr. 6 = juris Rn. 11 m.w.N.). Aufgrund der dort getroffenen Regelung steht bestandskräftig fest, dass der Kläger verpflichtet ist, die Mängelbeseitigung nachzuweisen oder sein Kraftfahrzeug außer Betrieb zu setzen. Aus dem nachfolgenden Bescheid vom 22. Dezember 2020, der wohl vor allem im Interesse der weiteren Vollstreckung Teil eines gestuften Vorgehens ist, ergibt sich nicht, dass das Landratsamt den Erstbescheid aufheben oder eine völlige Neuregelung treffen wollte. Vielmehr hat es dem Kläger zu dessen Gunsten konkludent eine Fristverlängerung zur Ausübung des Wahlrechts zwischen dem Nachweis der Mängelbeseitigung und der Außerbetriebsetzung bis zum 29. Januar 2021 gewährt und zusätzlich – wie in Nummer 3 der Gründe des Erstbescheids angekündigt – den Betrieb des Fahrzeugs auf Fahrten zur Fahrzeugvorführung beschränkt.
Jedenfalls hat das Verwaltungsgericht in dem in Bezug genommenen Eilbeschluss vom 22. Februar 2021, auf den ergänzend Bezug genommen wird, auf der Grundlage der Rechtsprechung des Senats und anderer Oberverwaltungsgerichte zutreffend entschieden, dass der von einer Rückrufaktion betroffene Fahrzeughalter gegen die von der Zulassungsbehörde zur Wiederherstellung der Vorschriftsmäßigkeit des Fahrzeugs angeordneten Maßnahmen nicht mit Erfolg einwenden kann, er befürchte mögliche Folgeschäden für sein Fahrzeug oder Nachteile in zivilrechtlichen Verfahren, wenn er das Software-Update durchführen lasse. Denn diese Einwände betreffen ausschließlich das Rechtsverhältnis zwischen ihm und dem Fahrzeughersteller; sie berühren nicht die Rechtmäßigkeit der öffentlich-rechtlichen Maßnahmen (BayVGH, U.v. 22.10.2019 – 11 BV 19.824 – juris Rn. 47; HessVGH, B.v. 20.3.2019 – 2 B 261/19 – NVwZ 2019, 1297 = juris Rn. 12; OVG Bremen, B.v. 18.5.2021 – 1 LA 117/20 – juris Rn. 11; OVG NW, B.v. 17.8.2018 – 8 B 865.18 – NVwZ 2018, 1662 = juris Rn. 37 f.). Daraus folgt, dass – jedenfalls solange die gegen den Kfz-Hersteller (hier Daimler-Benz) erlassenen Bescheide des Kraftfahrt-Bundesamts nicht unwirksam oder nichtig sind – der Beklagte auch nicht verpflichtet ist, mit Maßnahmen nach § 5 FZV zuzuwarten, bis die angefochtenen Bescheide des Kraftfahrt-Bundesamts gegenüber dem Kfz-Hersteller bestandskräftig sind und über die von diesem erhobenen Klagen gerichtlich entschieden ist. Nachdem das Kraftfahrt-Bundesamt die gegen die Kfz-Hersteller ergangenen Bescheide mit einer Anordnung der sofortigen Vollziehung versehen hat (vgl. OVG SH, B.v. 6.11.2019 – 5 MB 3/19 – NordÖR 2019, 605 = juris Rn. 3), bestehen für eine Unwirksamkeit keine Anhaltspunkte.
Damit war die Beschwerde mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen.
Im Beschwerdeverfahren gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe fallen – anders als im Prozesskostenhilfeverfahren erster Instanz – Gerichtskosten an, wobei eine Kostenerstattung nicht stattfindet (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 127 Abs. 4 ZPO). Eine Streitwertfestsetzung ist im Hinblick auf die nach § 3 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses zum GKG anfallende Festgebühr von 60,- EUR jedoch entbehrlich.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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