Europarecht

Stilllegung einer Trogförderschnecke

Aktenzeichen  RN 7 K 17.480

Datum:
19.6.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 14916
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BImSchG § 3 Abs. 5, § 4, § 6 Abs. 1 Nr. 1, § 16, § 20 Abs. 2 S. 1
4. BImSchV § 1
VwZVG Art. 36

 

Leitsatz

1 Nebeneinrichtungen sind Anlagen, die zwar zur Erreichung des Anlagenzwecks nach dem technischen Entwicklungsstand nicht erforderlich sind, aber im konkreten Fall dem Betrieb der Anlage am betroffenen Standort in untergeordneter Funktion dienen. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
2 Nach § 20 Abs. 2 S. 1 BImSchG „soll“ die zuständige Behörde die dort vorgesehenen Maßnahmen treffen, damit ist nur ein eingeschränktes Ermessen eingeräumt. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen
II. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage hat keinen Erfolg. Der Bescheid des Landratsamtes P. vom 15. März 2017 erweist sich als rechtmäßig und verletzt die Klägerin daher nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Gegen die Stilllegung der Trogförderschnecke bestehen keine Bedenken.
Die Stilllegungsanordnung (Nr. 1 des Bescheids des Landratsamtes P.) findet ihre Rechtsgrundlage in § 20 Abs. 2 Satz 1 BImSchG. Danach soll die zuständige Behörde anordnen, dass eine Anlage, die ohne die erforderliche Genehmigung errichtet, betrieben oder wesentlich geändert wird, stillzulegen oder zu beseitigen ist.
Tatbestandlicher Anknüpfungspunkt für die Anordnung der Stilllegung ist damit allein die formelle Illegalität einer immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftigen Anlage.
Das Landratsamt P. geht zu Recht davon aus, dass für die Errichtung und den Betrieb der Trogförderschnecke eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung erforderlich ist, die nicht besteht.
Das Vorliegen einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für die Trogförderschnecke wurde weder von Klägerseite geltend gemacht noch ist dies anderweitig ersichtlich.
Die immissionsschutzrechtliche Genehmigungspflichtigkeit der Trogförderschnecke folgt aus § 16 Abs. 1 Satz 1 BImSchG. Danach bedarf die Änderung der Lage, der Beschaffenheit oder des Betriebs einer genehmigungsbedürftigen Anlage der Genehmigung, wenn durch die Änderung nachteilige Auswirkungen hervorgerufen werden können und diese für die Prüfung nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG erheblich sein können (wesentliche Änderung).
Durch die Errichtung und den Betrieb der Trogförderschnecke fand eine genehmigungspflichtige Änderung der mit Bescheiden des Landratsamtes P. vom 20. Juli 2004, 14. April 2005, 22. Juni 2006 und 20. November 2007 immissionsschutzrechtlich genehmigten Anlage für die zeitweilige Lagerung und sonstige Behandlung von nicht gefährlichen Abfällen statt. Zwar stellt die Trogförderschnecke keine für den Betrieb der Klägerin notwendige Hauptanlage, sondern nur eine Nebenanlage dar. Aber auch diese unterfällt als solche der immissionsschutzrechtlichen Genehmigungspflicht aus § 4 Abs. 1 Sätze 1 und 3 BImSchG i.V.m. § 1 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 4. BImSchV. Nach diesen Vorschriften erstreckt sich das Genehmigungserfordernis auf alle vorgesehenen Nebeneinrichtungen der Hauptanlage (hier zeitweilige Lagerung und sonstige Behandlung von nicht gefährlichen Abfällen), die mit den Anlagenteilen und Verfahrensschritten, die zum Betrieb notwendig sind, in einem räumlichen und betriebstechnischen Zusammenhang stehen und die von Bedeutung sein können für das Entstehen schädlicher Umwelteinwirkungen (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 a 4. BImSchV), die Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 b 4. BImSchV) oder das Entstehen sonstiger Gefahren, erheblicher Nachteile oder erheblicher Belästigungen (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 c 4. BImSchV).
Diese Anforderungen an eine Nebeneinrichtung sind im Fall der streitgegenständlichen Trogförderschnecke gegeben.
Die Trogförderschnecke stellt unzweifelhaft eine (Neben-)Anlage i.S.v. § 3 Abs. 5 BImSchG, wozu neben Betriebsstätten und sonstige ortsfeste Einrichtungen (Nr. 1) auch Maschinen, Geräte und sonstige ortsveränderliche technische Einrichtungen sowie Fahrzeuge gehören, soweit sie nicht der Vorschrift des § 38 BImSchG unterliegen (Nr. 2). Denn selbst wenn die Trogförderschnecke, wie die Klägerseite meint, keine ortsfeste Einrichtung ist, so ist sie jedenfalls als Maschine oder Gerät anzusehen und somit nach § 3 Abs. 5 Nr. 2 BImSchG vom immissionsschutzrechtlichen Anlagenbegriff umfasst.
Die Trogförderanlage ist auch als Nebeneinrichtung zu qualifizieren. Unter Nebeneinrichtungen werden Anlagen verstanden, die zwar zur Erreichung des Anlagenzwecks nach dem technischen Entwicklungsstand nicht erforderlich sind, aber im konkreten Fall dem Betrieb der Anlage am betroffenen Standort in untergeordneter Funktion dienen (vgl. Landmann/Rohmer, Kommentar, Rn. 15 zu § 1 4. BImSchV). Von einem solchen „Dienen“ in untergeordneter Funktion ist auszugehen, da die Trogförderschnecke für den Abtransport der hergestellten PET-Regeneratoren über Silo-Lkw notwendig ist. Entgegen der Auffassung der Klägerseite reicht dies für die Annahme einer Nebeneinrichtung aus. Soweit die Klägerin hierfür eine Weiterbehandlung des PET-Guts vor Abtransport für erforderlich hält, wird diese Auffassung nicht geteilt. Denn für die Annahme einer Nebenanlage ist dies – im Unterschied zur Hauptanlage – gerade nicht nötig. Der räumliche Zusammenhang mit dem genehmigten Kernbetrieb, der zeitweiligen Lagerung und sonstigen Behandlung von nicht gefährlichen Abfällen, folgt schon aus dem Standort auf dem Betriebsgelände (zuletzt Halle 3B). Aber auch der betriebstechnische Zusammenhang zum Hauptbetrieb ist gegeben. Zu Recht begründet dies das Landratsamt damit, dass die Big Bags mit produziertem Kunstoffregenerat in unmittelbarer Nähe zur Schnecke in Hallen 3B und 4A gelagert sind und, um eine rasche Befüllung der Silo-Lkw zu gewährleisten, durch mobile Transportmittel wie Gabelstapler zur Trogförderschnecke in Halle 3B gebracht werden, von wo dann die Befüllung der Silo-LKW stattfindet. Die Nutzungsuntersagung konnte zudem – im Falle einer Neuplatzierung der Trogförderschnecke – auf das gesamte Betriebsgelände erstreckt werden, da auch dann noch der örtliche und betriebstechnische Zusammenhang zum Hauptbetrieb vorliegt. Dass die Trogförderschnecke schon im Hinblick auf deren eigene Lärmemissionen (aber auch durch die des Stapler- und Lkw-Verkehrs) Bedeutung für das Entstehen schädlicher Umwelteinwirkungen i.S.v. § 1 Abs. 2 Nr. 2 a 4. BImSchV haben kann, liegt auf der Hand. Zu Recht verweist das Landratsamt auch auf den Vorsorgegrundsatz, der angesichts der dargestellten Lärmemissionen ebenfalls tangiert sein kann (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 a 4. BImSchV). Nach alledem stellt die Trogförderschnecke eine Nebeneinrichtung dar, auf die sich das Genehmigungserfordernis des § 4 Abs. 1 Satz 1 BImSchG i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 4. BImSchV erstreckt. Dem kann die Klägerin nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 4. BImSchV dann keine Genehmigung nötig ist, wenn den Umständen nach ein Betrieb über zwölf Monate nicht zu erwarten ist. Denn zum einen wird die Trogförderschnecke entgegen der verbindlichen Erklärung der Klägerin vom 2. Februar 2017 nunmehr schon seit über zwei Jahre betrieben. Zum anderen trifft unabhängig davon § 1 Abs. 1 Satz 2 4. BImSchV für Anlagen zur Verwertung und Beseitigung von Abfällen und sonstigen Stoffen, wozu der Betrieb des Klägers gehört (Anlage zur zeitweiligen Lagerung und sonstigen Behandlung von nicht gefährlichen Abfällen nach Nrn. 8.11.2.4 und 8.12.2 Anhang der 4. BImSchV), eine Sonderregelung. Danach gilt die Genehmigungspflicht für solche Anlagen auch, wenn sie weniger als zwölf Monate betrieben werden sollen. Im Übrigen liegt ein einheitlich zu betrachtender Gesamtbetrieb vor, weshalb die Genehmigungspflichtigkeit des Hauptbetriebs auch zur Genehmigungspflichtigkeit der Nebenanlagen, unabhängig von deren Betriebsdauer, führt.
Die Errichtung und der Betrieb der Trogförderschnecke als somit grundsätzlich vom Genehmigungserfordernis umfassten Nebenanlage stellt auch eine wesentliche genehmigungspflichtige Änderung i.S.v. § 16 Abs. 1 Satz 1 BImSchG dar. Denn sie kann nachteilige Auswirkungen haben, die für die Prüfung gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG erheblich sein können. Das Landratsamt hat hierzu in der mündlichen Verhandlung zusammen mit dem technischen Umweltschutzingenieur nachvollziehbar dargelegt, dass der LKW-Fahrverkehr im Zusammenhang mit der Trogförderschnecke geeignet sein könne für zusätzliche schädliche Umwelteinwirkungen. Im Unterschied zur bisherigen Direktverladung der Regenerat-Big-Bags mittels Gabelstapler auf die Ladefläche von Lkw findet die Beschickung der Silo-Lkw laut Information der Klägerin wie folgt statt (dies wurde in der mündlichen Verhandlung klägerseits nicht bestritten): Zunächst fahre der Silo-Lkw zur Förderschnecke. Dann werde die erste Kammer des Lkw befüllt und danach erfolge jeweils eine kurze Weiterfahrt, um die restlichen Kammern des Lkw über die entsprechenden Öffnungen zu befüllen. Im Anschluss fahre der Lkw aus der Halle heraus, um durch Aufkippen für eine gleichmäßige Verteilung des Materials zu sorgen. Daraufhin fahre der Lkw wieder zur Befüllung an die Schnecke. Dies geschehe pro Lkw dreimal. Das Gericht hat keinen Zweifel, dass durch diese Befüllvorgänge der Silo-Lkw mittels Trogförderschnecke (laut Klägerin 3-5 Stunden täglich in der Zeit von 7 bis 15 Uhr) im Vergleich zur Direktverladung der Big Bags auf Ladeflächen von Lkw zusätzliche Lärmemissionen entstehen können, weshalb von einer genehmigungspflichtigen Anlagenänderung durch die Errichtung und den Betrieb der Trogförderschnecke auszugehen ist. Nachvollziehbar weist der Beklagte zudem auf die Möglichkeit der Windverfrachtung von Regenerat-Material hin, die bei der Beschickung von Silo-Lkw mittels Trogförderschnecke im Vergleich zur Direktverladung von Big Bags in höherem Maße auftreten kann. Nachdem dies alles schon für die Annahme einer wesentlichen Änderung genügt, kann die Frage, ob der Gabelstaplerverkehr bei Nutzung der Trogförderschnecke im Vergleich zur Direktverladung auf Lkw-Ladeflächen weniger Lärm herbeiführt (was von Klägerseite behauptet und von Beklagtenseite bestritten wird) ebenso dahin gestellt bleiben wie die Lärmbewertung der Trogförderschnecke selbst.
Anhaltspunkte, dass die durch die Trogförderschnecke hervorgerufenen nachteiligen Auswirkungen (Lärm/Material-Windverfrachtung) offensichtlich gering sind, die Erfüllung der sich aus § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG ergebenden Anforderungen insoweit sichergestellt sind und damit eine Änderungsgenehmigung nach § 16 Abs. 1 Satz 2 BImSchG nicht erforderlich ist, bestehen angesichts der Darlegungen des Landratsamtes zum Silo-Lkw-Lärm und zur Problematik der Windverfrachtung nicht.
Der Tatbestand von § 20 Abs. 2 Satz 1 BImSchG ist somit erfüllt.
Von dem durch § 20 Abs. 2 Satz 1 BImSchG eingeräumten Ermessen wurde in nicht zu beanstandender Weise Gebrauch gemacht. Nach dieser Vorschrift „soll“ die zuständige Behörde die dort vorgesehenen Maßnahmen treffen. Dem Landratsamt ist daher nur ein eingeschränktes Ermessen eingeräumt. Demnach muss die Behörde im Regelfall eingreifen, nur in atypischen Fällen steht ihr Eingreifen im Ermessen (vgl. Hansmann/Röckinghausen in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Kommentar, Teil III, Rn. 50 zu § 20). Ein derartiger atypischer Fall wäre gegeben, wenn die Anlage offensichtlich genehmigungsfähig ist und der Betreiber alles getan hat, um eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung alsbald zu erlangen (vgl. Hansmann/Röckinghausen in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Kommentar, Band III, Rn. 50 zu § 20 BImSchG). Jedwede Zweifel gehen dabei zu Lasten des Betreibers der ungenehmigten Anlage.
Ein derartiger atypischer Fall ist vorliegend schon deshalb nicht gegeben, weil es bereits an einem Antrag auf immissionsschutzrechtliche Genehmigung der Trogförderschnecke fehlt. Im Übrigen kann auch nicht im Hinblick auf die Lärmimmissionen und die Problematik der Regenerat-Windverfrachtung von einer offensichtlichen Genehmigungsfähigkeit die Rede sein.
Gegen die Stilllegungsanordnung des Landratsamts P. ist auch im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nichts zu erinnern.
2. Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Zwangsgeldandrohung (Nr. 2 des streitgegenständlichen Bescheids) bestehen nicht.
Die Zwangsgeldandrohung konnte auf Art. 19, 29, 30 Abs. 1 Satz 1, 31 und 36 VwZVG gestützt werden und ist rechtmäßig. Insbesondere bewegt sich das festgesetzte Zwangsgeld innerhalb des gesetzlichen Rahmens und berücksichtigt das wirtschaftliche Interesse der Klägerin, Art. 31 Abs. 2 VwZVG. Ob das Landratsamt der Klägerin eine Frist von zwei Wochen nach Unanfechtbarkeit des streitgegenständlichen Bescheids zur Stilllegung der Trogförderschnecke hat einräumen müssen oder eine solche bei einer Stilllegung als reiner Unterlassensanordnung überhaupt nicht nötig gewesen wäre, kann dahin gestellt bleiben. Denn die Frist wirkt sich zugunsten der Klägerin aus. Soweit der Klägerin der Zwangsgeldandrohung die Rechtswidrigkeit der Grundverfügung (Stilllegung) entgegenhält, kann sie damit, wie unter Nr. 1 dargelegt, nicht durchdringen.
3. Die mit der Stilllegung verbundene Kostenregelung begegnet keinen Bedenken. Die Rechtsgrundlage für die Gebühren findet sich in Art. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 KG i.V.m. Tarif-Nr. 8.II.0/1.12 KVz. Der Auslagenfestsetzung stützt sich auf Art. 10 Abs. 1 Nr. 2 KG.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff ZPO.


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